Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 22.03.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-03-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189303224
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18930322
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18930322
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-03
- Tag 1893-03-22
-
Monat
1893-03
-
Jahr
1893
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 22.03.1893
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
bet der Angeschuldigten eine Amtsrichtersgattin (!), die sich über den Gesundheitszustand ihres Mannes prophezeien liesi. Die Angeklagte er kundigte sich nach dem Geburtstag des Gatten, schlug dann einen Planeten-Kalender auf und erklärte: Herr N. N. sei im Zeichen des Planeten Widder geboren, dieser bringe Glück und Segen, doch leide Herr N. N. gegenwärtig an einem Lungen- oder Herzübel. Die Frau solle sich einen „Smaragd" kaufen und denselben tragen, denn dieser bringe Glück und Gesundheit — eine Prophezeihung, die auch die Frau Amtsrichter glaubte!!! Große Heiterkeit erregte die von Seite des Vorsitzenden an die Ange klagte gestellte Frage: „Wenn Sie einen Blick in die Zukunft haben, wenn Ihnen Gott diese Gnade zu teil werden ließ, warum haben Sie dann die Ankunft des Gendarmen nicht vorans gesehen?" auf welche Frage die Beschuldigte mit großer Naivetät antwortete: „Jawohl, mein hoher Herr, ich habe die Ankunft des Gendarmen schon tags zuvor in den Sternen lesen können, doch hielt ich dieselbe für kein großes Unglück." Ein grauenvoller Mord ist an dem Landwirt Heinrich Höhn auf dem Grundhof Wädensweil bei Zürich verübt worden. Höhn begab sich vor einigen Tagen in das benachbarte Zugergebiet, um einen Betrag von 10 000 Franl einzukassieren, erhielt jedoch die Summe nicht ausbezahlt und machte sich nachts auf den Heim weg. Tags darauf entdeckten Knaben am Wald rande der Schlieregg einen Mann und glaubten, er schlafe. Bian sah sich den Daliegenden etwas näher an und machte die schreckliche Entdeckung, daß hier eine grauenhafte Mordthat verübt wor den war. Die polizeiliche Untersuchung ergab, daß dem Ueberfallenen durch einen Beilpieb der Kopf gespalten und die rechte Hand abgehauen worden war, auch im Nacken konnte man einige Beihiebe nachweisen; überhaupt bot die Leiche einen schrecklichen Anblick; die Uhr und das Taschengeld fehlten. Der Thäter muß offenbar von dem Gang und der Absicht Höhns gewußt und reiche Beute erhofft haben. Die Unter suchung ist im Gange. Ein ganzes Torf niedergebrannt. Im Gerichtsbezirke Franj in Südsteiermark ist am 11. d. das Dorf St. Ruperti saft gänzlich medergebrannt. 43 Häuser, Scheunen und Stallungen sind eingeäschert, auch viel Vieh ver brannte, doch sind Menschenleben nicht zu be klagen. Ein Kind erlitt schwere, doch nicht lebens- gesährliche Brandwunden. Nur wenige Besitzer waren, und zwar nur niedrig, versichert, so daß die meisten Geschädigten der bittersten Not über liefert sind. Im Gefängnisse San Francesco in Neapel fand am Dienstag abend eine Revolte der Sträf linge statt. 212 Gefangene griffen mit Messern, Revolvern und Stuhlbeinen die Gefängnisbeamleu an und verwundeten zwei von ihnen sehr schwer. Erst nachdem eine Kompanie Soldaten herbei- gerufen war, gelang es, die Ruhe wieder herzu stellen. Zu dem Selbstmord auf dem Parthenon in Athen wird dem ,B. T.' folgendes Nähere gemeldet: Die aus Potsdam stammende Gou vernante des Kindes der Kronprinzessin, Fräu lein Mary Weber, war in ihrer Heimat verlobt. Bei ihren Spaziergängen auf der Akropolis lernte sie jedoch einen jungen Militärarzt kennen, der ihr die heftigste Leidenschaft einflößte. Die jungen