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Allgemeiner Anzeiger : 21.12.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-12-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191012212
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19101221
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19101221
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-12
- Tag 1910-12-21
-
Monat
1910-12
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 21.12.1910
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Carnegies .Friedensstiftung. Der Amerikaner Carnegie, einer der reichsten Münner der Ver. Staaten, der schon 170 Millionen Dollar für gemeinnützige Zwecke gestiftet hat, interessiert sich lebhaft für die Idee deS ewigen Friedens. Um sie zu fördern, hat er jetzt aber mals 10 Millionen gestiftet. Zum Verwaltungs- rat des neuen Friedensfonds gehören u. a. auch die früheren Botschafter in Deutschland White und Tower. In der Urkunde seiner Weltfriedens-Stiftung führt Andrew Carnegie nach Darlegung der geschäftlichen Punkte wört lich aus: „Zwar sind wir keine Menschenfresser mehr, keine Folterer unsrer Gefangenen und keine Räuber, die Nachbarstädte plündern und deren Einwohner erschlagen. Und voch töten wir einander im Kneg noch wie Barbaren. Im 20. Jahr hundert kann man nur für das wilde Tier eine Entschuldigung finden, wenn es ein der artiges Verbrechen wie den Krieg begeht; denn Krieg ist keine Rechts-, sondern eine Machtfrage. Die Nation lädt eine schwere Schuld auf sich, die das Schiedsgericht von sich weist und seine Streitigkeiten vor ein Tribunal bringt, bei dem das Recht kein Wort mitzusprechen hat. Für den besten und am leichteste« zu beschreitenden Weg zur Sicherung des dauernden Friedens halte ich einen Ausbau der von Präsident Taft verkündeten Grundsätze. Er sagte in einer Rede vom 22. März 1910: „Unsre Schiedsgerichtsverträge enthalten auf meine Veranlassung hin einen Punkt, der Streitfragen der Nationen einem internationalen Schiedsgerichshof überweisen will. Ich persönlich sehe nicht ein, warum Frage« der nationalen Ehre nicht ebensogut wie Streitigkeiten über Eigen tum und Eigentümer einem Schiedshof unter breitet werden können. Die englische Regierung scheint bereits den Wunsch zu hegen, alle Streit fragen mit Nordamerika durch Schiedsspruch bei zulegen. Hat aber England erst einmal einen derartigen Vertrag geschloffen, dann werden die andern Nationen nicht mehr lange auf sich warten lassen." — Die Anerkennung der hoch herzigen Idee Carnegies soll gewiß nicht ge schmälert werden, aber der Vorurteilsfreie wird doch den leisen Zweifel nicht überwinden können, daß die nicht zu verkennende Macht des Geldes an der ungeheuren Aufgabe scheitern muß, die Carnegie ihr hier zu lösen gestellt hat. Wer verurteilte nicht den Krieg, wenn er auch nur einmal sich die Mühe nahm, neben den Helden taten, die er ohne Zweifel gebiert, auch die Greuel zu studieren, die eben nun seine Eigen tümlichkeit sind. Und dennoch will es scheinen, als 'ob es vom Geist der Menschen, vom Geist der Nationen Unmögliches verlangen heißt, wenn man den Trieb, sich durchzusetzen, in ein enges Paragraphennetz bannen will. Wenn aber die 24 Münner, denen Herr Carnegie seine Millionen zum Friedenswerk anoertraute, zu nächst dafür sorgen wollen, die schier unüber brückbaren wirtschaftlichen Gegensätze gewisser Völker zu mildern, so hätte auch bei dem geringsten Erfolge das Kapital schon