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Allgemeiner Anzeiger : 23.11.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191011238
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19101123
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19101123
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-11
- Tag 1910-11-23
-
Monat
1910-11
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 23.11.1910
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Von l^ak unä fern. Bon ver Reise des deutschen Krou- Vrinzenpaares meldet ein Funkentelegramm des ,Bert. Lok.-Anz/: Das Programm für den Aufenthalt des Kronprinzenpaares in Ceylon ist vorläufig für vier Tage festgelegt. Am Sonn tag, den 20. d. Mts., landet das deutsche Kronprinzenpaar in Colombo (Ceylon), nach dem zuvor der Konsul Freudenberg und der englische Gouverneur an Bord des „Prinz Ludwig" ihre Aufwartung gemacht haben werden. Abends findet ein Diner im Gallefon- Hotel statt, wozu der Gouverneur, der deutsche Konsul usw. geladen sind. Montag nachmittag gibt der Gouverneur ein Gartenfest. Dienstag übersiedelt daS Kronprinzenpaar mit der Bahn nach Kandy, wo es im Hause des Gouverneurs Wohnung nimmt. Am Mittwoch soll eine Autofahrt nach Nuwara und Eliya unternommen werden. Bis fick der Kronprinz und seine Ge mahlin an das Klima gewöhnt haben, werden alle anstrengenden Feste vermieden. Der neue Bischof vo« Speier. Univer- fitätLprofessor Faulhader in Straß iurg ist zum Bischof von Speier ernannt worden. "-in Trrastenkampf zwischen Zigeunern im Norde« Berlins, bei dem erwa vierzig Revolverschüsse gewechselt wurden, entstand am Hellen Tage in der Koloniestrabe. Die in jener Gegend wohnenden Zigeuner gehören ver schiedenen Nationalitäten an, und es bestand aus diesem Grunde seit längerer Zeit ein glühender Haß zwischen ihnen. Diese Feind schaft artete nun derart aus, daß eine große Anzahl dieser braunen Gesellen sich vor dem Hause Koloniestraße 119 zusammenscharte und mindestens vierzig Revolverschüsse aufeinander abfeuerten. Trotzdem wurde niemand dabei verletzt, nur einige Fensterscheiben wurden zer schossen. Vier der Schützen wurden verhaftet, die übrigen flüchteten. Tas Geschenk des verstorbenen Königs von Stam für Homburg, die Nachbildung eines siamesischen Tempels, ist in sechzig mächtigen Kisten verpackt auf dem Hauptzollamt in Frankfurt eingetroffen. Mit der Aufstellung der nach Chulalongkorn in Homburg benannten Quelle wird erst im nächsten Frühjahr begonnen werden. Di« Bergungsarbeiten am Fünfmaster „Preußen", der vor einigen Tagen an der englischen Küste auf die Klippen lief, mußten wegen des im Kanal herrschenden Schnee sturmes unterbrochen werden. Die ganze Be satzung und die Bergungsmannschaften sind an Land nach Dover gebracht worden. Tas Andenken an Max Eyth, den Begründer der Deutschen Landwirtschafts-Ge- seit Schaft, soll eine Gedenktafel wach hallen, die der Vorstand der D. L.-G. anläßlich ihres 25 jährigen Bestehens an dem Hause Münster straße 4 in Bonn hat anbringen lassen. In s diesem Hause wohnte in den Jahren 1882 bis 1886 Max Eylh; hier traf der Dichleringenieur die Vorbereitungen für die Gründung der D. L.-G. Ei» starkes Seebeben wurde vor kurzem im Atlantischen Ozean beobachtet. Vor einiger Zeit bereits gelangte nach dem ,Berl. Lok.