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XV. Am nächsten Morgen versammelte sich der Rat vollzählig, auch Eberhardt war erschienen. Als alle Plätze eingenommen hatten, eröffnete der Bür germeister die Sitzung. „Fürsichtige, ehrsame und weise günstige liebe Herren! Das Wichtigste, was uns heute zu besprechen obliegt, ist das gestern auf dem Kirchhof Geschehene. Es eignet zwar der Blutbann nicht der Stadt, sondern dem gnädigen Herrn, aber es gehet uns doch sehr nahe, so Nachts die Leute auf der Straße mörderisch angefallen werden. „Auf dem Kirchhofe, Herr Bürgermeister," warf der Bäcker meister ein. „Ja, so ist es noch viel schlimmer, dieweil der Kirchhof sein soll ein heiliger Ort, der durch Blut, welches auf ihm vergossen ist, wird verunehret und unheilig. Darum so ist mein erstes Begehren, daß wir den Kirchhof lassen weihen auf Kosten des sen, der ihn entheiliget." Ein beifälliges Murmeln durchlief die Versammlung. „Ferner ersuche ich unsern lieben Freund, den Herrn Stadtrichter, uns mitzuteilen, ob er etwas erforscht und erfah ren, und ob der Rat unserer Stadt ihm in irgend welchen Stücken kann nützlich sein." Der Stadtrichter erhob sich und sprach: „Fürsichtiger ehrsamer und weiser Bürgermeister und Rat!" Wenig ist es, so ich bis jetzt erfahren habe. Euer Sohn, Herr Bürgermeister, ist noch ganz ohne Besinnung und auch das Mädchen liegt noch ohne Bewußtsein. Der Kommothauer aber sagt: Er habe ein Kreuz auf des Günthers Grab setzen wollen und sei deshalb mit dem Schreiner Hohlstiel auf den Kirchhof gegangen. Dort habe er Euren Sohn gesehen, Herr Bürger meister, wie er ein Mädchen in den Armen getragen. Und weil dieses seine verlobte Braut gewesen sei, habe er gedacht, es sei eine Tücke oder Hinterlist dabei, und sei so von Sinnen gekommen, daß er jenen mit seinem Gewehr niedergehauen habe. — Das ist alles, was ich weiß, denn der Schreiner Hohl stiehl kann auch nicht mehr sagen. — Rätselhaft bleibt, wer den Alarm-Ruf zuerst ausgestoßen." „Kann uns der Herr Bürgermeister vielleicht sagen, wes wegen sein Sohn zu so später Stunde auf den Kirchhof gegan gen?" frug der Bäckermeister. Eberhardt verfärbte sich leicht, doch sagte er mit fester Stimme: „Ich weiß es nicht. — Mein Sohn ist groß genug, daß er selbst weiß, was er tut!" „Mir scheint aber," fuhr der Bäcker meister fort, daß er im Auftrage seines Herrn Vaters gegangen. Es spinnen sich hier sonderliche Praktiken an in unserer Stadt und einige Leute denken darauf, das Recht und die Verfassung »mzustoßen und sich zu Herren der Stadt zu machen." „Wenn Ihr so etwas erfahrt", entgegnete ihm der Bür germeister, „so meldet es mir, aber bringt feste Tatsachen, halt loses Geschwätz kann mir nichts nützen. — Doch jetzt wollen wir zu unserer eigentlichen Beratung übergehen." „Halt, noch ein Wort, Herr!" rief der andere. „Nicht halt loses Geschwätz ist, was ich vorbringe, davor habe ich mich stets gehütet. — Als man aber gestern den Verwundeten unter suchte und ihm das Wamms öffnete, fielen auch zwei Zettel heraus. Ein Mann gab sie mir zu halten. Wie erstaunte ich, als ich einen Blick darauf warf! Der eine ist ein Bries des amtierenden Bürgermeisters Eberhardt von Lößnitz an den Amtmann in Stein. Wollet mir erlauben, daß ich ihn vorlese. „Hochwerter Herr Amtmann, lieber Gönner und Freund! So ich Euch schon damals sagte, als Ihr bei mir wäret, ist es geschehen. Der Rat hat die Steuer für den gnädigen Herrn Grafen abgelehnt. Und so sehr ich mich mit andern guten Freunden bemühet habe, habe ich es doch nicht erlangen mögen. Daß aber der Herr Graf, unser gnädiger Herr, ersehen möge, wie auch in Lößnitz noch allezeit getreue Untertanen seien, habe ich mit dreien anderen Gefrcünden die bemcldcte Summa aufgebracht und bitten Euch sehr, Ihr wollet sie unse rem gnädigen Herrn als unsere Verehrung zu seiner Reise überreichen. Nachdru« »erdeten 1 Wollet ihm aber nicht unterlassen anzudeuten, wie nur ge wisse Leute, so noch nicht lang im Rate sitzen, dagegen geeifert und sich gesperret und wie es besser wäre und auch für die Stadt von größerem Nutzen, so sie wieder entfernt würden. Herzlichste Grüße Eurer Frau Eheliebsten! Es grüßt