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reiche Gesellschaften viele Stunden hinter ein ander unterhalten werken können, beweisen Ließ hinlänglich. Unsre Musik also ist unab hängig von der Dichtkunst und kann ganz für sich bestehen. Wir sehen, dag die jüngere Schwester sich der Herrschaft bemächtigt hat, die sonst aussch'iebend der altern gehörte: und diese Hcrrjchaft ist auf dem festen Grun» de des aus sieben Haupttönen mannichfallig entwickelten Systems der Harmorne errichtet. Aber der Cultur der neuern Zeilen, wo die Musik zu diesem Grade der Selbstständigkeit erhoben wurde, war es zugleich vorbehalten, der Dichtkunst die entzogenen Rechte, so wert die entschiedenen Vortheile der erstcrn es zu» lassen, wieder zu geben. Diest wurde schort früher, ehe sich die Musik zu dem bildere, was sie jetzt ist, vorbereitet durch den bedeu tenden Gewinn, den die Harmonie in der fortschreitenden Ausbildung des Kirchenge- sanges erwarb.. Hier blieb die Dichtkunst im Besitz einer Art von Oberherrschaft, die durch die Vervollkommnung des, auf harmo nische Verhältnisse gegründeten, Gesanges nicht nur nicht vermindert, sondern vielmehr befestiget wurde. Auf diesem Wege zeigt sich uns, bey den nachherigen Fortschritten der Tonkunst überhaupt, nun auch der Punkt, aus welchem sich beide, di? Musik und die Dichtkunst, schwesterlich wieder vereinigten; und dieser ist kein andrer, als Ler vervoll kommnete vierstimmige Kirchcngesang, wel cher für sich selbst zu bestehen nicht nur fä hig ist,, sondern auch, mit der Musik verbun den, eine Fülle und Pracht entwickelte, die Man vorher noch nicht gekannt halte. So entstand die Vokal- und Instrumental-Mu sik, die nun eine Zierde unserer Kirchen, Lon« eertsäle und Theater geworden ist, wo Poesie und Tonkunst um die Wette sich bestreben, den Preis keS Höchsten und Schönsten zu erringen. So sollte cs wenigstens seyn; diesi - ist das Ideal der zu einem G.nzen vereinig- ten Poesie und Acusik; aber w ist es nicht immer in der Wirklichkeit. Hier bleckt die Dichtkunst gewöhnlich hinter der Tonkunst zurück. Die Poesie, die selbst schon eine Art von Musik seyn sollte, erwartet gewöhnlich kiele Umwandlung von den v.'cclodLeen der Sänger und von dem Klange der Instru mente. Dieses Urrheil über die unzählbare Astnge von Poesieen, welche zu musikalischer Bkh ndlung bestimmt sind, ist nicht zu hart. Wem sind nicht unsere gewöhnlichen Tcxie zu Kirchenmusiken bekannt? W»c selten, sind die guten , in denen E- Nnduug , erhebende Ge danken und eine harmonische Sprache ange- troff n werden? Wie oft wüsten sich selbst die besten Klrchcnkompositöre mit schlechten Texten befassen, wobey sie noch sthr glücklich sind , wenn sie hier und da eine kraftvolle Schriftstelle zu bearbeiten finden? Und eben so ist es nur den meisten Opern, bey denen dem Tonsetzer sogar noch der eben genannte Vorlhetl des Ktrchcnlon posuörs abaehet. Denn wie viele Dichter besitzen wir, dm, wie der verewigte Gotter, die deutsche Oper bearbeitet haben? Es bleiben also, das geistliche Oratorium (welch m vtele Dichter mit Glück thr Talent gewidmet hadert) ausgenommen, wenige Ge legenheiten übrig, wo sich die Poesie und Mi sik, in ih er eigenthümlichen Kraft, zum Höchsten Ideale vereint, zeigen können. Die Cantate ist es, welche diesen ost g trenn ten und wieder vereinigten Schwester», zu