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Allgemeiner Anzeiger : 22.12.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-12-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191712226
- PURL
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19171222
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-12
- Tag 1917-12-22
-
Monat
1917-12
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 22.12.1917
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Deutschlands „Zusammenbruch". Höhnisch ward vor einem Jahr von der Entente unser Friedensangebot zurückgewiesen. Sie wollte nicht in die dargebotene starke Hand des Siegers einschlagen. Und so ist durch Schuld unserer Feinde ein weiteres Kriegsjahr herausbeschworen worden, in dessen Verlauf die Feinde hofften, der militärischen Lage eine Wendung zu ihren Gunsten geben zu können. Doch auch diesmal wieder erwseS sich der verbrecherische Starrsinn der Entente für uns als ein Teil jener Kraft, die Böses will und Gutes schafft. Vergeblich hämmerten die gewaltigen Artilleriemassen der Franzosen seit dem Frühjahr auf unsere Front an der Aisne und in der Champagne, bei Verdun und am Damenweg. Umsonst ver schleuderten die Engländer ungezählte Millionen Granaten bei Arras und in Flandern; denn der, Zweck dieses Aufwandes galt dem Durch bruch. Und dieser Zweck ist in keinem Falle erreicht worden, auch nicht bei Cambrai, wo die Engländer hofften, durch eine Änderung ihrer TaM den ersehnten Erfolg zu erringen. Was in langem, blutigen Ringen bis Ende 1916 nicht gelungen war, nämlich die Befreiung Nordsrankreichs, das hofften die Franzosen 1917 zu schaffen. Was sie erreicht haben, ist der Ge winn der Einöde an den Stellen, wo ihnen ein örtlicher Einbruch gelang, oder wo unsere Oberste Heeresleitung aus strategischen Gründen diese Einöde durch NäumungSmaßnahmen selbst schaffen muhte. Und was hat der Engländer gewollt? Sein Ziel bleibt die flandrische Küste, unsere U-Boot-Basis. Uber ein Vierteljahr ringt er dort in Flandern mit verbissener Zähigkeit um sein Leben; denn es geht um Englands Seeweltherrschaft. Unsere U-Boote haben durch dar dauernde Versenken englischen Schiffstonnenraums Albion an der Stelle ge packt, wo es sterblich ist, und deshalb kämpft England zu Lande den Kampf gegen die U-Boote, deren Wirksamkeit zur See es ohn mächtig gegenübersteht. Und diese Landschlacht um die U-Boote hat England verloren dadurch, dah es unsere U-Boot-Basis nicht erreichen konnte. Seine Durchbruchsversuche in Flandern sind im Blut und Sumpf erstickt. Und woran scheiterten alle diese mit un glaublichem Aufwand an Menschen, Material und Munition angesetzten Versuche? Sie scheiterten an der unüberwindlichen militärischen Kraft Deutschlands, einer Kraft, die sich sowohl in der Führung, als in der Leistung der helden haften Truppen durch die eiserne Schule deS Krieges nur vervollkommnet hat, und der ein ebenso opferfreudiges Heimatheer den Rücken deckt. Unserer in der Welt anerkannt da stehenden militärischen Kraft prophezeiten die Feinde für dieses Kriegsjahr den völligen Zusammenbruch; ebenso, wie unser wirtschaftlicher Zusammenbruch mit Bestimmt- heit vorausgesagt wurde. — Wohl haben wir wirtschaftlich den Riemen enger schnallen müssen, aber dank unserer Organisation kommen wir durch und werden solange aushalten, als wir Krieg führen wollen oder vielmehr um der Sicherung unserer Daseinsbedingungen wegen müssen. Und während im Westen alle hochtrabenden Feindespläne zunichte wurden, schlug unser Schwert die Siege in Galizien, von