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Allgemeiner Anzeiger : 22.02.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189302222
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-02
- Tag 1893-02-22
-
Monat
1893-02
-
Jahr
1893
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 22.02.1893
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gegen 4 Uhr gingen in Wien der Tischlermeister Martin Dworschak mit seiner 16jährigen Tochter Marie in Begleitung des Tischlermeisters Robert Brunner, die von einer Tanzunterhaltung heim kehrten, bei einem Gasthause, wo eine Tanzunter haltung stattsand, vorbei. Die Gesellschaft befand sich in gehobener Stimmung. Der Tischlermeister Brunner ries plötzlich: „Da geh'n wir noch hinein, noch einen Tanz machen, Fräulein Marie." Allein das Mädchen wollte nichts davon wissen. Brunner aber faßte die Marie Dworschak trotz ihres Sträu bens um die Taille und trug sic zum Ballsaal. Beim Eingang zum Ballsaal stieß das Mädchen Plötzlich einen markerschütternden Schrei aus und stürzte zusammen. Es wurde schnell ein Arzt requiriert, der konstatierte, daß Brunner dem Mädcben beim Hineintragen in den Ballsaal zwei Rippen eingedrückt hatte. Die Bedauerns werte wurde in die Wohnung ihres Vaters gebracht. Eine Petroleum-Explosion mit schweren Folgen hat sich in der Nacht zum Dienstag in Nemec-Terek ereignet. In einem Wirtshause, das mit Gästen dicht gefüllt war, explodierte ein Petrolcumfaß. Eine furchtbare Panik entstand, alles suchte zu flüchten, zwanzig Personen, Kinder und Erwachsene, konnten in dem raucherfüllten Raume den Ausgang nicht finden und sind trotz aller sofort getroffenen Rettungsmaßnahmen teils erstickt, teils verbrannt. Falschmünzer. Die Polizei in Riesa ist einer weitverzweigten Falschmünzer- und Diebes bande aus die Spur gekommen. Drei Personen wurden verhaftet. Bei den Haussuchungen wurden Gerätschaften aufgefunden. Ein findiger Vankee ist auf den Einfall gekommen, in Chicago die schönsten Frauen der Welt auszustellen — allerdings nur — im Bilde. Er versendet an alle namhafteren Photographen Zirkulare mit dem Ersuchen, ihm — gegen eine hohe Entschädigung — Kopien der reizendsten Damenbilder zu übersenden, die sie je ausge nommen. Er beabsichtigt, diese dann in Lebens größe Herstellen zu lassen und auf diese Weise zu einer Schönheitsgalerie zu kommen, die wohl trotz des vielzitiecten Ben-Akiba wirklich „noch nicht dagewesen" ist. Schwere Stürme verwüsteten die ganze südliche Hälfte von Madagaskar; die Ernte ist zerstört, zahlreiche Dörfer sind verwüstet. Drei große Schiffe und zahlreiche Barken sind unter- gegangen. i Ein Wirbelsturm vernichtete einen großen Teil der japanischen Fischerflotte. Im chinesi schen Meere sind über 100 Fahrzeuge unterge gangen. Mehr als 500 Fischer sind umge kommen. „Keichendarden" nennt der Berliner Volksmund jene Sänger, deren Beruf es ist, durch Vortrag geistlicher Gesänge die weihevolle Stimmung bei Trauer- seiern zu erhöhen. Das Geschäft eines „Leichen barden" ist ein ganz einträgliches, namentlich wenn er selbst „Unternehmer' ist. Man rechnet mit der Thatsache, daß man unter dem Eindruck der Trauer in Geldsachen nicht so genau ist, und huldigt, wenn es irgend angcht, dem Grundsatz „Je mehr desto besser". Zuweilen freilich täuscht man sich in der Bereitwilligkeit der „Opfer", und jener Ouartettdirigent, der 600 Mk. für zwei Choräle verlangte, die von sechs Sängern in einer in etwa fünf Stunden erreichbaren deut schen Residenz gesungen werden sollten, gehörte zu denen, die sich getäuscht hatten. Im allge meinen zahlt man in Berlin pro Sänger 9 Mk.; sieht der „Unternehmer", daß dies den Leidtra