-Anz.' von dem deutschen Dampfer „Albingia" die Nachricht nach London, daß er auf seiner Fahrt von New Pock nach Jamaika ein starkes See beben erlebt habe. Nun meldet der Kapitän des Dampfers „Cadillac", der eben von Rotterdam in Philadelphia angekommen ist, daß er in der Mitte des Atlantischen Ozeans einen außerordentlich heftigen unterirdischen Ausbruch beobachtet hat. In der Morgen dämmerung rollte plötzlich eine masthohe Woge heran, vor der es kein Entrinnen gab. Alle Mann, selbst die Heizer, kamen an Deck, um hier die Katastrophe zu erwarten. Der Kapitän hatte jedoch die „Cadillac" mit dem Bug gegen die Woge gerichtet, so daß diese wenig Widerstand fand. Die „Cadillac" wurde hoch emporgeworfen, glitt dann aber verhältnis mäßig sanft in die hinter der Welle hertosende Flut hinab, die das Deck überschwemmte und alles, was nicht ganz fest war, yinwegspülte. Das Wasser ringsum zischte unv sprudelte, als ob es kochte, und da und dort stieg es entstehen. Unter der ersten Einrichtung ist der straßenmäßige Ausbau zu verstehen. Da die Straße aber nur kanalisiert und eine Spaltung der Kosten im Statut nicht vorgesehen sei, so könne nicht gesagt werden, daß ein Ausbau der Straße stattgefunden, unter diesen Umständen erscheine eine Heranziehung der Anlieger nicht zulässig. ReLrutenANterricht in -er Türkei. Im Militär-Wochenblatt' teilt Oberst Imhoff, der lange Zeit in türkischen Diensten gestanden hat, einige Lehren mit, die mit dem jungen Soldaten vor Beginn seiner Ausbildung besprochen werden. Sie sind einer in Konstanti nopel erschienen Broschüre eines höheren tür kischen Offiziers entnommen und zeigen, wie eigenartig die Grundlage ist, auf der der Re krutenunterricht im Türkenreiche sich aufbaut. Die Aufgaben, die die Grundlage der Erziehung bilden und vor Beginn der militärischen Aus bildung den Soldaten vorzutragen sind, bestehen zunächst in den „54 Geboten Gottes" oder „den 54 unerläßlichen Pflichten". Hier sind einige dieser Gebots: Das Wissen und Erwähnen, daß es nur einen Gott gibt. — Nur aus rechl- mäß>g, durch eigenen Fleiß erworbenem Gute gefertigte Kleider sind zum Anzug zu verwenden. Ferner: An jedem Tage fünfmal beten. — Mit Überzeugung daran glauben, daß Gott der Allerhöchste für den Lebensunterhalt jedes Menschen Gewähr leistet. — Genügsam sein. — Ein jeder muß Goitvertrauen besitzen. — Nicht murren über von Gott kommende Nn- glücksfälle. — Niemand verleumden oder ihm Übles nachsagen. — Den Eltern Wohltaten er weisen. — Verwandte besuchen. — Anvertrautes Gut nicht schädigen oder veruntreuen. — Keine unsittlichen Scherze machen. — Keine sittlich schlechten Handlungen begehen. — Niemand verspotten oder lächerlich machen. — Wage und Gewicht stets richtig gebrauchen (nicht fälschen). — Das Vermögen einer Waise nicht schädigen. — Nicht stolz und hochmütig sein. — Keine« Wein trinken. — Nicht meineidig sein. — Er wiesene Wohltaten niemand Vorhalten. An diese 54 Gebote schließen sich noch einige Vorschriften und Anstandsregeln des Mohammedanismus, wie z. B.: Vom Gähnen, ohne mit der Hand den Mund zu schließen. — Vom Schneuzen dicht vor einem andern. — Vom Rekeln und Sich-auf-einem-Sitze-Aurstcecksn. — Vom