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Allgemeiner Anzeiger : 03.08.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-08-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191008034
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19100803
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100803
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-08
- Tag 1910-08-03
-
Monat
1910-08
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 03.08.1910
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Vie schlimmste Tert. Wer den Betrieb der modernen Zeit kennt, weiß, daß die Sommerzeit für den Redakteur die schlimmste ist. Er soll seine gewisse Anzahl von Spalten wie immer füllen, aber die Welt liegt in tiefster Ruhe. Große Entscheidungen werden nicht getroffen und wenn nicht ein auf sehenerregender Mord oder ein nicht gewöhn- licher Bankraub Stoff zu längeren Artikeln liefert, so sieht eS mit dem Nachrichtendienst übel aus. Zu einer Zeit, da noch das lesende Publikum weniger anspruchsvoll war, half sich ein gewiegter Redakteur über die redaktionelle Ode manchen Sommertages mit einer niedlichen Erzählung von der einst sehr beliebten See schlange hinweg, oder aber er stellte mehr oder minder tiefsinnige Betrachtungen über die Zeit der sauren Gurke an. Nur ein Hilfsmittel aus früheren Zeiten ist auch der heutigen Generation noch verblieben: die Zeitungsente. Sie muß in der Zeit der großen sommerlichen Stille das Interesse des Lesers wachhalten. Unter diesem Gesichtspunkte muß manche Mel dung der letzten Tage betrachtet werden, will man sich mit ihr auseinandersetzen. Da ist zunächst daS Gerücht vom Rücktritt des Staats sekretärs des Reichsmarineamtes Herrn von Tirpitz. Er wolle, fo hieß es, seinen Posten jetzt verlassen, weil seit einem Jahre zwischen ihm und dem Reichskanzler v. Bethmann-Holl weg tiefgehende Meinungsverschiedenheiten über die Forderungen Henschen, die im Interesse unsrer Marine dem kommenden Reichstage vor gelegt werden sollen. Es ist ja ganz klar, daß auch Herr v. Tirpitz eines Tages aus seinem Amte scheiden wird, sicher aber wird der Welt nicht bekannt werden, aus welchem Grunde und am wenigsten würde sie es erfahren, wenn in einem Meinungsstreit a« leitender Stelle der Staatssekretär unterliegen sollte. Auch die mannigfachen sich widersprechenden Gerüchte über eine neue preußische Wahlreform gehören ohne Zweifel in das Gebiet der Zeitungsente. Die einen behaupten, weil es ihnen interessant er scheint, Herr v. Bethmann-Hollweg werde vor läufig keine neue Wahlreform einbringen, die andern sagen (und können die Richtigkeit ihrer Ansicht ebensowenig beweisen), daß das Ministe rium des Innern jetzt (wo der größere Teil der Mitarbeiter im Urlaub ist) eine neue Wahl vorlage ausarbeite. Tatsache ist, daß Herr v. Bethmann-Hollweg später oder früher sich noch einmal mit der Wahlreform beschäftigen wird, aber es ist kaum anzunehmen, daß gerade er eine völlig umgestaltete Vorlage an den Landtag bringen sollte. Im Zusammen hang damit wird übrigens in angeblich einge weihten Kreisen wieder das Gerücht besprochen, der fünfte Kanzler werde im Herbst aus seinem Amte scheiden, das ihm bisher nur Enttäuschun gen gebracht habe. DaS hindert aber dieselben Quellen nicht, am andern Tage zu berichten, daß Herr v. Bethmann-Hollweg bereits Borbe- reitungen für die Wintertagung deS ReichS- parlamentS und darüber hinaus sogar für die Neuwahlen im Jahre 1911 treffe. Man