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es mir. Ich war noch immer sprachlos. Und da ich natürlich an ein Wiederbekommen des Geldes nie gedacht hatte, sagte ich zögernd: „Es mögen vielleicht zweihundert Mark sein. Genau weiß ich es aber nicht." „Sagen wir ruhig dreihundert, das dürfte eher stimmen", iagte er, langte in seine Brief tasche und schob mn drei blaue Scheine hin. „Durch emen Kontoauszug werden wir uns genau ms Vernehmen setzen", fügte er dann hinzu. Ich sah aui die Banknoten, dann auf meinen Freund, schließlich auf die Sektflaschen. .Und da ich eine schlechte Handschrift be sitze, lesen die Redakteure meine Gedichte über haupt gar nicht erst. Wenn sie sie lesen könnten, würden sie wohl die meisten akzep tieren. Meinst Du nicht auch?" „Es ist jedenfalls nicht ganz ausgeschlossen", versetzte ich diplomatisch. „Siehst Du. Du gibst mir Recht. Und darum werde ich mir eine Schreibmaschine kaufen. Dann kann ich auch meine Gedichte selber vervielfältigen und gleichzeitig mehrere vrr Vorstoß am Zfonz». v»rbrechen von rsterreichgch.x»,,r:ich,n Seirr-truppeo, gedeckt r„ Reuche »ine« FI»»w»nwerfer«. Lodenmantel? Er trug einen tadellos sitzen den Überzieher, steifen englischen Hut und schwedische Handschuhe. Selbstbewußt ließ er sich vom Kellner beim Ablegen helfen wöbe' ein hochmoderner Cutawav und sauber ge bügelte Beinkleider sichtba'-' wurden Ich tchaute in sein Gefickt. Freilich, die Augen blickten noch immer ohne Falsch. Doch dir Obrrlwpe zierte eine „Zahnbürste", und statt der Dichter- locken bedeckte ein Scheitel feine hohe Stirn Herzlich lachend schüttelte er meine Hand und ohne einen Einspruch abzuwarten, be stellte er: „Eine Flasche Schampus und zwei Dann sprang ich auf und rief: „Nun wird's mir aber zu dumm. Also beichte oder ich lasse Dich mitsamt Deinem Sekt allein." Sanft schob er mich wieder nieder und lachte aus vollem Halse. Donn griff er wieder in seine Brieftasche, und vor mir lag eine Visitenkarte, auf der stand: „Hans Wolfram, Generalagentur der Herkules- Schreibmaschinenfabrik." — In meinem Hirn begann es zu dämmern. „Also keine Gedichte mehr?" sagte ich fast schmerzlich. „Na, aber fein stilisierte Offerten", belehrte er mich. Und dann erzählte er mir: „Du weißt doch damals meine Idee mit der Schreibmaschine. Du sagtest ja selber, daß sie glänzend war." „Ja, aber so dachte ich cs mir eigentlich nicht —" warf ich schüchtern ein. „Offen gestanden, ich auch nicht", lachte er. „Aber das Schicksal hat es nun mal so gewollt. Ich kaufte mir solch Ding, und zwar billig in einem Rückkaufgeschäst. Sie war fast noch neu und funktionierte tadellos. Da sah sie ein Be kannter von mir, sie gefiel ihm, und er kaufte sie mir mit Profit ab. Er muß wohl davon er zählt haben, denn bald darauf schrieb mir einer seiner Freunde, ich möchte ihm auch so eine Maschine besorgen. Adressiert war der Brief, wohl aus Ver sehen, „HansWolfram,Schreib- mascbiuengeschäft". Da fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. Ich rechnete mir „Nichts, ich meinte nur, daß Dir die Annahme glücken möchte." „Oh, ich zweifle nicht daran. Ich habe gehört, daß man von einem Original mindestens neunzig gute Abzüge herzu stellen