reichlich Zinsen getragen. Politische Kunälchau. Teutschlamd. * Auswärtige Blätter wissen zu berichten, daß Kaiser Wilhelm gelegentlich seiner nächsten N itelmeerfahrt einen Abstecher nach Ägypten machen wird. In Berliner Hof- kreffen ist von einer solchen Abficht des Monarchen nichts bekannt. *Die elsaß-lothringische Ver fassungsvorlage ist vom Bundesrats- auSschuß nach Überwindung nicht unerheblicher Schwierigkeiten mit einer ansehnlichen Mehrheit angenommen werden. * Die Verhandlungen über den deutsch- schwedischen Handelsvertrag find bis auf weiteres unrerbrochen worden. Gegen ¬ über der Meldung, daß sie als aussuMlos ab gebrochen worden sind, ist auf eineMmtliche Meldung zu verweisen, wonach die BeMdigung der Verhandlungen nach Neujahr in Brrqfi-statt finden soll. * Das Ergebnis der kurzen Reichstags- tagu » g, die am Mittwoch bis zum 10. Januar nächsten Jahres unterbrochen wurde, erfährt in der Presse eine verschiedene Beurteilung. In einer Erkenntnis stimmen indes alle Presse berichte überein, daß nämlich die Verhandlungen über den Etat gezeigt haben, wie schwer eine Einigung unter den bürgerlichen Parteien für die kommenden Reichstagswahlen zu erzielen sein wird. *Ein in diesen Tagen herausgegebener Er laß des Kultusministers ordnet eine Erhebung über dasHilfsschulwesen inPreußen an. Das Ministerium hat an die verschiedenen Bezirksregierungen Fragebogen zur Weitergabe an die Stadtschuldeputationen und Gemeinde- bklnftden versandt, die sehr eingehende Ermitte lungen über den Stand des Hilfsschulwesens zurzeit und zurück bis zum Jahre 1906 er fordern. * Bei der Ersatzwahl zum preußischen Landtage im vierten Wahlbezirk des Regie rungsbezirks Magdeburg wurde der bis herige Vertreter, der Nationalliberale Schiffer, mit allen abgegebenen Stimmen wiedergewählt. — Bei der Landtagsersatzwahl in Schroda wurde für Dr. Szuman Rechtsanwalt von Tromczynski (Posen) mit 260 Stimmen Mehrheit gewählt. Österreich-Ungarn. * Gegen die Fleisch ei »fuhr aus Argentinien erhebt der Landeskulturrat für Böhmen jetzt energischen Einspruch. Er stellt fest, daß infolge der sich überaus schnell ausbreitenden Maul- und Klauenseuche in Österreich rund 500 000 Rinder, in Böhmen allein 80 000 erkrankt sind. Er wendet sich da her gegen die Vieheinfuhr aus Italien, Holland, Frankreich und andern Ländern. Die Kund gebung fordert eine Entschädigung der Land wirte aus dem Staatsschatz für die ihnen aus der Maul- und Klauenseuche entstehenden Schäden. — In der Eingabe, die der Kulturrat an die Regierung richtet, wird aber nicht be gründet, in welchem Zusammenhang der Aus bruch der Maul- und Klauenseuche mit der argentinischen Fleischeinfuhr steht. Frankreich. *Die Frage der Wahlreform in Frankreich ist bisher ihrer Lösung durchaus noch nicht nähergerückt. Es läßt sich nicht ver kennen, daß die Schwierigkeit der Entscheidung dieser Angelegenheit, seitdem die Regierung sich gegen die Verhältniswahl ausgesprochen hat, noch gewachsen ist. Der Senat ist diesem Wahlsystem überaus abgeneigt, der Widerstand dieser Körperschaft könnte aber nur dann ge brochen werden, wenn in der Deputiertenkammsr eine sehr starke Strömung für die Verhältnis wahl bestände und die Regierung in derselben Richtung einen Druck ausübte, was aber nicht der Fall ist. Die Aussichten für das Durch dringen dieser Wahlreform sind somit als äußerst ungünstig zu bezeichnen. — Die Gerüchte, daß sich Ministerpräsident Briand mit Rück trittsgedanken