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Allgemeiner Anzeiger : 12.10.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190410125
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19041012
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1904
-
Monat
1904-10
- Tag 1904-10-12
-
Monat
1904-10
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 12.10.1904
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politische Kunälckau. Der rusfisch-japanlsche Krieg. * Aus Mukden liegt jetzt — trotzdem es zu keinem neuerlichen Waffengange zwischen den kriegführenden Parteien gekommen ist — eine wichtige Nachricht vor. Es heißt nämlich, daß der Generalissimus der russischen Armee nicht die Absicht habe, Mukden aufzugeben. Kuropatkin will in Mukden bleiben, und die notwendige Folgerung daraus ist, daß es dori- selbft zu einer Entscheidungsschlacht kommen muß. * Statthalter Alexejew ist zu einer Be sprechung mit General Kuropatkin in Mukden eingetroffen. * über eine Seeschlacht liegen aus Tschisu gänzlich unkontrollierbare Privat-Mel- dungen vor. Am Donnerstag früh V-3 Uhr wurde danach bemerkt, daß eine heftige See schlacht in der Nähe des Hafens von Tschisu im Gange war. Man hörte den Donner schwerer Geschütze und sah das Spiel der Scheinwerfer. In Tschisu wurde angenommen, daß das Port Arthur-Geschwader in den Hafen von Tschisu zu entkommen suchte, jedoch von der japanischen Flotte aufgehalten wurde. "Aus Port Arthur ist es General Stöffel geglückt, einen Bericht an den Zaren über die Kämpfe vom 19.—23. September durch die japanischen Linien zu schmuggeln. Auch dieser Bericht legt Zeugnis ab von der Hart näckigkeit und Erbitterung des Ringens um die Wälle des festesten russischen Bollwerks in Ostasien. * Die Japaner organisieren in der Mongolei und in den Gegenden westlich von Mukden, die an der Grenze liegen, zahlreiche Tschung° tschusenb and en, die von Japanern be fehligt werden, um zu versuchen, die Eisen bahn zu zerstören und zu verhindern, daß die Russen sich in der Mongolei verproviantieren. * * * Deutschland. - * Der Kaiser hielt am Donnerstag bei der Eröffnungsfeier der Technischen Hoch schule in Danzig eine bedeutungsvolle Rede, stattete dann seinem Leibhusaren-Regiment , in Langfuhr einen Besuch ab und setzte sodann tue Reise nach Hubertus stock fort. * Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am Donnerstag, nachdem der Vorsitzende des Hinscheidens des. Regenten des Fürstentums Lippe gedacht hatte, den Antrag des fürstlich schaumburg - lippischen Ministeriums, betr. die Thronfolge im Fürstentum Lippe, sowie eine den gleichen Gegenstand betreffende Eingabe des Grafen Erich zu Lippe- Weißenfeld den zuständigen Ausschüssen überwiesen. Die Angelegenheit erregt die Ge müter sehr; der Ausschuß des lippischen Land tages, der sich damit zu beschäftigen hat, tagt in Lage, da in Detmold stark der Typhus herrscht. Die Blätter aller Parteien sprechen von einem lippischen „Konflikt". "Offiziös wird geschrieben: „Dem Tele gramm, das der Kaiser am 26. September an den Graf-Regenten in Detmold gerichtet hat, liegt nicht die Absicht zu Grunde, den Grafen Leopold in der faktischen Ausübung der Regentschaft zu stören. Solange nicht andres Recht geschaffen ist, steht dem Grasen Leopold das lippische Landesgesetz zur Seite, und dagegen hat natürlich auch der Kaiser nicht remonstriert. Die formale Wahrung seines Rechtsstandpunktes ist jedoch das gute Recht