Zu viel-Reden oder Ausspucken beim Spreche«. — Vom zu vielen Schwören und von Ver sprechungen, die man nicht halten kann. — Vo« Sprechen oder Trinken mit vollem Munde bei« Essen. — Vom Nase- oder Ohren-SLubern mit dem Finger in Gegenwart andrer. Dann wird der Begriff der militärischen Erziehung erklärt und noch auf die Beachtung der sechs Pflichten: Treue, Kriegsbereitschaft, Mut und Tapferkeit, Gehorsam, ehrenhaftes Benehmen und Kamerad schaft aufmerksam gemacht. Von einem ehren haften Manne werden u. a. verlangt: Bescheide»- Heft und gute Sitten, Höflichkeit und Erziehung. — Natürliches Schamgefühl und religiöse Scheil vor Schlechtem. — Würdevolles Wesen, Festig keit des Charakters, Ernst und Wurde. — Ge diegener, ernsthafter Charakter. wie ein mächtiger Springbrunnen empM? Tausende von Fischleichen tauchten später aus der Tiefe auf. Der Da«ergäi?ger Eduard Geist. Der deutsche Dauergänger Eduard Geist aus München ist in Bucaramanga in Kolumbien angelangt. Er ist seit 1908 von Rosario am La Plata (Südamerika) unterwegs, hat Argentinien, Chile, Peru, Ekuador und Kolumbien zu Fuß durch reist, ohne einen Pfennig Geld zu besitzen und will nun San Francisco in Kalifornien er reichen, um einen von der,World' in New Jork ausgesetzten Preis von 10 000 Dollar zu gewinnen. Anzeige erstattet, er habe in der Nacht eine im Bau begriffene Flugmaschine in Brand gesteckt. Das in seiner Werkstatt ausgebrochene Feuer hatte einen großen Umfang angenommen. Mehrere Häuser in der Nähe des Militär lustschifferplatzes fielen dem Brande zum Opfer. Tatarinow wird einer ärztlichen Untersuchung unterworfen, da man ihn für geisteskrank hält. Ein Postwagen von italienischen Bri ganten anÄgrplündrrt. Bet Noccapalumba in der Provinz Palermo wurde em Postwagen Wilhelm Raabe P. Mit Wilhelm Raabe, der als 79 jähriger am 15. d. Mts. in Braunschweig verstorben ist, hat Deutschland seinen größten humoristischen Dichter verloren. Wenn man in der Heimat seine Be deutung für das deutsche Schrifiwesen auch erst spät erkannt hat, so ist doch zu hoffen, daß seine Werke sich immer breitere Volksschichten erobern werden; denn sie sind erfüllt von jenem Geiste, den auf plattdeutscher Erde Fritz Reuter verkörpert. Karbolsäure statt Wein. Der Inhaber einer Apothekerwarenhandlung in Zgierz (Russisch- Polen), A. Dietrich, leerte aus Versehen bei der Feier seines Namenstages ein Glas Karbol säure, statt Weins, in einem Zuge aus. Trotz sofortiger ärztlicher Hilfe war er eine halbe Stunde darauf eine Leiche. Streng« Justiz in Konstantinopel. Die Redakteure der türkischen humoristischen Wochenschrift ,Kalem Kalem' wurden in Kon stantinopel vor das Kriegsgericht gestellt, weil sie das Bild des Zaren in der Tracht dos persischen Schahs gebracht hatten mit der Unterschrift: „Ich muß dem armen Persien Frieden bringen und darauf meine väterliche Regierung ausdehuen." Eine eingeäscherte Stadt. Das Städtchen Dabridscha in der Nähe von Konstantinopel ist durch eine Feuersbrunst eingeäschert worden. Die Bewohner von 800 Häusern find ob dachlos. GericktskaUe. Berlin. Der Bahnassistent Julius K. stand vor dem Schwurgericht unter der Anklage der Unterschlagung im Amte und der Register- sälschung. K. ist der Sohn eines