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Vie 8täfkere. Eine Freske von S. Bruno Ganzke. (^Nachdruck verboten.) - . Sie hatte die Augen wieder geschlossen. Das matte blasse Gesicht sah leicht aus den Kissen hervor. Die Hände lagen wie leb los auf der roten Decke. Es waren die Hände eines kranken Menschen, der sich in einem lan gen vergeblichen Kampfe ertchöv-t hat. Das feine blaue Geäder zeichnete sich kmr unter der durchsichtigen Haut ab. Die Augen öffneten sich lang'nm und schwer, als hebe sich nur zögernd eine lastende Hand von den Lidern. Die Augen blickten über die Dinge dieser Welt hinaus in eine weite verschleierte Ferne, sie sahen starr vor sich hin. In ihnen brannten nicht mehr Helle Kerzen,- es war wie das letzte Ausflackern eines verlöschenden Lichts. Sie mußten einst schön gewesen sein, diese Augen, als das strahlende Leben in ihnen noch leuchtete, als der frische Wagemut der Jugend in ihnen noch glänzte; aber die Unruhen und Leiden der Seele hatten über die blanken Spiegel graue Schleier ge hängt, die alle frühere Pracht verhüllten und die vergangene Herrlichkeit kaum ahnen ließen. Die schmalen Lippen der Kranken öffneten sich ein wenig und die Worte kamen wie wie dererwachte HarfcnU'mge durck, die Stille: „Die Sonne geht zur Rüste. Ich sah sie wohl zum letztenmal/ Leise griff eine starke Hand nach der zar ten der .Kranken und faßte sie leicht und vor sichtig: „Du wirst sie noch oft sehen, Hedwig." Ein . Lächeln flog wie ein scheuer Vogel über ihr Gesicht: „Heute sehe ich sie zum letztenmal. Ich weiß es. — Und so st-wbe ich doch im Sommer, wenn die Rosen blühem Und schön ist es, so hinüberzugehen. Das — SSL so zwischen uns, wie es hätte sein sollen. Und das hat schwer auf mir gelastet, mein Leben lang. Wir lebten nicht miteinander. Ich war kein Weib für Dich. Und Du hast mich auch nie geliebt." „Hedwig!" Er sieht sie erschrocken an und hebt abwehrend die Hand. „Nie," sagte sie noch einmal. „Wie ge duldet kam ich mir neben Dir vor. Es war eine Demütigung für mich, so neben Dir zu leben. Aber ich besaß keinen Stolz, denn ich liebte Dich so sehr. Ich war feig, sonst hätte ich längst von Dir gehen müssen. Dann warst Du frei gewesen. Frei! So habe ich mein Leben vertrauert wie Du das Deine. Und wir beide sind alt geworden, im Lügen. Und wenn mir jetzt der Tod nicht die Lippen öff nete, so würden wir wie bisher weiterleben, wie beide, unfrei. Aber einmal muß ich doch den Mut haben, Dir zu sagen, wie es war." Ueber das Gesicht der Kranken flog eine lichte Röte. „Jetzt, wo es zu spät ist, habe ich den Mut gefunden, jetzt erst, den Mut der Wahrheit. — Ich habe Dich geliebt, es war aber doch wohl nicht die rechte Liebe: denn hätte ich Dich wirklich geliebt, so wäre ich von Dir gegangen, und Du bättest Dein Leben von neuem beginnen können. So sind wir beide zugrunde gegangen. Du an mir, von der Du Dich aus Mitleid oder aus Schwäche nicht frei machtest. Ich an meiner törichten Liebe zu Dir. Wir haben beide an uns ge sündigt, eine Sünde, für die es kein Ver zeihen gibt." Es war. als sei frisches junges Leben in den vergehenden Leib der Kranken eingekehrl. Sie sprach ruhig und bestimmt wie jemand, der lange bedacht hat, was er sagen will, und die Worte hatten vollen Klang. „Du hättest glücklich werden können, glücklich mit jener anderen, die Du geliebt hast." N» s 6 ein schwaches Kind. Aber meine Liebe zu Dir war größer als er. Ich wollte diese Liebe ausreißen wie Unkraut. Umsonst. Immer habe ich gedacht, daß ich Dich noch einmal zurückgewinnen könnte — nicht zurück, ich hatte Dich ja nie besessen. Aber ich gab die Hoff nung nicht auf. Vielleicht würde es mir doch gelingen, und so habe ich gekämpft, gegen jene andere — Stärkere, die Dich mühelos ge wonnen hatte. Und in diesem Kampfe bin ich zugrunde gegangen." Durch die frischen grünen Blätter der Akazien und Linden strich sacht der Wind und eine warme Luftwelle trug durch das offene Fenster den Blütendust ins Zimmer. „Sommer