Riga und Jacobstadt, gewann die Inselgruppe von Osel und eroberte einen Teil der oberitalienischen Tiefebene. Unsere ungebrochene militärische Kraft, deren Schwergewicht eben immer ent scheidend dort eingesetzt wurde, wo auch wirklich Entscheidendes erkämpft werden sollte, hat in diesem Kriegsjahr unbestritten das Gesetz des Handelns dem Feinde vorgeschrieben; denn letzten Endes haben wir ja auch im Westen durch unsere Maßnahmen den Feind gezwungen, seine fruchtlosen Anstürme gegen unsere Front zu unternehmen. Er muß dort angreifen und zur Entscheidung kommen, je eher, desto besser für ihn — denn die Zeit ist jetzt für uns. 47 000 Quadratkilometer Gelände haben wir in diesen zwölf Monaten erobert. Etwa 3600 Quadratkilometer bilden das Gegengewicht der Entente. 9 Millionen Tonnen Schiffsraum hat der U-Boot-Krieg seit Dezember 1916 auf d«M Meeresgrund gejagt. — Rußland hat sich durch Bürgerkrieg zur Friedenssehnsucht durchgerungW; die ehemalige „Dampfwalze" ist zum wertlosen alten Eisen geworfen. Italien, das noch in diesem Jahre Triest sein eigen nennen wollte, hat Venedig schleunigst räumen müssen, hat mit dem Haupiteil seines Heeres eine Katastrophe erlitten, wie sie die Kriegs geschichte noch nicht kennt. Amerikas Eingrenen mit großen Truppenmassen ist, wenn es technisch überhaupt möglich wäre, der Entente nur noch ein mangelhafter Ersatz für Riesenverluste, aber kein Kräftezuwachs mehr. Im umgekehrten Sinne haben unsere Kräfte durch Freiwerden erledigter Fronten zugenommen. So ist die Lage jetzt. Seit dem Winter 1916 hat sich also unsere militärische Lage ruck weise verbessert, die Wagschale des Sieges hat sich endgültig auf unsere Seite geneigt. Wir stehen ein Jahr nach unserem Friedensangebot siegreich, mit blankem Schwert, bereit zu neuen Schlägen. waffenstillstandsverhaMungen. Hoffnung auf guten Fortgang. Uber den Verlauf der Waffenstillstandsver- handlungen an der Ostfront wird folgendes gemeldet: Zu Beginn der Verhandlungen mit der im Standort des Hauptquartiers des Oberbefehls habers Ost erschienenen russischen Delegation stellte sich beim Austausch der Vollmachten heraus, daß diese auf beiden Seilen lediglich dazu ermächtigten, über einen Waffenstillstand zu verhandeln, nicht aber über den Frieden. Die russische Delegation schlug vor, einen allge meinen Waffenstillstand für alle Heere und auf allen Fronten zu vereinbaren. Hierauf konnte unserseits nicht eingegangen werden, da die Bundesgenossen Rußlands weder vertreten waren, noch den russischen Delegierten Vollmachten er teilt hatten, in ihrem Namen zu sprechen. Wir kamen daher überein, die Verhand- ! lungen auf den Abschluß eines Waffenstillstandes zwischen den Armeen der Verbündeten und dem russischen Heere zu beschränken. Von russischer Seite ist hierbei ausdrücklich hervorgehoben worden, daß der abzuschließende Waffenstillstand den unmittelbaren Eintritt in Friedensverhand lungen zum Zwecke haben solle, und zwar über einen allgemeinen Frieden zwischen allen Krieg führenden. Hiervon haben die Bevollmächtigten der Verbündeten mit Befriedigung Kenntnis ge nommen. Sogleich in die Erörterung von Friedensfragen einzutreten, war schon deswegen nicht möglich, da die beiderseitigen Vollmachten hierzu nicht ausreichten. Am zweiten SitzungStage teilten die russi- schen Delegierten uns ihre Vorschläge sür den Waffenstillstand mit. Diese Bedingungen gingen für ihre militärische Lage zum Teil ganz er staunlich weit. Die Russen verlangten beispiels weise die Räumung der Inseln im Rigaischen Meerbusen, ohne ihrerseits