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Allgemeiner Anzeiger : 18.01.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189301181
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18930118
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18930118
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1893
-
Monat
1893-01
- Tag 1893-01-18
-
Monat
1893-01
-
Jahr
1893
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 18.01.1893
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Kolttische Rundschau. Deutschland. * Donnerstag vormittag traf der Kaiser, da er wegen nachträglicher Absage einer anbe- fohlenen Truppenübung in Ettlingen, zeitiger als in Aussicht genommen, Straßburg wieder ver ließ, in Karlsruhe ein. Der Großherzog und die Prinzen des großherzoglichen Hauses empfingen den Kaiser am Bahnhof. Am Freitag traf der Kaiser wieder in Berlin ein. *Der Kaiser hat, wie verlautet in Sig maringen dem rumänischen Ministerpräsi denten Catargku den Rothen Adlerorden erster Klasse verliehen. * Die plötzliche Ankunft Kaiser Wilhelms in Straßburg hat in Paris einige Auf regung hervorgerufen und gab den Anlaß zu den unglaublichsten Gerüchten, die sich größten teils als Börsenmanöver herausstellten. «Eine internationale Frage wurde am Don nerstag in der Budget-Kommission des Reichs tags berührt. Beim Etat des Auswärtigen Amtes stellte der Abg. Baumbach die Anfrage an die Regierung, ob es richtig sei, daß die Regierung der Ver. Staaten von Nordamerika einen Antrag auf Einsetzung internationaler Schiedsgerichte an die europäischen Re gierungen gerichtet habe. Die Angelegenheit sei auf dem parlamentarischen Friedenskongreß in Bern auf Grund eines französischen Antrags zur Beratung gelangt und die Parlamentarier hätten sich verpflichtet, dieselbe in den bezüglichen Par lamenten zu vertreten. Der Staatssekretär v. Marschall erwiderte, daß allerdings die Ver. Staaten das bezügliche Material mitgetcilt, ein eige Mcher Antrag aber nicht gestellt sei; auf die Mitteilung sei bisher lediglich eine Empfangs bestätigung ergangen. Die Sache sei aber in Beratung und man müsse die Entwickelung ab warten. (Aus der aber wohl kaum etwas hand greifliches herauskommen wird!) «In letzter Zeit ist die Befürchtung laut ge worden, daß die Einführung der mittel europäischen Einheitszeit für den Nahverkehr der größeren Städte, (besonders den Schul- und Arbeiterverkehr) Erschwernisse mit sich bringen möchte, wenn nicht zugleich die Fahr pläne der Eiseibahnen den veränderten Ver hältnissen angepaßt werden. Demgegenüber teilt der ,Reichsanzeiger' mit, daß die köuigl. Preuß. Eiscnbahnen-Direktion schon vor längerer Zeit Weisung erhalten haben, die erforderlichen Aende- rungen der Fahrpläne für den Vorort- und Lokalverkehr der größeren Städte nach Benehmen mit den zuständigen Lokalbehörden zum 1. April vorzusehen. Frankreich. «Das neue französische Kabinett Ribot ist fertig und zeigt die bereits bekannten Namen. Zum Marincminister war zuerst Admiral Gervais, der Held von Kronstadt, ausersehen. Angeblich soll er abgelehnt haben, weit er dringend wünsche, Chef des Generalstabes der Marine zu bleiben; anderseits verlautet aber, gewisse Minister wünschten Gervais keineswegs als Kollegen, weil dessen Erfolge von Kronstadt das Publikum blenden würden. Aus Angst vor der „Blendung" des Volkes ist wie bekannt auch der General Gallifct nicht ins Ministerius be rufen worden. Doch ist der neue Kriegsminister General Loizillon ein intimer Freund Gallifets. Ec wird deshalb bereits von den revolutionären Organen