behauptet, der Kanzler werde, wie sein Vorgänger, einen Block schaffen, der angeb lich alle bürgerlichen Parteien mit Einschluß deS Zentrums (im Gegensatz zum Bülow-Block) um fassen soll. Es ist indessen kaum anzunehmen, daß der Kanzler, der in den ersten Tagen seiner Amtsführung die Worte sprach: „die Regierung müsse über den Parteien stehen/ so schnell und so grundlegend seine Meinung geändert haben sollte. Vielmehr wird man auch diese Block- geschichte als eine Ente betrachten müssen. Wenn die Hundstage vorüber sind, werden wir von amtlicher Stelle erfahren, welcher Kurs in der augenblicklich heiklen Lage gesteuert werden soll. Dann wird für die Leiter unsrer Politik, wie auch für die Zeitungsmenschen die schlimmste Zeit vorüber sein. Mehr und mehr muß sich ja der Parteienhader entwirren und der Publi zist wird sich freuen, wenn er berichten kann, daß sich — nach Bülows Wort — alle VolkS- kräfte wieder sammeln zum Wohle des Vater landes. ^Lebtsr. --------------- s-ss-s----—-s-s Politische Kunclschau. Deutschlaud. * Der neue Staatssekretär des Äußeren, Frhr. v. Kiderlen-WSchter, dessen Zu sammenkunft mit dem österreichischen Minister deS Äußeren, Grafen Nhrenthal, in der Presse viel besprochen worden ist, hat jetzt nach seiner Ankunft in Berlin die Leitung der Ge schäfte übernommen. * Wie sich aus verschiedenen Meldungen elsässischer und lothringischer Blätter ergibt, ist Staatssekretär Zorn v. Bulach in den letzten Tagen auf einer Reise durch Elsaß - Lothringen begriffen gewesen, um sich mit hervorragenden politischen Persönlichkeiten über die Grund lagen der neuen elsässischen Ver fassung zu verständigen. Auch diese Reise zeigt, daß die Regierung das Versassungswerk zu beschleunigen wünscht. "Zu den ständig wachsenden Ausgaben deS Reiches, die auf die Gestaltung des Etats von besonderem Einfluß sind, gehört auch der Allgemeine Pensionsfonds, der im laufenden Jahre mit 118 Mill. Mk. ausgestattet ist. Davon entfallen 100 Millionen auf das Heer, 14 auf Marine und Schutztruppen und 3,2 auf Zivilpersonen. Durch die Besoldungs erhöhungen des letzten Jahres für Offiziere und Beamte wird infolge ihrer Nachwirkungen auf die Höhe der Pensionen mit einem weiteren nicht unerheblichen Anwachsen des Allgemeinen Pensionsfonds zu rechnen sein. "Die bayrische Regierung hat der Abgeordnetenkammer eine Denkschrift über die heiß umstrittene Frage derMobiliarfeuer- versicherung in Bayern vorgelegt, in der sie sich gegen die Verstaatlichung einer solchen Versicherung ausspricht. Die Regierung erklärt, es würden zur Durchführung der Verstaatlichung für einmalige Kosten, Garantie- und Reservefonds elf Millionen not wendig sein, außerdem würden die jährlichen Kosten etwa 300000 Mk. betragen. Solche Beträge könne aber Bayern bei der jetzigen Finanzlage nicht aufbrinaen, auch wenn ein dringendes Bedürfnis bestände. Ausgedehnte Erhebungen hätten gezeigt, daß ein Bedürfnis nicht vorhanden sei. ES könne daher ein Vor gehen auf dem Gebiete der staatlichen Mobiliar- feuerverficherung zurzeit als nicht empfehlens- erachtet werden. -Die Zahl der Rechtsanwälte und Notare inDeutsch - Südwestafrikahat in letzter Zeit zwar erheblich zugenommen; trotzdem aber sind noch bei der großen Entwickelung der Kolonie viele Stellen unbesetzt. Für Rechts kundige ist demgemäß in Südwestafrika jetzt ein guter Platz und der Zuzug erwünscht. Es kommt hinzu, daß durch die ständig fortschreitende Erschließung deS Lande?, durch den mannig fachen