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Vmmrtmrg »W WlMrGM. Mann wurde zu anderer Dienftverrichtung verweiset und statt seiner ein Wärter genommen, der zutraulich und gesprächig war. Und siehe da, die Tiere waren wie ausgetauscht! Schon bin nm kürzester Zeit durfte er sie streicheln und schlagen; aLes ließen sie mit sich machen; dabei war er unter ihnen so sicher und wohl geborgen wie Daniel in der Löwengrube. Der Franzose Cuvier behauptet, daß es leichter sei, wilde Tiere zu zähmen als solche/ zu denen der Mensch mehr oder weniger gute Beziehungen unterhält. Dressieren ist selbst verständlich etwas Anderes als zähmen. Viel leicht darf man es als die Fertigkeit oder so gar Wissenschaft definieren, die es versteht, die in den Tieren schlummernden Fähigkeiten wachzurufen oder auf einen bestimmten Zweck hin weiter zu entwickeln und zu vervoll kommnen. Welche Tiere sind es denn nun aber, die überhaupt als dressurfähig in Be tracht kommen dürften? Abgesehen von Hund und Pferd eignet sich der Bär zu einer Ab richtung vermöge gewisser Eigenschaften und Instinkte, die ihm die Natur gab. Dieses Tier steht nämlich ganz auffällig unter dem Einfluß des Tones; sowohl das gesprochene Wort als auch Musik vermag Meister Pez dem menschlichen Willen sügsam zu machen. Ganz im Gegenteil hierzu wird die Katze meistenteils, sobald während des Unterrichts Musik ertönt, störrisch und widerhaarig. Auch die Anzahl der Kunststücke, die sie erlernt, bleibt verhältnismäßig engbegrenzt; die Tricks, die zustande kommen, sind in ihren letzten Be weggründen gewiß nur höchst primitiven In stinkten zu danken: dem Hunger oder dem Geruch. Darauf war denn auch eine „Num mer" zurückzuführen, die vor einigen Jahren auf der L-chaubühne größtes Aufsehen erregte, so daß man bereits Miene machte, die geistige Befähigung dieses Tieres um eine ganze Menge Staffeln höher zu rücken. Eine Katze, die irgend ein Verbrechen begangen, wird als reuige Sünderin vorgeführt. Gesenkten Hauptes schreitet sie auf ein Häuschen zu, das die In schrift „Gefängnis" trägt. Es sieht traurig aus, die Tür ist verschlossen. Die Büßerin öffnet diese ohne Zaudern — denn drinnen harrt ihrer ein Leckerbissen, der schon während dieser gesamten Zeit elementar auf sie ein wirkt: ein Stück mit Baldrian in Verbindung gebrachte Wurst, wodurch sowohl der Gaumen als auch die Geruchsnerven geködert wurden. Mäuse und Ratten werden durch die Musik dahingebracht, allerhand Tricks auszuführen; daß zumal die ersteren in dieser Hinsicht ziemlich begabt sind, ist eine vielfach erprobte Erfahrung. Bei Kaninchen wird die beab sichtigte Wirkung durch Hunger erreicht; merk würdigerweise läßt sich Meister Lampe da gegen nicht als Artist verwenden. Überaus gelehrig zeigen sich Robben; die großen Meister der Dressur behaupten, man könne diesen Tieren genau dieselben Kunststücke beibringen wie Hunden. Man hat ferner dressierte Kän guruhs, Schweine, Wildschweine, Eichhörnchen, Schafe, Schlangen, Krokodile, Gänse, Bienen — ja sogar Flöhe; die Einzelheiten, vermöge deren diese Tiere zu Artisten gedrillt werden, kann ich aus Mangel an Raum hier nicht auseinandersetzen. Sehr, sehr oft liegt leider den Kunstfertig keiten, durch die das Publikum in Erstaunen gesetzt wird, die ärgste und verwerflichste Tier quälerei zugrunde. Ein einziger Blick hinter dir Kulissen — und «an wird enttäuscht irkt, erbost. Hachet-Souplet weiß eine Menge solcher Grausamkeiten herzuzählen. So be steht eine sehr beliebte Flohnummer bekannt lich darin, daß die winzigen schwarzbraunen Springinsfelde zum Ziehen von kleinen Ge fährten verwendet werden. Man schirrt sie vor Wäglein oder vor Miniaturkanonen, die dann auch in der Tat vorwärts bewegt wer den. Verweigern die Tiere den Dienst, „so treibt sie ein Stückchen glühender Kohle das sich in der Hand des Dresseurs befindet", sofort zu Weiterer Tätigkeit an. Dem Pub likum entgeht freilich, welch frevelhafte Me thode hier im Spiele ist. Eine fernere Bravour nummer, in der Gänse oder Truthühner als stanzend vorgeführt werden: Der Behälter, worin sich die Tiere befinden, ist mit girier Metallplate gedielt. Unter dieser wird, un sichtbar für die Zuschauer, eine Spiritus flamme angebracht. In eben dem Maße, wie die Platte sich erwärmt, laufen die Tiere in ihrer Herzensangst hin und her oder Hüpfen, zappeln vor Schmerz, von einem Fuß auf den andern. Die Musik folgt in ihren Rhyth men den stets schneller werdenden Bewegungen, und das heißt man dann Tanz, im Grunde die sträflichste Tierquälerei von der Welt! Ähnlich grausam entpuppte sich eine Esels nummer, die das Publikum zu Scharen in das Theater einer französischen Stadt lockte. Es handelte sich darum, einen Esel anzu- staunen, der regelrecht