Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 01.03.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-03-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189303015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18930301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18930301
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-03
- Tag 1893-03-01
-
Monat
1893-03
-
Jahr
1893
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 01.03.1893
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Kolitische Rundschau. Deutschland. * Das Kaiserpaar stattete am Donners tag dem grobherzoglichen Hofe von Mecklenburg- Strelitz in Neu - Strelitz einen mehrstündigen Besuch ab. * Eine neue Vollmacht zur weiteren Ver längerung der bestehenden Abkommen mit Rumänien und Spanien soll, wie offiziös geschrieben wird, vom Reichstag verlangt werden. Die geltende Vollmacht reicht bekanntlich bis zum 31. März. Von den schwebenden Ver handlungen dürfte jene mit Rumänien bis zu jenem Termin zum Abschluß zu bringen sein. Dagegen ist es fraglich, ob bis dahin auch die Verhandlungen mit Spanien und namentlich jene mit Rußland so weit zu fördern sein werden. *Jm Auftrage des Reichsamts des Innern erschien bisher jährlich eine Zusammenstellung der auf Grund des Markenschutzgesetzes vom 30. November 1874 geschützten Waren zeichen. Nach dem neugeplanten Gesetz über den Warenbezeichnungsschutz, das schon am 1. Oktober d. in Kraft treten soll, wird nun be absichtigt, eine Zeichenrolle im Patentamte selbst zu führen, in die nicht bloß die Zeichen, sondern, wenn erforderlich, auch Beschreibungen derselben eingetragen werden sollen. Dadurch wird natür lich jede andere Nachweisung überflüssig und so dürfte denn auch das Erscheinen der oben er wähnten Zeichenzusammenstellung aufhören. *Der Bundesrat hat in seiner Sitzung dem Entwurf eines Gesetzes wegen Aenderung des Gesetzes über den Unterstützungs wohnsitz vom 6. Juni 1870 zugesttmmt. *Das Gesetz über die Abzahlungs geschäfte ist von der mit der Vorberatung beauftragten Reichstagskommission in zweiter Lesung unverändert nach den Beschlüssen erster Lesung genehmigt worden. Zum Referenten wurde Abg. Mehnert bestellt. *Die sozialdemokratische Fraktion brachte im Reichstag einen vollkommen ausgearbeiteten Gesetz entwurf einer Seemannsordnung ein. * Behufs Stellungnahme zum Reichs- Seuchengesetz wird demnächst, wie die ,National-Ztg/ meldet, ein außerordentlicher deutscher Aerztetag einberufen werden. *Die Münch. Allg. Ztg/ erfährt aus sicherer Quelle, daß nach einer Bestimmung des Kodizils zu dem Testament Ludwigs I. vonBayern vom Jahre 1859 der Gesamtnachlaß ausnahms los erst nach fünfzig Jahren, also im Jahre 1918, geöffnet werden darf. * Der Gouverneur von O st a f r i k a, F r e i- herr v. Soden, hat der,Kreuz-Ztg.' zufolge seine Rückkehr nach Berlin auf April oder Mai angekündigt. — Der ,Voss. Ztg/ zufolge hat Herr v. Soden in Kamerun trotz seiner Stellung als höchster Regierungsbeamter es nicht unter lassen, auf eigene Rechnung Landankäufe zu machen. Wenn auch bei anderen Nationen, vor allem bei den Portugiesen, solche Fälle nicht selten sind, daß Kolonialbeamte durch Kauf und Verkauf von Landgebieten innerhalb ihrer Kolonie ihr Einkommen zu vermehren bestrebt sind, so war dies doch im deutschen Beamtenstande bisher nicht bloß nicht Sitte, sondern eS galt geradezu als verpönt. In der That sind ähnliche Fälle bisher nicht zu verzeichnen gewesen und die .Voss. Ztg.' behauptet, daß man an maßgebender Stelle Herrn v. Soden seine Handlungsweise sehr