angegriffen. Admiral Rieunieur hat schließlich das Marineministerium übernommen. * Kaum hat die trübe Flut des Panama- skandals den Kricgsminister Freycinet vom Bord des Staatsschiffes gespült, und schon lecken die Wogen wieder nach dem Präsidenten Carnot. Die .Cocarde' will wissen, daß der angeklagte Exminister Bai haut im Verhör, von dem Untersuchungsrichter befragt, warum der Bericht des Ingenieurs Rousseau über den Panama-Kanal unterschlagen worden sei, erwidert hätte, „dies sei auf Rat seines Kollegen Car not geschehen." Derselbe habe ihm wört lich gesagt: „We in Sie den Bericht Rousseaus veröffentlichen, wird die neue Anleihe unmöglich." Der Untersuchungsrichter wollte diese Erklärung nicht in das Protokoll aufnehmen, Baihaut be ¬ stand aber darauf, und erst nach einer halb- stü digen heftigen Debatte gab der Richter nach. Halbamtlich wird diese Angabe bestritten. * Im Verlause des Panama-Pro zesses hat der Ingenieur Eiffel eine sehr traurige Rolle gespielt. Der Erbauer des be rühmten Turmes hat sür niemals geleistete Arbeiten am Panama-Kanal 20—80 Millionen in die Tasche gesteckt. Eiffels Rechnungen sind im höchsten Grade faul. Er bekam für An schaffung deS Baustoffs zu vier Schleusen 18 Millionen, kaufte diesen Baustoff für 1200 000 Frank, brachte ihn aber gar nicht nach Panama hinüber. Bei der Gesellschaft „Cantiers de la Loire" bestellte er Eiscnarbeiten für 2 800 000 Frank, ließ sich das Geld von der Panama-Gesellschaft auszahlen, widerrief hierauf die Bestellung, entschädigte die „ChantierS" für Vorauslagen und Zeichnungen mit 7000 Frank und behielt das Panamageld. Dabei ist Eiffel noch immer auf freiem Fuß. Belgien. «Zur Verfassungsrevision haben die Liberalen Frere-Orban und Graux zwei neue Anträge für das Wahlrecht eingebracht, welche insofern etwas Ueberraschendes enthalten, als sie eine gewisse Bildung, allerdings nur die ein fachste Grundbildung, zur Vorbedingung haben. Frere-Orban schlägt vor: Wahlberechtigt sollen nur Bürger sein, die 25 Jahre alt sind und die Elementarschule absolviert haben. Ein provisori sches Gesetz solle bis zum Abschluß der Revision alle jetzigen Provinzial- und Kommunalwähler zur Legislativwahl befähigen. Graux empfiehlt als Bedingung des Wahlrechts nur Schreiben, Lesen und selbständigen Lebensunterhalt zu for dern. Beide Anträge überlassen einem einfachen Gesetz die einzelnen Bestimmungen über das Wahlrecht. — Ministerpräsident Beernaert erklärte im Verfassungsausschuß, die Regierung werde dem Könige die Auflösung des Parlamentes Vor schlägen, falls der von der Regierung vorgelcgte Wahlreformentwurf abgelehnt werde. Ruhland. «In Petersburger politischen Kreisen ist man erstaunt darüber, daß auswärtige Blätter in der letzten Zeit wiederholt die Meldung brachten, Herr v. Giers wwde in kurzem »ach Peters burg zurückkehren und die Geschäfte des aus wärtigen Departements in ihren: vollen Umfange wieder aufnehmen. Man weiß in Petersburg nur zu gut, und selbst die Intimsten des Herrn v. GierS müssen eS zugeben, daß derselbe seine geistige Frische und Spannkraft nach der über standenen schweren Krankheit nicht wieder gefun den hat. Dagegen wird von allen Seiten zugc- standen, daß der Kaiser die Rückkehr des Herrn v. Giers auf seinen alten Posten lebhaft wünscht und erhofft, weil er sowohl an dem Vortrag als auch an der Persönlichkeit desselben großes Ge fallen hat. * Wie schlimm dierussischen Zustände sind, ergibt sich sehr charakteristisch daraus, daß die anständigeren Elemente des Adels es sür notwendig halten, gegen das Treiben ihrer gänz lich