Besitzwechsel und durch den Diamanten handel besonders für Notare ein ergiebiges Feld der Tätigkeit vorhanden ist, sodaß die Aussichten in Südwestafrika für Rechtskundige sehr gute sind. Auch für jüngere Assessoren und Richter sind in der Kolonie die besten Aussichten, da sie neben Ausrüstungs-, Umzugs- und Reisekosten auch ein bedeutendes Gehalt bekommen, das durch eine Zulage nach dem fünften Jahre noch vermehrt wird. Italien. *Zu den Gerüchten, daß sich König Viktor Emanuel direkt bei einzelnen Mächten für den Abrüstungsgedanken verwandt habe, erklärt jetzt eine amtliche Mit teilung, der Monarch habe lediglich in Privat gesprächen sich zustimmend zu den Abrüstungs ideen geäußert. Es entspricht also nicht den Tatsachen, wenn französische Blätter melden, der König sei mit einem Vorschläge zur Be schränkung der Rüstungen an Deutschland heran getreten, und dieser Vorschlag sei abgelehnt worden. Balkaaftaate«. * Nach Wiener Blättermeldungen wird der Kön WWn Serbien noch in diesem Jahre dem KmW Franz Joseph einen Besuch in Wien abstatten. Wenn die serbischen Mnister diesen Besuch wirklich zustande bringen sollten, so wäre es ein erfreuliches Zeichen für die zu nehmende Beruhigung auf dem Balkan. "In Belgrad ist das Gerücht aufgetaucht, der Erbprinz Danilo von Montenegro beabsichtige anläßlich des Regierungsjubiläums des Fürsten Nikolaus zugunsten seines jüngeren Bruders Mirko, der verheiratet ist und Kinder hat, auf die Thronfolge zu ver zichten. "Die Lage in Mazedonien wird immer emster. An vielen Orten verweigern die Bulgaren Mazedoniens die Auslieferung der Waffen. Die Türken greifen daher zu Gewalt- maßreaeln. In Skutari ist der Belagerungs zustand verhängt worden. Häuser bulgarischer Untertanen werden allerorten niedergebrannt. Die bulgarische Regierung beabsichtigt daher er neut bei den Mächten vorstellig zu werden. Amerika. "Die Meldung englischer Blätter, die Der. Staaten hätten die Absicht erkennen lassen, eine Schutzherrschaft über die westafrikanische Negerrepublik Liberia zu übernehmen, ist nach einer amtlichen Erklärung aus Washington nicht zutreffend. Vielmehr handelt es sich bei dieser Nachricht ausschließlich um den Wunsch der Regierung des Präsidenten Taft, in die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse Liberias mit hilfreicher Hand einzugreifen, und zwar, nachdem sich die Der. Staaten mit den dort interessierten Mächten Deutschland, England und Frankreich über die Mttel und Wege dieser Unterstützung ins Einvernehmen gesetzt hat. * Der Aufstand auf der Insel Kuba ist von den Regierungstruppen nieder geschlagen worden. Der Anführer der Rebellen, General Miniez, ist mit zweien seiner Anhänger gefangen genommen worden, die übrigen Meuterer sind entflohen. Affen. "Englische Blätter berichten, daß die chi- nesischeRegierung sich entschlossen habe, die Reorganisation der Armee wenn irgend möglich Lord Kitchener zu übertragen. Ein diesbezügliches Angebot sei dem englischen Feldmarschall bereits gemacht worden, und man habe es ihm ganz überlassen, seine Bedingungen zu stellen. Es heißt, daß der Vorschlag Lord Kitchener schon einmal gemacht wurde, und zwar als er Peking auf seiner Rückkehr von Indien besuchte, nur daß das damals nicht in so be stimmter Form geschah, weil man nicht glaubte, daß die englische Regierung den General auch nur einen Augenblick ohne Beschäftigung lassen würde. Man habe eben damals in Peking nicht an die Möglichkeit geglaubt, daß das Angebot