nach Sommer ging dahin. Ohne Dust und Farbe für mich. Und meine Ju gend schwand und fiel ab wie eine welke Blüte, die niemanden erfreut hat. Dir sollte sie duften und leuchten und Du hast sie ver schmäht." Ein Vogel rief im Gesträuch und durch die Stille scholl das Helle Gezwitscher. Er ries lockend und bittend, und bald kam Antwort. Dann vereinigten sich die Stimmen, in lusti gem Flug stiegen die Sänger in die Höhe und der Gesang verflog. Die Kranke stützte den Kopf in die linke Hand, mit der rechten glät tete sie die Falten der Decke. „Die Lebende, Eduard, war stärker als ich und ich gab den Kampf bald auf. Doch — dann als jene andere starb, da flammte noch einmal wie ein Freudenseuer die Hoff nung in mir auf, daß ich Dich gewinnen würde. Du solltest die andere vergessen und bei mir das Glück finden, das Du mit ihr verloren hattest. Du warst ganz in Schmerz versunken. Ich ließ Dir Zeit zu vergeßen. Ich kam immer wieder und versuchte von neuem den törichten Kampf. Die Tote war stärker als ich. Sie hielt Dich und gab Dich nicht los. Und diestr letzte vergebliche Kampl hat mir die Lebensfreude und den Lebensmut ganz genommen — und auch meine Liebe zu Dir starb wie eine Blume, um die sich keiner sorgt. Und nun gehe ich — besiegt!" Die Kranke legte sich müde in die Kiffen zurück und ihre Augen schlossen sich langsam. Tie letzte Sonnenglut verfloß am Himmel in lichten roten Wellen und wie verwehendes Ge flüster kam es aus dem sachten Rauschen der Bäume. VÄ Dic baden Tousincn. habe ich mir immer ersehnt und ich gehe gern, so gern." „Du wirst wieder gesund werden, die warme Luft —" „Das alles Hilst nicht mehr, Eduard," unterbrach sie ihn, „das kommt zu spät." „Es ist nicht zu spät!" „Ich fühle es. Mich kann nichts mehr retten. Du weißt es ja auch. Wozu täuschst Du mich? — Und gut ist's, daß ich gehe. Ich wollte, ich hätte eher gehen können." „Hedwig, was sprichst Du?" „Ich hätte eher gehen müssen, doch ich konnte es nicht. Ich war wie festgeschmiedet an Dich und die Fessel war zu stark. Ich hatte Dich zu lieb. Ich mußte bei Dir blei ben. Und ich hätte Dich so gern frei ge wußt — —" „Frei?" Seine Stimme zitterte. „Ja frei, frei von mir. Es war niemals „Hedwig!" Es klang flehend wie eine Bitte. „Und wie Du sie geliebt hast. So heiß, so tief! Und ich habe das gesehen, all die Jahre! Und wie habe ich gewünscht, daß Du mich auch so lieben möchtest. Nur einen Tag, nur eine Stunde. Was hätte ich dafür ge geben!" Die ungestillte Sehnsucht nach etwas Unerreichbarem zitterte in den heftigen Worten. „Und Du gingst an mir vorbei wie ein Frem der. Mit kargem Wort und kargem Blick. Was war ich Dir? — Und ich habe jene an dere gehaßt. Wie meinen Todfeind. Und ich habe sie beneidet und bewundert. Was mußte sie sein, die Dich so ganz gewonnen hatte. Ich wollte kämpfen gegen sie, aber bald erkannte ich, wie ohnmächtig ich war. Und dann erwachte mein Groll gegen Dich, daß Tu meine große Liebe nicht erkanntest. Und diejen .Groll Hube ich gehegt und gehütet wie Roman von R. v. Lippe. (5. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) „Daß Du bei mir so leichtes Spiel ge habt, ist mehr als erklärlich," fuhr sie erreg! fort, „ich kam fremd hierher und Du hast es trefflich verstanden, mir nach und nach- alle die interessanten Geschichten beizubringen; an statt Dir, wie es meine Pflicht gewesen, von Anfang an jedes weitere Wort abzuschneiden." Die feinen, durchsichtigen Hände der jun gen Frau glitten in nervöser Unruhe über ihr Kleid. „Aber darauf kommt eS gar nicht an, was ich hätte tun müssen," fuhr sie fort, „ich wollte Dir nur sagen, wie ich es mit meiner Kusine gehalten haben will." Sie verschränkte die Arme und legte sich in den Sessel zurück, die Unterhaltung war ihrer Ansicht nach damit zu Ende geführt. Juliette aber dachte nicht so. „Ich verstehe nicht, warum die Frau Ba ronin darauf gerade jetzt kommen," fuhr sie fort und ihre Stimme bebte vor innerer Wut, „wenn mir etwas verboten werden soll, müßte