verbummelten Standesgenossen zu protestieren. Aus Petersburg wird gemeldet, daß zahlreiche Adelsversammlungen eine Erweiterung ihrer dis ziplinarischen Gewalt über die Standcsmitg lieber anstreben, um dieselben sür ihre Nichterfüllung ihrer staatlichen und landschaftlich-kommunalen Verpflichtungen bestrafen zu können. Amcrikn- * Auf Grund des vom Senate in Washington angenommenen Gesetzentwurfs betr. die Qua rantäne werden alle Konsuln in den vom Schatzsekretär zu bezeichnenden Häfen und Städten angewiesen, wöchentlich über den Gesundheits zustand dieser Städte Bericht ze erstatten. Den .Times' wird gemeldet, der Gesetzentwurf über das Verbot der Einwanderung auf ein Jahr sei aufgegeben worden. * In der argentinischen Auf - standsbewegung scheint jetzt ein Umschwung zu gunsten der Regierung einzutreten. Der als Vermittler zwischen den Aufständischen und den Gouverneurtruppen nach der Provinz Corrientes entsandte Avellaneda hat den Kämpfen bei Santa Lucia ein Ende gesetzt und das Kommando der Truppen deS Gouverneurs übernommen. Bei San Totome fand ein Gefecht zwischen der Bundeskavallerie und den Rebellen statt. Letztere wurden mit einem Verluste von 50 Mann an Toten und Verwundeten aus ihrer Stellung ver trieben. Kon Uah und Fern. Arbeiterkolonie in Kiel. Die kaiserliche Werftverwaltung beabsichtigt jetzt eine eigene Arbeiterkolonie zu gründen und in unmittelbarer Nähe der Werft zunächst 250 Doppelhäuser auf zuführen ; ein Grundstück im Werte von 150 000 Mark ist bereits als Bauplatz in Aussicht ge nommen. Nach den Berechnungen wird sich jedes Doppelhaus auf annähernd 13 000 Mark stellen, was für die geplanten 250 Häuser rund Mil lionen Mark ausmachen wird. Jede Wohnung wird mit einem passenden Garten zum Anbau von Gemüse versehen werden. Wie ein Blatt erfährt, ist die erforderliche Summe brreits im Marineetat eingestellt. Damit dürfte das Pro jekt, das schon seit Jahren erörtert wird, endlich zur Ausführung gelangen. Die Hörner-Schlittenfahrten imRiesen- gebirge erfreuen sich bei der jetzigen vorzüglichen Schlittenbahn einer lebhaften Frequenz. ES ver geht kaum ein Tag, wo die Bauden nicht von größeren und kleineren Gesellschaften zu diesem Zweck besucht werden. Daß aber eine Partie ins Hochgebirge für einzelne Wanderer auch ihre Gefahren birgt, hat kürzlich ein junger Mann erfahren, der noch nach Eintritt der Dunkelheit von Agnetendorf auS die zwei Stunden entfernte Peterbaude erreichen wollte. Die Strapazen des Aufstiegs ermüdeten denselben derartig, daß er schließlich mitten im Walde nicht mehr vorwärts konnte. Er rief laut um Hilfe, aber seine Stimme verhallte ungehört. An einer Telegraphenstange brach er schließlich bewußtlos zusammen. Als er erwachte, befand er sich in einem hübsch durch wärmten Zimmer der Peterbaude. Zwei Fremde, die am späten Abend ebenfalls noch nach der Peterbaude kamen, fanden den Bewußtlosen am Wege und brachten ihn nach der Baude, wo durch dem Tode sein sicheres Opfer entrissen wurde. Eisbrücke. In Dresden hat man über das zum Stehen gekommene Eis der Elbe zwischen der Augustus- und Albertbrücke einen Uebergang für Fußgänger abgesteckt, der dem öffentlichen Verkehr übergeben wurde. Eine ziemlich erhebliche Erbschaft ist der Stadt Erfurt zugesallen. Der frühere Optiker und spätere Rentier Close hat der Stadt letztwillig sein ganzes, über 100 000 Mk. be tragendes Vermögen überwiesen. Der Leichnam des Testators ist in Gotha verbrannt worden, bei welchem Akte eine Deputation des Magistrats gegenwärtig war. Zum Nachsitzen begnadigt. Der Schüler B. aus Zawidowitz