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Allgemeiner Anzeiger : 22.02.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189302222
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18930222
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-02
- Tag 1893-02-22
-
Monat
1893-02
-
Jahr
1893
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 22.02.1893
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politische Rundschau. Deutschland. *Jn der Militärkommission fanden am Donnerstag die ersten grundlegenden Ab stimmungen statt. Zunächst wurde das vom Abg. Bebel zu dem Anträge Rickert gestellte Amendement (Einführung der zweijährigen Dienst zeit auch für die Kavallerie) gegen 4 Stimmen (Sozialdemokraten und Volkspartei) abgelehnt. Alsdann wurde der Antrag Rickert auf gesetzliche Feststellung der zweijährigen Dienstzeit gegen 9, der Antrag v. Bennigsen auf Feststellung der zweijährigen Dienstzeit während der Dauer der Erhöhung gegen 4 und schließlich die Regierungs vorlage gegen 5 Stimmen abgelehnt. Für den Antrag Rickert stimmten nur die Freisinnigen, Volkspartei und Sozialdemokraten; für den An trag v. Bennigsen die Nationallibcralen und die Freitonservativen und die Rcichspartei. Es sind also sämtliche Anträge und die Regierungsvorlage ab gelehnt worden. * Der ,Reichsanz.' schreibt: „Einzelne Blätter hatten in den letzten Tagen die Mitteilung ge bracht, daß die Reichs- und die preußische Finanzverwaltung bald mit Begebung von Anleihen vorgehen würden. Nach den uns zugehenden zuverlässigen Nachrichten wird eine derartige Begebung in naher Zeit nicht beab sichtigt." *Jm kaiserlichen Statistischen Amte ist gegen wärtig die Kommission für die Schätzung der Handelswerte damit beschäftigt, die Werte der Ein- und Ausfuhr im Jahre 1892 festzustellen, die der Berechnung der Werte des auswärtigen Handels zu Grunde gelegt werden sollen. An den Beratungen beteiligen sich 58 hervorragende Sachverständige aus den Kreisen der Industrie und des Handels, zumeist Delegierte der Handelskammern. Die sorgfältigen Vorarbeiten, die diese Sachverständigen zu den Verhandlungen mit sich bringen, und die Thatsache, daß die meisten derselben sich durch langjährige Beteiligung an den Komissiousarbeiten einen bedeutenden Ueber- blick über die Wertverhältnisse der Waren ihrer Gruppe erworben haben, verbürgen die Sicher heit dieser Schätzungen. * Die Börsen - Untersuchungs- Kommission hat sich Mittwoch vertagt, nach dem sie 24 Sitzungen abgch alten hatte. In diesen wurden, wie der Michsanz.' mitteilt, als Sachverständige der verschiedenen Zweige des Produktenhandels gehört: 11 Landwirte, 10 Mühlenbesitzer, 16 Kornhändler, beziehungs weise Kommissionäre, je 7 Interessenten des Börsenverkehrs in Spiritus, beziehungsweise in Zucker, 5 aus dem Wollgcschäft, beziehungs weise dem Textilgewerbe und 2 vereidigte Produkten-Makler. Außerdem sind schließlich die beiden Professoren Dr. Lexis (Göttingen) und Dr. Fuchs (Greifswald), die sich wissenschaftlich viel mit den einschlägigen Fragen beschäftigt haben, mit ihren Gutachten vernommen worden. Nach Sichtung des in den Aeußerungen dieser 60 Sachverständigen enthaltenen reichen Materials wird die Kommission, deren Wiederzusammentritt für den 10. April d. in Aussicht genommen ist, in der Beratung über die gewonnenen Ergebnisse sortfahren. Hierbei wird sich zeigen, in wie fern etwa noch einzelne Sachverständige zur Er gänzung zu hören sind. Alsdann hofft man den gutachtlichen Bericht an den Reichskanzler spätestens