des Kaisers; wenn er die Vereidigung der Truppen verhindert, so übt er sein Recht als oberster ' Kriegsherr, ein Recht, das der lippischen Landesgesetzgebung nicht untersteht." "über den Stand des deutschen Handwerkerwesens soll auf Grund statistischer Erhebungen ein zuverlässiges Bild geschaffen werden. Es soll festgestellt werden, welche Wirkungen das sog. „Handwerkergesetz vom 26. Juli 1897" bisher erzielt hat. Zu diesem Zwecke find im Neichsamt des Innern eingehende Fragebogen aufgestellt worden. Neben den eigentlichen Orgunisationsfragen sind insbesondere Ermittelungen über die Einrichtungen auf dem Gebiete der Lehrlingshaltung, der Ge sellenprüfungen, der Einignngsämter und Schieds gerichte, des Schul- und HerLergSwesens, der Arbeitsnachweise, der Kranken-, Sterbe- und Unterstützungskaffen u. a. m. ins Auge gefaßt. Die Ausfüllung dieser Fragebogen, deren Ver teilung an dis zuständigen Körperschaften und Behörden bereits erfolgt ist, soll im Febrnar bezw. März nächsten Jahres bewirkt werden. "Zwischen dem Magistrat von Berlin und der Regierung ist ein ernsthafter Konflikt ausgebrochen. Die Regierung be ansprucht die Beaufsichtigung über die der Stadt gehörigen Schullokale und deren Benutzung zu andern als den Lehrzwecken; der Magistrat hat dagegen Verwahrung eingelegt und die Stadtverordnetenversammlung hat sich einstimmig auf die Seite deS Magistrats gestellt. * Der GesetzgebungSausschuß der Zweiten hessi schen Kammer Hai mit den RegiernngSbertretern eine Verständigung über die Hauptfragen der staat lichen Schlachtviehversicherung erreicht. Danach ist der Versicherung alles Rindvieh unterworfen, mit Ausnahme der Viehstücke, die infolge von Erkrankung der Notschlachtung verfallen. * General Trotha hat einen eingehenden Bericht über die Verfolgung der Hereros eingesandt, wonach viele Gefangene gemacht und Viehmassen eingebracht wurden. Die Wiederstandskraft der Aufständischen gilt als gebrochen. Österreich-Ungarn. "Der galizische Landtag nahm einen Dringlichkeit? antrag an, der sich gegen die Auslieferung in Galizien festge nommener russischer Deserteure an Rußland ausspricht. * Ein dalmatinisches Blatt hat kürzlich gegen den Statthalter Frh. v. Handel den Vorwurf erhoben, er habe einigen Statthaltereibeamten gegenüber geäußert, er halte nichts vom dalmatinischenEhrenworte, während er tatsächlich gesagt hat, im Dienste gäbe es kein Ehrenwort. Im Zusammenhänge mit dieser Angelegenheit gab im dalmatinischen Landtage der Abg. Cingria die Erklärung ab, daß alle Abgeordneten überzeugt seien, der Statthalter habe durch sein Verhalten das Land schwer verletzt; sie würden dem Landtage so lange fernbleiben, wie der Statthalter im Amte sei. Der Statthalter verließ hierauf unter Abzugrusen den Saal, während der Vertreter der Regierung im kaiserlichen Auftrage den Landtag für ge schloffen erklärte. "Der ungarische Abg. Vizontai wird im Abgeordnetenhause die Affäre der P rinzessin Luise zur Sprache bringen. In einem Artikel äußerte er sich schon jetzt über die Frage der Staatsangehörigkeit der Prinzessin und erklärt, dgß sie als die Gattin eines ungarischen Staatsangehörigen zu betrachten und als solche berechtigt sei, die ungarischen Gesetze in Anspruch zu nehmen. Frankreich. "Die über die Frage der Einsührung der Einkommensteuer angestellien Erhebungen haben kein günstiges Resultat ergeben. Nament lich hat sich gezeigt, daß die Reform besonders die mittleren Einkommen trifft