verübelt hat. * Nachdem die telegraphische Verbindung mit Kamerun hergestellt ist, ist am 21. d. in Kamerun eine kaiserlich deutsche Tele graphenanstalt eingerichtet worden. Die Wortgebühr für Telegramme aus Deutschland nach Kamerun beträgt 10 Mk. 10 Pf.; die Be förderung findet über England, die Easternkabel und St. Vincent statt. Oesterreich-Ungarn. *Aus Wien verlautet der,K. Z/ zufolge, der gemeinsameMinisterrat habe erhebliche Mehr forderungen des Kriegsministers für das Kriegsbudget des nächsten Jahres an genommen. * DerPolenklub hat einen heftigen Feld ¬ zug gegen den Finanzminffter Steinbach eröffnet, weil derselbe im Abgeordnetenhause die inGatizien bedenklich angewachsenen Steuer unterschleife scharf geißelte. Polenführer Ja worski wies Steinbachs Anklagen in herben Aus drücken zurück, worauf der Finanzminister ruhig erwiderte, seine Vorwürfe wegen der „mangeln den Steuermoral in Galizien" seien hauptsächlich gegen die dortigen Städte gerichtet, womit er die Schlachzizen beschwichtigen wollte. Die polnischen Blätter führen gegen Steinbach eine derartig er bitterte Sprache, daß einzelne besonnene Organe, namentlich der Krakauer ,Czas', abmahnen und gegen ihre eigene Partei Stellung nehmen. Frankreich. *Das Ereignis des Tages in Frankreich ist der Rücktritt des greisen Senators Le Royer von dem elf Jahre lang geübten Amte des Senats-Präsidenten, als der er Helfer der Republik in vielen Nöten gewesen ist. Der Senat hat diesen Rücktritt mit äußerst ehren vollen Kundgebungen für den Scheidenden be gleitet. Schlimm ist, daß die Klatschsucht sich auch dieses ehrenwerten Mannes bemächtigt und ihm den Weg in den Ruhestand mit schmutzigen Gerüchten beklebt. Das geringste Gerücht ist, daß Le Royer sich scheue, den obersten Gerichts hof in Sachen Panama zu leiten. „Silberne Löffel" sucht man noch nicht bei ihm, dagegen wird sein Familienleben herangezogen. Seine Pflegetochter, die zweimal verheiratet gewesen und beide Male geschieden worden ist, soll dem alten Manne das Leben verbittern. So habe neulich der langjährige Kabinettsches Le Royers wegen dieses „widerspenstigen Kätchens" seinen Abschied genommen. Wie alle Gerüchte, so ist auch dieses nicht recht klar, sondern läßt den inneren Zusammenhang der aufgeregten jungen Frau mit den Senatsgeschäften durchaus nicht erkennen. * Für die Präsidentschaft zum fran zösischen Senatist in einer vorbereitenden Volks versammlung der vier republikanischen Senats gruppen Jules Ferry (der früher so sehr verschrieene „Tonkinese" und „Bismarckfreund") als republikanischer Kandidat aufgestellt worden. Im ersten Wahlgang erhielt Ferry 70, Magnin 40, Challemel-Lacour 23 Stimmen, im zweiten Wahlgang Ferry 89, Magnin 54 Stimmen. Magnin erklärte darauf seinen Entschluß, von der Kandidatur zurückzutreten. Ferry fit somit als Kandidat der republikanischen Majorität der künftige Senatspräsident. England. »Das Unterhaus nahm am Mittwoch die Bill betr. die Ausdehnung der Arbeit er zöge auf den Londoner Eisenbahnen mittels Einführung einer Art von Z o n e n s y st e m und die Regierungsvorlage betr. die Arbeitsstunden dec Eiseubahubeamten in zweiter Lesung an. Schweiz. *Der Baseler Fastnachtsscherz mit dem französischen Präsidenten wird keine weiteren Folgen haben. Der schweizerische Bundesrat hat der französischen Gesandtschaft sein Bedauern über den Vorfall aussprechen lassen und nach einem dem französischen Minister des Auswärtigen mitgeteilten Telegramm wird der Zwischenfall zur Zufriedenheit Frankreichs er ledigt werden. Italien. * Die italienische Kammer verwarf am