im Sommer d. fertigstellen zu können. * Betreffs des amtlichen Warenver zeichnisses zum Zolltarif, das augenblicklich beim Bundesrat ruht und der Beschlußfassung entgegensieht, wird berichtet, daß im preuß. Handels - Ministerium eine Befragung der wirtschaftlichen Vereinigungen in die Wege geleitet wird. Es sollen den einzelnen Vereidigungen die sie betreffenden Abschnitte des neuen Warenverzeichnisses zur gutachtlichen Aeußerung zugestellt werden. * Der Kampf gegen die W a n d e r b e t t el ei wird in Preußen hauptsächlich durch die Organi sation von Natüralverpflegstationen (Wanderarbeitsstätten) geführt, deren Träger die Kreise sind. Die Mittel zu dieser Organisation entnehmen die Kreise hauptsächlich aus den Uebcr- weisunge i aus der lex Hüne, durch deren Weg fall infolge der Steuerreform die Fähigkeit der Kreise, Zuschüsse zu diesem Zwecke zu leisten, allerdings künftig in Frage gestellt sein dürfte. Man hofft nun, daß bei einem etwaigen Aus bleiben solcher Zuschüsse die Landarmen verbände, da ja der größte Teil der Wander bettler „landarm" ist, aushelfen werden. Hier aus würden gewisse Aenderungen in der Organi sation deS Naturalverpflegungswesens in Preußen mit Notwendigkeit sich ergeben. Außerdem ist in Preußen seit einiger Zeit eine Bewegung im Gange, die Organisation der Naturalverpflegungs stationen einheitlicher zu gestalten. Die Stations- Verbünde haben sich zu diesem Zwecke zu einem Gesamtverband deutscher Verpflegungsstationen vereinigt, der gegenwärtig seine erste ordentliche Gesamtverbandsversammlung für den Monat März nach Berlin beruft. *Dre Erbauung eines Kanals vom Rhein (bei Maxau) bis Karlsruhe, die früher schon beabsichtigt, aber wegen Mangels an Mitteln verschoben wurde, soll jetzt zur Wirklichkeit werden. Der Stadtrat von Karls ruhe fordert in dem Voranschlag für das Jahr 1893 die Mittel, um Gutachten darüber zu er heben, ob der Rhein zwischen Mannheim und Maxau in einer Weise schiffbar, daß der genannte Kanal mit Rücksicht auf die Anlagekosten ver wertbar würde bezw. welchen Aufwand die Schiffbarmachung des Rheins erfordern würde. Je nach dem Ausfall des Gutachtens würde um eine Staatsunterstützung nachgcsucht werden. Die Kosten des Kanals allein werden auf 1ff2 Mill. Mark geschätzt. *Die am 1. April d. ins Leben tretende neue Städte-Ordnung für das Herzogtum Braunschweig gibt den Gemeinden das Recht, die Selbsteinschätzung für die Gemeindesteuern einzuführen. ES ist dies insofern wichtig, weil in Braunschweig die Ge meindesteuer nicht nach der veralteten äußerst geringen Staatssteuer umgelegt werden kann. Die Stadtverordneten-Versammlung zu Braun schweig hat beschlossen, die Selbsteinschätzung nach preußischem Muster vom 1. April 1894 an einzusühren. Oesterreich-Ungarn. *Bei der Beratung des Justizhaushaltes im ö st err ei ch i s ch en Abgeordnetenhause wendet sich Vasaty gegen einen Erlaß des Präsidenten des obersten Gerichtshofes, in dem von den nicht deutschen Sprachen als von fremden Sprachen die Rede sei. (Große Unruhe und Zwischenrufe der Jungtschcchen: „Wir sind also Fremde in Oesterreich, wo wir Geld und Blutsteuer zahlen! Unser Geld ist immer gut! Skandal!") Der Vizepräsident rief den Jungtschcchen Sokol und andere unbekannte Zwischenrufer zur Ordnung. Später stellte sich heraus, daß der Ordnungsruf dem Jungtschechen Kaunie galt für einen das österreichische Beamten- tum beleidigenden Zwischenruf. DaS Präsidium verfügte, das dieser Zwischenruf nicht ins Protokoll ausgenommen werde, Frankreich. * Die