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weile tu zerstreuen. Nicht minder nothwendig find fie endlich den Frauen, um sich angenehme Zerstreuungen zu verschaffen und ihren Arbeiten mehr Vollkommenheit und Zierlichkeit zu geben. Die Natur wird schöner und größer dem Auge, das Lurch die Kunst der Zeichnung ausgebildet ist. Die ru hige Stille der Luft, die Schrecknisse eines Sturms, eine grünende Wiese, ein blühendes Gebüsch, oder eine rauhe wilde Landschaft, ein majestätischer Palast, oder male rische Trümmer, oder eine einfache Strohhütte, alles hat gleichen Anspruch auf seine Bewunderung. Kein Schleier kann gewissermaßen die Schönheiten der Natur vor feinem Blicke verhüllen; seine Einbildungskraft hat alles aufgefaßt, alles errathen; alle Gestalten sind un auslöschlich in seine Seele geprägt, während derjenige, der gar keine Kunstkenntniß besitzt, oft vor Meisterwer ken vorübergeht, ohne sie zu sehen, oder ohne sich des Anblicks derselben zu erfreuen. Welchen Genuß endlich hat derjenige, dessen Auge durch Studium der Zeichnungskunst gebildet ist, bei dem Anblicke der Erzeugnisse der Kunst! Durch die ma gische Gewalt der Kunst wird der gefühlvolle Mensch, der in ihre Geheimnisse eingeweiht ist, gleichsam ems Mit den großen Mannern, die durch den Meißel oder den Pinsel ein Bild ihres Innern zurückgelassen haben. Ek wird der Genosse der entferntesten Zeitalter, und seine durch Erinnerungen bereicherte Einbildungskraft verlängert wcit hinaus seine Genüsse. Wenn sein Herz ihm ein geliebtes Wesen zurückruft, das Entfernung oder Tod ihm geraubt haben, so entwirft er das Bild dessel ben , und eine freundliche Täuschung mildert seine Schmerzen. So gUlngt es ihm, der Zeit gleichsam eine Beute zu entziehen, die ein Andrer nicht gegen ihre Sichel schützen kann. Die Künste reden gleichsam eine allgemeine Spra che, die Sprache aller Völker. Die unsterblichen Werke der schönen Redekünste, welche den Europäer entzücken, sind unverständlich für den größten Theil der Erdbewoh ner; aber Rafael's, Michael Angelo's, Pal la di o'S Werke saaen allen Völkern der Eide wenig stens eswa6. Wenn nun die Kunst so lebhaften Emdruck selbst auf solche Menschen macht, die bloß durch Instinkt geleitet werden, und deren Sinne so roh sind, wie sie aus der Hand der Natur kommen, welchen Eindruck muß sie auf Organe machen, die durch Erziehung und Studium der Kunst ausgebildet sind. So trägt ein wil der Baum, von der Hand des geschickten Gärtners gc^ pfropft, die köstlichsten Früchte, während Bäume, die .der Natur überlassen bleiben, nur Thisrcn Nahrung liefern. Man kann indeß die Bemerkung hier nicht überge hen, daß Völker, die seit langer Zeit gesittet sind , und bei welchen die Künste einige Fortschritte gemacht haben, die aber, weil sie an den Anblick der Kunsterzeugnisse sich gewöhnt haben, gewissermaßen stumpf gegen die Reize derselben geworden sind, die Liebe und den Sinn für diese Künste wieder aufw<-cken und ihren Geschmack rei nigen müssen durch die Kenntnisse, welche sie in Stand fetzen können, dasjenige za unterscheiden, was die Ge genstände schön und vollkommen macht. Ein Volk, bei welchem die Künste noch in der Kind heit sind, wird entzückt bei dem Anblicke der mittelmä ßigsten Gemälde, und die rohesten Erzeugnisse des Pin sels sind ihm herrliche Meisterwerke- Gebildete Völker hingegen macht die Gewohnheit, von Jugend an die Er zeugnisse der Kunst um sich zu sehen, oft kalt gegen die Reize derselben. Kenntnisse also, welche sie dahin brin gen können, die Schönheiten der Kunstwerke zu würdi gen, sind ihnen nördig, nm Auge und Seele für die Kunstgenüsse empfänglich zu machen. Man würde indeß zu weit gehen, wenn man auS dem bisher Gesagten schließen wollte, daß ohne Ausbil dung des Gesichtsinnes dieser Organ gar keine sanften Eindrücke der Seele zuführen könnte; denn es giebt ja Gegenstände , cs giebt Reize, für welche jeder Mensch, wie roh er auch scy, Sinn hat. Der Gknz der Farben, die Mannichfaltückcit der Formen, das schöne Blau des Himmels, der Anblick einer schönen Menschengestalt, alles Ließ gefällt jedem Blicke; aber für wre viele zarte Abstufungen, für wie viele feine Empfindungen find die jenigen unempfänglich, deren Auge nicht durch Studium und Kunst gebildet ist. W»e schwankend ünd ihre Utthcilc