genden zu viel ist, so ist er meist auch mit 7,50 Mk. oder gar mit 6 Mk. zufrieden, um das „Geschäft" nicht aus der Hand zu lassen. Die sog. „Wilden" machen es natürlich bedeutend billiger, es ist allerdings auch uieist danach. Die einzelnen Sänger erhalten von dem „Unter nehmer" etwa die Hälfte des ausbedungenen Honorars, von der andern Hälfte muß der „Unternehmer" allerdings auch noch einen ge wissen Prozentsatz, 10—15 Mk., an den zahlen, „der die Leiche hat", wie der Fachausdruck ist, d. h. an den Sarghändler oder Leichcnbitter, der das ganze Arrangement leitet und der die Sänger bestellt hat. Um diesem lästigen Tribut zu ent gehen, versucht der kleinere Unternehmer wohl auch direkt mit den Leidtragenden in Verbindung zu treten und eilt, so wie er Kunde von einer „Ersten Klasse", einem feineren Begräbnis, erhält, in das Sterbehaus, um seine schwarz umränderte Karte abzugeben, auf deren Rückseite das Ver zeichnis der „fertigen" Gesänge sich befindet. Die größeren „Unternehmer" stehen auch mit einzelnen Küstern in Verbindung und sichern sich so die fetten Bissen. Wie einträglich das Geschäft ist, zeigt u. a. der Umstand, daß einer der „Unter nehmer" sich bereits ein „stattliches Haus" in der Linicnstraße „crsungen" hat. Im allge meinen kommen in Berlin fünf größere „Unter nehmer" in Frage, alle fünf sind Chormitglieder der königl. Theater, vier gehören dem Opernchor, einer dem Schauspielchor an. Auch die Sänger rekrutieren sich aus dem Chor der königl. Theater, und die „Unternehmer" pflegen auf diesen Um stand ganz besonders hinzuweisen. Im allge meinen haben die „Unternehmer" nicht ihr be stimmtes Personal, sondern die einzelnen Sänger wirken je nach Bedürfnis einmal bei diesem, einmal bei jenem „Unternehmer". Zuweilen kommt es sogar vor, daß der auf der Theater probe von Mund zu Mund bestellte Sänger zunächst gar nicht weiß, wer „das Geschäft macht". Wehe aber dem armen Berichterstatter, der dann ein mal einen falschen „Unternehmer" nennt; eine geharnischte Berichtigung steht ihm sicher bevor. Oft freilich, und zwar namentlich dann, wenn Proben hindernd dazwischen treten, gelingt es dem Unternehmer nicht, das nötige „Quartett" aus Mitgliedern des Theaterchors zusammenzu bringen, und es erscheinen dann als Leichen barden „kunstübendc Dilettanten." Viel be schäftigt ist in dieser Weise namentlich ein Sattlermeister aus der Prinzenstraße. Einer der Unternehmer hat sich zur Sicherung für der artige Notfälle einen besonderen „Gesangverein" gebildet. Das unentbehrliche Requisit ist ein kleines schwarzgebundenes Notenbuch; nötig hat man's eigentlich nicht, denn die sechs bis acht Choräle, die immer wiederkehren, singt man auswendig. Es wird daher auch mehr Wert auf den Einband, als auf den Inhalt des Buches gelegt. Unter den „wilden" Unternehmern ist eigentlich nur einer, der noch in Betracht kommt, es ist ein Goldarbeiter aus der Dorkstraße. Noch „wildere" Chöre treiben auf den ferngelegenen Äorstadlkirchhöfen ihr Wesen. Sie singen meist „ohne Bestellung"; wenn eine Halbwegs „zahlungsfähige" Trauerversammlung sich zeigt, erscheinen sie, lassen unaufgefordert ihren Gesang ertönen und suchen dann unter allerlei Vorwän den herauszuschlagen, was sich herausschlagen läßt. Wer allerdings auf höheren Kunstgenuß Wert legt, engagiert keine „Leichenbarden," son dern erbittet sich Domsänger, die freilich nur ausnahmsweise zu Trauerfeiern erscheinen. Geglückte Kist. In einem kleinen Badeorte unserer Provinz — o erzählt der,Hannov. Kourier' — hatte sich an junger Arzt niedergelassen. Da er haupt- achlich auf Landpraxis angewiesen war, sah er ich zur Anschaffung eines Reitpferdes genötigt md er