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Allgemeiner Anzeiger : 22.10.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190410227
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19041022
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19041022
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-10
- Tag 1904-10-22
-
Monat
1904-10
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 22.10.1904
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politische Kunclscbau. Der russisch-japanische Krieg. *Noch immer k>at das zehntägige blutige Ringen am Schahoflusse keine En - scheidung gebracht. Aber den Montag und Dienstag war das Kriegsglück den Russen günstiger als bisher. Auch von japanischer Seite werden die Erfolge der Ruffen zugegeben. Nachdem die Russen siebenmal den „Hügel mit dem Baum* vergeblich gestürmt hatten, der den Schlüssel des Zentrums der japanischen Stellung bildete, gelang ihnen der achte Sturm angriff; sie warfen die Japaner von dem Hügel zurück und eroberten (nach ihren Angaben) 11 Geschütze, nach japanischem'Zuge ständnis sogar deren 14. Indessen das japa nische Zentrum erhielt dann Verstärkungen, so daß der Kampf abermals zum Stehen kam. Es ist das der erste größere Mißerfolg der Japaner in dem ganzen bisherigen Feldzuge. Er wird aber für sie keine weiteren schlimmen Folgen haben, da auch die Russen zu erschöpft find, um sogleich wieder weiter schlagen zu können. * Fortwährend laufen noch von der Front Meldungen ein. Aus der Zahl der aufge fundenen Leichen ist zu schließen, daß die Verluste der Russen am 14. und 15. d. mehr.als 40000 Mann betragen. Die Mel dungen über die Verluste der Japaner find lückenhaft, sie sind aber jedenfalls gering im Vergleich zu denen 'der Russen. Die Verluste Okus vom 10 bis 14. d. betragen 2500 Mann an Toten und Verwundeten, einschließlich der Offiziere. * Es wird jetzt bekannt, daß Kurop atkin mir auf direkten Befehl desZaren seinen Vorstoß gegen die Japaner unternommen hat. Vorweg schon hat Kuropatkin die V e r- antwortlichkeit dafür abgelehnt. Er werde höchstens jetzt imstande sein, Liau- jang zurückznerobern. Der Verlust werde auf jeden Fall sehr groß sein. Der Zar hielt aber seinen Befehl aufrecht! * Sonderbar berührt angesichts der augen blicklichen Lage der russischen Armee eine Mel dung aus Charbin, wonach der Statthalter Alexejew am Sonntag dorthin zurückgekehrt ist. (Dem stark verwöhnten Herrn dürfte der Aufenthalt im Hauptquartier Kuropatkins gegen wärtig etwas zu ungemütlich erscheinen.) *Die Nachricht von den schweren Verlusten der Russen dämpft selbst in Tokio die Freude. Die Bevölkerung jubelt nicht laut, nur wenige Häuier find beflaggt. Es werden auch Stimmen gegen die Abhaltung einer Siegesfeier laut. Ein hochgestellter Japaner erklärte, der Sieg sei entscheidend und bedeute vielleicht die Rettung der Existenz Japans, aber man be dauere neben den eigenen Verlusten die furcht baren Verluste der Russen, und daß man über haupt gezwungen sei, Krieg zu führen. Ein Diplomat erklärt, die Menschlichkeit verlange die Einstellung desKrieges. Die russische Ehre sei durch die Verteidigung von Port Arthur und die Tapferkeit derFeId - armee gerettet. Die japanische Bevölkerung sehe ein, baß die große Entfernung der Man dschurei von Rußland und die begrenzte Leistungsfähigkeit der Bahn gegen Rußland ins Gewicht falle. * Das baItischeGeschwader hat nun tatsächlich seine Asien fahrt angetreten; Diesmal ernstlich, denn am Montag war es bereits in den dänischen Gewässern ange kommen. * Der japanische Gesandte in London erklärte einem Interviewer, es sei Rußlands Sache, den Frieden nachzusuchen. Er entwickelte auch die Idee der nächsten japa nischen Kriegsoperationen. * * * Deutschland. * Kaiser Wilhelm brachte in seiner Rede bei Eröffnung des Kaiser Friedrich-Museums in Berlin abermals seine schon bekannten An schauungen über die Kunst zum Aus druck. * Die