und die Möglich keit zuläßt, daß große Einkommen verheimlicht werden. Schließlich werde, so heißt es, auch die neue Steuer wesentlich niedrigere Ein nahmen ergeben, als das bisherige Besteuerungs verfahren. (Einen Miquel scheinen die Franzosen nicht zu haben.) Italien. "Eine Zusammenkunft Kaiser Wilhelmsmit dem KönigvonJtalien in einem italienischen Hafen wird in italienischen Blättern angekündigt. Der Mailänder.Corriere della Sera' verlegt die Zusammenkunft auf Ende dieses Monats, ein venetianisches Blatt will von einem Mitgliede der deutschen Botschaft in Rom erfahren haben, daß die Zusammenkunft im November stattfinden wird. Rustlaad. "Eine aus 500 wohlerprobten Männern bestehende eigene Hofpolizei zum be sonderen Schutze des Zaren ist geschaffen worden, die zum ersten Male bei der Reise des Zaren nach Odessa in Funktion trat. Baltanstaaten. "Einer Belgrader Meldung zufolge wurden von der serbischen Regierung in Paris Unter handlungen angeknüpst, die einen Besuch des Königs Peter beim Präsidenten Loubet bezweckten. Wie in diplomatischen Kreisen ver lautet, hat Loubet abgelehnt den König zu empfangen und zwar mit Rücksicht darauf, daß bereits mehrere Monarchen das gleiche Ersuchen abschlägig beschieben haben. Afrika. "Das Wiedererscheinen des Mullah im Somalilande, das von der Niedermetze- lung eines ganzen unter sogenanntem britischen Schutz stehenden befreundeten Stammes be gleitet war, erregt wieder großes Unbehagen. Man fürchtet, daß jetzt ein dritter Feld- zug wider ihn sich notwendig erweisen werde. Der .Globe' erklärt, daß einem solchen Mörder und Räuber gegenüber die Anwendung eines jeden Mittels gerechtfertigt erscheint, um ihn unschädlich zu machen. Das Treiben der falschen Propheten verursache einen größeren Verlust an Menschenleben, als es die Pest oder Cholera in den heimgesnchten Landstrichen tue. Tu clem Cilenbabn-dngwck in Males wird aus London unter dem 4. d. gemeldet: Der Expreßzug von New-Milford nach London, der am 3. d. nachmittags um 6 Uhr in Paddington, der Londoner Endstation der Great Western Railway, eintreffen sollte, ent gleiste in der Nähe von Llanclly in Wales. Es wurden sechs Peisonen getötet und etwa fünfzig mehr oder weniger schwer verletzt. Der Zug war außerordentlich voll, so daß in der genannten Station eine zweite Lokomotive vor gespannt werden wußte. Als man mit einer Geschwindigkeit von fünfzig Meilen in der Stunde drei Meilen gefahren war, entgleiste plötzlich die erste der beiden Maschinen, und der ganze Zug fuhr mit einer solchen Wucht auf dieselbe auf, daß beinahe alle Wagen zer trümmert wurden. Zwei Wagen flogen von dem ziemlich hohen Damm herunter in ein Feld, und die andern wurden auf das Zweite Gleise geschleudert, so daß die ganze Strecke unpassierbar war. Unter den Passagieren ent stand eine furchtbare Panik, von denen die meisten in den Trümmern des Zuges so ein geklemmt waren, daß sie sich nicht zu befreien vermochten. Zwei Leute von der Bedienungs mannschaft des Zuges waren sofort tot und ebenso vier, nach einer andern Darstellung nur zwei Passagiere. Die aus den zerschmetterten Waggons herausgeschleuderten Personen, die auf daS Feld gefallen waren, kamen noch am besten davon. Frauen und Kinder schrien wild durcheinander und verschlimmerten die allgemeine Verwirrung noch mehr. Glücklicherweise befand sich ein Arzt im Zuge, der sofort, trotzdem er selbst einige nicht unbedeutende Verletzungen er halten hatte, die ersten