hatte seine Schwester beim Spielen mit einem Gewehr erschossen und wurde von dem Schwurgericht zu Ostrowo wegen fahr lässiger Tötung zu einer Woche Gefängnis ver urteilt. Das Gnadengesuch, das an den Kaiser gerichtet wurde, hatte Erfolg. Es erging au das Lehrerkollegium der „deutschen Bürgerschule", deren Schüler B. ist, durch die Staatsanwalt schaft die Anfrage, wie das Vergehen des B. im Wege der Schuldisziplin gesühnt werden könne. Das Kollegium schlug zwei Wochen lang täglich zwei Stunden Karzer vor, die Sonntage ausge nommen. Dieser Tage ist nun der Auftrag ge kommen, die genannte Strafe an dem B. voll ziehen zu lassen, und B. ist also in der That von einer Gefängnisstrafe zu einer Schulstrafe begnadigt worden. Ein jugendlicher Kassierer. In Marien werder hat kürzlich eine Wahl stattgefundcn, die zwar dem guten Herzen der Wähler alle Ehre macht, vor der Aufsichtsbehörde aber kaum wird bestehen können. In vergangener Woche starb dort der Lehrer K., der zugleich Rendant des Sterbekassen-Vereins für die Bewohner des Kreises und der Stadt Marienwerder war. Um nun die Witwe und ihre große Familie zu unter stützen, wählte die Generalversammlung den acht- zeh jährigen Sohn des K., einen Sekundaner, zum Rendanten. Unheimliche Nachbarn. Ein Bauer in Schneeberg (Bayern) bemerkte seit Wochen eine auffallende Störrigkeit und Aengstlichkeit an seine« Vieh. Die Tiere schlugen auS, verweigerten die Futteraumahme und magerten zusehends ab. Die Verordnungen des Tierarztes gegen diese Er scheinungen blieben erfolglos. Da stieß der Bauer bei der lebten Stallreinigung auf ein großes Nest von Ringelnattern. Dieselben hatten ich in einer Ecke des Stalles versteckt gehalten und das Vieh belästigt und erschreckt. Die Cholera-Kommission des Hambur ger Senats macht bekannt, daß bei einem arbeitslosen, am 7. Januar in Haft genommenen Tischler, der unter verdächtigen Symptomen er krankte, am Donnerstag Cholera-Bacillen nach gewiesen sind. Gegen die Hamburger Polizei ist eine eigentümliche Entfchädigungsklage anhängig ge macht worden. Kläger ist der Besitzer des St. Georger Tivoli, der von der Polizeibehörde da für Schadenersatz verlangt, daß er durch das wegen der Cholera erfolgte polizeiliche Verbot öffentlicher Tanzunterhaltungen Ende September v. I. eine Einbuße erlitten habe. Der Kläger will beweisen, daß das Verbot überflüssig und ungerecht gewesen sei, und stützt sich darauf, daß die Aufführungen in den Theatern und Konzert sälen drei Woche: eher gestattet sind, als die Eröffnung der Tanzsäle. Der Ausgang des Prozesses wird von sämtlichen anderen Inhabern von Tanzsalons in Hamburg mit Spannung er wartet, da die Klage des Tivolibesitzers eine Versuchsklage ist. Der Ski-Sport ist bereits bis Südtirol vorgedrungen; es sollen in allernächster Zeit auch bei den Kaiserjäger-Bataillonen Versuche mit dem Schneeschuhlaufen gemacht werden. Baronin Ulrike v. Levetzow beginnt am 4. Februar, auf ihrem Schlosse Trziblitz bei Lobositz in Böhmen lebend, ihr 90. Lebensjahr. Die hochbetagte Dame ist in der litterarischen Welt dadurch bekannt, daß Goethe in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts, im Alter von bereits 70 Jahren stehend, von einer leiden schaftlichen Neigung zu dem jungen, damals kaum 17 Jahre zählenden Mädchen erfaßt wurde, und einige Zeit ernstlich an einen Ehebund mit ihr dachte. Baron Hirschs Kolonisation. Eine Menge jüngst in Edinburg verkaufter Manu skripte, die von Burns und anderen schottischen Größen herrnhren sollten, sind von den Fach leuten des British Museum einer Prüfung