Deputiertenkammer hat dem Mini sterium Ribot mit 315 gegen 186 Stimmen daS verlangte Vertrauensvotum erteilt, nachdem sich die Parteien gegenseitig die „Wahrheit" gesagt hatten. *Daß die öffentliche Beruhigung sich weder durch eine Verordnung, noch durch ein Gesetz Herstellen läßt, zeigt sich recht deutlich in den immer noch steigenden Kündigungen der Sparkassengelder. Das .Amtsblatt'ver öffentlicht die Sparkassenbewegung vom 1. bis 10. d. AuS der Zusammenstellung ergibt sich, daß die Geldzurückziehungen die festen Einlagen um 23'/. Millionen Frank übersteigen. Vom 1. v. bis zum 12. d. sind die Kündigungen in der That auf 52 Millionen Frank gestiegen, so zwar, daß der tägliche Durchschnitt der gekün digten Summen im vorigen Monat 900 000 Frank betrug, und im ersten Drittel dieses Monats 2 350 000 Frank, danach fast dreimal mehr. England. * Gegen die Homerule-Vorlage hat bei einem Festmahle der liberalen Unionisten der Herzog von Devonshire sich ausgesprochen und die Ueberzcügung geäußert, daß, wenn auch die Vorlage die dritte Lesung im Unterhause erleben sollte, sie dennoch vom jetzigen Parlament sicher lich nicht angenommen werden, sondern ein wei terer Appell an die Wähler erforderlich sein würde, ehe sie Gesetz werden könnte. — Im Gegensatz hierzu hat der Führer der Auti- Parnclliten, Justin Mac Carthy, in einem Tele gramm an den Präsidenten der irischen Födera tion in New Jork sich dahin geäußert, daß die liberale Regierung stark genug sei, die Vorlage im Parlament durchzuführen. Spanien. * In der Provinz Granada fanden wegen der neuen Steuern Unruhen statt mit blutigen Zusammenstößen zwischen Militär und Bevölke rung. In Modul wurde das Stadthaus ge stürmt; später wurde die Menge wieder ver trieben, wobei eine Anzahl von Personen ver wundet wurden. Ruhland. *Die neuliche Meldung der ,Köln. Ztg." daß die russischen G e w e h r f a b r i k en bei der Herstellung des neuen Gewehrs versagt hätten, wird von der ,A. R. C.' mit dem Be merken dementiert, daß die russische Armee bis spätestens Ende nächsten Jahres mit den neuen Gewehren ausgerüstet sein dürfte. Amerika. *Die Regierung der Ver. Staaten von Nordamerika hat sich nur scheinbar anfangs ge sträubt, in einen Anschluß des Jnselreiches Hawai an die Union zu willigen; jetzt kommt es doch zur Annektierung. Aus Washing ton wird gemeldet: Präsident Harrison hat an den Senat eine Botschaft gerichtet betreffend Hawai. Dieselbe ist begleitet von einem Ver tragsentwurf betreffend die Annektierung der hawaischen Inseln durch die Ver. Staaten und zwar unter einer provisorischen Regie rung. Der Senat trat sofort in die Be ratung der Botschaft ein, in der die Genehmi gung des Vertrages befürwortet wurde. Von Uah und Fern. Mehr einen Bund fürs Vergnügen als einen Bund fürs Leben scheint ein junges Ehe paar eingegangen zu sein, das sich dieser Tage in der Marienkirche zu Berlin hatte trauen lassen und das unmittelbar von der Kirchenthür aus eine Vergnügungsreise durch die Stadt au- trat auf der es am Abend in einem Possen- Theater landete. Die Garderobefrau staunte dort nicht wenig, als eine Dame im vollen Brautstaat um Aufbewahrung ihres Schleiers, des Myrtenkranzes, der abgeknöpften Schleppe und des — Gesangbuches bat. Dann folgte die junge Frau ihrem Gatten und den beiden schwarzbefrackten Zeugen in eine Loge, wo sich die Hochzeitsgesellschaft während deS Abends auf das Beste vergnügte. Die Cholera. Da seit acht Tagen keine Erkrankungen an Cholera im Saalkreise außer halb der Irrenanstalt Nietleben