Leute sahen sich häufig an der Stelle, Wo sie sich zuerst ihre Liebe gestanden, hoffnungs los, wie sie sich selbst sagten, beide ohne Ver mögen und ohne sichere Aussicht auf die Zukunft, und sie noch dazu mit einem anderen verlobt. So zog sich die Sache durch sieben Monate hin durch fort. Mary Weber hatte ihrem Vater ihre Liebe mitgeteilt und ihn gebeten, ihr früheres Verhältnis zu lösen. Vor einigen Tagen jedoch erhielt sie von ihm eine definitive abschlägige Antwort und bat ihren Geliebten um eine Zu sammenkunft, zu der dieser nicht erschien. Noch zwei weitere Briefe sandte sie an ihn ab, aber ohne Erfolg. Der junge Arzt war nämlich krank und da die Briefe in das Militärhospital geschickt worden waren, in dem jener als Unterarzt Dienste leistete, so kamen sie nicht in seine Hände. Erst am Morgen des unheilvollen Tages war er so weit hergestellt, daß er sich zum Hospital begab, wo er dann die Briefe vor fand. Aufgeregt durch den Inhalt und nicht im stände seinen Dienst zu versehen, kehrte er wieder in seine Wohnung zurück und erhielt hier einige Minuten vor 11 Uhr einen am vorhergehenden Abend auf die Post gegebenen Brief, in dem Mary Weber ihn beschwor, sie auf der Akropolis zu treffen; wenn er bis 11 Uhr sich nicht ein gefunden hätte, so würde sie durch einen Sturz vom Parthenon ihrem Leben ein Ende machen. Es war schon zu spät, doch eilte er noch hin; als er aber zum Militärhospital ge langt, bringt man die Unglückliche eben dorthin, In der Nacht daraus schoß er sich mit einem Revolver eine Kugel ins Herz. — Ein Bruder der Mary Weber gab sich vor einem halben Jahre den Tod, ebenfalls wegen unglücklicher Liebe; ein Bruder ihres Geliebten hat sich vor einigen Jahren ans verletztem Ehrgefühl erschossen. Strenge Kälte in Rustland. Ein Be richt der Petersburger .Wjedom.' aus Kaluga schildert die furchtbaren Folgen, unter denen die Bevölkerung des Gouvernements Kaluga während des an Frösten und Schneestürmen kaum jemals übertroffenen Winters zu leiden gehabt. Soweit bis jetzt festgestellt, sind 45 Personen im Frost und Schneegestöber ums Leben gekommen, be sonders gelitten haben die Kreise Maszalks und Kosselsk. Einen Entsetzen erregenden Anblick bot ein Haufe erfrorener Schulkinder, die auf dem Wege zur Schule vom Schneesturm ereilt und erst nach einigen Tagen aufgefunden wurden. 15 Kinder lagen eng aneinander geschmiegt und 10 waren zu Tode erstarrt. Das deutsche Konsulat in Chicago ist am Mittwoch teilweise durch Feuer zerstört wor den; die Archive sind gerettet. Gerichtshalle. Bremen. Obschon die Gerichte Mißhand lungen von Ueberarbeitern auf Dampfschiffen strenge ahnden, nehmen die Klagen wegen schlechter Behandlung der Kohlenzieher kein Ende. Es muß zwar zugegeben werden, daß die außer Landes angenommenen Ueberarbeiter in vielen Fällen geistig und körperlich heruntergekommene Leute sind, denen die Kraft und Energie zu der schweren Arbeit im Heizraum fehlt, so daß es einigermaßen erklärlich erscheint, wenn die übrigen Heizer und Kohlenzieher, die für die weniger Leistungsfähigen mit eintreten müssen, sich im Aerger zu Mißhandlungen an den Schwächeren hinreißen lassen. Nicht selten geht aber die schlechte Behandlung der Ueberarbeiter so weit, daß die Bedauernswerten ein Grab in den Wellen suchen, um ferneren Mißhandlungen aus dem Wege zu gehen. Mit einem derartigen Vorfall hatte sich die hiesige Strafkammer zu beschäftigen. Verhandelt wurde gegen den Oberheizer Alois Jamrocy, der in der Zeit vom 29. September bis 4. Oktober 1892 an Bord des Norddeutschen Lloyddampfers „Werra" den Ueberarbeiter Samuel Guttmann aus Ungarn durch Schläge mit der Hand und mit einem Riemen körperlich mißhandelt haben