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über ist gewiß, das; er mehr gelernt und einen schärseren Verstand hat, als alle meine sonstigen Bekannten!" „Sic übertreiben natürlich! Ja, ja, es ist so, bleiben Sie nur ruhig!" sagte er, die bolle, weiche Stimme ein wenig verstär kend. „Das tun wir immer, wenn wir von guten Freunden sprechen!" Sie warf den Kopf leicht in den Nacken. „Ich aber ganz gewiß nicht!" versicherte sie mit einem Anflug von Trotz. „Daß Wladimir ein hervorragend begabter und kenntnisreicher Mensch ist, sagen noch ganz andere Leute als ich!" „Ich denke, Sie leben sehr zurückgezogen?" warf er ein. „Nun ja," gab sie errötend zu, „allein ab und zu sehen wir doch außer Wladimir Besuch bei uns!" „Wo kein Löwe ist, wird es dem Bär nicht schwer, König zu spielen," murmelte Etienne; dann fuhr er nachdenklich, lauter- sprechend, fort: „„Es ist nur gut, daß ich nie mit Ihrem Freunde zusammenkommen werde, denn es ist immer ein beschämendes und niederdrückendes Gefühl, mit Leuten Verkehren zu müssen, die einem in den meisten Dingen überlegen sind, weil man dadurch gar zu leicht in den Augen derjenigen Personen an Wert verliert, denen man gern durchaus gefallen möchte." < Sonja wandte ihm mit einer plötzlichen Bewegung das Ge- sich zu und sah ihn warm an. „O, Sie brauchen eine Begegnung mit Leczinski gewiß nicht zu scheuen!" kam es hastig über ihre Lippen. — „Wirklich nicht?" fragte er langsam und lein lächeln der, glühender Blick taucht« in den ihren. „Wie können Sie das bo haupten? Wat Ihr Freund kann und weiß, ist Ih nen bekannt; ob ich aber etwas gelernt habe oder Ivie- Viel Verstand ich besitze, das muß ich Ihnen doch erst be weisen." — „O, ich glaube bestimmt —" Sie brach jäh ab, stieß einen Seuszer aus und schlug er rötend die Au gen .neder. — „Wollen Sie mir nicht sa gen, was Sie glauben?" forschte er. Sie schüttelte den Kops. „Nein, nein," wehrte sie, „Sie würden mich nur anslachen, ich weiß!" — „Wie kommen Sie nur darauf?" entgegnete er. „Habe ich denn das schon einmal getan?" „Ja," nickte sie eifrig, „vorhin, als ich Sie Elfenkönig nannte und Ihnen sagte, daß ich mir schon oft Ihr Bild in Madeleines Album angesehen habe." „Habe ich da wirklich gelacht?" fragte er, wie peinlich berührt. „Gelächdlt, — so eigentümlich - so — — Aber was soll das alles?" unterbrach sie sich mit einem tiefen Atemzug. „Erzäh len Sie nur lieber etwas von Ihren Reisen! Wollen Sie?" „Später! Jetzt muß ich mich erst rechtfertigen!" versetzte er eifrig. „Sie sagten, ich hätte vorhin eigentümlich gelächelt. Nun, ich gebe zu, gelächelt zu haben!" „Ah! Sehen Sie?" triumphierte sie. „Ja," bestätigte er, „doch lag es nur fern, Sic auslachen zu wollen. Man lächelt doch in erster Linie dann, wenn man über irgend etwas Freude empfindet, nicht wahr?" Sonja nickte. „Nun, sehen Sie!" fuhr er fort. „Und ich freute mich, freute mich herzlich, daß ich Ihnen nicht unsympathisch bin, denn wenn das der Fall wäre, würden Sie ja mein Bild nur einmal und dann nicht wieder im Albnm ausgesucht haben. Jst's nicht so?" Sie nickte abermals. „Nun, soll es mich denn etwa nicht freuen, daß Sie Gefallen