Leiche des Königs Georg von Sachsen, die von Pillnitz nach Dresden übergeführt worden war, ist in der katholischen Hofkirche anfgebahrt worden. Neben vielen Fürstlichkeiten hat auch der Kaiser den Beisetzungsfeierlichkeiten beigewohnt. Der Kaiser hat eine Armeetrauer von 14 Tagen angeordnet. *Jn Verbindung mit Angaben über eine für das kommende Frühjahr geplante Mittel meerfahrt Kaiser Wilhelms tauchen in französischen und englischen Blättern allerlei Ausstreuungen auf, wonach die deutsche Politik beim Vatikan für eine Verbesserung der Be ziehungen Italiens zue Kurie eine besondere Geschäftigkeit entfalte. Die .Köln. M »M Prinzessin Maria von Astnrien ch. Große Trauer herrscht am spanischen Hofe. Die Infantin Maria de las Mercedes, Schwester des Königs von Spanien, die mit dem Prinzen Karl von Bourbon vermählt war, ist an den Folgen des Wochenbettes gestorben. Die Infantin lebte in glücklichster Ehe. Die Prinzessin Mercedes war sechs Monate lang Königin von Spanien gewesen. Bei dem Tode ihres VaterS Alfons XII., der am 25 No vember 1885 starb, war der jetzige König Alfons XIII. noch nicht geboren. Nach dem Hausgesetze fiel ihr als der erstgeborenen Infantin die Krone zu. Erst am 17. Mat 1886, als ihr Bruder zur Welt kam, wurde die sechsjährige Königin von Spanien wieder einfache Prinzessin von Asturien. Ztg.' versichert offiziös, daß an allen diesen Erzählungen kein wahres Wort ist. * Im Bundesrat ist bisher an einer Reform des Militär-PenfionswesenS noch nicht weiter gearbeitet worden. Dagegen hat sich daselbst eine entschiedene Neigung gezeigt, im Anschluß an die Resolutionen, die der Reichstag und daS preußische Herrenhaus gefaßt haben, eine Ver besserung derVeteranen-Fürsorge dem^ nächst in Angriff zu nehmen. *An den H o chw asserflässen Schlesiens hat sich nach einer Meldung der ,Schles. Ztg/ die Herstellung noch einiger Stauweiher als not wendig herausgestellt. Die durch das preußische Hochwasserschutzgesetz bewilligten Mittel müßten des halb um zwei Millionen Mark erhöht werden, wovon wahrscheinlich wiederum vier Fünftel der Staat, eiu Fünftel die Provinz tragen werde. Der nächste schlesische Provinziallandtag werde im März 1905 darüber Beschlüsse fassen und die nächste Provinzial ausschußsitzung am 24. d. diese Beschlüsse bereits vorbereiten. * Der oldenburgische Landtag nahm die Vorlage betreffend die Thronfolge in zweiter Lesung einstimmig an. Da noch eine Eisenbahnvorlage eingegangen ist, wird der Landtagsschluß um zwei Tage, bis Freitag, hinausgeschoben. * General Trotha hat drei Kompanien Verstärkung gegen Witboi abgesandt. Österreich-Ungarn. * Ein Erlaß des gemeinsamen Kriegsministers v. Pitreich wird in slawischen Kreisen große Genugtuung Hervorrufen. Die Ide- Affäre, die jahrelang Österreich in Atem hielt und zahlreichen slawischen Reservisten, die sich statt mit „Hier" mit dem slawischen „Zde" i Mas man in äer ^lanäsckurei rauckt. Daß der Tabak dem Soldaten im Felde sehr gute Dienste zu leisten vermag, ist eine alte Beobachtung, und so ist eS denn nicht un wichtig, wenn ein Kriegskorrespondent des ,Figaro' aus seinen Erfahrungen Genaueres darüber mitteilt, was man jetzt in der Mandschurei raucht. Die Russen, schreibt er, scheinen höchst entzückt zu sein von dem, was fie rauchen. Wir Franzosen dagegen, die wir eine gute Zigarre, eine Havana oder andre, lieben, wir find darüber im höchsten Maße unglücklich. Der russische Staat, der das große Tabak monopol hat, verkauft dem Publikum nur Zigaretten, wahrscheinlich weil das Publikum nichts andres von ihm verlangt. Die wenigen Zigarren aber, die man in der Mandschurei findet, sind von jämmerlicher Qualität. Überdies verkauft man nur sehr wenig. Fast niemand meldeten, langjährige Kn bestrafen cinbrachte, wird durch diesen Erlaß, der anordnet, daß die nichtdLutschen Reservisten sich bei den Kontrollier samwlnnqen in ihrer Mutter sprache melden dürfen, auS der Welt ge