unter worfen worden und haben sich als falsch er wiesen. Von den 202 ihnen vorgelegten Papieren scheint kein einziges echt zu sein. Die Fälscher sind so ungeschickt gewesen, die Königin Marie von Schottland, Rob Roy und Claverhouse gleichaltriges Papier benutzen zu lassen! Räuberbande in Nizza. Kaum haben die Wintergäste in Nizza den Schrecken über die Bombe in Monte Carlo überwunden, so sind sie in neue Aufregung versetzt worden durch einen allerdings mißlungenen Einbruch in Cannes, der von einer ganzen Räuberbande mit falschen Bärten, geschwärzten Gesichtern, Revolvern und was sonst noch dazu gehört, verübt wurde. In der Nacht z im 4. d. wurde die Besitzerin der Villa Crombez durch ein leises aber anhaltendes Geräusch geweckt, das vom Durchsägen der Eisengitter herrührte. Die mutige Frau weckte ihre Dienstleute und zu Besuch bei ihr weilende Freunde, die sich bewaffneten und das Fenster öffneten, worauf ihnen sechs Schüsse entgegen blitzten; mehrere Hausbewohner wurden verletzt, glücklicherweise nur leicht; die Räuber flohen, so schnell sie konnten, über die zwei Meter hohe Mauer, wurden aber verwundet und dürften infolgedessen entdeckt werden. Einer verkroch sich im Garren der Villa und verbrannte da in Eile eine Menge Papiere, wodurch er sein Versteck verriet. Als er sich entdeckt sah, stieß er sich einen Dolch in die Brust. Da er außerdem zwölf Schüsse erhalten hatte, trug man ihn scheinbar tot ins Spital; er erholte sich aber und gab an, Johann Schneider zu heißen. Die Behörde vermutet jedoch, daß er ein gefährlicher Einbrecher namens Soulard sei, da unter den Resten der verbrannten Papiere eine Hotel rechnung auf diesen Namen erkannt wurde; da durch gelangte man auch in den Besitz zweier KerzenswanöLungen. 8s ^Fortsetzung.» Frau GreSham fuhr nach kurzer Pause fort: „Es ist zwar albern, anzunehmen, daß bei dem Kinde von fünfzehn Jahren das Herz schon eine Rolle spielt, ich meine in Hinsicht auf zartere Gefühle — und doch glaubte ich einen Augenblick, ihr Herz sei berührt, bis ich sie eine halbe Stunde später auf dem Rasenplatz am Boden sitzend fand, wo sie mit Angie Theegesellschaft spielte und sich mit den Knaben herumzankte, weil sie die Java- Sperli ge nicht füttern wollten, die der kleine Melbille Croß zurückgelassen." Gresham lachte. „Du lachst," sagte sie lebhaft, „aber du be denkst nicht, daß Geoffrey in letzter Zeit bedeutend kälter gegen Eleanor geworden und abgereist ist, ohne sich gegen sie auszusprechen." „Liebe Selina," erwiderte er, freundlich ihre Hand ergreifend, „mache dir keine unnötigen Sorgen, mit der Zeit wird sich schon alles von selbst finden." . * „Papa, weißt du wohl, daS ist der netteste Zögling, den wir je gehabt haben!" nef Angie, vergnügt im Zimmer springend. „Deicke nur, er sagt, er wolle mich auf seinem Pony reiten lehren!" „Von wem sprichst du da?" fragte Ida Chaloner, die soeben von einem achttägigen Besuche bei einer Freundin in der Nachbar schaft heimgekehrt war. „Wer ist so nett und hat einen Pony, auf welchem er dich reiten lehren will?" „Nun, Papas neuer Zögling, Reginald, oder wie wir ihn nennen, Rex Delamare." „Und wer ist er?" fragte Ida. „Er ist ein junger Cubaner von neunzehn Jahren," sagte Frau Gresham. „Ich wünschte zwar, Papa möchte jeden Zögling zurückweisen, der das sechzehnte Jahr bereits überschritten, aber dieser hier hatte die weite Reise von West indien hierhergemacht und schien keinen anderen Ort gefunden zu haben, wo er sich in der Mathematik und den alten Sprachen vervoll kommnen und gleichzeitig ein angenehmes Familien