Don nerstag in namentlicher Abstimmung mit 197 gegen 92 Stimmen den Antrag des Sozialisten Agnini, die die Banken betreffenden Ministerial- akten einem Ausschüsse von 7 Mitgliedern zuzu weisen. Der Ministerpräsident Giolitti hatte eine Vertagung auf drei Monate verlangt. Crispi und Rudini stimmten für den Antrag Crispi hatte erklärt, man müsse mit der Gewohn heit brechen, ähnliche Anträge beständig abzulehnen. (Diese Kraftprobe ist also gegenCrispi aus gefallen.) Der Schatzmeister Grimaldi brachte einen Gesetzentwurf ein, wodurch die provisorische Gebahrung der Einnahmen und des Schatzbudgets bis zum 31. März verlängert wird. * Wegen Verdachts der Mitschuld an der in den letzten Tagen in Rom vorgekommenen Explosion einer Petarde sind 20 Anarchiste n verhaftet worden. Bei einem von ihnen wurde eine Petarde von derselben Konstruktion, wie kürzlich in der Cavourstraße explodierte, vor gefunden und beschlagnahmt. Rustland. * Gegen die Juden steht eine neue Maß regelung bevor. Im Jahre 1880 wurde den auch ohne besondere Bewilligung außerhalb des sogenannten AnsiedelungS-Rayons wohnenden Juden unter der Bedingung, daß sie ihre Un bescholtenheit und eine ständige Beschäftigung nachweisen, der fernere Aufenthalt in ihren Wohn orten gestattet. Diese Erlaubnis wurde im Jahre 1882 ausdrücklich erneuert. Der ,N. Fr. Pr/ zufolge hat aber jetzt der Minister des Innern einen Erlaß an die Gouverneure gerichtet, wo nach diese dafür Sorge tragen sollen, daß die bezeichneten Juden ihre jetzigen „unrechtmäßigen" Wohnsitze verlassen. Es wird eine Frist von vier Monaten gewährt, die nötigenfalls bis zum 1. November d. verlängert werden kann. Usn Uah un- Fern. Jetzt werden schon die Raupen geimpft! Der ,Reichs-Anzck schreibt: Die im vergangenen Herbst in den Staatsrevieren des Regierungs bezirks Potsdam probeweise ausgeführten Samm lungen von Nonneneiern haben ergeben, daß die örtliche Verbreitung der Nonne noch verhältnis mäßig eine erhebliche ist. Auch die aufgefundenen Eiermengen sind verhältnismäßig bedeutend. Die stärker gewordenen Bestände umfassen danach im ganzen 8316 Hektar. In denselben soll zur weiteren Abwendung der Nonnengefahr allgemein die Impfung der Raupen mit dem die Flacherie erzeugenden Bacillus L. und teilweise auch die Anlegung von Leimringen bewirft werden. Grostes Aufsehen erregt die Thatsache, daß der Bürgermeister Wagner in Radeburg auf Veranlassung der Amtshauptmannschaft zu Großenhain bis auf weiteres seines Amtes ent hoben worden ist. Diese Maßnahme erfolgte wegen des dringenden Verdachtes, daß Wagner nicht unerhebliche Beträge aus der städtischen Herbergskasse veruntreut hat. Die weitere Unter suchung der peinlichen Angelegenheit hat die Staatsanwaltschaft zu Dresden in die Hand genommen. Die Leitung der städtischen Ver waltung wurde vorläufig dem ersten Stadtrat übertragen. Der Bestand an Auerochsen, den der Furst von Pleß bekanntlich in seinen umfang reichen Waldungen unterhält, hat durch eine neue Zufuhr aus Rußland einen Zuwachs erhalten. Der Transport ist am 21. d. abends auf dem Bahnhof in Pleß angekommen und am folgenden Tage nach dem Standort Mezerzitz übergeführt worden. Das Wort eines Verbrechers. Der Ar beiter H. aus dem Kreise Husum, der schon mehr fach Gefängnisstrafen abgebüßt hatte, sollte aus Bredstedt dem Landgerichte in Flensburg über liefert werden. H. versprach der Heimatsbehörde, sich freiwillig in Flensburg stellen zu wollen; man hielt es indes für zweckmäßiger, ihn ge fesselt durch einen Polizisten mit der Bahn zu befördern. Unweit des Bahnhofs gelang es dem