schafft. England. *Wie die .Zentral News' erfährt, ist in offiziellen konservativen Kreisen Londons die Ansicht verbreitet, daß die nächsten allge meinen Wahlen aller Wahrscheinlichkeit nach im Anfang des kommenden Frühjahrs stattsinden werden, vermutlich ein oder zwei Woryen nach dem Zusammentritt des Parla ments. Man sei sich in den leitenden Kreisen darüber einig, daß die Opposition alles daran s tzen werde, um bei der Beratung zur Adresse die Negierung zu schlagen, der dann weiter nichts übrig bleiben werde, als zurückzu- t r e t e n. statten. *Die italienischen Kammern sind auf einstimmigen Beschluß des Ministeriums.Gio litti aufgelöst worden. Die Neuwahlen finden am 6. November statt. (Die Regierung, die allerdings für die Durchbringung ihrer Han delsverträge eine Halbwegs verläßliche Mehrheit bitter notwendig hat, glaubt also offenbar, daß die durch den Generalstreik im Lande gegen die Sozialisten erzeugte Stimmung ihr bei gehöriger Handhabung des amtlichen Apparates eine günstiger zusammenGsetzte Kammer als die jetzige bescheren wird./ Spanien. * Die Prinzessin Mariavon Asturien, die nach dem Tode ihres Vaters und bis zur Geburt des jetzigen Königs Alfons als spanische Thronfolgerin galt, ist am Montag in Madrid verstorben. Sie war 1880 in Madrid geboren und hatte sich 1901 mit dem karlistisch gesinnten Prinzen Karl von Sizilien-Bowbon vermählt. Der Ehe entstammen drei Kinder, nämlich zwei Prinzen und eine Prinzessin, bei deren Geburt die Mutter gestorben ist. Portugal. * Das gesamte Ministerium hat seine Ent lassung eingereicht. (Verläßlich« Berichte aus Portugal find so selten, daß man sich ans Einzelmeldungen, wie die vorstehende, kein richtiges Bild machen kann.) Amerika. * Der Aufstand in Uruguah ist nun glücklich durch Friedensschluß beendet; aus wie lange, das wögen die Götter wissen. Kammer und Senat, die in der Nacht zum Sonntag eine gemeinsame Sitzung abhielten, sprachen ihre Zustimmung zu den zwischen der Regierung und den Aufständischen vereinbarten Friedensbedingungen aus. Im Volke herrscht große Freude, es werden Feuerwerke abgebrannt, und allgemein wird dem Verhalten des Präsi denten Battle Beifall gezollt. Afrika. *Die Vertreter der fremden Mächte in Tanger haben einen scharfen Protest beim Sultan von Marokko wegen des Verbots des Küstenhandels eingereicht. raucht hier die Pfeife. Die Franzosen, die ich auf der Suche nach Pfeifentabak sah, taten mir immer leid. Einer von ihnen, ein junger Maler, den die Zeitschrift ,Le Monde illuftrö' nach dem fernen Osten geschickt hatte, hatte einen chinesischen Kaufmann in Cbarbin aus findig gemacht, der ihm seltsame Tabakblätter verkaufte. Diese rauchen die Himmlischen in langen Pfeifchen mit ganz kleinen Köpken. Er schnitt nun die Blätter mit der Schere zu kleinen Stückchen und stopfte dann seine Pfeife damit. So hat man seine Mühe damit, sich in der Mandschurei ein Pfeifchen anzuzünden. Im übrigen steht nur die Zigarette in Gunst. Sie herrscht aber allgemein; es gibt keinen Russen, der nicht sein gefülltes Zigarettenetui in der Tasche hätte. In Charbin machen die Händler ein gutes Geschäft damit, auf diese Etuis in Goldfiligran den Namen des Besitzers, den Namen seiner Frau, wenn er eine hat, oder feiner Mutier, seiner Brüder und Schwestern schreiben zu lassen. So ist jedes Zigaretten täschchen aus der Mandschurei kreuz und quer mit solchen Namen beschrieben, was sehr lustig aussteht. Aber die „Papyrossa", die die Chinesen allenthalben ausrwen, verdienen ihren griechischen Namen, der Papier bedeutet, nur allzusehr. Es ist eigentlich nichts als Papier, diese Zigaretten find zu drei Vierteln Papier- Mundstück und nur im letzten Viertel findet man ein Atom Tabak. Aber die Russen rauchen anscheinend diese Papierstückchen mit großem Wohlgefallen. Von und fern. Wer weist? In Berlin erzählt man sich, wie der Hrkf. Ztg.' von einem dortigen Maler geschrieben wird, jetzt in