vorgekommen sind hat das Landratsamt daS Verbot der Ab haltung von Versammlungen, Tanzlustbarkeiten und anderen Vergnügungen für alle die Ort schaften aufgehoben, die nicht an der Saale unterhalb der Irrenanstalt bei Nietleben belegen sind Für die vom Verbote noch nicht befreiten Ortschaften soll dieses noch eine Woche aufrecht erhalten werden. — In einigen Staaten werden infolge des vereinzelten Wiederauftretens der Cholera strengere Vorbeugungsmaßregeln ge troffen. So hat der österreichische Handels- miuistcr verfügt, daß an die Stelle der sieben tägigen Beobachtung für Herkünfte aus Nord frankreich, Belgien, den Niederlanden und den deutschen Häfen eine strenge ärztliche Untersuchung treten soll. Nur für Herkünfte aus der Elbe mündung bleibt ine frühere Verordnung in Kraft Die Persönlichkeit des Raubmörders in Hannover ist nunmehr festgcstellt Er ae- hört mcht einer auswärtigen Verwecherbande an Nächster Nahe der Stadt. / Otto Parlaska, am 4 Dezember 1869 ,n Springe geboren. P. betneb einige Zeit, bis 1889, in der Stände- 7/.. unweit des OrteS seiner verbrecherischen That, selbständig ein Friscur- geschäft. Seit Ausgabe desselben hielt er sich längere Zeit in Köln und später in London auf, wo er einige Tage vor der Unthat nach Hannover zurückgekehrt ist. Eine heftige Explosion fand in der Marienkirche in HaderSleben, einem der schönsten altertümlichen Gebäude im Schleswigschen, am Sonntag statt. Ein donnerähnliches Getöse er dröhnte in der Morgenstunde, daß die benach barten Häuser erzitterten. Man drang sofort in die Kirche; hier stellte sich heraus, daß die Heizungsanlage, die erst vor kurzem eingerichtet worden ist, explodiert war. Der Heizer, der eben im Begriff stand, sich in den unterirdischen Maschinenraum hinabzubegeben, wurde durch den Luftdruck emporgcschleudert, fiel aber in einiger Entfernung unversehrt zu Boden. Die Heizungsanlage ist zu einem großen Teil zer stört; die Maschine ist vollständig vernichtet, die Decke des Heizraumes gesprengt, die starken eisernen Balken sind durch den Druck stark ge bogen worden; der Schaden ist ziemlich be trächtlich. Es ist ein wahres Glück, daß die Explosion noch vor Beginn deS Gottesdienstes erfolgte. Aus Eifersucht. In Nittritz bei Grün berg erschoß aus Eifersucht ein 26jähriger Müllermeister seine 19jährige Ehefrau und so dann sich selbst. Eigenartige Wette. Die Armen der Ort schaften Seh, Kreis Stallupönen, haben in diesem harten Winter eine reichliche Unterstützung be kommen infolge einer Wette. Zwei Gutsbesitzer befanden sich in fröhlicher Stimmung, da fragte einer den andern: „Möchten Sie in Livree auf der nächsten Hochzeit den Brautwagen oder viel mehr den Brautschlitten kutschieren?" „Jawohl," gab der andere zur Antwort. Der erstere wollte es nicht glauben, er schlug eine Wette um 225 Mk. vor, die der andere annahm. Zum höchsten Ergötzen der Hochzeitsgäste und der üblichen Zuschauer löste er seine Aufgabe und überwies in menschenfreundlicher Gesinnung die gewonnenen 225 Mark den Armen der Ort schaft Seh. Ein schlechtes Mittel, ihrem Mann das Schnarchen abzugcwöhnen, wählte die junge Frau eines Kaufmanns in Nürnberg. Als in einer der letzten Nächte der Herr Gemahl wieder mit Emsigkeit daran war, „Bretter zu sägen," warf sie ihm plötzlich ein vorher in kaltes Wasser getauchtes Tuch über den Kopf. Der auf diese unvermutete Weise aufgeschreckte Mann, der sich angegriffen wähnte, sprang auf und schlug um sich, wobei er den neben dem Bett befindlichen Nachttisch umwarf, dessen Marmorplatte