überhaupt in Betracht gezogen werden könnte. Nachdem man aber gesehen habe, daß Lord Kitchener tatsächlich kein Kommando erhalten solle, habe man die Sache sofort wieder allen Ernstes ausgenommen. Vie englische Zchlachtflotte im Nebel verirrt. Tiefe Trauer erfüllt Englands Marine freunde. Bei dem großen Schauspiel, las die gesamte Flotte in Form einer „Schlacht* dem König Georg bieten sollte, haben sich fast alle Schiffe im Nebel verirrt und — die ganze stolze englische Flotte wäre im Ernstfälle ver loren gewesen. Dichter Nebel lag über den Gewässern, als die Flotte am Morgen deS 28. Juli auszog, um dem Könige von England das Schauspiel eiuer „Schlacht" zu bieten. Um 2 Uhr nachmittags, als der Nebel leichter geworden war, folgte das Flagg schiff „Dreadnought*, auf dem sich der König befand, der Flotte. Zugleich stieg vom Ufer der -Flugtechniker Graham White in seiner Flug maschine auf, überholte die „Dreadnought* und kreiste ein halbes dutzendmal in bedeutender Höhe über dem Schlachtschiffe. „Nicht der König mit dem Aufgebot der ganzen Flotte hätte ihn da herabholen können*, schreibt ein Morgenblatt, und weiß Wester mitzuteilen, daß auf der „Dreadnought* ein lebhafter Meinungsaustausch darüber stattgefunden habe, ob es möglich sei, Schiffe durch Sprengstoffe von Flugmaschinen auS zu zerstören. Die „Dreadnought" ent schwand schließlich den Blicken, und Graham White kehrte ans Land zurück. Bald darauf tönte Kanonendonner aus der Ferne, die Schlacht hatte begonnen. Der Nebel ver dichtete sich wieder derartig, daß man kaum 200 Meter weit sehen konnte. Gegen 5 Uhr kam der König auf seiner Jacht zurück. Eine Anzahl Torpedoboote, ein paar Kreuzer folgten. Auch die „Dreadnought" fuhr langsam herbei und warf Anker. Wo aber war die Flotte ge blieben? Es gab nur eine Antwort: Im Nebel verirrt! Auf dem Flaggschiff herrschte nicht wenig Be sorgnis und um 6 Uhr beschloß Admiral May, mit der „Dreadnought* und „Dido" auf die Suche auszufahren. Der Nebel war fetzt so dicht geworden, daß die beiden Schiffe nur ganz langsam und mit der größten Vorsicht fahren konnten, und schon, nachdem eine Meile zurückgeleqt war, hielt eS Admiral May für an gezeigt, die „Dido* wieder zurückzuschicken. Aber auch „Dido* konnte d-n Weg nach dem Aus gangshafen nicht zurückfinden und fand sich plötz lich einem turmhohen Fels gegenüber, wo sie sicherheitshalber Anker warf. Auch die drahtlose Telegraphie versagte in dem dichten Nebel, und die „Dread nought* mußte sich daraus beschränken, ihre ver lorenen Schwestern durch die Sirene wieder zusammen zu locken. Einige antworteten auch in der Ferne, aber um V-8 Uhr kam das Flagg schiff wieder allein in den Hafen zurück. Erst gegen S Uhr begannen sich die andern Schiffe nach und nach einzustellen, doch spät abends fehlten noch viele. Im Ernstfälle wäre eine furchtbare Katastrophe wohl selbst nicht durch die größte Vorsicht zu vermeiden gewesen. Die Manöver mit den Torpedo- und Unterseebooten hatten wegen des Nebels unterbleiben müssen. Der Eindruck dieses an sich bedeutungslosen Vor ganges in England ist unbeschreiblich. Der Fernstehende gewinnt den Eindruck, als hätte England seine Flotte verloren. »i 1 unä flotte. — Das Gerücht, daß bei den diesjährigen Kaisermanövern alle deutschen lenkbaren Luft schiffe, auch die in Privatbesitz befindlichen, teil nehmen werden, bestätigt sich nicht. Es sollen vielmehr nm die vier im Besitze des Reiches befindlichen LenkballonS (wie auch im