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5512 Nichtamtlicher Teil. 145, 25. Juni 1904. Nichtamtlicher Teil, Der Schutz der Photographien gegen Nachbildung. Zum Entwurf eines Gesetzes betr. das Urheber recht an Werken der bildenden Künste und der Photographie. II. <1. in Nr. 135 des Börsenblattes.) In meinem ersten Aufsatze habe ich nachgewiesen, daß Deutschland Unrecht tun würde, alle Photographien ohne weiteres gegen Nachbildung zu schützen, da doch unsere Nachbarländer, mit denen wir lebhaftere Handelsbeziehungen in. Photographien unterhalten, ohne Ausnahme gewisse Formalitäten vorschreiben, die die Vorbedingung sind zur Erwerbung des Autorrechtes an photographischen Auf nahmen. Denn Deutschland hat nicht die geringste Ver anlassung, sein Urheberrecht für Photographien auf grund sätzlich ganz anderen Grundlagen aufzubauen, als es die uns befreundeten Länder tun. Ich führte dabei aus, daß in den fremden Ländern alle diejenigen Photographien nicht geschützt sind, bei denen die Verfasser die zum Teil recht umständlichen Förmlichkeiten nicht beachtet haben, während der Entwurf unseres neuen Kunst-Autorrechts will, daß in Deutschland künftig alle Photographien ohne jede Förmlich keit geschützt sein sollen. Um die ganze Tragweite dieser geplanten Änderung voll übersehen zu können, muß man aber noch andere Er wägungen anstellen. Schon nach dem jetzt geltenden Photographie-Schutz gesetze kann bei uns in Deutschland jede Photographie ge schützt werden, wenn auf ihr Name und Wohnort des Verfertigers und das Jahr der ersten Veröffentlichung an gegeben wird. Dies ist ein Vorzug, den die deutschen Photographen gegen die einer Reihe von anderen Ländern genießen; denn dort ist es nach der Lage der Gesetzgebung nur bei einer verhältnismäßig keinen Anzahl von Photo graphien möglich, den Schutz überhaupt erlangen zu können; alle anderen Photographien dagegen sind von vornherein von jedem Schutz ausgeschlossen! Unter diesen Verhältnissen haben wir doch gar keine Veranlassung, unseren Photographien noch weitergehende Vorrechte zu gewähren! In den Gesetzgebungen von Italien, Frankreich und Belgien fehlen positive Vorschriften über die Autorrechte an Photographien. Geschützt sind nach dem Gesetze nur Kunstwerke. In jedem zweifelhaften Falle müssen die Ge richte also erst prüfen, ob die gerade vorliegende Photographie ein künstlerisches Produkt ist oder nicht.') Ist sie ein Kunst werk, so kann sie durch Beobachtung der vorgeschriebenen Formalitäten gegen Nachbildung geschützt werden; ist sie aber kein Kunstwerk, so ist sie vogelfrei, auch dann, wenn sie irrtümlich von der amtlichen Stelle registriert worden ist. Ganz besonders aber fällt ins Gewicht, daß sich die Berner Konvention auf denselben Standpunkt stellt.. Ein Urteil des französischen Kassationshofes vom 15. Juli 1899 hat sich über die Rechtslage sehr deutlich ausgesprochen. Es heißt dort: -Die Anwendung der internationalen Berner Konvention oom 9. September 1886 hängt von der Voraus setzung ab, daß das Werk, für das Rechtsschutz beansprucht *) Vgl. hierüber: »Die Abweichungen der Gesetze in den Ver bandsstaaten von den Bestimmungen der Berner Übereinkunft, von vr. Paul Schmidt und Pros. Ernst Röthlisberger. Bericht an den XVII. Kongreß der Lssooiation I-ittbruirs st Xrtieiigue llltöi-vationalo-. (Druck von Breitkopf L Härtel in Leipzig.) wird, ein literarisches oder Kunstwerk ist. Es genügt nicht, daß der ausländische Verleger ein Werk verlegt, das in der Aufzählung des Artikels 4 begriffen ist. Es ist erforderlich, daß das Werk ein .Kunstwerk' ist. Sache des Richters ist, zu entscheiden, ob sich das Werk als solches oder als Jndustrie- werk darftellt; für diese Beurteilung sind die Gesetze des Ursprungslandes maßgebend.