der bei der Anwendung des Mittels anwesenden Schwiegermutter auf den Fuß fiel und ihr da- ber zwei Zehen zerquetschte. Außerdem brach dre Schwiegermutter dabei einen Finger. Die Mige Frau selbst erhielt, da die Szene sich in Finsternis abspielte, einen Schlag ins Gesicht, der das Einsetzen eines neuen Gebisses zur Folge haben dürfte. DaS Schnarchen hat der Mann aber doch nicht verlernt. Bon Emin Pascha. In einem Berichte des Stationschefs Herrmann in Bukoba über die gegenwärtige Lage am Viktoria - Slyanza vom 20. September v. findet sich eine Bestätigung vom Tode Emin Paschas. Es heißt in dem Berichte: „Vom Kapitän Williams (dem eng lischen Befehlshaber in Uganda) traf noch einmal die Bestätigung vom Tode Emin Paschas ein. Im übrigen ist ein Europäer mit Soldaten nach dem Thatorte abmarschiert, um sich von der Wahrheit zu überzeugen." Bekanntlich meldete ein aus Kavalli am Albertsee nach Uganda ge kommener ehemaliger ägyptischer Offizier Emins aus der Aequatorialprovinz, daß Emin Pascha nach seinem Abmarsch von Mosamboni, der am 9 März v. erfolgte, drei Tage zuvor am Jturi von angesiedelten Mauyemas ermordet worden sei. — Im Gegensatz hierzu liegt aber noch ein vom 15. August v. datiertes Schreiben Sef den Mohammeds an seinen Vater Tippo Tipp aus Stanley-Falls am Congo vor, daß damals Emin noch am Leben sind auf dem Wege nach lldschidschi am Tanganjika gewesen sei, doch enthält dieses Schreiben viele Unklarheiten und spricht nur von Gerüchten. Ein gefährlicher Tänzer. Dienstag frül Kerzenswanötrrngen. 16j (Fortsetzung.» Ida blickte mit blitzenden Augen auf, um die Beschuldigungen zurückzuweisen, sie wollte nicht, daß der Oberst glauben solle, seine Gesellschaft habe in irgend einer Weise Einfluß auf ihre Stimmung, als plötzlich Pferdegetrappel sich auf dem Reitwege vernehmen ließ und einige elegante Reiter an ihnen vorbcisprengten. Mit einem Blick hatte sie ihren Mann erkannt, dessen Auge mit strengem, vorwurfsvollen, bitter verächtlichen Aus drucke das ihrige traf. „Ihr Gatte!" rief die Gräfin. „Warum hält er nicht an, um mit uns zu sprechen?" „Schon wieder," dachte Ida, die Hände krampf haft zusammenpresscnd. „Was hilft es mir, gegen das Verhängnis zu ringen ? Ich kann mich ebenso gut widerstandslos dem überwältigenden Strome überlassen." Inzwischen hatte Reginald in einiger Ent fernung von dem Wagen den rasenden Galopp feines Pferdes gezügelt und den anderen Meilern Zeit gegeben, ihn einzuholen. Es waren Dalton und Longsdale. „War das nicht St. Argyle, der mit Ihrer Frau und der Gräfin Avioli sprach?" fragte Dalton, etwas außer Atem von dem schnellen Ritt. „Ich glaubte sein Pferd zu erkennen, aber wir fausten an ihnen vorüber, wie ein Wirbelwind, so daß ich Mühe hatte, mich in dem Sattel zu halten." „Ja, er war es," sagte Longsdale. „Eine kuriose Geschichte, nicht wahr, jene Affäre zwischen St. Argyle und dem armen Kerl, dem du Plessis?" „Ich habe nichts davon gehört. Irgend etwas Neues?" fragte Dalton, stets begierig, eine Skandalgeschichte zu hören. „Nun, es scheint, daß St. Argyle ziemlich hoch spielt, und kein eigenes Geld zu verlieren hat. Madame du Plessis hatte die Gewohnheit, ihrem Gatten fabelhafte Summen unter diesem oder jenem Vorwande abzuverlangen. Der arme du Plessis gab ihr arglos, was sie forderte, bis vor kurzem, wo es bei deni Scheidungsprozesse durch einen der Zeugen herauskaum, dap jenes Geld dazu gedient hatte, St. Argyles Spiel schulden zu bezahlen." „Der Schurke!" rief Dalton. „Ich bin empört über die Gesetze