Verbände anlegte. Auch ein Soldat, der den südafrikanischen Krieg mitgemacht hat, half durch sein heroisches Be nehmen außerordentlich. Trotzdem auch er am Kopf schwer verletzt war, wollte er sich keinen Verband anlegen lassen, ehe nicht alle andern Hilse bekommen hätten. Er meinte, er habe in Südafrika schlimmere Sachen durchmachen müssen. Ein Augenzeuge erzählte einem Ver treter der Presse, daß zwei Herren die Geistes gegenwart hatten, sofort an dem ganzen Zug entlang zu laufen und die Fenster einzu schlagen oder die Böden eiuzubrechen, um so die in den Abteilen eingeschloffenen Passagiere, die sich nicht selbst helfen konnten, zu befreien, gleichzeitig wurden aus Zweigen und Gras Tragbahren hergerichtet, auf denen die Leidenden in das nächste Hospital gebracht werden konnten, daS etwa drei Meilen entfernt war. Einige Passagiere wurden auf ganz wunderbare Weise gerettet. Ein Herr, der in einem der ersten Wagen deS Zuges saß, die vollkommen zer trümmert waren, kam vollständig ohne jede Verletzung davon, trotzdem er von den Glas- splittern der Fensterscheiben wie übersät war, ein andrer sprang in dem Augenb'ick, in dem das Unglück bemerkt wurde, aus dem hin- und herfliegenden Wagen heraus und flog über zwölf Fuß tief den Abhang hinunter, ohne sich irgend etwas zu tun. Ein Mann wurde vor Schreck wahnsinnig, und obwohl ihm nichts ge schehen war, hatten mehrere Passagiere die größte Anstrengung, ihn zu halten, da er drohte, jeden zu erschlagen, der sich in seine Nähe wagte. Von unä fern. Die Feier des Deutschen Tages in St. Louis nahm einen glänzenden Verlauf. Der deutsche Botschafter Speck v. Sternburg teilte folgendes Telegramm des Kaisers Wil helm mit: „Den Wackern Bürgern Amerikas, die gewollt haben, daß der Weltausstellung in St. Louis die Feier eines Deutschen Tages nicht fehlen soll, entbiete Ich zu diesem Feste Meinen kaiserlichen Gruß und Glückwunsch. Möge der Tag in ungetrübter Freude begangen werden, als ein würdiges Zeugnis dessen, was in der erstaunlichen Entwickelung des großen transatlantischen Freistaates die deutsche Ein wanderung bedeutet." Eiue Denkmalsschändung ist an dem Denkmal deS alten Fritz vor dem Schlosse in Marienburg entdeckt worden. Es fehlen den Hochmeistern v. Kniprode und Hermann von Salza, die mit zwei andern Hochmeistern um daS Denkmal postiert sind, die Dolche, die am Leibgurt durch Ofen befestigt waren. Die letzteren find aufgebrochen worden. Von den Tätern fehlt jede Spur. Immer Mieder Trakehner,. Der Lehrer Nickel aus Trakehnen, dessen Revision kürzlich vom Reichsgericht verworfen wurde, hat den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt. Kohlenschiffe in Hamburg. Ein ziemlich großer Prozentsatz deS hamburgischen Seeschiff- Verkehrs entfällt auf Schiffe, die der Kohlen versorgung Hamburgs über See dienen. So kamen 1904 vis zum 30. September im ganzen 11 360 Seeschiffe im Hamburger Hafen an, und davon waren 1231 Kohlenschiffe. In den gleichen neun Monaten der fünf früheren Jahre betrug die Zahl der ankommenden Kohlenschiffe 1103, 1863, 1209, 1236 und 1280. Ein gutes Geschäft. DaS beim Brande der großen de Boerschen Mühle zu Leer dem Feuer ausgesetzte Getreide, das ursprünglich 30000 Mk. wert war, wurde durch die zu ständige Versicherungsgesellschaft einem Händler für 400 Mk. überlassen. Dieser hat bei dem Verkaufe, da das Getreide größtenteils nicht gelitten hatte, einen Gewinn von 14 000 Mk. erzielt. Flüchtig geworden ist