fand ein Pferd bei einem Bauern in einem benachbarten Orte, das keinen Fehler zeigte und ihm für seine Zwecke vollkommen geeignet erschien. Der Handel wurde denn auch abge- chloffen unter der schriftlichen Vereinbarung, daß der Kaufpreis bis zum 1. November l. I. gestundet werden solle. Als nun der Käufer das Pferd in Empfang genommen hatte und es nobleren wollte, stellte sich zu seinem Schrecken leraus, daß es sich durchaus nicht reiten ließ, saß es jedesmal so lange bockte, bis es sich eines Reiters entledigt hatte. Es war aller dings nicht ausgemacht, daß das Pferd sich reiten lasten müsse, und als der Verkäufer sich weigerte, es zuruckzunehmen, verfiel unser Doktor auf wlgende List: Eines Morgens traf ihn sein Barbier bei sehr übler Laune und erhielt auf eine teilnehmende Frage, was dem Herrn Mert sei die Antwort: „Ich ärgere mich, daß ich nach diesem erbärmlichen Neste gekommen nn, wo ich nichts verdienen kann; fpätestens in acht Tagen reise ich für immer ab!" Der biedere Bartscherer hatte natürlich nichts eiligeres zu thun, als diese interessante Neuigkeit weiterzu- tragcn, und da der Doktor auch alle feine kleinen Rechnungen berichtigte, so verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Der Bauer machte sich schleunigst ans, um auch zu seinem Gelde zu kommen, mußte aber unverrichteter Dinge ab- ziehe.!, weil der Doktor einfach auf seinem Schein bestand. Da nun auch der Rechtsanwalt des Bauern diesen dahin beschied, daß er vor dem 1. November sein Geld nicht verlangen könne, anderseits es sich aber nicht ermitteln ließ, wohin sein Schuldner seine Schritte lenken werde, hielt er es für geraten, in den sauren Apfel zu beißen und das Pferd zurückzunehmen; unser Doktor hatte aber feinen Zweck erreicht und blieb ruhig auf seinem Platze. Ans Rom. Vor einigen Tagen ging durch die italienische Presse die Nachricht, daß die Gerichtsbehörden dem Baron Michele Lazzaroni, dem Neffen des verhafteten Kassenverwalters der Banca Romana, die in seiner Wohnung beschlagnahmten Briefe und Wertpapiere wieder zugestellt hätten. Kürzlich wurde auch die polizeiliche Aufsicht aufgehoben, die schon seit einigen Tagen über den Baron und seine Behausung verhängt war. So kam es, daß man allgemein glaubte, daß er gänzlich unschul dig, oder wenigstens, daß eine Mitverantwort lichkeit für die bei der Verwaltung der Banca Romana vorgekommenen Betrügereien nicht er wiesen sei. Aber gerade das Gegenteil war der Fall. Die Voruntersuchung und die in den letzten Tagen mit den bereits in Kraft befindlichen Beamten der Banca Romana angestellten Ver höre hatten so viele Beweise für die Mitschuld des Barons geliefert, daß am 5. Februar nach mittags von der Oberstaatsanwaltschast ein Haft befehl gegen ihn erlassen und der Polizei zur schleunigen Vollstreckung überwiesen wurde. In einem geschlossenen Wagen begaben sich der Polizei-Inspektor Bo und zwei Polizisten um sechs Uhr nachmittags zu dem in der Lucchesi- straße gelegenen Palaste Lazzaroni. Baron Michele befand sich gerade in Gesellschaft einiger Freunde in seinem Studierzimmer, als der Polizei-Inspektor eintrat und ihm den Haftbefehl vorlegte. Lazzaroni leistete nicht den geringsten Widerstand, er wünschte nur noch seine Mutter zu sprechen und diese Bitte konnte ihm nicht ver weigert werden. „Fürchte nichts," sagte die alte Frau unter Thränen, „wir werden alles ver kaufen, was wir besitzen, damit du deinen Ver pflichtungen nachkommen kannst. Du wirst bald wieder in Freiheit gesetzt werden." Weinend nahm Lazzaroni von feinen Freunden Abschied, der Hausmeister, der unten im Thorwege den Wagenschlag öffnete, wünschte seinem Herrn eine baldige und glückliche