leben führen könne, wie be: uns. Ich sehe daher nicht ein, weshalb wir ihm unsere Thür hätten verschließen sollen." „Außerdem zahlte sein Vormund ein ansehn liches Kostgeld für ihn," fügte Gresham hinzu. „Wird er lange hier bleiben?" fragte Ida beiläufig. „Ein halbes Jahr; nach Ablauf desselben wünscht sein Vormund mit ihm eine Reise nach Europa zu unternehmen. „Er ist reich wie Krösus!" rief Monty, der sich aus die Lehne von Idas Stuhl stützte. „Und er hält sich einen eigenen Pony, der steht in Deepdale im Wirtshausstalle — ein famoser Traber!" rief Jamie. „Der Pony ist mir zwar nicht eben recht," bemerkte Gresham, „aber Reginald scheint sehr an ihm zu hängen. Er hat sich das Tier von Cuba mit herüber gebracht/' Ida, die schon längst aufgehört hatte, sich für die Eigentümlichkeiten des neuen Zöglings zu interessieren, saß und schnitt zu Angies Er bauung eine ganz neue Art von Papierpuppen auS, während sie sich flüsternd mit ihr unter hielt, als die Thür sich öffnete und der neue Zögling etntrat. Reginald Delamare war groß und schlank gewachsen, er hatte blaue Augen und das Haar so dunkelbraun, daß man es fast hätte schwarz nennen können. Sein Gesicht war von der Sonne gebräunt, er war ein hübscher junger Mann mit freien, gewinnenden Zügen, dem man eher ein undzwanzig wie neunzehn Jahre gegeben hätte. Sein Anzug, welcher den Stempel der Groß stadt trug, stach eigenthümlich gegen die Kleidung seiner llmgebung ab. Es lag etwas Anmutiges, Vornehmes in der Bewegung seines Kopses, alS er sich sichtlich überrascht im Zimmer umsah. „Ich bitte um Entschuldigung," sagte er, zu Gresham gewendet, „ich wußte nicht, daß Sie Besuch haben." „Es bedarf keiner Entschuldigung, Reginald," erwiderte Gresham mit freundlichem Lächeln. „Es ist kein Fremder hier, dies ist Ida Cha loner, sie gehört zur Familie, und war nur zeit weise abwesend. Ida, begrüße den neuen Haus genossen." Ida, welche in der rechten Hand eine Schere hielt, streckte dem Fremden, ohne sich umzusehen, die linke Hand hin. „Sehr erfreut, Sie kennen zu lernen," sagte sie. Reginald sah das junge Mädchen zweifel haft an. Angie hatte ihm von Ida erzählt, und nach ihrer Beschreibung hatte er sie sich als eine wilde Hummel von etwa zehn bis elf Jahren gedacht — dies wunderbar schöne Geschöpf, mit den scheuen, gazellenartigen Augen eines Weibes und dem Wesen eines KindeS, überraschte ihn nicht wenig. Er war so verwirrt, daß er vielleicht noch lange gestanden und sie a gestaunt haben würde, wenn GreSham ihn nicht aus seiner Verlegenheit gerissen hätte. „Ich dächte, Sie wollten mich etwas fragen," sagte er gutmütig. „Ja, Herr," erwiderte Reginald mit einiger Befangenheit. „Der Zimmermann sagt, daß er sehr leicht für meinen Pony hinter dem Hüb"^' Hofe einen Bretterschuppen aufführen könne, bis zum Winter ausreichen dürfte, das HE, wenn Sie es erlauben. Die Kosten würven nur unbedeutend sein." „Und waS nennen Sie unbedeutend, Regi nald ?" „Fünfzig Dollar." „Ich nenne daS eine beträchtliche Summe," sagte der Geistliche sanft, „aber immerhin, thu» Sie, was Ihnen beliebt/ ich habe nichts dagegen." „Also darf der Zimmermann morgen kommen und die Arbeit in Angriff nehmen?" „Gewiß. Vergessen Sie aber nicht, daß der Pony die Unterrichtsstunden nicht beeinträchtig« darf." „Seien Sie unbesorgt, Herr. Angie, der Pony wartet draußen, willst du deine erste Rett stunde nehmen?" Angie ließ ihre Papierpuppen im Stich und lief fort, ihren Hut zu holen, während Iva sich zu Eleanor gesellte; den Kopf in deren Schoß
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