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34 LZ trocken und frostig ausgesprochenen Worte ein bloS leerer, unwirksamer Schall, welcher, ohne zu unserm Verstände und Herzen dringen zu können, schon in unserm Obre so ganz erstirbt, daß ikm ein Echo un seres sympathetischen Herzens eben so wenig ant worten kann, als der bloS für das Auge dargestellten Schriftsprache, welche nur dem Schattenrisse eines ausdrucksvollen Gesichts gleichet, folglich, wie dasselbe, blose Zeichen von Geist und Lebm enthält, cs aber der Phantasie der Leser (wie die mündlich trockene, kalte Wonsprache der Phantasie der Zuhörer) überlaßt, diese an sich unbelebten, tobten Zeichen erst zu beleben, wel- cheS eben bloS durch Deklamation am zweckmäßig sten geschehen kann und soll. Daher ist die Deklamation die schöne Kunst, jeden Dortrag in Prosa, wie in Versen, nach seinem wahren natürlichen Sinne, Geiste und Charakter durch angemessene Redelöne und Geberden (mündlich und sichtbar) schön, natur- und wahrheitgemäs zu hal ten, auSzudrücken oder darzustellen, während die in nere Beredsamkeit in Prosa und in Versen blos die Kunst ist, einen Vortrag von Gedanken und Gefühlen durch angemessene Schriftsprache auszudrückcn, gut aus- zuarbelten- Da nun dieser blos schriftliche, oder nur durchdachte Vortrag der inncrn Beredtsamkcit und deS Redckünstlcrs in Prosa, wie in Versen (deS Redners und Dichters), an sich leblos ist und daher erst durch den deklamatori schen Vortrag belebt, schön und auf die zweckmäßig wirk samste Art auSgedrückt oder dargestellt, gehalten werden kann und muss, wenn er anders seinen Endzweck ganz vollkommen glücklich erreichen soll; so hat sich die für Schauspielkünstler und Redner aller Art ganz unentbehr lich nolhwendige Deklamation unmittelbar und vor zugsweise mit der an sich unbelebten schriftlichen und mündlich trockenen Wortfprache zu beschäftigen, um die selbe erst durch die natürliche, allgemein verständliche Ton - und Gcberdonsprache der Empfindungen, GcisieS- und GemüthSthängkeiten zu beleben, ihr also Geist, Le ben, Anmuth, Leichtigkeit, Grazre, Wohllaut und Schön heit einjuhauchen, alle durch dw Wortsprache blos mit telbar angedeuteten Gedanken, Gefühle, Geistes- und GemüthSthängkeiten, Rührungen, Bewegungen, Ideen und Empfindungen, kurz das Innere des Menschen nach der Absicht des Autors und Redenden vollkommen schön und zweckmäßig wirksam auSzudrückcn, darzustcl- len und anzugeben, welches nur durch eine völlig ange messene Ton - und Gcberdensprachc geschehen kann, weil diese unmittelbar zu unserm Verstände und Herzen spricht, unsere Gedanken, Vorstellungen, Empfindungen und Gefühle unmittelbar erregt, wie schon die Musiktöne ohne Worte und Geberden hinlänglich beweisen äDaher ist die natürliche Ton- und Geberdcnsprache der Empfindungen und Gefühle, welche schon ncugeborne Kinder, gleich den ersten Menschen auf der Erde, in geringem Grade durch Töne und Geberden auszudrücken suchen, die allcr- natürlichste, erste, unmittelbarste, reinste, unverstellteste, unwillkührlichste, kunstloseste, folglich wahreste, sicherste und allgemein verständlichste Ausdrucks- und Mitthci- lungsart unseres Innern, mithin in ihrer Art die voll kommenste Herzenssprache aller Empfindungen, Rührun gen, Gcmütbsbewcgungen, Gefühle und Leidenschaften, folglich diejenige Sprache, in welcher nicht nur die er sten vernünftigen Erdbewohner ihre Empfindungen und Gefühle auShauchten, sondern in welcher auch selbst die Thiere ihr Inneres ausdrücken und diese angewcndete Natursprache, als wahre Ursprache der Menschheit selbst, allgemein verstehen. Da aber nach erwachter Denkkraft die frühesten Erd bewohner, gleich den zarten Kindern, sehr bald die Un zulänglichkeit ihrer noch sehr einfachen, armen und kunst losen Ton - und Gcberdensprachc zur deutlichen Ausdrü- ckung und Mittheilung ihres Innern gewahr wurden, folglich sich, gleich unsern Kindern, genöthigt sahen, zur bessern, vollständigem Bezeichnung und Mittheilung ih rer Gedanken und Gefühle sich erst eine ganz natürlich einfache, kunstlose Verstandes - oder Wortsprache zu bil den und anzueigmn, welche zwar bis nach Erfindung der Schrcibckvnst noch bloS mündliche, laute Wortsprache blieb, aber sehr bald durch jede folgende Generation durch tausendfältig cingctrctcne Bedürfnisse der Bezeichnung thclls Mittler mehr und mehr erweitert, umgcbildet, vcr-