gefesselten H., seinem Führer zu entspringen und in der Dunkelheit zu entkommen. H. machte sich sofort zu Fuß quer durchs Schleswigsche nach dem mehrere Meilen entfernten Flensburg auf den Weg; er war ohne Zehrgeld und ohne Nahrung; die Kälte war scharf und der Weg schlecht. Der Entflohene wanderte unentwegt auf Flensburg los, wo er sich sofort der Be hörde stellte. Das Schiestgewehr. Ein junger Land mann von Aaroe (Nordschleswig) hat in sträf lichem Leichtsinn seinen Freund erschossen. Jener hatte sein Gewehr, das einer Reparatur unter zogen worden war, abgeholt und ging auf dem Heimwege am Hause seines Freundes vorüber. Als der Landmann diesen am Fenster erblickte, streckte er ihm die Waffe entgegen; in demselben Augenblick entlud sich das Gewehr und die volle Ladung drang durch die Scheibe in den Kopf des Freundes, der tötlich getroffen zu Boden stürzte. Nach qualvollen Leiden ist der Unglück liche den schweren Verletzungen erlegen. Eine eigenartige Berufung. Die Tag KerzsnswanöMngen. 1Sj (Fortsetzung.) Giuseppe runzelte die Stirn. .Ich habe tausend Pfund gefordert!* „Ich weiß es und habe Ihnen gesagt, daß ich Ihnen nicht mehr geben kann, als fünfhundert. Nehmen Sie dieselben, Giuseppe, und gehen, oder thun Sie, was Ihnen beliebt." Der Ton verzweifelter Gleichgültigkeit sagte dem Schurken, daß er nicht weiter gehen dürfe. „Es muß genügen!" rief er, sich das Kinn streichend, „wenn die Signora wirklich nicht mehr für einen Mann thun konnte, der die Interessen Ihrer Familie treu gewahrt hat," und nahm die Banknoten, die auf dem Tisch lagen. „Meiner Familie!" sagte sie bitter. „Ja, gnädige Frau, des Geschlechts der L'Echelles. Glauben Sie, ich würde das Ge heimnis bewahrt haben, wenn es sich nicht um Ihre Mutter handelte? Ich mag ein armer Mann sein, gnädige Frau, von vielen verachtet, selbst von Ihnen, aber ich habe nichtsdestoweniger ein Gewissen, und die L'EchelleS waren meine Herren lange Zeit, ehe Sie geboren waren." „Leben noch welche von ihnen?" fragte Ida matt. „Leider nein, ausgenommen Ihre Mutter." „Giuseppe," sagte Ida in dringendem, fast befehlendem Tone: „Giuseppe, wer ist meine Mutter? Ich will es wissen!" Giuseppe lächelte. „Nun, gnädige Frau, ich sehe keinen Grund, weshalb Sie es nicht wissen sollten. Gestern hätte ich es Ihnen nicht sagen können, heute weiß ich, wer sie ist. Es ist ein schöner, vornehmer Name, den sie trägt, der in der Pariser Gesell schaft einen guten Klang hat. Ah, ich sehe, Sie werden ungeduldig, und vielleicht mit Recht. Ihre Mutter, gnädige Frau," und hier senkte er seine Stimme, als Ida mit bleichen Wangen und ängstlich gespanntem Blick sich vorbeugte, „Ihre Mutter ist die Gräfin Avioli." Ida stieß einen leisen, dumpfen Schrei auS. „Die Gräfin Avioli! Unmöglich!" „Nicht allein möglich, gnädige Frau, sondern wahr," antwortete Giuseppe nachlässig. „Das überrascht Sie? Nun, die L'Echelles haben leichte und gleichzeitig kühne Herzen. Ein Mord mehr oder weniger auf dem Gewissen, bedeutet nur wenig, und, bei meiner Treu, die Dame trägt den Kopf hoch genug! Es ist ihr alle die Jahre gelungen, sich mir zu entziehen, jedoch wußte ich, daß ich sie endlich finden würde." „Die Gräfin Avioli meine Mutter," wieder holte Ida langsam, als sei sie sich der ganzen Bedeutung dieser Worte noch nicht vollständig bewußt. „Die Gräfin Avioli Ihre Mutter und Mör» derin Pierre L'Echelles," sagt« Giuseppe. „Und ich liebte diese Frau!" entrang es sich Idas zitternden Lippen. „Steht es so?" fragte der Italiener. „Nun, der Instinkt der Natur ist wunderbar. Sie hatten keine Ahnung