Rückkehr. Lazzaroni wurde direkt in das Gefängnis „Regina Coeli" über führt, wo ihm eine Zelle angewiesen wurde, die dicht unter derjenigen liegt, in der sich der ver haftete Bankdirektor Taulongo befindet. Natürlich wurden ihm bald nach gut italienischer Sitte Betten, Wäsche, Möbelstücke und Lebensmittel in Hülle und Fülle ins Gefängnis nachgeschickt. Die Briefschaften Lazzaronis wurden sämtlich beschlag nahmt. Die Nachricht von der erfolgten Ver haftung wurde sofort dem Ministerpräsidenten Giolitti übermittelt. Die Anklage gegen Lazzaroni lautet auf Angreifung von Kassengeldern und Fälschung in den Büchern der Banca Romana. Als Aufsichtsrat der Bank hatte er in Gemein- fchast mit seinem Oheim große Summen unter- fchlagen, die er bei seinen meist sehr unglücklich verlaufenden idustriellen Unternehmungen und Börsenspekulationen wieder zusetzte. Er war Präsident des Verwaltungsrates der Handels und Jndustriebank und hatte mit einem großen Kapital, das ihm größtenteils von Anhängern des Vatikans zur Verfügung gestellt wurde, die Kreditbank gegründet. Einen großen Teil seines beträchtlichen Vermögens verschlang seine Fabrik für Kautschuck- und Hartgummi-Artikel. Michele Lazzaroni ist zweiunddreißig Jahre alt, alle Häuser der römischen Aristokratie und der reichen Bourgeoisie waren ihm geöffnet und man sprach davon, daß er in nächster Zeit eine einer alten römischen Adelsfamilie angehörenden Dame als feine Frau heimführen würde. Er war auch fchriftstellerisch thätig und machte sich anläßlich der Kolumbusfeste im vorigen Jahre durch die Herausgabe einer wertvollen Monographie des großen Entdeckers einen Namen. Der Baron, den intime Freunde und Freundinnen nicht anders als „Michelino" nannten, war ein Lebe mann ersten Ranges und wegen feiner sprichwört lichen Freigebigkeit in allen Sport- und Künstler kreisen der Hauptstadt ein gern gesehener Gast. Er war ein vorzüglicher Reiter und Scharfschütze und beschäftigte sich in seine» Mußestunden, deren er täglich 24 hatte, auch mit der Malerei; auf einer prachtvollen in seinem Studierzimmer auf gestellten Staffelei prangt gegenwärtig eine halb bemalte Leinwand, die anläßlich der Chicagoer Ausstellung als „Tod Cäsars" nach Amerika wandern und den Ruhm des genialen Bankiers über das große Wasser tragen sollte. Die Nach richt von der Verhaftung „Michelinos" rief bei seinen Stipendiaten große Bestürzung hervor; in allen anderen Kreisen machte sie nur geringen Eindruck, da man gegenwärtig an solche kleine Ueberraschuiigen längst gewöhnt ist. Es wird ver sichert, daß noch andere interessante Verhaftungen beoorstehen. Kuntes Allerlei. Das ,Pädagog. Wochenbl.' findet Zeit, auszurechnen, daß beim letzten Ordensfest in Berlin fümzigmal so viel Land- und Amtsrichter Orden erhalten haben, als Oberlehrer an höheren Lehranstalten. Unter 5100 preußischen Ober lehrern erhielt nur einer einen Orden und dieser eine amtiert in Elsaß-Lothringen. Als die Cholera zum ersten Mal Deutsch land durchzog, erstattete eine Regierungsbehörde einen Bericht an den preußischen Minister v. Schuck mann, worin es hieß: Da sich nun die verderb liche Seuche auch ihrem Regierungssitze nähere, so hätten die Beamten beschlossen, einen dreimonat lichen Urlaub mit entsprechender Vorauszahlung ihres Gehalts zu nehmen und bäten Se. Erzellenz um hochgeneigte Ge ehmigung. Herr v. Schuck mann, der nie ein Blatt vor den Mund nahm, erwiderte darauf umgehend: Von der Cholera hätten sie nichts zu besorgen; wenn sich aber wider Vermuten die Rinderpest ihrem Sitze nähern sollte, dann bäte er um schleunigen Be richt. Gleichzeitig erhielten die Beamten ihren Abschied. Ein wunderbarer Druckfehler