trage, entsprechen nicht den Tatsachen und sind offenbar von seinen Gegnern verbreitet worden, um die Stimmung zu erkunden. Schweiz. * Zum Bundespräsidenten und da - mit zum Lester der Auswärtigen Angelegen- ! heilen der Schweiz für das Jahr 1911 ist Macc Ruchet (radikal) von der Bundesversammlung gewählt worden. Rußland. *Die Meldung Petersburger Blätter, daß der Zar im kommenden Frühjahr eine Balkanreise unternehmen wird, bestätigen sich nicht, vielmehr haben sich die Verhand- lungen über einen geplanten Besuch in Sofia, der bulgarischen Hauptstadt, aus unbekannten Gründen zerschlagen. * Infolge der lebhaften Beunruhigung, die die vom deutschen Reichskanzler in seiner Etats ry'e «angekündigte Annäherung zwischen Ruß - lr/Md undDeutschIand jenseits der Vogesen hervorgerufen hat, hat der russische Minister deS Äußeren sich veranlaßt gesehen, einem französi schen Presseberichterstatter folgende Erklärung abzugeben: „Meine Unterredungen mit dem ^Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg und dem Staatssekretär v. Kiderlen-Wächter hatten die vollständige Unversehrtheit der gegenwärtigen Gruppierung zur Grundlage ge habt. Die deutschen Staatsmänner wissen, daß Rußland seine Verpflichtungen immer treu halten wird und weder einen Grund noch einen Vor wand hat, dem engen Bündnis mit Frank reich oder seinem herzlichen Einvernehmen mit England zu entsagen." Hoffentlich ist man in Frankreich nun befriedigt. Ballamftaate«. * Die auf der Insel Kreta beglaubigten Konsuln der Schutzmächte haben dem kretischen Vollzugsausschuß folgende Note ihrer Regie rungen zur Kenntnis gebracht: „Die Hoheits - rechte der Türkei über Kreta find und bleiben von den Mächten anerkannt. Daher besteht für die türkische Regierung kein Anlaß, den Vorgängen in der kretischen National versammlung Aufmerksamkeit zu schenken. Diese hat bereits Kundgebungen für einen Anschluß Kretas an Griechenland veranstaltet, die aber ohne Einfluß waren auf den Entschluß der vier Mächte, die Hoheitsrechte der Türkei zu wahren. Hinsichtlich der künftigen Verwaltung der Insel sind die vier Schutzmächte entschlossen, diese Frage zu prüfen, sobald sich eine günstige Gelegenheit dazu bieten wird." — Den Kretern wird also jede Hoffnung auf Verwirklichung ihrer Wünsche genommen, ohne daß ihnen end gültig etwas über das Schicksal der Verwaltung der Insel mitgeteilt wird. *Die türkischeRegierung muß schon wieder ihre Volls Aufmerksamkeit Arabien zuwenden, wo eine große Strecke der HedschaS- bahn (am Toten Meere) in die Hände räube rischer Beduinenstämme gefallen ist. Man hat in Konstantinopel umfangreiche Maßregeln zu einer Strafexpedition getroffen. Amerika. * Der Generalstaöschef hat dem Komitee für Militärangelegenheiten im Repräsentantenhause der Ver. Staaten eine Denkschrift unterbreitet, in der darauf hingewiesen wird, daß die Ver. Staaten gegen einen Angriff des Aus landes nicht gerüstet seien. Es wird weiter darin hervorgehoben, daß mehr Artillerie, mehr Feldgeschütze und ein größerer Vorrat von Krisgsmumtion nötig sei, es wird schließlich die Vermehrung des stehenden Heeres von 80 000 auf 100 000 Mann verlangt. — Das geschah an demselben Tage, an dem der amerikanische Millionär Carnegie einen Millionenfonds für die Friedensbewegung und zugunsten der Ab rüstung stiftete. Afie«. * Die ch in e s i s ch e Regie ru ng hat dem Anträge des (die Verfassung vorberatenden) Reichsausschusses auf Abschaffung des Zopfes und auf