Rechnungs- rates, hatte acht Semester Medizin studiert und das erste Examen bestanden, als er mit seinem Vater in Sireit geriet, der ihm die Mittel zur Fortsetzung des Studiums entzog. Der junge Mann, aller Mittel entblößt und ohne Unter- kunftsstätie, verzagte jedoch nicht, sondern nahm den ersten, besten Broterwerb an, der sich wm bot. Eines Tages war der ehemalige Studiosus zum — Streckenarbeiter bei der Eisenbahn geworden. Nachdem er längere Zeit mit Spaten und Spitzhacke gearbeitet Hatte, wurde er Hilfsweichsnsteller. Lurch Fleiß und ! Tüchtigkeit arbeitete er sich langsam weiter empor. Schließlich wurde er zum Bahn assistenten befördert und hatte als solcher den Posten eines Fahrkartenverkäufers auf dem Bahnhof Schlachlensee zu versehen. Durch längere Krankheit geriet er in Not, die ihn von fünf bewaffneten Briganten überfallen, die die Reisenden ausplünverten und mit den Wert sendungen unbehelligt verschwanden. Ler Te, or als Kleptomane. Der Tenor Carlo Albani aus Rim, der gegen wärtig in einem Theater in Turin singt, wurde verhaftet. Die Polizei fand in seinem Koffer eine Menge aus dem von ihm bewohnten Hotel gestohlenen Silberzeuges sowie Servietten aus vielen Restaurants Lukins. Es scheint sich um einen Kleptomanen (von der An eignungssucht Befallenen) zu handeln. Der Nachlaß König Leopolds. Das Brüsseler Blatt ,Patriot«' schreibt, der Justiz- mimster habe in Erwiderung auf die Anfrage mehrerer Kommissionsmitglieder der Kammer erklärt, die Verhandlungen über die Aufteilung des Nachlasses König Leopolds würden zu einem günstigen Ergebnis führen, sei es auch durch gütlichen Vergleich mit einer Prinzessin. Er habe bestätigt, daß eine Summe von mehr als 30 Mill. Frank bei der Nanonalbank hinter legt sei, bis über die Amprüche des Staates auf den königlichen Nachlaß endgültige Be stimmungen getroffen worden seien. Buhn Europa—Persten-Indien. Wie aus Petersburg verschrei wird, Hal sich zur Ver wirklichung des Planes für eine von Europa über Persien nach Indien führende Bahn in Rußland ein Komitee gebildet. Es sollen Finanzleute und Ingenieure aus Deutschland, Frankreich und England zur Mitarbeit heran gezogen werden. Ein Erfinder als Brandstifter. Der Erfinder einer Flugmaschine, Ingenieur Tata rinow, hat bei der Polizei in Petersburg oie dazu verleitete, sich an den ihm anvertrauten amtlichen Geldern zu vergreifen. Die be gangene Unterschlagung in Höhe von etwa 500 Mk. verdeckte er durch falsche Eintragungen in die Bücher. Die Geschworenen bejahten Lie Schuldsratle im Sinne der Anklage, billigten dem Angeklagten aber mildernde Umstände zu. Das Gericht erkannte, unter Würdigung aller Milderungsgründe auf eine Gefängnisstrafe von sieben Monaten. Die Geschworenen beab sichtigen, für den Angeklagten ein Gnadengesuch l einzursichen. 