soll. Guttmann war in New Aork an Bord gekommen; er war von schwäch lichem Körperbau und zeigte sich dem Dienste als Kohlenzieher nicht gewachsen. Der Ober heizer Jamrocy verfuhr infolgedessen sehr unsanft mit ihm. Auch die übrigen Leute, die für den Ungar Mitarbeiten mußten, waren sehr ärgerlich auf diesen und pufften ihn zuweilen, Jamrocy aber hat ihn wiederholentlich geschlagen. Aus der Zeugenvernehmung geht hervor, daß der Mißhandelte oft bitterlich geweint und um Schonung gebeten hat, er könne es nicht mehr aushalten, er springe sonst ins Wasser. Guttmann hat sein Vorhaben ausgeführt; am 4. Oktober mittags war er verschwunden, er muß über Bord gesprungen sein. Die Strafkammer konnte nach der Seemansordnung Jamrocy zwar nicht an greifen, weil er als ein Vorgesetzter im Sinne derselben nicht anzusehen war, jedoch traf das Strafgesetz zu wegen der einfachen Körperver letzung. Das Gericht fand vier Fälle der ein fachen Körperverletzung für bewiesen und verur teilte Jamrocy zu einer Gefängnisstrafe von vier Wochen; die bisherige Unbescholtenheit des Mannes wurde mildernd in Berücksichtigung ge zogen. Chemnitz. Das Landgericht verurteilte den Redakteur Fröhlich von der ,Volksstimme' zu Burgstädt, wegen Beleidigung des Landgerichts direktors Schmidt in Breslau, den er Lügner und Verleumder genannt hatte, sowie wegen anderer Beleidigungen zu 16 Monat Gefängnis. Mailand. Von dem hiesigen Schwurgericht wurde am Dienstag der Krankenwärter Tombini, der vor einigen Monaten den seiner Obhut an vertrauten schwachsinnigen Staatsanwalt Ballerini ermordet und beraubt haben soll, zu lebensläng licher Galeerenstrafe verurteilt. In weiten Kreisen ist man der Ansicht, daß Tombini, gegen welchen auf Grund von Jndicien vorgegangen werden konnte, unschuldig verurteilt worden sei. Bukarest. Das Gericht hat die Erbberech tigung der Erben Zappas anerkannt und an geordnet, dieselben in den Besitz der Erbteile zu setzen. Aus München. Ein vierfacher Mord ist, wie schon gemeldet, in dem bayrischen Dorfe Salmdorf hinter Riem begangen. Hier war am Sonntag nachmittag ein kleiner Markt gewesen, der bei lebhafter Beteili gung ungestört verlaufen war. Die meisten der Gäste des Dorfes waren schon längst heimge gangen, die Bewohner lagen im Schlaf. Da gegen 12 Uhr tönte der Ruf „Feuer" durch den schlummernden Ort und schreckte die Bewohner aus den Betten. Ein Einwohner hatte entdeckt, daß es in dem etwa 30 Schritt von dem Dorfe abseits und einsam gelegenen Anwesen der Güt lerswitwe Anna Reitsbcrger brannte. Das Haus bewohnte die etwa 55- bis 56jährige Witwe mit ihren drei 14- bis 23jährigcn Töchtern. Bald war das ganze Dorf auf den Beinen und an der Brandstätte. Seltsamerweise regte sich in dem brennenden Hause niemand, so daß man zu fürchten begann, die Inwohner seien vielleicht schon im Rauch erstickt. Man rief, man pochte an die Fenster, man schlug gegen die Thüren — keine Antwort! Da glaubte man, im Innern des Hauses, in der nach hinten gegen das Feld zu gelegenen Schlafkammer der Bewohner, dumpfes Röcheln zu vernehmen. Man schlug die Thür des Hauses ein und drang in die Schlafkammer... Da lagen, blutüberströmt, schwer röchelnd und mit dem Tode ringend die Witwe Reitsberger und die beiden älteren Töchter, während die dritte Tochter, ein vierzehn jähriges Mädchen, hinter einem Schranke zu sammengebrochen war. Alle vier waren von ruchloser Hand auf eine geradezu bestialische Weise verletzt. Mit kalter Grausamkeit hatten der oder die Mörder, wohl mit einem Hammer oder einer Hacke, sämtlichen vier Menschen die Schläfen zertrümmert und außerdem gegen Haupt und Hals der Aermsten so furchtbare Schläge geführt, daß sie unbedingt den Tod zur Folge