Violine spielte. Und wie kam die Musik zustande? „Fünf scharfe Spitzen", berichtet unser Gewährsmann, „waren dem armen Grauchen in die Haut gesteckt; fünf hinter den Kulissen verborgene Männer , zogen, je nachdem es erforderlich war, an ' Drähten, die mit jenen Häkchen in Verbin dung standen." Sogar eine Prozedur, der man allerorts begegnete, der tanzende Bär, beruht im Grunde auf durchaus tierquäleri- schcn Maßnahmen. Zu allererst erhält Meister Pez einen Nasenring. Darauf richtet der Führer den Strick, der an jenem befestigt ist, so hoch, daß der Bär gezwungen wird, sich auf die Hinterfüße zu stellen. Nun tritt der Lehrer seinem Schüler mit möglichster Kraft auf eine der Hinterpfoten, die dieser selbst verständlich jetzt schleunigst zurückzieht. Das Spiel wiederholt sich sofort mit der anderen Pfote — und dann weiter abwechselnd bald mit dieser, bald mit jener. Schließlich be kommt der gequälte Schüler eine so höllische Angst vor den Fußsohlen seines Herrn, daß <r's zu einer Berührung mit jenen überhaupt nicht mehr kommen läßt, sondern instinktiv tut, was man von ihm verlangt. Daher denn auch die sonst doch kaum zu erklärende Erscheinung, daß jeder Bär, den man tanzen sieht, dies stets rückwärts tut, aber niemals vorwärts. Die Dressur der wilden Tiere gestaltet sich verhältnismäßig leicht, sofern der Dresseur die charakteristische Wesenheit jener hinreichend ergründet hat. Alle diese Bestien haben näm lich ihre Achillesfersen; es handelt sich nur darum, diese zu kennen und zu Packen. So ist der Löwe dem Menschen gegenüber über aus furchtsam; ebenso Tiger und Panther; doch kommt bei den letzteren ein hoher Grund von Argwohn hinzu; ein gleiches gilt vom Leopard; die Hyäne ist sogar so feige, daß der Stock in der Hand eines Kindes genügt, sie in die Flucht zu treiben. Wie schon ge sagt, werden solche Bestien fügsam wie Wachs f durch die richtige Anwendung der menschliche» s Stimme in ihren verschiedenen Modulationen. Unter diesen wiederum sind besonders ab- richtungsfühig Panther und Leopard, die bei geeigneter Unterweisung so gelehrig sind wie junge Hunde. Ähnliches ist über den Wolf zu berichten, der auch als Artist seine nahe Verwandtschaft mit diesem vierbeinigen „besten Freunde des Menschen" dartut. Selbstver ständlich handelt es sich immer nur um junge Tiere dieser Gattung; mit bereits älteren ver- i mag meist selbst der geschickteste Dresseur nichts ! anzufangen. Unter den Vögeln nimmt in j Bezug auf Gelehrigkeit der Papagei die erste Stelle ein; in unserem Klima erweist sich der Zeisig als begabter Schüler; bei Vögel mit minderer Befähigung erzielt man recht viel Erfolge — durch Hunger! Alles in allem dürften aber doch wohl Pferd und Hund am begabtesten sein. Sie offenbaren nicht selten in intellektueller Hin sicht geradezu menschliche Eigenschaften. Ihnen schließen sich der Reihe nach vielleicht Affe, Papagei und - Fischotter an. Die letzteren haben sich in jüngster Zeit wiederholt als ganz prächtige Artist^o erwiesen; sie über raschen durch großen Verstand und eine ge wisse Liebenswürdigkeit des Wesens. Doch damit braucht der Reigen derjenigen Tiere, die abrichtbar waren, noch keineswegs abge schlossen zu sein. Ohne Zweifel wird noch manches fernere Fähigkeiten offenbaren, die dem Menschen bisher entgangen sind und die durch geeignete Anleitung noch erweitert wer den können. Anderseits dürfte aber auch oon feiten jener Geschöpfe, deren Verstandesleistun gen bereits unser Staunen erregten, noch manche Überraschung zu erwarten sein. Daß in dieser Hinsicht vielleicht sogar ganz außer gewöhnliche Steigerungen möglich sind, das hat das Beispiel des ,klugen Hans" gelehrt, - 2 2 Ore Schreibmaschine. § Humoreske von Walter Heise. A (Nachdruck verboten.) „Ich habe eine Idee", sagte mein Freund der Dichter, zu mir. Er hatte sehr oft Ideen, aber sie waren meistens so utopistischer Natur, daß ich ihnen gegenüber allmählich recht skeptisch geworden war. Ich sagte also nur das eine Wort „Hm". Mein Freund schien dies als Ermunterung aufzufassen; denn er fuhr fort: „Du weißt doch, daß ich meine Gedichte meistens von den Redaktionen wieder mit Dank zurück bekomme?" „In der Tat, das weiß ich", stimmte ich zu. „Und der Grund?" „Deine Gedichte sind — na, sagen wir mal — noch nicht ganz ausgereift." „Noch nicht ganz ausgereift? Nun, das klingt wenigstens wohlwollend. Der Haupt grund ist aber meines Erachtens ein anderer —" „Und der wäre?" „Meine schlechte Handschrift", versetzte er im Brustton der Überzeugung. Wenn ich nun auch der Ansicht war, daß mein Freund, Hans Wolfram, an großer Talentlosigkeit litt, so stand auch fest, daß er eine richtige „Klaue" schrieb. Ich widersprach ihm daher nicht. Schon, damit ich bald seine „Idee" erfuhr.