Einführung euro päischer Kleidung zugestimmt. Oie Keieksemnäkmen. In der Rede, mit der der Staatssekretär des Reichsschatzamts die letzte Emtsdebafte im Reichstage einleitete, glaubte er auf Grund des Ergebnisses der Zölle, Steuern und Gebühren während der ersten sieben Monate des laufen den Rechnungsjahres sagen zu dürfen, daß ihr Gesamtanschlag in Höhe von 144t,6 Mill. Mt. erreicht werden wird. Die beste Bestätigung hat diese Äußerung des Staatssekretärs in den nunmehr vorliegenden Ergebnissen der Ein nahmequellen des Reiches während der ersten zwei Drittel des laufenden Jahres erfahren. Nach dem Etatsanjchtag soll m acht Monaten ein Ergebnis von 961 Mill. Nik. erwartet s werden. Genau soviel ist in der Zeit, vom Anfang Apnl bis Ende November 1910 aus Zöllen, Steuern und Gebühren ausgekommen. Aus bas Gesamtergebnis haben, wie auch der Staatssekretär im Reichs ¬ tage bereits aussührte, die einzelnen Einnahme posten ganz verschieden gewirkt. So 'find die Zölle hinter dem Etatsanschlage immer noch mit nahezu 4 Mill. Mk. im Rückstände, die Branntweinverbrauchsabaabr mit 18 Mill. Mk., die Brausteuer mit 3 Mill. Mk. usw. Andre Einnahmen haben dagegen ihre Anschläge weit übertroffen. Der Grundstücksüberiragungs- stempel überragt in den ersten zwei Jahres- drtitem mit einer Einnahme von rund 29,5 Mllionen Mark den für das ganze Jahr einge setzten Anschlag bereits um rund 4 Mill. Mk. Die Börsensteuer Hai den entsprechenden Etats- an schlau mit 8,5 Mill. Mk., die Erbschaftssteuer mit 5 Mill., die Zuckersteuer mit 1 Mill., die Losesteuer mit 4 Mill. usw. überstiegen. Übrigens hat neben dem Grundstücksübertragungsstempel auch die weniger ins Gewicht fallende Ab gabe von Kraftfahrzeug-Erlausbniskarten mit ihrer bisherigen Einnahme bereits den ganzen Jahresanschlag, und zwar um 0,3 Mill. Mt. überschritten. Überschüsse und Fehlbeträge sind jedoch bis Ende November derart gewesen, daß sie sich gegenseitig in einer gerade die Erreichung des Etatsanschlags zulassenden Weise ausgleichen. Eine bessere Rechtfertigung für die vorsichtige Einschätzung der Einnahmen aus Zöllen, Steuern und Gebühren, wie sie der Reichsschatzlekre^är für das laufende Rech- vungsjanr vorgenommen, konnte, so schreibt die ,B. B.-Ztg/, nicht erreicht werden. Um so mehr Vertrauen wird man zu ihm haben können, daß er auch die Ansätze in den nächst jährigen Reichshaushaltsetat richtig einzustellen in der Lage war. k)eer unä flotte. — Die von der Versuchsabteilung der Verkshrstruppen geleitete Prüsungsfahrt der Automobil-Lastzüge hat am 15. d. ihr Ende erreicht. Von den am 21. November ge starteten 16 Zügen, die mit je 6000 Kilogramm Nutzlast belastet waren, erreichten bis dahin gegen 2 Uhr 15 Minuten fünfzehn in kriegS^ brauchbarer Verfassung das Endziel, den Hof^ der Versuchsabteilung, nachdem sie die schöne Strecke von 2100 Kilometern unter Führung des Hauptmanns Koppen bewältigt hatten; nur ein Zug hat die Konkurrenz infolge einer Beschädi gung in der Nähe von Breslau aufgeben müssen. Diese seit mehreren Jahren vom Kriegsministerium veranstalteten Fahrten er freuen sich großer Beachtung. Wenn ste auch weniger eine sportliche Leistung darstellen, so ist ihr Wert für die industriellen und landwirt schaftlichen Betriebe, bei denen sich immer mehr Neigung zeigt, den Pferdebetrieb durch Last automobile zu ersetzen, ein um so höherer, und alle diese Interessenten sehen mit Spannung auf das Ergebnis der soeben beendeten strapa