die Zurückziehung ihrer Truppen an irgendeiner Stelle der Front anzubieten. Ferner wollten sie uns vorschreiben, für die ganze Dauer eines ihrerseits auf sechs Monate vorgesehenen Waffenstillstandes unsere Truppen in den Schützengräben der Ostfront zu belassen. Nicht einmal deren Zurück verlegung in Nuhequartiere sollte gestattet sein. Auf solche Bedingungen konnten wir uns na türlich nicht einlaffen. Bei der Besprechung der einzelnen Punkte stellte sich dann aber heraus, daß in allen, außer in einer Frage eine Einigung leicht zu erzielen war. Der einzige Punkt, sür den wir keine Lösung fanden, war die Frage der Inseln im Rigaischen Meerbusen, deren Räu mung natürlich außerhalb jeder Diskussion steht. Wie leicht an sich eine Einigung zu erzielen war, zeigte sich m dem Augenblicke, als die russischen Delegierten erklärten, weitere Instruk tionen ans Petersburg cinholen zu müssen; denn wir haben darau ihm in kürzester Zeit und ohne auf ernstliche Schwierigkeiten zu stoßen, eine Einigung über die Bedingungen der jetzt eingelretenen zehntägigen Waffenruhe erzielt. In dieser kurzsristigen Abmachung dürfen wir ein gutes Vorzeichen für die Zukunft erblicken. verschiedene Urlegrnachrichlen. Die englische« Verluste an TankS. Uber die starke Einbuße der Engländer an ihren vielgerühmten Tanks während der Schlacht bei Cambrai ist schon wiederholt in Einzelheiten belichtet worden. Infolge der Schlachtpause, die gegenwärtig an dieser Frontstelle herrscht, läßt sich jetzt eine genauere Übersicht über die Tankbeute geben. Nach den bisher eingelaufenen Meldungen liegen auf dem Schlachtfeld 73 Tanks, mehr oder weniger beschädigt, hinter unseren Linien. Davon wurde bereits ein Tank mit eigener Kraft nach Cambrai zurückgeführt. 34 Tanks liegen zerschossen vor unserer Front und kommen für irgendwelche Benützung durch den Gegner nicht mehr in Frage. Sonach hat der Engländer vor Cambrai den gewaltigen Verlust von 107 Stück dieser Schlachtungetüme zu beklagen. * Spanien verlangt Gibraltar. .Journal des Debats' gibt einen Artikel der Madrider .Correspondencia Militär' betitelt „Spanien und der Friede" wieder, der lehr viel besprochen wird und mit dem eine aus An laß der Ereignisse in Rußland begonnene ge wisse Bewegung in Zusammenhang zu bringen sei. In dem Artikel werden die Wünsche Spaniens bei Fliedensschluß auseinandergesetzt. Sie umfassen besonders die Herausgabe Gibral tars, Angliederung von Tanger an die spanische Zone und die Notwendigkeit der Verleihung einer wirklichen Unabhängigkeit an Portugal. Amerikas „Millionenheer". Die ,New Jork Times' enthält eine Liste von 1490 Mann, die allein in der New Jork City dem Aufrufe zum Militärdien st keine Folge leisteten und für deren Ein bringung die amerikanische Regierung pro Kopf 200 Mark ausgeschrieben hat. Dasselbe Blatt berechnet, daß Amerika eine Armee von einer Million Mann nicht vor Herbst 1919 in Europa haben könnte. poliMcke Kunäsckau. SsMchla«». *Jn der letzten BundesratSsitzung wurden der Entwurf einer Bekanntmachung über die Prägung von Fünfpfennigstücken aus Eisen und die Vorlage über die Gewährung von Beihilfen sür Kriegswohlsahrtspflege ange nommen. * Um der Not derdeutschen Kriegs- gefangenenin Rußland abzuhelfen, sind vier Millionen Mark, davon drei Millionen aus Reichsmitteln, eine Million aus nationalen Spenden, der deutschen Schutzmacht Schweden zur Verfügung gestellt worden. Diese Summe ist in erster Linie zur Beschaffung von Zusatz- nahrustfi zur Gefangenenkost und zum Ankauf warmer Unterkleider bestimmt. Das schwedifche