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359 war mir ein wahrer Festtag. Da dacht' ich, ein Leben von lauter solchen Tagen müßte sehr glücklich seyn, aber das dachte ich erst nach vierzehn Tagen, als Karl den ländlichen Aufenthalt verließ. Bis dahin hatte ich nur an den Augenblick gedacht, und mich nicht gefragt, warum der Augenblick so süß wäre. Ich hatte mich nicht gefragt, ob ich bei dem Genüße jedes Tages auch in der Hoffnung auf künftige frohe Tage glücklich wäre. Als ich nachsann, warum die Tage, die ich mit Karln ver lebt hatte, den Wunsch in mir erweckten, mein ganzes Leben mit ihm zuzubringen, fand ich keine andere Ant wort, als weil ich ihn liebte. Karl wird wahrscheinlich mein Mann werden. Wird er ein guter Mann seyn? Ich weiß es nicht. Nichts von allem, was ich von ihm gesehn habe, bezieht sich auf meine Erwartungen von ihm; nichts gleicht einem Manne weniger, als ein Verliebter. Nichts in seiner geistvollen, lebendigen Un terhaltung, die Meine Seele stets in froher Stimmung erhält, nichts in den zarten, innigen, warmen Gefüh len , die er äußert und womit er mein Herz bezaubert — Mit einem Worte, nichts von allen dem, was Schuld daran ist, daß ich nicht aufhörcn kann, an Karln zu denken, nichts verbürgt mir das Glück, das von ihm Kbhangt. Welche Thorheit! werden Sic sagen. Nicht doch, glaube ich. Thorheit war' es allerdings, darauf tu rechnen; aber ich will Ihnen nicht sagen, daß ich durchaus darauf rechne, Karl werde mich glücklich ma chen. Ich will Ihnm nur sagen, mein Glück hängt von ihm ab, und Sie werden gestehen, das muß der Fall scyn, von dem Augenblicke an, wo ich ihn liebe. Werden Sie ihn aber immer lieben? Vermuthlich, weil ich ihn liebe. Sie wollen mir rathen, reiflich zu erwägen; Cie sagen mir, Karl könnte Fehler haben, die ich kennen lernen müsse. Nein wahr lich, damit hat's keine Eile. Ich werde frühe genug er fahren, daß das, was ick liebe, Fehler hat. Warum fürchten Sie, daß eine solche Eindeckung mich von ihm Abziehen werde? Ich betheure Ihnen, als ich anfing Karln zu lieben, habe ich mich nicht gefragt, ob er Feh ler hätte oder nicht ; und wenn ich welche an ihm finde, werde ich ihm darum Nicht abgeneigt werden, denn ich 34» werde Mich nicht getäuscht sehen, sie werden mir nichts von dem nehmen, was ich geliebt habe, und Karl wird mit seinen Fehlern darum nicht weniger derjenige seyn, den ich liebe. Ich läugne cs nicht, diese Fehler könnten von der Art seyn, daß sie die Ruhe meines Lebens stör ten; ich läugne nicht, eö muß sehr schmerzlich seyn, Be sorgnisse und Kummer zu fühlen, weil man liebt. Wenn er sich lächerlich machte, oder sich gerechten Trdel zu zöge, so würde ich untröstlich seyn, erröthcn zu müssen über den Mann, den ich liebe. Aber wenn er unfähig wäre, meine Empfindungen zu erwiedern, wenn er mich durch Vernachlässigung kränkte, wenn er aushörte mich zu lieben, wenn er mir über seine Gleichgültigkeit gar keinen Zweifel mehr ließe, kur;, wenn er mich durch unwürdiges Betragen zwange, mir selber zu gestehen, daß er meiner Zärtlichkeit nicht wert!) wäre — was wurde ich thun, was würde ich fühlen, wie würde cs mir er gehen? Wie es mir ergehet; würde? Sehr unglücklich, weil ich ihn liebe! Etwas über das Zwangdienen. Bekanntlich haben mehrere Rittergutsbesitzer das Recht, daß die Kinder ihrer llnrerthanen auf ihren Gü tern eine kürzere oder längere Zeit für ein geringes oder höheres Lohn gezwungen sind, solche Dienste zu verrich ten, zu welchen man sonst Gesinde zu miethen pstegt. Mehrere haben dieses, als ein für unsere Zeiten nicht mehr passendes Recht, geradezu aufzuheben verlangt; sind aber wohl zu weit gegangen: denn es würde gar nicht leicht scyn, wenn die Unterthanen ihre Gerichts- Herrn gehörig dafür entschädigen sollten. Das um freies Lohn gemielhcte Gesinde erhält gewöhnlich mehr Lohn und eine etwas bessere Kost, als das sogenannte Zwang- gennde. Die Aufbringung der Entschädigungssumme für den Gcrichtsderrn würde den Unterthanen, zumal den ärmern, oft weit schwerer fallen, als das Dienen feibst. Wäre aber auch', bei dem Aufheben des Zwanqdie- ncns, ein Gerichtsycrr vcrhällnißmäßig zu entschädigen, so fragt cs sich, ob er auch, zumal bei Wirthscl aften, d;e einen grosu; Umfang haben, außerdem gutes Gesinde