« Man mache sich die Rechtslage doch klar. Unsere Nach barn Italien und Frankreich, die uns beide viele Photo graphien liefern, gestehen den Photos nur dann die Mög lichkeit zu, das Autorrecht zu schützen, wenn sie künstlerisch sind. Geschützt werden sie aber auch dann nur, wenn die vorgeschriebenen Formalitäten beobachtet werden. Handwerks mäßige Arbeiten aber sind der Reproduktion freigegeben. Bei uns dagegen soll jede auch noch so dilettantische Knips übung eines Amateurs ohne weiteres geschützt fein. Dieser Unterschied ist so himmelweit, daß er jedem aufmerksamen Beobachter Zweifel erwecken muß, ob der deutsche Entwurf wohl auf dem rechten Wege ist. Was ist denn der Zweck eines solchen Gesetzes, wie es bei uns geschaffen werden soll? Es kann doch unmöglich die Absicht herrschen, eine chinesische Mauer um die Photo graphen herum zu bauen, die ihnen jede Konkurrenz vom Leibe hält, ganz gleich, ob ihre Leistungen gut sind oder schlecht, ob sie bestrebt sind, durch ihre Arbeiten das Volk zur Kunst zu erziehen, oder ob sie das Publikum ausbeuten. Es kommt doch darauf an, die Gesetzgebung so einzurichten, daß die Rechte und Pflichten der verschiedenen Interessenten gerecht gegen einander abgewogen werden, daß die Photo graphen den Lohn ihrer Arbeit genießen können, daß aber auch dem Publikum sein Recht wird. Wetter aber muß unsere Gesetzgebung sich bestreben, sich denjenigen der uns benachbarten Länder immer mehr anzunähern. Der große Gedanke bei der Berner Konvention, ihr unaus gesprochenes letztes Ziel ist es ja doch, durch unablässige Arbeit in allen Ländern dahin zu wirken, daß in Fragen des literarischen und künstlerischen Autorrechts schließlich ein und dasselbe Recht gilt in der ganzen Welt. Wie gesagt, die Aufgabe eines Urhebergesetzes für Photographien, wie es bei uns geplant ist, muß sein, die Rechte und Pflichten der verschiedenen Interessenten gerecht gegen einander abzuwägen. Wie aber würde es in dieser Beziehung stehen, wenn der von der Regierung vorgelegte Entwurf Gesetz würde? Dis Erläuterungen heben (zu Z 3) mit Recht hervor: »Übrigens wird der urheberrechtliche Schutz der photo graphischen Nachbildung eines Werkes der Photographie praktisch namentlich dann von Bedeutung werden, wenn die Nachbildung in einer anderen Technik und Ausführung erfolgt als das photographische Originalwerk«. Hierin liegt der fundamentale Unterschied zwischen dem Autorrecht an einem Werke der Literatur und dem an einem Werke der Photographie. Ein literarisches Werk interessiert das große Publikum eben als literarisches Werk; die Photographie in den meisten Fällen aber nicht als solche, sondern aus stoff lichen Gründen. Als Photographien an sich interessieren fast nur Lichtstudien oder Genrebilder, und sie behalten allen ihren Reiz nur in dieser Reproduktionsart. Bei den allermeisten Photographien aber gibt das stoffliche Interesse den Ausschlag. Bei Landschaften, Städtebildern, Denkmälern usw. ist es nur ein kleiner Kreis aus dem Publikum, der an den in einem solchen Blatte etwa gelösten Beleuchtnngsproblemen Geschmack findet; und vielleicht noch kleiner ist der Kreis der Photographen, der diese Beleuchtungseffekte voll herausbringt, ja ich möchte