haben mußten. Rasch wurden insgesamt den blutgetränkten Betten die noch atmenden Opfer aus dem brennenden Hause getragen und auf der Straße vor dem Gartenzaun niedergelegt. Man versuchte, von der Witwe Reitsberger noch irgend welche Anhaltspunkte für das Verbrechen zu be kommen. Die Unglückliche schien die an sie ge richteten Fragen zwar zu verstehen, vermochte aber nicht mehr zu sprechen. Sie hat an der rechten Stirnseite eine furchtbare, wohl drei Finger breite klaffende Wunde. In dem Bette der Reitsberger sand man, unter den Kissen ver steckt, einen Hundertmarkschein. Dem Feuer, das an zwei Stellen des Hauses, links und rechts der Feuermauer, gelegt war, konnte kein Einhalt mehr gethan werden; das Haus brannte bis auf den Grund nieder. Acht Stück Vieh wurden in Siche, heit gebracht. Während die Feuerwehr den Brand zu löschen versuchte, wurden die zu Tode Getroffenen in ein Haus des Dorfes ge- chafft, wo nacheinander um halb 3 Uhr morgens ne beiden ältesten Töchter, dann um halb 4 Uhr die Mutter und endlich zwischen 6 und 7 Uhr die jüngste Tochter, ohne wieder das Bewußtsein erlangt zu haben, verschieden. Man glaubt des Mörders in der Person eines jungen Burschen aus München habhaft geworden zu sein. Amerika«! sche Reporter-Keistungen jaben schon häufig mit Recht bei uns Staunen und Verwunderung erregt. Ein neuer Beitrag zu diesem Kapitel geht der ,Köln. Volksztg.' soeben aus Washington zu: Vor kurzem starb, wie bekannt, der berühmte Staatsmann James G. Blaine. Fünf Wochen lang wurde sein Ende erwartet und nur durch starke Mittel immer aufs neue hinausgeschoben. In der Nähe seines Hauses hielten drei Reporter 7 Wochen lang Tag und Nacht Wache, jeden Ein- und Aus gehenden beobachtend, um, wenn durch Anfrage bei den Dienstboten ihnen kein zufriedenstellender Bescheid wurde, aus dem öftern Besuche eines Arztes oder anderen Umständen sich selbst ein Urteil über den Zustand des Kranken bilden zu können. Bei der bittersten Kälte, wie man sie in Washington seit Jahrzehnten nicht erlebte, übernachteten sie in einem kleinen Holzhäuschen, das am Tage für einen einzelnen Mann, der Omnibus-Billete ausgibt, eben hinreichend groß zu sein scheint. Von hier aus bewachten sie das Haus, beobachteten das Fenster des Kranken zimmers, um am nächsten Morgen berichten zu können, daß alles ruhig schien, oder daß ver mehrtes Licht und umhergehende Schatten im Krankenzimmer auf eine Verschlimmerung schließen lassen konnten. Als die Doktoren nach dem Tode Blaines aus dem Hause traten, erschienen wie immer die drei Reporter, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Die Antwort: „6löntlsman Ar. Kinins is äeaä", war das Stichwort zu einem Wettrennen nach dem nächsten Telephon, um der erste zu sein, der seiner Zeitung die Nachricht zukommen ließ. Der Reporter des ,Evening Star' (Abendstern) siegte, und fünf Niinuten nach dem Tode Blaines ver breiteten laute Rufe: „Extra-Star!" die Nach richt wie ein Lauffeuer durch die Stadt. Zu dem Zwecke sollen die Extrablätter schon large fertig gedruckt bereit gelegen haben. Und nun bemächtigten sich die Zeitungen des Gegenstandes in einer so ausführlichen Weise, wie es in der alten Welt ganz unbekannt ist. Nicht nur die Bilder aller Familienmitgliedcr brachten sie, sondern auch des Geburts- und Sterbehauses Blaines, seines Arbeitszimmers, seines Hundes, der Kirche, von wo aus er begraben und seinen Platz in derselben bei Lebzeiten, das Buch, das er dort brauchte, die Bildnisse seiner Aerzte und sogar des Doktor-Wagens, die Dekorationen in der Kirche, bei der Begräbnisfeier und das offene Grab. Noch einen Tag lang wurden ihm über das Grab hinaus einige Spalten gewidmet mit Zeichnung