ziösen Fahrt. Die Glanzleistung der ganzen Fahrt war die Überwindung der 780 Meter hohen Paßhöhe zwischen Schmiedeberg im Riesengebirge und Landshut (Schillerbaude) am 24. November. Meterhohe Schneewehen türmten sich hier auf, und nur mit gewaltigen An strengungen gelang es vorzudringen. DaS Gesamtergebnis der Prüfungsfahrt ist für alle beteiligten Firmen äußerst günstig; es hat sich gezeigt, daß sämtliche Wagen den schwierigsten Verhältnissen und höchsten Anforderungen ge wachsen sind und so kann man das Vorgehen der Militärbehörde als durchaus berechtigt be grüßen, mil der Unterstützung nicht etwa ein Monopol für einzelne Firmen zu schaffen, sondern sie allen zuteil werden zu lassen, die sich ihren Vorschriften unterwerfen. - — Wie halbamtlich mitgeteilt wird, find die Beschädigungen, die das Linienschiff „Schwaben" bei dem im dichten Nebel erfolgten Zusammen stoß mit dem Linienschiff „Elsaß" in der Nord see erlitten hat, nur geringfügiger Natur und befinden sich ausschließlich m den Uberwasser tellen. Das Schiff ist auch in fernem jetzigen Zustande völlig reisefähig. Die Schäden lassen sich in wenigen Tagen beseitigen. Hk 6m Mäcbenkeim. 12j Novelle von Antonie Andrea. (Fortsetzung.) Ruth war ganz geblendet, als Frank Miles ihr das geöffnete Etui reichte. Marga, die seit mehr als drei Wochen zu Hause war, staunte, und Frau Gellers geriet in Ekstase. Frank schaute unverwandt aus seine Braut. Kein einziges Lächeln! Aber sie wurde rot, und in den Augen, die sie zu ihm aufhob, schimmelte es dunkel. Sie schob das Etui zurück. „Nein, Frank, wirklich — du nimmst mir alle Freude am Reichtum, wenn er nur dazu dient, nm mich zu behängen. Ein paar arme Familien könnten wer weiß wie lange leben von dem Ertrag dieser Geschmeide. Ich bitte dich, mir nicht zuzumuten, daß ich das tragen soll." „Wie sentimental, Ruth!" sagte Marga in ihrem eleganten Trauerkleide. Sie war schöner und vornehmer als je. Die Manieren der großen Dame standen ' ihr vortrefflich. Sogar der eigene Bruder konnte nicht umhin, ihr seine Bewunderung auszudrücken. Der einzige, der kein Auge für sie hatte, war Frank Miles — der außer seiner Braut überhaupt nichts mehr aus der Welt zu sehen schien. Frau Gellers ärgerte sich über Ruths „ein fältige Bescheidenheit". Sie mußte sich zu sammennehmen, um ihr nicht 'mal gründlich den Kopf zu Laschen. So bemerkte sie nur: wenn es ihrem Verlobten Freude machte, sie zu „be- behängen", wie sie sich nicht gerade sein auszu drücken beliebte, so müßte sie es sich dankbar gefallen lassen, aus Liebe zu ihm. Ruths Augen füllten sich mit Tränen, und dahinter flammte ein edler Unmut. „Soll ich denn meine Natur ganz und gar umkrempeln?" sagte sie. „Vor kurzem schämte ich mich, daß ich zu essen und mich zu kleiden hatte, wenn ich ein Weib oder ein Kind auf der Straße sah, die um Brot bettelten und in Lumpen froren, und jetzt soll ich kaltblütig mit einem Vermögen von Perlen und Edelsteinen Staat machen? Ich kann es nicht. Frank, lieber Freund! Du wenigstens solltest verstehen, wie mir dabei zumute ist." Er war cm ihre Seite getreten und hatte ihre Hand genommen. „Doch Ruth, doch! Ich verstehe," sagte er mit der ganzen Weichheit seiner Stimme. „Vergib, daß ich so taktlos war. Gerade was deine eigenste Natur ist, liebe ich über alles. Ich möchte dich um keinen Preis anders haben. Trage den Schmuck, wann du willst, — mal für mich allein, wenn du mich einst sehr, sehr liebst. Ich werde in Zukunft