Rote Kreuz wird, wie bisher, in tatkräftiger, warmherziger Weile für eine zweckentsprechende Verwendung der Gelder sorgen. "InAusführung der im Reichstag gefaßten Beschlüsse hat jetzt das Kriegsministerium die Erhöhung der Löhnung sür Unter offiziere und Mannschaften festgestellt. ES erhalten künftig bei mobilen Formationen Vizeseldwebel, Vizewachtmeister und die gleich stehenden Dienstgrade monatlich 75 Marl statt 63 Mart, Sergeanten usw. 67,50 Mark statt 57 Mark, Unteroffiziere usw. 48 Mark statt 40 Mark, Sanitätsgesreite 28,50 Mark statt 23,40 Mark, sonstige Gefreite 24 Mark statt 18,90 Mark und Gemeine 21 Mark statt 15,90 Mark. Bei immobilen Formationen und im Lazarett beträgt fortan die Löhnung für Vize feldwebel usw. 69 Mark (bisher 57 Marl), sür Sergeanten 60 (49,50) Mark, sür Unter offiziere usw. 42 (36,60) Mark, Sanitätsgesreite 22,50 (18,90 bzw. 17,40) Mark, berittene und unberittene sonstige Gefreite 16,50 (12,90 bzw. 11,40) Mark und für Gemeine 15 (11,40 bzw. 9,90) Mark. Die neuen Löhnungen gelangen erstmalig am 21. Dezember zur Auszahlung. *Jm preußischen Aögeorvneten- Hause wurde am 10. d. M. dieWah lrechts - debatte fortgesetzt. Immer deutlicher zeigt sich, daß die Vorlagen der Regierung auf glatte Annahme kaum rechnen können. Man darf mit Spannung erwarten, welche Änderungen sie in der Kommission erfahren werden. Schweden. * Das Stockholmer Blatt,Nya Dagligt Alle- handa' veröffentlicht einen überaus scharfen Ein spruch gegen die Einziehung neutraler Staatsangehöriger zum Heeresdienst in Amerika. Das Blatt erklärt, daß augen blicklich schon eine Menge Schweden nach Frank reich eingeschifft worden seien und dort wohl schon in'den Schützengraben an der Wesstront stünden. Portugal. * Die Revolutionäre- veröffentlichten eine Kundgebung, in dem sie erklären, daß die alte Regierug eine Gefahr für die Re publik gebildet habe. Sie selbst versprechen ein Regierungssystem auf der Grundlage der Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. Sw seien entschlossen, die von Portugal eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen und an der Seile der Verbündeten Portugals auszuhalten. Milon, äer Spiegelfechter. Was will Amerika? Mit der Verbissenheit eines gewiegten Volksauf wieglers tbiederholt Wilson alle paar Wochen den Völkern der Welt sein blutrünstiges Sprüch lein von der deutschen Negierung als einer Bande von Verbrechern, an denen er, Wilson, in seiner Eigenschaft als Verkörperung des Welt gewissens, das Todesurteil zu vollstrecken habe. Seine jüngste Redeleistung vor dem Kon greß der Ver. Staatön erhebt sich wiederum zu der Höhe der gewohnten wahnwitzigsten An würfe. Er sagt: „Die unerträgliche Erscheinung, deren häßliches Gesicht die Herren Deutschlands uns zeigen, die Bedrohung durch Intrige ver bunden mit Stärke, als welche wir die deutsche Macht jetzt so deutlich sehen, ohne Gewissen, Ehre oder Eignung für einen durch Vertrag ge'- schlossenen Frieden, — diese unerträgliche Er scheinung muß zu Boden geschlagen und, wenn nicht völlig aus der Welt geschafft, so doch von dem freundlichen Verkehr zwischen den Völkern ausgeschlossen werden." Demgegenüber fragen wir Deutschen, und fragen immer wieder, bis unsere Frage Herrn Wilson in seinem Weltrichteipalast zu Washing ton in die Ohren gellen wird: „Wissen Sie die Wahrheit nicht, Herr Wilson, oder wollen Sie sie nicht wissen ?" Auf alle Fälle werden wir Ihnen die Wahrheit sagen, und zwar heute zunächst in der einzigen Sprache, die Sie ver stehen, nämlich auf englisch: Die englische