der Gesellschaft, welche es duldet, daß ein Elender, wie dieser St. Argyle, straflos ausgeht, während sie die ganze Schwere der Vergeltung an einem schwächlichen, hilflosen Weibe ausübt." Longsdale zuckte die Achseln. „Wenn cs keine Frauen wie Marie du Plessis gäbe," fügte er, „würden sich auch keine Männer wie St. Argyle finden. Ueberdem sagt man, daß du Plessis nicht der einzige Ehemann in Paris sei, der unwissentlich für jenen feinen Hochstapler die Zeche gezahlt hat." Reginald hörte schweigend diesem Gespräche zu, innerlich fest entschlossen, daß, wenn ihm noch ein Schatten von Autorität über Ida ge blieben, sie jeden Umgang mit St. Argyle ab brechen müsse. Als endlich Oberst Argyle sich empohlen hatte und die Damen heimfuhren, wendetesichdie Gräfin mit den Worten zu Ida' „Mir gefällt jener Mann nicht." freundet?^Et' seien sehr mit ihm be- „Durchaus nicht, nur oberflächlich bekannt. Zuerst hatte ich ihn ganz gern. ES lag etwas Frisches, Originelles in seinem Wesen, das für ihn einnahm. Aber anstatt der freien, offenen Natur, die man unter einer solchen Außenseite zu finden erwartet, erscheint er mir bei näherer Bekanntschaft kalt, schlau und berechnend. Außerdem gefällt mir die Art nicht, wie er in den du Plessisschen Ehescheidungsprozeß ver wickelt ist. Ich werde ihn von jetzt an höflich, aber kalt behandeln. Und Sie, Ida, sind viel zu schön und jung, um zuzugeben, das Ihr Name als derjenige einer besonderen Freundin jenes Mannes genannt werde." „Ich fühle mich gar nicht zu ihm hingezogen," sagte Ida kurz. „Es mag vielleicht nur Einbildung sein, Ida; aber es hat mir zuweilen geschienen, als wäre Ihr Gatte nicht sehr erbaut über die Aufmerk samkeiten, welche der Oberst Ihnen erweist. Halten Sie mich nicht für eine zudringliche Schwätzerin, Ida. Aus mir spricht die über große Vorsicht eines liebenden Herzen." Während sie sprach, suchte sic einen Blick aus JdaS Augen zu erhaschen, diese aber hielt be harrlich den Kopf gesenkt, und der herabfallende Schleier verhüllte ihr Profil. Die Gräfin mußte sich mit dem Tone ihrer Stimme begnügen, als sie antwortete: „Ich werde ihn in Zukunft nicht ermuntern, mich zu besuchen." Aber in ihrem Innern dachte sie: „Was wird eS mir helfen." Als sie langsam die breite Treppe hiuaufstieg, welche zu ihrer Wohnung führte, kam Mathilde ihr e:tgcgen. „Jener Mann ist hier gewesen, Madame." „Unmöglich!" rief Ida erschrocken aus, die schwarzen Locken von ihrer Stirn zurückschiebcnd. „Er sollte ja erst in vierzehn Tagen wieder kommen." „Aber er war nichtsdestoweniger hier," sagte Mathilde, „und hat fast eine Stunde auf Madame gewartet." Ida ließ sich ermattet auf einen Stuhl sinken. „Wie lange ist er schon fort, Mathilde?" „Vielleicht eine Viertelstunde. Ec schien sehr verdrießlich, Madame nicht angetroffen zu haben und hinterließ diesen Brief." „Jedenfalls bin ich froh, daß Reginald nicht hier war," dachte Ida, als sie, ohne Hut und Handschuhe abzulcgen, das Papier entfaltete und folgende Worte las: „6ara Llxnorios.! Ich befinde mich in einer Lage, auS der nur unverzügliche Gcldhilfe mich retten kann. Ich weiß, daß ich versprochen hatte, Ihnen so bald nicht wieder lästig zu werden. Aber was bleibt einem armen Menschen übrig, wenn das Glück und das Schicksal sich gegen ihn verschwören? Ich brauche tausend Pfund in gutem englischen Gelde. Ich muß sie haben. Es scheint viel, aber was ist eine solche Summe im Vergleiche zu dem Werte dessen, was ich in meiner treuen
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