Vorjahre) teilnehmen. — Seit einiger Zett werden bei unsrer Marine für die Mannschaften Einzelwaschbecken eingeführt, die an die Stelle der gemeinsamen Waschkübel treten. Da die Einzelwaschbecken im Interesse der Sauberkeit und auch im Interesse des Wasserverbrauchs den Waschkübeln vorzu ziehen sind, so werden jetzt derartige Einzelwasch becken durchwegs auf unsrer Marine eingeführt werden, während sie bisher nur versuchsweise verwendet wurden. Auch vom hygienischen Standpunkte aus haben sie eine Bedeutung, ha die ansteckenden Krankheiten, besonders die Krankheiten der Atmungsorgane und Hautleiden, dadurch die beste Bekämpfung erleiden und eine weitere Verbreitung durch ein gemeinsames Waschbecken nicht zu befürchten ist. Der jüngst erschienene Gesundheitsbericht über unsre Marine läßt schon die heilsamen Erfolge dieser Neuein richtung erkennen. Von unä fern. Einziehung von ReichSkaffenscheine«. Der Bundesrat hat folgende Bestimmung ge troffen: Die mit dem Datum vom 10. Januar 1882 ausgefertigten Reichskaffenscheine zu 50, zu 20 und zu 5 Mk., sowie die mit dem Datum vom 5. Januar i899 ausgefertigten Reichskaffenscheine zu 50 Mk. werden vom 1. Januar 1911 ab nur noch bei der Königlich Preuß. Kontrolle der Staatspapiere eingelöst. K Sine schwergeprüfte frau. 23^ Roman von M. de la Chapelle. ,Fortsetzung.) „Ich habe mit dir zu sprechen,' erklärte Robert mir kurz. Dabei zog er seine Brieftasche, der er fünf Tausendmarkscheine entnahm, sie auf dem Tisch vor mir ausbreitend. „Es sind dieselben, die du heute vormittag aus meinem Schreibtisch entwendet,* sagte er dabei, mir mit höhnischem Lächeln zunickeud. „Erkennst du sie wieder?* Wie vom Donner gerührt, starrte ich ihn an — was sollte das bedeuten woher wußte er — ? „Du warst Geißner dreitausend Mark schuldig, die du ihm heute abend zmückzahltest. Außer dem ließest du dir zwei weitere Tausendmark scheine von ihm wechseln — ich habe alles beobachtet und mir später von Geißner die fünf Tausendmarkscheine geben lassen. Du kannst nichts ableugnen — die Nummern sämt licher Scheine jenes Päckchens, das ich heute morgen von meinem Inspektor für verkauftes Kom erhielt, sind in meinem Taschenbuch notiert: sie stimmen genau mit den Nummern derjenigen, die du an Geißner gegeben hast und die, wie ich mich heute vormittag, nachdem du mich verlassen, sofort überzeugte, in dem bewußten Päckchen fehlten — diese fünftausend Mark sind also von dir entwendet worden. Ich fand keine Antwort auf diese Beschuldi gung — sie beruhte ja auf Wahrheit; ich war zum Diebe geworden! Vernichtet sank ich auf einen Stuhl, ich konnte den höhnisch-verächt lichen Blick, mit dem mich Robert maß, nicht ertragen. „Und was wirst du nun tun?" fragte ich endlich. „Du siehst, daß du dich durch diese Dumm heit vollständig in meine Hand gegeben hast,* erwiderte er, die verhängnisvollen Scheine ge lassen zusammenschiebend. „Ich wäre ein Tor, wollte ich den Vorteil, der sich mir dadurch bietet, nicht ausnützen, dämm höre meinen Vor schlag. Du sagtest mir kürzlich, daß deine Gattin bereits mehr als einmal den dringenden Wunsch nach einer Scheidung eurer Ehe aus gesprochen, daß du dich diesem Verlangen jedoch stets widersetzt — nicht wahr, so ist es?