davon, daß sie Ihnen das Leben gegeben und dennoch —" Ida winkte ihm schaudernd zu I-Hweigen Nach einer minutenlangen Pause hob Ida wieder an: „Weiß die Gräfin, daß — daß —" „Daß Sie ihr Kind sind?" fiel ihr Giuseppe inS Wort. „Nein, gnädige Frau, es lag nicht in meinen Plänen, daß sie das Entzücken ge nießen sollte, ihre wiedcrgefundene Tochter an ihr Herz zu drücken, das Kind, welches sie schon lange als tot betrauert." „Sie wird es nie thun," erwiderte Ida, un willkürlich die Hände ballend. Giuseppe betrachtete sie lächelnd. „Die Signora teilt meine Gefühle," sagte er mit grausamer Schadenfreude. Ich wußte von Anfang an, daß es unnötig sei, der gnädigen Frau Verschwiegenheit anzuempfehlen." „Guiseppe," sagte Ida zornig, „ich verachte mich selbst, mehr, wie ich aussprechen kann, daß ich auch nur einen Gedanken, oder ein Gefühl mit Ihnen gemein habe, aber es ist zu viel für mich, dies aussprechen zu hören. O, wäre es jede andere gewesen, wie sie! Verlassen Sie mich jetzt, Giuseppe; Sie sind lange genug hier gewesen — viel zu lange!" „Sie sind krank, gnädige Frau," sagte der Italiener, einen forschenden Blick auf ihr bleiches Antlitz werfend. „Soll ich die Kammerjungfer rufen?" „Nein, rufen Sie niemand, aber verlassen Sie mich. Ich muß allein sein." „Und wann," fragte er lauernd, „darf ich wieder kommen, um mir den Rest der kleinen Summe zu holen, welche die Großmut der gnä digen Frau —" „Ich weiß nicht — es ist mir gleich!" stieß Ida in einem Tone hervor, der Giuseppe an zeigte, daß sein Vorteil es erheische, diesen löhnersfrau Katharina Krouwald von Brückenau hatte gegen ein Urteil des Schöffengerichts, das ihr wegen Kartoffeldiebstahls 5 Tage auf brummte, Berufung eingelegt. Sie suchte nun um Vertagung der Verhandlung nach und bat, man möchte ihr das Geld zur Fahrt nach Würz burg senden, da sie sonst nicht kommen könne. Als ihr das verweigert und mitgetcilt wurde, daß, wenn sie nicht erscheine, ihre Berufung ver worfen würde, schrieb sie folgende Postkarte: „Herr Landesgerichtsrat! Ich hab meine Sach gesagt, die Zeugen werden es auch sagen, ich hab nichts gestohlen. So für nix läßt man sich nicht 5 Tage einsperren. Man hat das Geld nicht so, daß man nach Würzburg fahren kann, wenn man einen gelähmten Mann zu Hause hat. Ich werde mich beim Reichsgericht in Leipzig beschweren. Katharina Kronwald." Trotz dieser eindringlichen Verteidigungsschrift wurde ihre Berufung verworfen. Weibliche Mitglieder einer Schüler- Verbindung. In Würzburg wurde, wie be kannt, eine geheime Schülerverbindung aufge hoben und die Teilnehmer an derselben, Schüler des dortigen Realgymnasiums, sofort entlassen. Das Merkwürdige an dieser Sache aber ist, daß dieser Schülerverbindung, die studentische Ge- bahren nachahmte, auch zwei Mädchen im Alter von 16 und 17 Jahren angehörten, welche den Kneipereien gleichfalls mit Mütze und Band bei wohnten. Leiden auf Gee. Der Dampfer „Jakoff Prosoroff" aus Lübeck, Kapitän Herlich, mit Eisenerz von Oxelösund (Schweden) nach Rotter dam bestimmt, war 42 Tage auf See. Die Mannschaften nährten sich in den letzten 32 Tagen von Kartoffeln und Wasser. Der Dampfer ist am Mittwoch 9 Meilen östlich von Möen ge sunken. Die aus 16 Mann bestehende Besatzung landete am Mittwoch abend in schlechtem körper lichen Zustande. Erbschaftsschwindler. Auf Antrag der Preuß. Regierung verhaftet wurde in Amsterdam ein 73jähriger Mann, der sich G. H. de Mettin nennt. Es handelt sich dabei um die Millionen erbschaft des im Jahre 1789 in Amsterdam ge storbenen Reeders Brandt; die Hälfte derselben fiel an