Euer Diener Kaspar Eberhardt, Bürgermeister." Darunter steht von des Amtmanns Hand: „Liebwerter Herr Bürgermeister! Euer Brieflein habe ich durch Euren Sohn erhalten. Ich habe mich sehr gefreut über die gute Gesinnung, so sich darin zum gnädigen Herrn Grafen zeiget. Ich werde nicht unter lassen', sie ihm immer und stets zu rühmen." Während der Verlesung des Briefes war eine große Ver änderung auf jedem Antlitz erfolgt. Hatte man im Anfänge geglaubt, es sei eine der gewöhn lichen Zänkereien zwischen den beiden Widersachern, so ward man jetzt eines anderen überzeugt. Auf den Gesichtern der Zunftgenossen malte sich anfang- da.s größte Erstaunen, das aber bald in heftigen Zorn und größte Erbitterung überging. Die drei anderen Verschworenen, Möller, Urban und Voigt, waren bald rot, bald blaß geworden, sie wagten nicht aufzu sehen. Der Bäckermeister stand da, stolz und befriedigt, mit dem Gefühle, seinem Feind einen tätlichen Schlag versetzt zu hoben. Der saß in seinen Stuhl zurückgesunken, große Tropfen kalten Schweißes perlten auf seiner Stirne. Nur der Stadtrichter saß ruhig und unbewegt da, mit scharfem Blick die einzelnen beobachtend. Der Ankläger weidete sich erst eine Weile am Erfolge sei ner Worte, dann fuhr er fort: „Daß der Brief echt ist, wird der Herr irgermeister nich' leugnen. Er wird auch durch den zweiten Zettel bestätigt, auf dem steht: Fünfundzwanzig Bürger, so versprochen nach mei nem d. h., des Herrn Bürgermeister Willen zu wählen. Es kommen nun die Namen, die ich nicht aufzählen will. Nun, frage ich, sind das nicht Tatsachen, sind das nicht allerlei Praktiken, gegen die wir uns hüten müssen.?" „Ja, ja!" tönte cs von allen Seiten. „Das ist Verrat!" rief einer. „Ja Verrat ist es," sagte der Bäckermeister, „und doppelt strafbar, weil er von dem ausgeht, der über die Stadt und ihr Recht zu wachen hat." „Ich verlange," rief einer, „daß wir gegen den Bürger meister einen Prozeß anhängig machen auf Leben und Tod!" „Jawohl, auf Leben und Tod!" stimmte die Mehrzahl bei. „Ls ist in dem Briefe von Diesen Gefreunden die Rede. — Ich möchte wissen, ob sie etwa hier unter uns sind!" sagte einer. „Ich erkläre hiermit auf Ehre und Gewissen, daß ich davon nichts gewußt, noch wenn ich Kunde gehabt, es hätte geschehen lassen! — Jeder sage das nach!" Alle taten es, erst die Zünftler, dann Möller, nach ihm Urban und Voigt, an sie schloß sich der Stadtrichter und der Stadtschreiber. „Da es niemand von uns gewesen, fordere ich den Herrn Bürgermeister auf, die Namen seiner Complicen zu nennen!" sagte der, welcher den Vorschlag eben gemacht hatte. Eberhardt aber erhob sich zu seiner vollen Höhe und sagte mit stolzer Verachtung: „Da die, welche mit mir dieselbe Meinung gehabt, nicht den Mut haben, sie zu bekennen und die Folgen ihrer Hand lung zu tragen, werde ich sie nicht nennen. Ich überlasse sie der Stimme ihres Gewissens!" Ein unwilliges Murren erhob sich und drohende Rufe wurden laut. Jetzt erhob sich der Stadtrichter und sprach: „Da der Herr Bürgermeister eingesteht, Pläne zum Um stürze der Verfassung gehabt zu haben, so fordere ich, daß wir heute Abend nichts beschließen, sondern die Sache genau und gründlich untersuchen und dann im großen Nate darüber ver handeln." Don allen Veiten wurde der Vorschlag mit Freude begrüßt. „Wir verstricken aber hier den Herrn Bürgermeister, daß er nicht sein Haus verlasse oder seinen Hof, noch die Stadt und den Graben, noch Flur und Landwehr und gehe weder über das fließende Wasser, noch in den wilden Wald, noch über die Haide, worüber der Wind weht, weder gegen Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang, noch gegen Mittag oder gegen Mitter nacht, sondern bleibe zu Hause binnen seinen vier Wänden und stelle sich, so der Rat seiner begehret bei Strafe des Bannes und der Acht! — Und wir wollen uns beraten über sieben Nächte und sieben Tage und wollen uns dann wieder hier ver sammeln." So sprach er und die anderen stimmten ihm zu. Man rüstete sich zum Aufburche. Der alte Möller trat zu Eberhardt und sagte laut, daß es alle hören konnten: „Die Verlobung meiner Kathrin mit Eurem Sohne erkläre ich hierdurch für null und nichtig! — Ich