* Ich nickte stumm, ich wußte nicht, wohin Robert zielte. „Nun denn, gib mir die schriftliche Zu- ficherung, daß du in eine möglichst zu be schleunigende Trennung eurer Ehe willigst, und ich bin bereit, über das Geschehene zu schweigen. Ja noch mehr: an dem Tage, an dem die Trennung zwischen dir Md Beate rechtsgültig ausgesprochen wird, zahle ich dir eine Summe aus — hinreichend filr dich, ein neues Leben zu beginnen.' Verwirrt starrte ich Robert an — allein allmählich begann ich zu begreifen. Beate sollte fr« werden, um ihm angehören zu können I „Und wenn ich mich weigere — was dann?* fragte ich, obgleich ich ja im voraus wußte, waS er mir antworten würde. „Dann lasse ich jede Rücksicht auf dich fallen; ich mache dich für immer moralisch tot — auch deinem Vater gegenüber.* Ich wußte, daß er diese Drohung aus führen würde, und der Gedanke, von meinem Vater als Dieb betrachtet zu werden, ließ mich seinem Willen gehorchen. Ms Robert mich eine halbe Stunde später verließ, nahm er die ge forderte Erklärung mit sich. — AlS ich am nächsten Tage nach tiefem, schweren Schlafe erwachte, stand Gallwig vor meinem Bette. Er sagte mir, daß er in Damkenow gewesen sei, um Beate die Nachricht zu bringen, daß ich in eine Scheidung willige. Jede wettere Auskunft über den Verlauf seiner Unterredung mit ihr verweigerte er jedoch. „Sie wird sich besinnen,* wies er mich kurz ab; „wir müssen ihr Zeit lassen.' Gegen Abend fuhr Gallwtg mü den andern nach Damkenow zurück, während ich unter einem Vorwande in der Stadt blieb. Ich scheute mich vor einer Begegnung mit Beate Md wollte diese so lange als möglich hinauS- schieben. Erst am nächsten Vormittag entschloß ich mich ebenfalls zur Rückfahrt. So schwer es mir auch wurde, ich mußte dennoch Beate sprechen. Schon war ich im Be griff, sie in ihrem Zimmer aufzusuchen, als mein Blick auf einen an mich gerichteten Brief fiel, der auf meinem Schreibtisch lag. Mit zitternden Händen riß ich ihn auf, denn er kam von Beate. Sie schrieb mir, daß sie das Geschehene von Gallwig erfahren habe. Sie durchschaue den abscheulichen Handel zwischen uns beiden, dessen eigentlicher Zweck sei, sie in Gallwigs Hände zu geben — ihre Person solle der Preis sein, mit dem ich sein Schweigen für meine Tat erkaufen wolle. Um sich diesen schimpflichen Zwange zu entziehen, bliebe ihr kein andrer Ausweg als die Flucht — eher aber würde sie den Tod wählen, als ein weiteres Leben an meiner Seite. Unter dem Vorwande einer plötzlich nötigen Reise habe sie das Schloß mit Kurt verlassen, um sich meiner Nähe für immer zu entziehen. Eine Weile stand ich wie in lähmender Er starrung — der Gedanke, daß Beate entfliehen könne, war nur noch keinen Augenblick ge kommen! Im Schloß schien man anzunehmen, ich wisse um ihre Abreise — ohne Zweifel hatte sie sich der Dienerschaft gegenüber den Anschein gegeben, als ob sie die Reise mü meinem Einverständnis unternähme. Aber Gallwig — wußte auch er darum? Er war mit den übrigen Herren heute in aller Frühe zur Jagd nach dem sogenannten Martins grund aufgebrochen — hatte er Beates Abreise nicht erfahren? Ich beschloß, ihn aufzusuchen. Ich kannte daS Revier, das wir schon einigemal begangen, und da gestern bereits die Dispositionen zur heutigen Jagd besprochen worden, wußte ich, wo ich Gallwig ungefähr finden würde. ES gelang mir auch, ungesehen von den übrigen, seinen Standort zu erreichen. Mein verstörtes Aussehen mochte ihm wohl auffallen, denn er kam mir mü der Frage: was ge schehen sei? zuvor. „Beate ist fort — entflohen,' stieß ich hervor. Er starrte mich ungläubig an — also auch er wußte nichts von ihrer Flucht I Ich wieder holte nun kurz, waS sie mir geschrieben.
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