Zeitschrift.Nation' verkündet durch ihren Mitarbeiter Brailsford soeben: „Sasonow und seine militärischen Genossen haben den Zaren und Deutschland angelogen. Aber das ist noch nicht das Schlimmste. Sie haben auch ihre Verbündeten belogen. Vom 29. Juli 1914 ab taten sie so, als wirkten sie sür den Frieden. Sie haben damit Frankreich in den Krieg gezogen, und wir sind Frankreich gefolgt. Hätten die Franzosen die Wahrheit gewußt, hätte Jaurös die Wahrheit gewußt und hätte er sie als Lebender ausnutzen können, dann wäre dem Westen Europas dieser Krieg erspart geblieben. Der Krieg ist durch eine Lüge entstanden, und bis auf den heutigen Tag glauben noch die Millionen in England und Frankreich, daß der Zarismus au diesem Kriege keine Schuld habe! Indessen, die gewöhnliche Meinung bei uns in England und die Meinung WilsonS/ daß allein der Wille der Herren Deutschlands den Weltkrieg herausbeichworen habe, ist eine Entstellung der geschichtliche» Wahrheit!" Das ist, Herr Wilson, die Äußerung einer angesehenen englischen Zeitschrift, und nicht umsonst lautet das letzte Wort dieser Äußerung „Wahrheit". Und darum wiederholen wir die Frage an den früheren Professor Herrn Wilson, den jetzigen Präsidenten der Ver. Staaten: „Wissen Sie die Wahrheit nicht, Herr Wilson, oder wollen Sie sie nicht wissen?!" Oer schnarre Diamant. 2j Kriminalgeschichte von C. W i l d. r i K-rUetzmw.> ''S In der Stadt lebte seit ungefähr einem halben Jahre Baron Wendig mit seiner Tochter, einer reizenden jungen Dame mit tiesschwarzem Haar und prächtigen dunkelblauen Augen. Obgleich die Dame kaum vierundzwanzig Jahre zahlen konnte, war sie schon Witwe; sie sprach nicht gern von ihrer Ehe, die höchst un glücklich gewesen sein mußte, auch ließ sie durch blicken, daß sie jetzt noch in einem Rechtsstreit ruft der Familie ihres verstorbenen Gatten ver wickelt sei und aus diesem Grunde machte ihr Vater auch häufige Reisen nach der Residenz. Gräfin Hermine Gallia, so hieß die Tochter des Barons, batte sich sofort mit der Generalin, Äe-sie durch Zufall kennen lernte, befreundet. Die Generalin ihrerseits, die viel auf Titel und vornehmen Stand hielt, war entzückt von ^der liebenswürdigen, jungen Witwe und die Galanterien des noch sehr Wohl konservierten Barons schmeichelten dec ältlichen Dame nicht wenig. Baron Mendig und seine Tochter waren ein Umgang ganz nach ihrem Sinne, und es verging kaum ein Tag, an dem sie nicht mit den beiden zusammengetroffen wäre. Auch an jenem verhängnisvollen Abend war sie mit Gräfin Gallia, deren Vater wieder in der Residenz weilte, im Konzert gewesen, hatte dann bei ihr soupiert und war deshalb jo nußeiaewöhnlich spät nach Hause gekommen. „ Mem von Haupt hatte ei abgeschlagen, die > Generalin zu begleiten, sie hatte allein, ungestört bleiben wollen, daS bildete eine neue Handhabe zu dem Verdachte des Beamten — aber wer war ihr Mitschuldiger? Einen Mitschuldigen mußte sie jedenfalls haben, denn wohin hätte sie sonst die geraubten Gegenstände bergen können? In der Wartenbergschen Villa ging unter dessen das Leben seinen gewohnten Gang, Die schöne Gräfin Gallia kam täglich, um der Generalin Gesellschaft zu leisten; sie war Mela nicht freundlich gesinnt und vorzugsweise ihr hatte es das junge Mädchen zu danken, daß sie von ihrer Verwandten immer mehr in die Stellung einer Dienerin gedrängt wurde. Meta litt unter der kalten, oft barschen Weise der Generalin; sie besaß Kenntnisse genug, um anderwärts ihr Fortkommen zu finden, allein sie wollte nicht undankbar scheinen, wenn sie selbst ein Haus verließ, das