einzelnen Künsilei- kreisen einen neuen Ausspruch, den Kaiser Wilhelm über die moderne Malerei getan haben soll; da er für gut verbürgt gilt und überdies auch sehr charakteristisch klingt, wird er allge mein geglaubt. Es war bei Gelegenheit eines Gespräches über die Photographie in natürlichen Farben. Mit den Versuchen in diesem neuen Verfahren besaßt sich in Berlin Herr Dr. Miethe, der seine Aufnahmen einmal auch dem Kaiser vorlegen durste, über die darin auffallenden transparenten Zwischensarben, das Blau und Violett, entwickelte sich nun eine Diskussion, und Herr Dr. Miethe machte in deren Verlauf darauf aufmerksam, daß dies dieselben Farben seien, die schon vor den Erfahrungen mit der photographischen Platte speziell die Maler der Sezession vermöge einer schärferen Sehart, ge wissermaßen durch ahnungsvolle Eingebung ge sunden hätten. Darauf soll der Kaiser bemerkt haben: „Sollten die Kerls am Ende doch recht habend" Wiederherstellung einer — Nnine. Der Kreistag des Kreises Düren erhielt zur Wieder herstellung der teilweise eingestürztcn Burgruine Nidegger vom Kaiser ein Geschenk von 15 000 Mark. Revolveratteniat ans einen Landrat. Gegen den Landrat des Kreises Kehdingen, Dr. Schmidt, wurde am Montag von einer offenbar den besseren Ständen angchörenden Dame ein Revolverattentat verübt. Als der Lauadrat von einer Ausfahrt heimgekehrt war und den Garten passierte, fiel ein Schuß. Der Landrat rief den Kutscher heibeß auf den die Dame aus einer Laube heraus sofort feuerte. Als eine Kugel am Kopf des Kutschers hart vorbeipfiff, ergriff dieser die Flucht. Darauf fielen noch drei Schüsse. Als Leute herbcieilten, fand man die Dame schwerverletzt am Boden liegen. Der Laudrat war durch einen Schuß in den Unterleib verwundet und mußte sofort operiert werden. Die Attentäterin verstarb auf dem Wege zum Krankenhaus«. Dr. Schmidt wurde nach Kamberg gebracht. Er behauptet, daß die Attentäterin ihm völlig unbekannt sei; deren Identität ist noch nicht festpestellr. Der sozialdemokratische Reichstags- abgeordnete für Kalbe-Aschersleben, Albert Schmidt, hat sich am Sonntag nachmittag in einem Anfall von Geistesumnachtung von einem Zuge bei Bielefeld überfahren lassen; er war sofort tot. K 6in famiUen-6ekeimnis. 18) Kriminalroman von Eberhard Woldenberg. (Fortsetzung.) Von dem Ladentische waren die Kartons, die Bänder, Rüschen und ähnliche während der Verkaufszeit aufgestapelten Gegenstände abge räumt und lagen unordentlich teils auf dem Fußboden, teils auf einem Seitentische umher. Es schien, als habe man etwas Verloren gegangenes in Eile und Hast gesucht. Wie Hedwig erschien, kehrten sich alle ihr zu; die Kassiererin fland auf und eine plötzliche Sülle trat ein. Das junge Mädchen blieb erstaunt im Hintergrund stehen und ließ ihre Augen fragend nmherirren. eine unbestimmt« Ahnung beunruhigte fie. Was hatte die sicht liche Verlegenheü ihres Chefs, was die osten tativ feindselige Haltung der beiden Damen und die Blicke schadenfroher Neugier von ihren Kolleginnen zu bedeuten? Sie sollte mch: lange darüber in Ungewißheit bleiben. Herr Kalläne, ein älterer korpulenter Mann mit rotem Gesicht, dunklem Vollbart und einer goldenen Brille vor den kleinen wafferblauen Augen, ging ihr hastig einige Schritte entgegen, blieb dann plötzlich stehen und sagte ernst, bei nahe unfreundlich: „Kommen Sie doch näher, Fräuledi Bordowich!" Zögernd trat Hedwig heran und bemerkt« jetzt erst deutlich Lie finsteren, beinahe drohenden Mienen der Damen. Sollte fie irgend ein Ver sehen begangen haben, das ihnen Grund zur Klage gegeben hatte? Verwirrt und beun ruhigt blickte fie bald diese, bald ihren Chef au, und fie fühlte, wie ihr das Blut heiß in die Wangen stieg. „Bitte, meine Damen," wandte sich ihr Chef an Hilda und deren Mutter, „wollen Sie die Güte haben, in mein Kontor einzutreten, wir möchten hier durch die Käufer allzuoft gestört weiden!" Er schritt voran und