an nur finden?" vollendete er. „Aber ich bitte — „Freut es Sie auch, wenn ich Ihnen sage, daß Sie mir ge fallen?" unterbrach er sie. Sie blieb stehen und sah ihn beglückt an. „O! Ist das wirk lich wahr?" stieß sie hastig hervor. „Wirklich und wahrhaftig!" versicherte Montesquion und er griff ihre Rechte, um einen langen Kuß auf dieselbe zu drücken. „Sehen Sie, nun könnte ich auch sagen, daß Sie mich auslachen!" fügte er, in ihr freudestrahlendes Gesicht blickend, hinzu. „O, nicht doch! Ich bin ja so glücklich!" murmelte sie ver wirrt und zog ihre Hand zurück. Sie gingen noch eine Weile den Strand entlang, dem kleinen, dichten Gehölz zu; das sich in der Ferne erhob, aber keins von ihnen sprach mehr ein Wort. In Gedanken versunken, schritten sie schwei gend nebeneinander her. „Sonja! Sonja!" rief da plötzlich eine Helle Frauenstimme. „Sonja! Etienne!" „Das ist Madeleine," sagte Sonja, aufschreckend, und sich um wendend, erblickten sie die zierliche Gestalt der Französin, welche durch den tiefen Sand auf sie znhastete. „O, ihr Ausreißer!" rief Madame lachend. „Da warten wir mit dem Frühstück auf Euch, b>s wir vor Hunger beinahe umsinken, während Ihr vergnügt HK), umhcrflattert! Habt Ihr denn ganz vergessen, daß es außer Euch auch noch andere Leute auf der Welt gibt?" Sonja warf mit einer ungestümen Bewegung beide Arme um der Freundin Hals. „O, liebe Madeleine! Bitte, sei mir nicht böse!" flüsterte sie. „Nun, ich will Dir nicht ge rade zürnen, -daß Du mich so ganz und gar vergessen hattest!" ent gegnete Ma dame. „Aber es kränkte mich doch sehr! Hörst Dn? Es kränkte mich sehr!" wiederholte Madame im Ton eines schmollenden Kindes, um gleich darauf zu bemerken, daß man keine Minute länger hier verweilen dürfe, da Graf Lutowojski in großer Sorge um sein Töch. terchen sei. Lustig vor sich hin trällernd, hüpfte sie hierauf den Strand entlang. „Willst Du mich nicht Mitnahmen?" rief Sonja ihr nach. Madame wandte lachend ihr rosiges Gesicht zurück. „Nein! Seid Ihr so lange ohne mich fertig geworden, so werdet Ihr mich auch jetzt leicht entbehren können!" neckte sie uüd eilte noch rascher vorwärts. ' „Bitte, lassen Sie uns schneller gehen!" wandte Sonja sich an Etienne. „Weshalb denn?" fragte er und suchte ihren Blick aufzufangen. „Genügt Ihnen meine Gesellschaft nicht mehr? Ist sie Ihnen viel leicht gar auf einmal unangenehm geworden?" „O, wie können Sie nur so etwas denken!" kam es vorwurfs voll über Sonjas Lippen. „Ich meinte nur —" Sie brach jäh ab, errötete und fügte nach kurzer Pause hastig ustd leise hinzu: „Doch gut! Lassen wir Madeleine meinetwegen gern Vorans eilen !" „Ich danke Ihnen!" flüsterte Etienne und drückte einen glühen den Kuß auf ihre Rechte. „Was tun Sie da?" stotterte sie erschrocken. „Und weshalb sagen Sie mir Dank?" „Weil ich noch gern ein Paar Minuten lang mit Ihnen allein sein möchte," antwortete er ihr kühn. Sie errötete tief, aber gleich darauf überzog Leichenblässe ihr Gesicht und ein süßer Schauer durchrann ihren jungen Leib. »Ich — ich verstehe Sie nicht!" stammelte sie fassungslos, i (Fortsetzung folgt.) Vas Kaiser sriectricN-Museum in kerlin. 5V*