man ihr als Heim angeboten, nachdem sie durch den Tod ihres alten Onkels, die letzte Zufluchtsstätte, die sie besessen, verloren. Wohl wußte sie genau, daß sie der Generalin am wenigsten dafür zu danken hatte; deren Sohn Viktor war es, der sich des verlassenen Mädchens angenommen und später auch ein Arrangement der zerrütteten Finanzen ihres Bruders veranlaßt hatte. Die Generalin war weder eine weichherzige, noch eine freigebige Dame; sie hatte von dieser Verwandtschaft dritten Grades, die sie eigentlich nichts mehr anging, nichts wissen wollen und i heute noch zürnte sie ein wenig dem Sohne,' daß er sich der Geschwister so lebhaft ange nommen. Viktor von Wartenberg war gegen seine Mutter stets ein achtungsvoller Sohn gewesen, doch das, was er einmal als recht erkannt, das behauptete er auch ihr gegenüber energisch, und die Generalin fügte sich dem auch meist, wenn auch höchst ungern. Schon bezüglich seines LebenSberufes waren die Ansichten von Mutter und Sohn weit auseinander gegangen. Die Generalin wollte, Viktor solle, gleich seinem verstorbenen Vater, Soldat werden, allein der junge Mann zog den Beruf als Landwirt vor und in diesem Wunsche wurde er auch kräftig von seinem Vormunde unterstützt, welcher selber ein passionierter Landwirt war. Von da ab trennten sich die Wege von Mutter und Sohn. Die Generalin lebte nach ihrer Weise, Viktor blieb bei seinem Vormunde, der den jungen Mann auch nicht von sich ließ, nachdem dieser seine Volljährigkeit erlangt hatte. Viktor sollte jetzt die Bewirtschaftung eines großen Gutes übernehmen, dessen Besitzer, ein reicher Fürst, stets auf Reisen war. Vorher aber wollte der junge Mann noch ein Stück Welt sehen und deshalb hatte er vor einigen Monaten eine Reise angelreten, nach deren Beendigung er einige Zeit bei seiner Mutter verbringen wollte. Die Generalin erwartete die Rückkunft ihres Sohnes mit Ungeduld. Sie batte es sich in den Kopf gesetzt, daß die schöne Gräfin Gallia eine passende Partie i für ihren. Sohn sei. Jedenfalls brachte sie ihrem Gatten eine genügende Mitgift init, nm selbst ein Gut kaufen zu können, statt seine Tätigkeit für andere Leute zu Markte zu tragen. So rechnete die alte Dame und da sie ihrem Sohne von dem Diebstahl geschrieben, hoffte sie, Viktor werde seine Reise abkürzeu, um früher zu ihr eilen zu können. Sie hatte sich nicht getäuscht. Kaum vier zehn Tage waren seit jenem frechen Raube ver strichen, als Herr von Wartenberg bei seiner Mutter eintraf. Die alte Dame empfing ihn mit offenen Arme» und auch über Metas bleiches Gesicht flog ei« Freudenschimmer, als sie Viktor erblickte. Er war immer so gut zu ihr gewesen, er allein hatte sie nie fühlen lassen, in welch' abhängigem Verhältnisse sie sich befand und sie war ihm dankbar, oh, so dankbar sür dieses Zartgefühl. „Wie bleich Sie anssehen, Meta," sagte der junge Mann, als er sie am zweiten Tage nach seiner Ankunst allein im Wohnzimmer traf; „fehlt Ihnen etwa?, oder sollte meine Mutier nicht gütig gegen Sie sein?" ' Er fragte nicht ohne Grund so. TaS Be nehmen der Generalin gegen Meta batte ihm Anlaß zu dieser Frage gegeben, allein das Mädchen hätte um keinen Preis der Welt ihm das Zugeständnis gemacht, daß cs sich in dein Hause seiner Mutter tief unglücklich fühle. „Nein, nein," versetzte sie daher ängstlich ab wehrend, „es ist nichts, „die Aufregungen dec letzten Zeit, die dieser freche Raub verursacht Hal." Sie verstummte plötzlich — eine glühende Röte schoß in ihre Wangen und sie beugte ihre«
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