forderte Hedwig mit den Worten: „Kommen Sie mit uns," gleichfalls auf, ihm zu folgen. „Sie erkennen doch diese Damen wieder?" begann der Chef, nachdem er die Tür des Kontors geschloffen, zu ihr. „Dieselben kauften vorhin eine Robe." „Ja," entgegnete Hedwig. „Warum schickten Sie das Paket nicht sofort durch den Hausdiener ab?" „Entschuldigen Sie, Herr Kalläne," versetzie Hedwig, durch den barschen Ton dieser Frage gekränkt. „Ich wurde von Fräulein Semper nach dem Lager gerufen und vergaß darüber meinen Auftrag." „Fräulein Semper erteilten Sie auch die Anordnung, den Ladentisch abzuräumen, nicht wahr?" „Jawohl, ich hatte soeben damit begonnen, als fie mich bat, ihre Arbeit zu übernehmen." „So, so! Und Sie waren allein, ehe Fräulein Semper erschien?" „Ja, ganz allein." „Haben Sie bei dem Abräumen des Tisches nicht zwischen den Kartons etwas gesunden? — Eine grünseidene mit Perlen besetzte Börse ?" „Nein," erwiderte Hedwig im Tone ehr lichen Erstaunens und sah mit ängstlicher Spannung von dem Chef zu den Damen hin ¬ über. Wie ein Blitz kam ibr dabei der Ge danke, daß es sich um einen Verlust derselben handelte, für den man sie verantwortlich machen wollte. Mit welchem Rechte, vermochte, fie freilich nicht einzusehen. „Nun kurz und gut, Fräulein," sagte Herr Kalläne scharf und deutete auf Hilda, „diese Dame hat den Betrag aus jener Börse bezahlt und diese selbst auf dem Tische liegen lassen." „Ja, ich erinnere mich genau," ergriff Hilda das Wort, „aber ich vermißte die Börse erst, als wir unterwegs noch einen Einkauf be sorgten. — Sie müssen dieselbe gefunden haben," wandte sie sich in brüskem Tone jetzt direkt an Hedwig. „Ich?" rief diese erschrocken einen Schritt zurücktretend, während Leichenblässe ihre Wangen bedeckte. „Ja, Sie und niemand sonst!" fiel ihr Chef erregt ein. „Fräulein Semper bezeugt, Sie in großer Aufregung angetroffen zu haben, übrigens war dieselbe keine Minute allein; kaum hatten Sie den Laden verlassen, als die Kassiererin und bald darauf noch zwei Ihrer Kolleginnen erschienen. Die Börse mußte un- zweiselhaft von allen bemerkt worden sein, wäre sie überhaupt noch dagewesen. Ihr Leugnen ist nutzlos, wie Sie selbst einsehen müssen. Setzen Sie sich nicht den größten Unannehmlich keiten aus, sondern geben Sie daS — Gefundene zurück." „Aber ich schwö-e Ihnen, daß ich nicht weiß —" „Erlauben Sie!" unterbrach fie Kalläne. „Die Sache ist so klar, daß alle Beteuerungen Ihnen nichts Helsen können. Sie haben die Börse entdeckt und an fich genommen." „Sie bezichtigen mich des Diebstahls?" schrie Hedwig auf. Ihr Chef zuckte die Achsel. „Sie begreife« also endlich," sagte er. Ja, sie begriff jetzt voll und ganz den erniedrigenden Verdacht, den man auf fie warf; aber fie verzweifelte nicht, sich von demselben reinigen zu können, und in ihrer Unschuld dachte fie nicht daran, wie schwer, ja unmöglich ihr das werden mußte. „Mein Gott, es ist ja gar nicht möglich," wandle fie fich hilfesuchend an Hilda und deren Mutter, „daß Sie mich einer solchen verab scheuungswürdigen Handlung im Ernste be schuldigen wollen. O, bedenken Sie doch, wie sehr Sie mich beschimpfen, welche schrecklichen Folgen Sie dadurch heraufbeschwören," setzte fie schluchzend hinzu. Hilda blieb bei diesen flehenden Worten, und bei dem Anblick des bleichen Gefichts mit den angstvoll auf sie gerichteten Augen unbe wegt. In dem Herzen ihrer Mutter aber regte sich etwas wie Rührung und Mitleid. -Wir wissen uns keine andre Deutung, mein Fräu- ' lein," sprach dieselbe, „die Angelegenheit ist uns) ebenso peinlich als Ihnen; aber der Verlust ist. ein zu großer, als daß wir ihn stillschweigend , verschmerzen möchten." „Ich kann Ihnen nur raten," nahm Hedwigs Chef wieder das Wort, „Ihr Vergehen einzig gestehen und den Damen ihr Eigentum zurück zugeben. Sie haben mich und Ihre Kol leginnen mit kompromittiert, und Sie würden
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