vermag. Nehmen wir an, daß man für eines meiner Gedichte fünfzehn Mark bezahlt. Neunzig schicke ich weg, fünfzig werden davon angenommen. Das macht also fünfzehnmal fünfzig. Sind Siebenhundert undfünfzig Mark." „Donnerwetter", sagte ich. Solch ein Optimismus war mir in meiner Praxis lange nicht vorgekommen. „Ist das nicht eine famose Idee?" fragte er und sah mich mit seinen blauen Augen treu herzig an. Sollte ich widersprechen? Sollte ich versuchen, diesen Überidealisten zu bekehren? Es wäre ein vergebliches Be mühen gewesen. Darum unter ließ ich es und sagte nur la konisch: „Ja!" „Das freut mich, daß Du mir zustimmst. Das ist ein Zeichen, daß die Sache gut fft —" Ich wußte Bescheid und kam ihm auf halbem Wege ent gegen mit der diskreten Frage: „Wieviel brauchst Du?" „Wenn Du zehn Mark ent behren kannst?" flüsterte er, „wenn ich die siebenbundert- »ndfünfzigMark habe, bekommst Du sie bestimmt wieder." „Abgemacht", sagte ich, reichte dem armen Teufel ein Goldstück Zeitungen damit beglücken." „„Beglücken" ist gut", entfuhr „Was meintest Du?" Au Sen Fortschritten an -er volomitenfront. Ansicht der in weitesten «reisen bekannten Stabt Cortina d'Ampkzzo, die von den verbündeten Truppen der Dolomitensront eingenommen wurde. hin und schrieb diese Summe zu den vielen andern a k'onäs poräu. Dann riefen mich dienstliche Geschäfte fort, und ich nahm von meinem Freunde, dem Dichter, Abfchied. Zwei Jahre etwa waren vergangen. Ich saß im Ralsweinkeller und wartete aus meinen Freund. Ich muß gestehen, daß ich, so sehr ich mich auf ein Wiedersehen mit ihm freute, mich über das von ihm dazu auserlefene Lokal ärgerte. Schließlich hätte es das „Bräustübl" oder ein Cafö doch auch getan. „'n Abend", sagte da plötzlich eine tiefe Stimme. Ich war baß erstaunt. Dieser so siegesgewiß hereintretende Geck war —? Natür lich mein Freund, der Dichter. Aber wo war denn fein grüner Hut geblieben und der dito Gläser. Aber etwas plötzlich!" Dann ließ er sich mir gegenüber aus einen Stuhl nieder. „Nun, wie geht es denn, mein Lieber?" fragte er, und schien sich an meinem Er staunen zu weiden-. — „Mir? Gut!" antwortete ich und blickte ihn saft ehrfürchtig an. „Wie geht es Dir denn?" „Danke, es macht sich; allmählich kommt man ins Geschäft." „Geschäft?" dachte ich. Doch er ließ mich kaum verschnaufen. In einem Tone, den ich sonst an ihm nicht kannte, fuhr er fort: „Ja, ganz recht, und da wir mal vom Geschäft sprechen, wieviel Mark hast Du mir insgesamt vorgeschossen?" aus, daß ich an der einen Maschine mehr verdient hatte als an vier Gedichten, und ich schrieb an eine Fabrik nach einer gebrauchten Maschine. Nachdem ich diese mit gutem Gewinn an den betreffenden Herrn weiterverkauft hatte, fand ich Geschmack an dieser Beschäftigung und traf mit der Firma ein Abkommen. Ich legte mich ins Zeug, — und den Erfolg siehst Du. Manchmal machte ich mir ja Vorwürfe, daß ich meiner eigent lichen Bestimmung untreu geworden bin. Aber dann tröste ich mich damit, daß es nicht nur gute Dichter geben muß, sondern auch gute Schreibmaschmenagenten." Ich hob mein Glas und sagte: „Ich hätte nie geglaubt, daß Du so vernünftig werden würdest. Also Prosit, mein Junge. Vivat Mercurius!"