des Grabes, das nun mit Blumen bedeckt ist und Beschreibung der Blumenspenden, die Tausende wert waren, denn es war der 30. Januar und wohl alle Blumen nur für schweres Geld zu haben. Kuntes Allerlei. Eine originelle Verlobung spielte sich jüngst in einem Dorfe bei Tilsit ab. Die dortige Gastwirtstochter hatte schon längst ein Auge auf einen schmucken Burschen geworfen. Als die Eltern eines Tages verreist waren und sie allein die Gäste bediente, kam Julius auch dorthin. Als er scheiden wollte, war seine Mütze ver schwunden und trotz allen Suchens nicht zu finden. Da er sofort merkte, wer der Zauber künstler sei, forderte er energisch die Herausgabe der Mütze. Diese wurde aber verweigert. Da verabfolgte unser zorniger Julins höchst un galant dem Mädchen eine schallende Ohrfeige. Weinend eilte sie in die Wohnstube. Julius, sein Unrecht einsehend, will als reuiger Sünder Vergebung erflehen und eilt ihr nach. Da fällt ihm das Mädel um den Hals und ruft bewegt aus: „Julius, Julius, ich liebe dich!" Als die Eltern zurückkehrten, erflehte ein glückliches Braut paar ihren Segen! Mr Briefmarkensammler dürste es von Interesse sein, zu hören, daß die schönste und größte Sammlung sich in Paris im Besitze des Herrn Ferrari befindet. Der Wert derselben beläuft sich, wie eine englische Autorität sagt, auf 250 000 Pfd. Das britische Museum besitzt eben falls eine sehr wertvolle Sammlung. Die eifrigsten Sammler der Welt sollen die jungen Prinzen von Siam sein. Die Familie Rothschild besitzt eine sehr schöne Sammlung. Die erwähnte Autorität sagt übrigens, daß falsche Briefmarken hauptsächlich in Deutschland und den Ver. Staaten angefertigt werden. „Glück!" wiederholte Ida bitter. „Ich kenne es nicht. Ich fühle nur, daß ich grenzenlos elend bin." „Also," sagte die Gräfin, die wirren Locken glättend, die auf Idas Schulter herabfielcn, „also auch Sie, Ida, haben erfahren, daß es in dem hellsten Strome des Lebens dunkle Wellen gibt, denen niemand ausweichen kann?" „Habe ich Ihnen nicht schon vor langer Zeit gesagt, Lucile, daß ich entdeckt habe, daß das Leben nicht lauter Rosen bietet?" fragte Ida schwermütig. „Vertrauen Sie mir Ihren Kummer," sagte die Gräfin liebkosend. Ida erhob den Kopf und sah die Sprecherin mit trüben Augen an. „Ich kann es nicht, Lucile, o, das ist das härteste von allem! Es ist ein Kummer, den ich gegen keine lebende Seele laut werden lassen darf." „Verzeihung, Ida. Ich will mich nicht in Ihr Vertrauen eindrängen, aber ist es nicht ein tröstlicher Gedanke, zu wissen, daß ein Herz auf richtig an Ihnen teil nimmt, was auch die Ur sache Ihres Kummers sein möge?" „O, Lucile," schluchzte Ida, „es ist wahr, Sie lieben mich. Sie glauben an mich, wenn auch alle mich verlassen. Ohne Sie mühte ich sterben." t »So schlimm ist es nicht, meine kleine, leiden schaftliche Freundin. Haben Sie denn nicht Ihren Gatten r „Meinen Gatten?" -rdas Lippen schlossen sich unwillkürlich, und die Worte, die sie äußern wollte, blieben unaus gesprochen." Nein, wenn auch kalt und grausam, er war ihr Gatte, und es war ihre Pflicht, seine Fehler mit dem Schleier weiblichen Schweigens zu ver hüllen. Selbst gegen ihre sanfte, milde Freundin durfte keine Klage gegen ihn den Weg über ihre Lippen finden. „Und, Ida," fuhr die Gräfin fort, „berück sichtigen Sie, daß ich älter bin, als Sie, und denken Sie nicht, daß es zudringlich sein möchte; aber Sie dürfen nie vergessen, daß nächst Gott Ihr Gatte Ihnen am nächsten steht. Lassen Sie nicht ein unbedeutendes Mißverständnis, ein Wort, das vielleicht ebenso schnell vergessen ist, wie es ausgesprochen wurde, zwischen seine und Ihre Seele treten. O, Ida, ich habe so viele Menschen gesehen, die, wenn