88 Berti». Das Oberverwaltungsgericht fällw eine Entscheidung von prinzipieller Be deutung. Nach 8 15 des Fiuchtliniengesetzes darf die Gemeinde unter bestimmten Voraus- ! setzungen Aniiegerbeiträge fordern. Die Stadt M. i hatte die Fluchtlinien für die Bahnstraße vor mehr denn 30 Jahren festgesetzt und später die Straße kanalisiert. Als der Eisenbahnfiskus an der Bahnstraße ein Gebäude errichtet hatte, ver- i langte die Stadt über 14 000 Mk. Anlieger- kosten. Nach fruchtlosem Einspruch erhob aber der Fiskus Klage. Das Oberverwaltungs gericht erkannte schließlich zugunsten des Fiskus auf Freistellung, indem u. a. angeführt wurde, nach dem Aluchüiniengesetz und dem Ortsstatul können dann Hausbesitzer an neuen Straßen ! nach Vollendung von Bauten zu AnUeger- s beiirägen herangezogen werden, wenn die be- j treffende Straße ausgebaut sei. über die s Grenzen, die 8 15 des Fluchtliniengesetzes ziehe, dürfe «her die Gemeinde mu ihrem Erstattungs- anjpruch nicht hinausgehen. Erstattet sollen solche Kosten werden, die durch die Freilegung, erste Einrichtung, Entwässerung, Beieuchlungs-! Vorrichtung und die fünfjährige Unterhaltung! Kuntes Allerlei. s Japanische Kommnnalstndie« in Deutsq.and. Ler Wissensdrang der Japaner, der sich bisher auf den Militärdienst uno den industriellen, gewerblichen und kausmännischen Betrieb beschränkte, hat jetzt eine neue Betäti gung gesunden. Der Geheime Regierungsrat im japanischen landwirtschaftlichen uno Handels ministerium, Hildegarn Stukuri, und einer seiner Mitarbeiter, Dr. Nonami, haben durch Ver mittelung und auf Empfehlung der japanischen Botschaft in Berlin von verschiedenen Regierungs- prästventen die Erlaubnis erhalten, die wirt schaftlichen sowie Vie Ons- und VerwaltunKL- occhältnisse in größeren Landgemeinden zu studieren. Die beiden japanischen Herren beav- sichtigen, die auf diesem Gebiete gesammelten Erfahrungen in der Heimat nutzbringend zu verwerten. ----- -- ------ - ----- ----- Den folgenden Morgen geriet Frau Gellers in eine neue Aufregung, als sie Ruths Muss, von dem auch sie Gebrauch zu machen pflegte, vermißte und erfuhr, wo er ein Ende genommen hatte. Sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen, besonders als sie hörte, daß Ruth sich den Scherz in der Wärmehalle drei Mark hatte kosten lassen. Für so phantastisch hätte sie das praktische Mädchen nicht gehalten. Und fie wollte ihren Bruder der Verschwendung ver dächtigen ? Der wenigstens gab sein Geld aus, um eine standesgemäße Figur in der Welt zu machen, fie aber für verrückte Einfälle! Marga, der alle Aufregungen zuwider waren, legte sich ins Mittel: „Sei froh, Mama, daß ihr das alte Ding los seid. Jetzt mußt du doch einen neuen kaufen. Hoffentlich hat Börnicke nicht bemerkt, wie schäbig der Muff schon war. Ich wette, es hat ihm imponiert. ES sieht immer so großartig aus, wenn man so unvermittelt schenkt." Denselben Vormittag wurde ein reizender Strauß von Veilchen und Maiblumen für Ruth abgegeben, begleitet von einer Karte mit einigen Zeilen: „Schönen guten Morgen, verehrter, lieber Kamerad! Diese paar Blumen mit ihrem Duft sollen Sie entschädigen für die abscheuliche Lust in der Wärmehalle gestern abend. Ich glaube, das arme Mädchen hat fie für Sie unter dem Schnee gepflückt, nachdem Sie so liebenswürdig für ihre erfrorenen Hände Sorge getragen. Wenn einem doch auch mal die Finger erfrören. Unsereiner wird sich indes schon damit begnügen müssen, wenn Sie dies Sträußchen nicht aus dem Fenster werfen, sondern Ihr gutes Herz sprechen lassen für Ihren ganz ergebenen von Börnicke." „Hab' ich's nicht gesagt?" bemerkte Marga. „Es hat ihm imponiert.", 3. Marga hatte in der Tat Glück. Gleich auf