gebe meine Tochter keinem, der die Stadt verraten will!" setzte er hinzu, als er sich abgewandt hatte. Eberhardt maß ihn mit einem Blick von oben bis unten und sagte leise aber deutlich: „Hütet Euch! — Ich bin nicht wehrlos!" Damit verließ er das Zimmer. Die anderen folgten langsam in Gruppen zu zweien oder dreien, das unerhörte Ereignis besprechend. XVI. Nach sieben Tagen versammelte sich der Rat wieder zur Verhandlung über den Fall. In der Stadt herrschte große Aufregung. Die Zünftler 'obten und verlangten die Hinrichtung des Verräters, und die anderen wagten nicht zu widersprechen. Es war der große Rat, der sich versammelte, bestehend aus dem sitzenden Nat, aus allen, die früher in ihm gewesen, und aus Vertretern der Innungen; den Vorsitz führte diesmal der Stadtrichter. Im großen Saale des Rathauses waren Tische in Huf- cisenform'gestellt und schwarz behangen. Die offene Seite des Hufeisens lag nach der Türe zu, die nicht geschlossen war. Es war dies noch ein Nest des alten deutschen Gerichtes, das nur unter freiem Himmel und nicht innerhalb geschlosse ner Wände stattfinden konnte. Der Türe gegenüber faß der Stadtrichter, neben ihm der Stadtschreiber, rings an den Tischen die Räte, doch so, daß die innere Seite frei war, an der Türe stand der Amts-Büttel Außerhalb des Saales gingen in Harnisch und Wehr zwei Stndtsöldner auf und ab. Andere standen an dem Portale des Rathauses und hielten das Volk in Ruhe, das sich in großer Menge angesammelt hatte. Die Innungen waren von den Obermeistern mit Waffen und Wehr auf ihre Genossenschafts-Stuben befohlen worden. Als alle verfammelt waren, erhob sich der Stadtrichter und sprach: „FUrsichtige, ehrsame und weise Herren vom Rat! Ich habe Euch berufen, zu richten und Recht zu sprechen über einen Mann,, der angeklagt ist des Verrates an unserer guten Stadt, der beschuldigt ist, daß er die Verfassung, so er felbst beschworen, habe umstürzen wollen und zu seinen Gun sten verkehren. — Wir wollen heute richten, keinem zu Lust und keinem zu Leide, sondern nach Recht und Gewissen wie wir es als Män ner, als geschworene Richter und als Bürger dieser Stadt schul dig sind." — Nach einer Pause fuhr er fort: „Man hole den Kläger und den Beklagten und stelle sie sich gegenüber, damit wir sehen, was Rechtens ist!" Der Büttel führte beide herein. „Veit Söldener!" Hub der Stadtrichter an, gegen wen klagst Du und wessen bezichtigest Du ihn? Sag' es wahr und ohne Falsch, richtig und recht, nach Wissen und Gewissen!" „Ich klage gegen Kaspar Eberhardt," sprach der Bäcker- meister, „so gewesen regierender Bürgermeister unserer Stadt, ich klage, daß er auf Umsturz unserer Verfassung und unserer verbrieften Rechte gesonnen, sich zum Nutzen, und fordere, daß er gcftraft werde an Leib und Leben, an Hab und Gut, wie es das Recht verlangt und sein Vergehen. Und zum Zeugnis da- für bringe ich die beiden Briefe, so mir durch Zufall in die Hände gekommen." „Ich frage Dich Kaspar Eberhardt," frug darauf der Rich ter, „ist das wahr, was der Kläger sagt, oder ist es unwahr, und kannst Du es leugnen und die Unwahrheit beweisen?" „Ich leugne es keineswegs," sprach Eberhardt, der bleich aber entschlossen dastand. „Hast Du es allein getan? oder hast Du Genossen Deines Planes und wer sind sie?" frug der Richter weiter. „Ich habe Genossen gehabt," erwiderte Eberhardt, „aber ich nenne sie nicht!" Schluß folgt! Zwei märkische Slädie feiern ihr 700 jähriges Besiehe«. Links: Die .Pankgralen', die billige .Ritter'- Vereinigung von Berlin, zieht In ihrer mittelalterlichen Tracht in Bernau ein. Rechts: Die Reichswehrparade vor dem Kommandanten der alten Garnisonitadt Küstrin. Zwei brandenburgische SISKe, Küllrin und Bernau, konnten jetzt aus ein 700 jähriges Bestehen zurilckdlicken. Ihre Gründung sälll In die Zeit, in Ler der Osten des Reiches, zu dem damals auch Brandenburg zu zählen war, von dem aus dem Süden verstoßenen Deutschtum besiedelt wurde. Das Grotzseuer im Lunapark. Der zerstörte Cckturm, eines der Wahrzeichen des Berliner Lunaparks, des größten deutschen Dergnügungsgorlens. Das Feuer, das in der Nacht ausbrach. Hot einen Schaden von über 100000 Mark_verursaM.