sie nicht an dieser einen Klippe, dem Mangel an Vertrauen zwischen Mann und Weib, gescheitert wären, bis zu ihrem Lebensende hätten glücklich sein können." Ida hörte ihr schweigend zu. Sie erkannte die Wahrheit dessen, was die Gräfin sagte; aber sie blieb vollständig überzeugt, daß sie das hilf lose Opfer einer Verkettung grausamer Umstände sei. Auch hätte sie ihrer Freundin nicht erklären können, daß sie selbst in ihrem Innern es nicht voll begreifen konnte, daß die kindliche, willkür liche Neigung, es war kaum Liebe zu nennen, welche ihre romantischeVerbindung mitih'emjungen Gatten zuerst erklärlich gemacht hatte, allmählich zu schwinden begann und einer wachsenden Gleich gültigkeit Platz machte. Liebe muß genährt und gepflegt werden durch Sonnenschein und Zärtlich keit, sie kann scheinbar überlegtem Widerspruch und kalter Abneigung nicht lange stand halten. Reginald und Ida konnten die Geheimnisse ihrer Herzen nicht lesen und so erweiterte sich die Kluft zwischen ihnen von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde. Die Gräfin fühlte dies, aber es stand nicht in ihrer Macht, den jungen Leuten zu helfen. Sie hatte Ida und ihrem Gatten gesagt, was sie ihnen sagen konnte und sie erkannte nur zu deut lich die Wahrheit, daß es in jedem ehelichen Leben einen Zeitabschnitt gibt, wo ohne fremdes Eingreifen der verhängnisvolle Kampf allein aus gekämpft werden muß und jeder weitere Versuch, sich einmischen zu wollen, nutzlos ist. „Ida," sagte sie, „es ist so schön draußen, wollen wir nicht eine Spazierfahrt machen? Nur eine halbe Stunde, die frische Luft wird Ihnen gut thun und wieder Farbe in Ihre bleichen Wangen bringen." „Aber meine Augen?" „Baden Sie dieselben in kaltem Wasser und machen Sie sich bereit. Sie würden mir eine wahrhafte Freude machen, wenn Sie mich begleiten wollten." Nach vielen Gegenreden gab Ida den Bitten der Gräfin nach. Madame Avioli Warin einem offenen Wagen gekommen. Die kühle, angenehme Luft, die rasche Fahrt und ihr lebhaftes Geplauder brachten die leickte Röte in Idas Wangen und den Glanz in ihre Augen zurück. Sie hatte wieder ihr gewöhnliches Aussehen, als plötzlich eine Stimme an ihr Ohr drang, deren Ton sie unwillkürlich zufammenschrecken machte. „Welches Glück, Ihnen zu begegnen, meine Gnädigen! Wohin lahren Sie?" Es war Oberst St. Argyle, der auf einem herrlichen Pferde an dem Wagenschlage hielt. „Das ist schwer zu beantworten," sagte die Gräfin. „Aufrichtig gesagt, wir wissen es selbst nicht." „Dann werde ich Sie begleiten," sagte der Oberst lachend. „Aber wenn wir keine Begleitung wünschen?" „Sie werden doch nicht so grausam sein, mich fortzuschicken?" bat der Oberst, während er neben dem Wagen herritt. „Wenn Sie recht liebenswürdig und unter haltend sein wollen, mögen Sie bei uns bleiben," erwiderte die Gräfin. „Ihre Gesellschaft wird mich dazu begeistern," rief der Oberst galant. Ida hatte außer einigen Worten höflicher Begrüßung weder gesprochen, noch einen Blick für den Begleiter. Sie war verstimmt, daß Argyle sie bemerkt hatte, gegen den sie Wider willen zu empfinden begann. Sie wäre viel lieber mit der Gräfin allein gewesen, auch war es ihr unangenehm, Reginald auch nur einen Schatten von Berechtigung für unbegründete Eifersucht zu geben. „Habe ich vielleicht den Geist der Schweig samkeit über Frau Delaware heraufbeschworen?" fragte Oberst Argyle munter, nach ein oscr zwei vergeblichen Versuchen, sie in das Gespräch hinein zuziehen. „Wie geht das zu, Ida?" fragte die Gräfin Avioli lächelnd. „Es muß wirklich an Ihnen liegen, Oberst, denn die kleine Frau war ge sprächig genug, ehe Sie kamen." Hw cs (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)