findet sich in dem in Mogilno erscheinenden Kreisblatte. Es heißt dort nämlich von den in dem Keller des alten Berliner Doms aufgefundenen Antiquitäten: „Unter den Trümmern der Kellerräume erblickt man auch einige Kunstschätze aus dem ältesten Berlin. Es sind Postbeamte aus Sandstein mit Arabesken in Rokoko reich verziert!" Postbeamte aus Sandstein, statt Postamente — einen so guten Witz leistet sich der Druckkobold nicht alle Tage! Von einem originellen Zug der ameri kanischen Wohlthätigkeit erzählt der russische Marinemaler Aiwasowsky, der soeben, nachdem er sich vier Monate in Amerika aufgehalten, nach Petersburg zurückgekehrt ist, folgendes: Er hatte einer Wohlthätigkeits-Gesellschaft ei» kleines Gemälde geschenkt. Sofort wurde eine Art Lotterie veranstaltet. Jeder, der das Gemälde in Augenschein nehmen wollte,, wurde zur Lösung einer Karte zu einem halben Dollar ver pflichtet und mußte auf diese Karte den Namen einer bekannten Dame schreiben, der er das Ge mälde zu schenken wünschte. Auf diese Weise kamen im Laufe von drei Tagen 500 Dollar zu sammen, und die Dame, die die meisten Stimmen erhalten hatte, erhielt auch das Geschenk. Uebrigens will Aiwasowsky bemerkt haben, daß die Amerikaner den Russen durchaus nicht freundlich gesinnt seien und das sei die Schuld der europäischen, vor allem der englischen Presse, die über Rußland alle möglichen Fabeln ver breite. Ein Phantast. Der Herr Leutnant hat in der Jnstruktionsstunde unter anderem den Rekruten zu wissen gegeben, daß die Löhnung des Soldaten in „Dekaden" ausgezahlt werde. Als er das Gesagte wiederholen läßt,, fragt er Jochen Paesel: „Und wie wird also die Löhnung des Soldaten auSgezahl?" Darauf die Ant wort: „In Dukaten." verschwiegenen Brust verschließe? Die geringe Summe, welche zu beschaffen für Sic, Signo- rina, nur eine Kleinigkeit ist, wird mich in den Stand fetze», Sie wenigstens ei» Jahr lang nicht mehr mit meinen Klagen und Bitten verfolgen zu brauchen, ^ch bin sicher, Sie werden nicht einen Moment zauder», Signorina. Sollten Sie indessen nicht angemessen finden, einem Manne die helfende Hand zu reichen, der stets der Spielball eines unglückliche» Verhängnisses ge- tvesen ist, so sehe ich mich gezwungen, mein Glück bei Ihrem Herrn Gemahl zu versuchen, °«n ich bis jetzt noch nicht die Ehre hatte, «innen zu lernen. Morgen früh werde ich Mmen, mir Antwort zu Halen und ich bin überzeugt, daß Sie meine Diskretion anerkennen werden. Ihr ergebenster und hoffnungsvoller G. A." Das Papier sank in Idas Schoß, Tausend Wnd! Wo sollte sie das Geld hernehmcn? — es mußte beschafft iverden. Sie kannte 'weppe Antonardi nur zu gut, um einen gMnblick daran zu zweifeln, daß er im W 'Muiigsfalle das furchtbare Geheimnis der aber r?Msgeben würde. Sie besaß Schmuck, verä>.L ha"e schon die geringeren Wertsachen t. Es blieben ihr nur noch Brillanten ^ 7^.. größeren kostbaren Schmuckstücke, diese Mrden sogleich vermißt werden, wenn sie sieben verfügte. Giuseppe hatte während , n Wochen ihr ganzes Nadelgeld von ihr ewrctzt, und cs stand ihr, wie mau zu sagen pstegt, nicht ein Pfennig zur Verfügung. Je mehr sie überlegte, um so mehr wurde sie über zeugt, daß der einzige Weg, die geforderte Summe zu beschaffen, der sei, sich an ihren Gatten zu wenden. „Regi- ald ist MS freigebig," dachte sie mit einem reumütigen Gefühle, bei dem Bewußtsein, daß sie die unfreiwillige Ursache sei, daß sein Vertrauen und seine Großmut ausgebeutet wur den. „Er wird mir das Geld gebe». Aber, wenn er mich fragen sollte, wozu ich es ge brauche? Nein, ich darf nicht die ganze Summe fordern. Ich mill meine Diamanten für die Hälfte der Summe versetzen Mathilde weiß