die Familie van Meurs, die andere Hälfte gehörte deutschen Verwandten des Erblassers. Da letztere aber trotz mehrfacher Aufforderungen in den Zeitungen ihre Ansprüche 30 Jahre lang nicht geltend machten, so verjährten dieselben und der Staat zog den Betrag ein. Der genannte de Mettin hat nun volle 30 Jahre lang die Thatsache, daß von deutscher Seite niemals An sprüche auf die Erbschaft erhoben wurden, unge hindert ausgebeutet, indem er in deutschen Blättern die Erbberechtigten auffordecte, ihre Interessen in seine Hand zu legen, wofür er sich dann tüchtig bezahlen ließ. Auf diese Weise scheint er ein anständiges Vermögen erworben zu haben, bis eine Dame in Hamburg, die allmählich um 15 000 Mk. geprellt worden war, Klage erhob. Der Juwelendiebstahl in Brüssel. Trotz des ernsten Verdachtes, der sich, wie bereits ge meldet, auf zwei Engländer lenkt, sind die Behörden iu bezug auf die Urheberschaft des Juwelendiebstahls nach wie vor auf blaße Ver mutungen angewiesen. Wie immer der Diebstahl begangen worden ist, so steht fest, daß mindestens ein Teil der Dienerschaft dabei Beihilfe geleistet hat und daß die Schmuckkassette durch die ein same Arsenalstraße, in die der rückwärtige Teil des Palastes ausmündet, entfernt wurde. Da die gräfliche Dienerschaft aber 63 Mitglieder zählt, die so ziemlich alle Zutritt in sämtliche Räumlichkeiten des Palastes Zutritt haben, so läßt sich der Schuldige schwer herausfiuden. Der durch Selbstmord verstorbene Kutscher Bar- beret soll wegen eines unheilbaren Leidens den Selbstmord begangen haben und an dem Dieb stahl nicht beteiligt gewesen sein. Ueber den wahren Wert der gestohlenen Juwelen hört man immer größere Zahlen, und die Thatsache, daß die Gräfin v. Flandern für die Wiedererlangung ihres Schmuckes eine Million Frank bietet, scheint die Meinung zu bekräftigen, daß alle bisher an gegebenen Zahlen zu niedrig waren. Aus dem vom Untersuchungsrichter veröffentlichten Ver zeichnisse der gestohlenen Juwelen geht hervor, daß einzelne Brillanten, Perlen und Edelstein« Gegenstand vorläufig fallen zu lassen. „Ich sage Ihnen, gehen Sie!" Und Giuseppe entfernte sich, ohne daß sie seinen kriechenden Abschiedsworten Beachtung schenkte. Allein geblieben, sank Ida in das Sofa zurück und begrub ihr Gesicht in die Kissen. „Das Kind einer Mörderin," schluchzte sie, „und jene Mörderin die Gräfin Avioli, um die jede Fiber meines Herzens sich schon in aufrich tiger Liebe geschlungen!" Sie konnte kaum die volle Bedeutung des niederschmetternden Schlages fassen, der sie so plötzlich getroffen. Sie würde eine Welt darum gegeben haben, wenn sie sich auf eine Wüste oder auf eine einsame Insel hätte flüchten können, wo der Hohn und das Gespött der Dienge ihr Ohr nicht erreichen konnte. Ihr ganzes Leben lang war sie unbewußt eine Betrügerin gewesen. Würde Gresham sie in seine friedliche Häuslich keit ausgenommen haben, wenn er gewußt hätte, daß ihre Mutter eine Mörderin war? Würde Reginald den hochgeachteten aristokratischen Namen der Delawares mit dem der Tochter einer Mörderin verbunden haben? Sie blickte schaudernd auf ihre Hände, als erwarte sie auf den schlanken Fingern die Spuren von Blut zu entdecken. Es war ihr, als müsse das Kains zeichen auf ihrer Stirn brennen. Dann,. als könnte sie nicht länger ruhig bleiben, sprang sie hastig ans und schritt rastlos, die Hände ringend, im Zimmer auf und ab. „Ich glaube," murmelte sie, „daß mancher unter dem Drucke solch namenlosen Grausens, wie das meine, zum Wahnsinn getrieben werden
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)