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6?5 Anfänglich weigerte sich unsre genügsame Martha, die mit ihrer bisherigen Lage zufrieden war und Abhän gigkeit von ganzer Seele haßte, standhaft, dieß anzuneh- men. Aber Santolini legte sich ins Mittel, riech ihr dazu^ und — sie gehorchte. Vielleicht hatte die Liebe zu ihren Brüdern daran auch einigen Antheil, die noch einiger Erziehung bedurften, welche sie ihnen bei ihren eingeschränkten VermögcnSumständen nicht geben konnte. Diese Vermuthung erhielt dadurch viel Wahrscheinli ches, daß Marcha nach zehn Jahren, als ihre Brüder selbst für ihr Fortkommen zu sorgen fähig waren, jene Pension durchaus nicht weiter annahm. Nachdem sie sich der Pflichten gegen ihre Geschwister entledigt hatte, blieb ihr der Wunsch übrig, Nonne zu werden; ein Wunsch, der alle ihre Ideen in Eine zu- sammenfaßte und zur Sehnsucht stieg. Wir kennen des guten Mädchens religiöse Begriffe schon. Es bleibt da her nichts zu erinnern über diesen Entschluß, der sich ja auch mit ihrer grenzenlosen L ebe zu den Wissenschaften, welchen sie im Bezirk der stillen Klostermauern sich un gestörter widmen zu können hoffen durfte, so gut ver trug. — Sie ging wirklich in ein Kloster zu Brexighella und von dort in ein anderes zu Nom, worin die Schwe stern des Cardmals Barberino sich befanden. Aber sie entsagte — warum? kann ich nicht entscheiden — dem Klostcrleben wieder und lebte nun ganz für sich in der Clilto. Jetzt noch einige Beispiele zum Beweis, wie weit umfassend deS Mädchens Talente waren. Ter Cardinal Spada halte ihr zwei Söhne seines Bruders zur Erziehung Übergaben, die bei ihr wohnten. Diese jungen Leute besuchte täglich ein Musikmeister, um rhnen Unterricht im Clavierspiclen zu geben. Martha, als Zuhörerin, brachte cs in dieser Kunst bald so weit, daß sie ihre Zöglinge übertraf, ja sie sogar selbst unterstützte. Um daS Nahen, Sticken, Spinnen und mehrere eigentlich sogenannte weibliche Arbeiten hatte sie sich an fangs gar nicht bekümmert. — Ein Versuch aber war hinreichend, sie in allen diesen Dingen zur Meisterin zu Machen. Sie hörte z. B-, daß verschiedene Frauenzim mer aw einer Stickerei arbeiteten, womit sie eine Kirche 676 beschenken wollten. Martha, die fromme Martha, fand etwas Verdienstliches darin, ihr Schcrflein beizutragen, und sie, nie durch Unterricht in die Kunst eingeweihtt erlangte darin bald eine solche Fertigkeit, daß sie fast alle ihre Gehülfinncn übertraf. Die griechische Sprache lernte sie mit derselben Leich tigkeit, wie die lateinische und hebräische, ohne alle An weisung. Ihre Liebling^fächer waren überhaupt Spra chen und Dichtkunst. Neben diesen trieb sie auch das Studium der Philosophie und Theologie, und zeichnete sich für ihr Zeitalter in beiden aus. Wer die so fern ge sponnenen, verwirrten Systeme beider Wissenschaften zu Marlha's Zetten auch nur oberflächlich kennt, wird in der That über ihren Fleiß und ihre Ausdauer erstaunen, die sonst sogenannten schönen Gerstern nicht eigen ist. Sie enlsaate in der Folge dem Iahrgelde des Cardi nals Spada und ernährte sich wieder, bis an ihren Tod, durch den Handel mit wohlriechenden Serfenkugeln, be stimmte aber zu Verfertigung derselben nur einen Monat im Jahre, in welchem sie so viel bereitete, daß sie be quem Das ganze Jahr hindurch davon leben konnte. Mit dem V rkaufe gab sie sich selbst nicht ab, sondern über trug ihn einem Manne, der vor ihrem Hause Bretzeln feil hatte und bei dieser Geteaenheit ihre Waarc absetztr, die wegen ihrer Güte viel Kaufer fand und lhr ein sor genfreies Leben verschaffte, Sie blreb unverheirmhet, bewahrte den unbeschol tensten Ruf der Keuschheit und führte übrbaupt ein bei nahe klösterliches Leben. Nie schlief sie auf weichen Bet ten , kasteiete ihren Körper täglich auf mannick faltige Art, trug geringe und schlechte Kleidung, kümmerte sich nie um dle neueste Mode un) spielte con amoi e die Rolle emer Devoten, die allerdings für die damaligen Z tten und für die Stadt, in der sie wohnte, passen mochte. Sie starb endlich im Jahre 1646., nachdem sie ihre kleine Verlassenschaft den Armen legirt hatte, — denn ihre Brüder waren vor ihr gestorben, — und winde noch nach ihrem Tode von den Geistlichen, zu deren Orden ihr Beichtvater einst gehörte, durch eine Grabschrift ge ehrt, die ihr das verdiente Lob crthcilte. Sie war, was sie war, durch sich selbst. Wem fällt