in solchen Dingen Bescheid — ich kann sie ja binnen kurzem wieder emlöscu. Sie sprang aus und klingelte der Kammer jungfer. Tief verschleiert, in einem einfache» schwarzen Kleide, befand sie sich bald mit Mathilde auf der Straße, bei icdem Schritt zitternd, daß ihr ein Bekannter begegnen und sie erkennen möchte. Endlich laugten sie beim Pfandleiher an. Der Handel war bald ge schlossen, fünfhundert Pfund in engliichem Gelde wurden ihr eingehändigt und mit zitternder Hand barg Ida den kleinen roten Pfandschein an ihrem Busen. Zu ihrer großen Erleichterung kam Reginald nicht eher nach Hause, als bis sie zum Diner an gekleidet war. „Du kommst heut abend spät," sagte sie. „Nur um wenige Minuten zu spät," sagte er kalt. „Der Wagen ist vorgefahren," meldete der Diener, denn Herr und Frau Delamare speisten heute bei der Gräfin Aviolt. „Bist du bereit, Ida?" fragte er. „Ja," erwiderte sie, „aber Reginald —" sie blieb auf halbem Wege zur Thür stehen, als sei ihr etwas eingefallen. „Ehe wir gehen, möchte ich dich um etwas bitten," sagte sie hastig. „Und das wäre?" „Ich habe nicht so viel Geld, wie ich augen blicklich brauche," begann sie, an den goldenen Fransen ihres Armbandes drehend. „Es wäre mir lieb, wenn du mir noch heute abend das fehlende geben wolltest." „Wie viel brauchst du ?" fragte Reginald, er freut, daß sie ihn um etwas bat und in der Er wartung, sie werde eine unbedeutende Summe nenne», da sie ein reiches Nadelgeld von ihm erhielt. „Fünfhundert Pfund," war ihre leise ge sprochene Antwort, während sic die Auge» nicht aufzuschlagen wagte, denn die arme Ida kannte nur wenig von der Kunst, sich zu verstellen. „Fünfhundert Pfund!" rief Reginald unan genehm überrascht aus. „Willst du vielleicht ein Paar Kutschpferde oder eine Villa in der Umge bung von Paris kaufen?" .In rötlichster Verwirrung murmelte Ida einige unverständliche Worte von notwendigen Ausgaben. Aber ihr scheues Wesen fachte nur noch mehr in Reginald den einmal gefaßten Argwohn an. Seine Züge verfinsterten sich, und die Adern an seiner Stirn schwollen mächtig an. Wie mit Flammenschrift standen die Worte wie der vor seiner Seele, die Dalton am Morgen geäußert. Also so weit war eS mir Ida ge- j kommen. Sie hatte kein freundliches Wort für ihn, wenn sie sah, wie er, der ungeliebte Gatte, sich an ihrer Seite abhärmte; aber sie l. nie ihren Stolz erniedrigen, wenn es sich um Oberst St. Argyles unbezahlte Spielschulden handelle Reginalds Schlußfolgerungen waren nicht logisch, aber unter dem Einflüsse der Leiden schaften kommt die Logik selten in Bctrachi. I» seiner erhitzten Einbildungskraft wurde» Möglich keiten zu Wahrscheinlichkeiten, und die Wabr- schemlichkeiten gestalteten sich zu Thatsache». Ida war angeklagt, überführt und verurlcilt vor den Schranken der Seele ihres Gatten mäh rend der halben Minute, wo er vor ihr stand und auf sie herabschaute mit einem Gesicht, so streng, wie sie es noch nie bei ihm wahrgcnom- men hatte. Aber er wollte nicht vorschnell ei» Urteil fällen, so groß auch die Beweise gegen sie sein mochten. Mit gewaltsamer Anstrengung den Strom vorwurfsvoller Worte zurückdränge, d, die ihm auf den Lippen brannten, fragte er so ruhig wie möglich: „Wozu willst du das Geld haben?" Eine» Augenblick schwieg sie. Er wieder holte seine Frage nochmals in einem tolleren, eisigeren Tone. „Ich kann es dir nicht sagen, Reginald." Wäre er weniger auigcregl gewesen, er hätte vielleicht in dem ängstlich demütigen Kla. ge ihrer Stimme einen Aufruf an sei» besseres Gefühl vernommen, aber er war jetzt für solche zarte Unterscheidung unfähig. Sw (Fortsetzung folgt.)
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