zartfühlender sein in dec Wahl meiner Ge schenke. Nur dies eine Mal — bringe mir das Opfer, dieses abscheuliche Etui zu behalten —" „Ja," sagte sie einfach, und ihre Augen lächelten ihn an. Wenn er bat, so lag seine Seele in jedem Wort; die zu betrüben, sie brachte es nicht über sich. Dann, als er ihre Hände küßte, beglückt von ihrer liebevollen Nachgiebigkeit, sagte sie halb im Scherz: „Warte nur! Ich komme dir noch einst mit einer ganz unverschämten Bitte. Später, wenn ich erst deine Frau bin und dir gezeigt habe, wie sparsam reiche Leute wirtschaften können." Er zog sie auf das Sofa nieder, während er vor ihr stehen blieb, die Blicke glückstrunken in ihren Zügen. Sie sah so schön aus mit den Spuren der Erregung von vorhin in den Augen und auf den Wangen. „Du hast mitb neugierig gemacht, Lieb!" sagte er. „Eine Bitte von dir? Ach — sprich sie lieber gleich aus! Ich bin so glücksgierig geworden, daß ich alles mit einemmal haben möchte. Später — ich liebe das Später nicht. Jetzt ist der Augenblick, wo wir leben und lieben — jetzt meine Seligkeit — jetzt deine Bitte!" Und wirklich, sie begann — erst stockend, dann mit hinreißender Beredsamkeit: Als kindischer Traum wäre es ihr zu Anfang in den Sinn gekommen, nach und nach zu einem Plan gereist, seitdem sie zum erstenmal einen Blick in die Wärmehallen getan hätte. Jene armen brot- und arbeitslosen Mädchen, die nichts gelernt hatten und nichts verstanden, nicht einmal die Tiefe des Sumpfes, in dem sie unempfindlich, wie Nachtwandlerinnen, wateten — sie wären ihr ans Herz gewachsen, als ge- mißhandelte, vernachlässigte Stiefkinder der Vorsehung. Ihnen zu helfen sich zu erheben, ihnen den Weg zu zeigen, der zur Rechtschaffen heit, Sittlichkeit und bürgerlichen Selbständig keit führte — das sollte der Zweck ihres Lebens werden, den sie für erfüllt halten könnte, wenn ste, in ihrem eigenen kleinen Wirkungskreise, auch nur ein paar von diesen vielen zu einem besseren und nützlicheren Dasein errettete. „Siehst du, Frank, ich war stolz genug zu denken, daß ich mir einst so viel Geld ver dienen könnte, um ein Mädchenheim in diesem Sinne zu gründen, jetzt, da mir das Glück durch dich in den Schoß gefallen ist, bin ich nicht mehr stolz, sondern dankbar, unendlich dankbar. Verstehst du nun, daß ich Große- von dir zu bitten habe? Ich werde Geld, viel Geld brauchen können." „Sollte mein Vermögen nicht genügen?" fragte er lächelnd. Strahlend und voll freudiger Zuversicht schaute sie zu ihm auf. „Ach Frank, was sind wir für ein glück- liches Menschenpaar! Ein Verständnis für uns beide, ein gemeinsamer Wille, und immer Hand in Hand bei allem, was wir anstrebeu und schaffen. Jetzt sei dein Reichtum tausend mal gesegnet!" „Und du!" murmelte er innig, während er den Arm um sie schlang und fie an sei« Herz zog. Frau Gellers, die sich diskret mit ihrer schönen Marga zurückgezogen hatte, als da- Brautpaar ihr zu sentimental wurde, steckte de« Kopf durch die Tür: „Lieber Frank, Ihr Wagen ist eben vor gefahren.' Sie hatten eine Fahrt durch den Tiergarteu verabredet. Frank forderte Marga auf, sie zu begleiten. Leider — Arnold war eben nach Hause gekommen mit Herrn von Börnicke: sie mußte ablehnen. Ruth ging in das Schlaszimmer, um ihren Mantel anzulegen. Nicht mehr der altmodisch« „Schäbige", sondern ein eleganter aus Velour frapp» mit breitem Perstanerkragen. Seit der Begegnung in der Oper hatte ste
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