der 16jährige Lauf bursche Steinbach in Leipzig, der zuletzt in Stötteritz wohnhaft war, nachdem er seinem Arbeitgeber mittels schweren Diebstahls 1300 Mark bar nnd ein Bankbuch mit 286 Mark Einlage gestohlen hat. Auf unbestimmte Zeit beurlaubt worden ist der Leutnant Frhr. v. Rueck von Kalten-Ruea in Karlsruhe, der den Rechtsanwalt Schlesinger zum Duell heransgefordert hatte, nachdem dieser seine Gattin aus der Wohnung des Leutnants herausgeholt hatte. Ei« weiblicher Ortspolizeidieuer. In Battenhausen wurde in ihrem 83. Lebensjahre die ledige Marielies Wilhelmi, die Über 25 Jahre den Dienst eines OrispolizeidienrrS getan hatte, zu Grabe getragen. Überrascht wurden Fremde, die znm Ortsdiener verlangten, uni vielleicht eine Bekanntmachung ergehen zu lassen, und dann zu einer alten, gebrechlichen Frau kamen, die schlecht gehen und dazu noch mangelhaft sehen konnte. Ihr Amt versah sie aber trotzdem sehr gewissenhaft; vor jedem Hause ließ sie die Schelle ertönnen und rief ihre Bekanntmachungen im ortsüblichen Dialekt aus. Lesen und schreiben konnte sie nicht, sie besaß aber ein ganz vorzügliches Gedächtnis. O bin fsrmlien-Gekeimms. Ibj Kriminalroman von Eberhard Woldenberg. MrtUtzung.) „Wir dürfen ihm daS Gift nicht mit einem Male entziehen," sagte der Arzt, sich Beatrice zuwendend. „Ich werde ihm täglich eine ge ringe Dosts Morphium einflößen und dieselbe allmählich verringern. Auf diese Weise hoffe ich, Ihren Gatten noch zu retten, ihm Gesund- Heu und Wohlbefinden zurückzugeben." Damit erfüllte er daS Herz der schwer geprüften Frau mit neuer Hoffnung, und als nach seinem Weggange ihr Vater erschien, fand derselbe sie in zuversichtlicher Stimmung. Der Oberst kam soeben von seinem Besuche bei Wechsler und teilte nun das Resultat der Unterredung seiner Tochter mit. Man hatte ihn zunächst sehr reserviert und kühl empfangen. Das Duell hatte besonders Brunos Onkel sehr verstimmt und gegen Willi eingenommen. Er gab zu verstehen, daß nach diesem bedauer lichen Vorfall um so weniger noch an die ge plante Verlobung zu denken sei, als Willi ja offenbar derselben entgegenftrebte; sein Ver hältnis mit dem Mädchen, um deffentwillen der Streit von ihm provoziert worden, beweise das zur Genüge. Die Mutter Hildas trat mit dieser Ansicht zwar nicht so schroff hervor, äußerte jedoch, daß Willi sich endgültig frei machen müsse, bevor man die beabsichtigte Verbindung ins Werk setzen könne. Dafür zu sorgen hatte der Oberst versprochen und darauf die Versicherung erhalten, daß die bis- Hengen freundschastlichen Beziehungen zwischen den beiden Familien fortbestehen würden und Willis spätere Werbung um Hilda günstige Aufnahme finden sollte. Nachdem der Oberst sich nach dem Befinden Brunos erkundigt nnd einen tröstlichen Bescheid erhalten, hatte er sich, zufrieden mit dem, was er erreicht, verab schiedet. Zur Mitteilung des Familien geheimnisses war ihm der Zeitpunkt nicht günstig erschienen, und er hatte darum von demselben noch geschwiegen. Ohne Zweifel war mit dieser Aussöhnung ein bedeutender Schritt zum Ziele vorwärts getan, und wenn die Unterredung mit HedwigS Mutter ebenso erfolgreich verlief, konnte die Hauptaufgabe als gelöst betrachtet werden. Beatrice atmete auf. Eine neue schwere Last war durch diese Eröffnungen ihres Vaters von ihrer Seele genommen, und sie glaubte hoffen zu dürfen, daß nach den Tagen des Unglücks wieder Sonnenschein einkehren würde. „Wo ist Willi?" fragte der Oberst, nachdem er sich über daS Befinden des Kranken aus führlich hatte berichten lassen. „Auf seinem Zimmer, soviel ich weiß," ent gegnete Beatrice. „Er weicht mir seit dem Duell geflissentlich aus." „Hm! Mir scheint, er ist im Begriff, einen dummen Streich zu begehen. Justizrat Sellow teilte mir heute mit, daß Willi beantragt hat, in die Liste der Rechtsanwälte ausgenommen zu werden. Das Examen hat er ja hinter sich, nnd so steht seinem Gesuch nichts im Wege. Ich kann mir wohl denken, was er damit be absichtigt." „Er wird uns doch nicht verlaffen wollen um — jenes Mädchens willen? Wenn er dieses Vorhaben ausführte, ich ertrüge es nicht. Ach und ich vermag nichts über ihn! Er ist ja wie umgewandelt und fast teilnahmlos für alle Vorgänge im Hause, für die Krankheit seines Vaters." „Überlaß ihn mir," beruhigte sie der Oberst, „ich stehe dir dafür, daß nichts dergleichen ge schehen wird. Meine erste Aufgabe ist es, ihn von dem Mädchen zu trennen, und ich werde sofort mit der Ausführung beginnen." Er verabschiedete sich mit diesen Worten von seiner Tochter und wollte soeben das Haus ver lassen, als er Willi die Treppe von seinem Zimmer herabkommen sah. Der junge Mann sah bleich und übernächtigt aus, sein Gang war nicht so fest und elastisch wie sonst. Bei dem Anblick des Obersten beschleunigte er seinen Schritt, und eS hatte den Anschein, als suche er einem Zusammentreffen auszuweichen. „Halt!" rief ihm der Oberst nach. „Wohin?!" Aber ohne sich aushalten zu lassen, stürmte Willi zur Haustür hinaus. Kopfschüttelnd sah ihm der alte Herr nach und entfernte sich dann mit einem kräftigen Soldatenfluche gleichfalls. An der nächsten Ecke nahm er eine Droschke und ließ sich nach der Turmftraße fahren, um Frau Bordowich seinen Besuch zu machen. * * * Als der Oberst an der Tür der Bordowich- fchen Wohnung klingelte, wurde ihm von einem Manne in zerrissenem Schlafrock und mit nichts weniger als sympathischem Gesicht geöffnet. Dieser Anblick berührte ihn äußerst unangenehm, er glaubte schon, sich in der Etage geirrt zu haben und fragte darum: „Wohnt hier Frau Bordowich?" „Jawohl, bitte, treten Sie näher!" war die Antwort. Zögernd beschritt der Oberst den Korridor und ließ sich nach dem Wohnzimmer sühren, wo er sich alsbald der Mutter Hedwigs gegen über sah. Zu seinem Erstaunen war ihm Rudols Grabow — dieser war der Mann — gefolgt und schien auch nicht die Absicht zu haben, das Zimmer wieder zu verlassen, denn er ließ sich, nachdem er dem Besucher einen Stuhl zuge schoben, ungeniert in der Sofaecke nieder. Der Oberst warf einen flüchtigen, halb neu gierigen Blick auf die ärmlichen Möbel und richtete dann sein Auge auf die Frau, die der vornehme Besuch sichtlich in Verlegenheit setzte. War ihm die Erscheinung deS Mannes wider lich, so machte die Friederikes in der einfachen sauberen Kleidung einen befriedigenden Ein druck auf ihn. Dazu war ein Zug in ihrem Antlitz, der ihn eigentümlich berührte; es wollte ihm scheinen, als habe er dieses Gesicht schon irgendwo gesehen. Es war eben die Ähnlichkeit mit seinem Schwiegersöhne, du ihn stutzig machte, ohne daß ihm der Gedanu gekommen wäre, hier dessen Schwester vor fim zu sehen. Nachdem sich der Oberst vorgestellt und du nötige Aufklärung über sein verwandtschaft liches Verhältnis zu Willi gegeben hatte, sagte er: „Sie werden ohne Zweifel schon erraten haben, weshalb ich Sie aufsuche. Es wäre M
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