ihre erste Annonce lief ein dem Anschein nach gutes Anerbieten ein. Ein Baron mit einem etwas nach dem Parvenü klingenden Namen suchte für seine kränkliche Gemahlin eine Gesell schafterin. Marga wurde höflich ersucht, sich in einer der vornehmsten Straßen der Billen- kolonie Grunewald persönlich vorzustellen. Sie wurde sofort engagiert, mit einem guten Gehalt, und sollte binnen drei Tagen ihre Stelle antreten. Frau Gellers war stolz auf diesen ersten Erfolg ihrer Tochter. „Ja, ja — meine Marga. Mit deinem Gesicht und deinen Manieren kann man nicht anders als gefallen. Du und Arnold — ihr werdet euer Glück schon machen." Marga nahm ihr Filzhütchen ab. Sie war gerade nach Hause gekommen. Das Ereignis hatte sie in keiner Weise aufgeregt, und der Begeisterung der Mutter fühlte sie sich veranlaßt einen kleinen Dämpfer zu geben. „Amüsant wird es gerade nicht sein," sagte sie. „Die Dame ist gelähmt. Ich glaube, sie hält auf Vornehmheit. Freilich, der Gemahl — antipathischer Mensch, wenigstens zwanzig Jahre älter als die Frau Baronin. Ich halte ihn sür einen Geizhals und Nörgler." In den nächsten paar Tagen arbeiteten die drei fleißig an Margas Garderobe. Ruth tat selbstverständlich das meiste dabei. Sie wusch, bügelte und stichelte ost bis in die Nacht hinein. Trotzdem, als alles fertig war, rümpfte Marga die Nase. „Aster Plunder!" sagte sie, nicht mit Unrecht. „Ein Glück, daß ich noch Trauer tragen kann. Es steht mir vorteilhaft, und ich brauche meine Toilette nicht oft zu wechseln." Selbst am Tage der Trennung büßte Marga keinen Augenblick ihre vornehm kühle Ruhe ein. Den langen Zärtlichkeils- und Schmerzens ergüssen ihrer Mutter ging fie aus dem Wege, wo sie irgend konnte. Mit Arnold verabredete sie, daß er sie mal besuchen sollte. Sie würde vorher schreiben, ob es angebracht wäre. Am wärmsten fiel eigentlich ihr Abschied von Ruth aus. „Wenn du klug bist," sagte sie zu guter- letzt, „so nimmst du die erste beste Stelle an. Zu Hause hast du keine Chancen. Du quälst dich schlimmer als ein Mädchen für alles und verdienst nichts, um dich nur einigermaßen anständig kleiden zu können. Ich bin neugierig, ob Börnicke euch oft besuchen wird. Du kannst es mir gelegentlich schreiben." Marga vermied grundsätzlich, lange und häufige Korrespondenzen zu führen. Sie hielt es für eine große Lebensklugheit, so wenig wie möglich von dem, was sie beschäftigte, zu sprechen. In ihrer neuen Stellung begann sie ihr Tagebuch zu schreiben. Kurz — oft nur Andeutungen, doch so, daß sie zwischen den Zeilen lesen konnte. Es machte ihr nachher Spaß zu sehen, wie die Dinge auf sie gewirkt halten. Den ersten Abend kritzelte fie ganz flüchtig: „Donnerstag: Nettes, seines Zimmer. Endlich Ruths ewigen Arbeitskorb und Mutters abgelebten Sorqenstuhl los. Die Baronin wirklich große Dame. Man kann was von ihr lernen. Der Alte — gräßlich. Keine Kunst, zwischen ihm und der kränklichen Frau hübsch zu sein. Werde aus Höflichkeit micht nicht an strengen ..." Frau Gellers vermißte ihre Tochter schmerz lich. Sie war nicht gewohnt, stundenlang allein in der Stube zu sitzen. Ruth hätte kein „Sitz fleisch", klagte fie ihrem Sohne, um ihn zu be wegen, mal ein paar Stunden zu Hause zu bleiben. In Wahrheit hatte Ruth keine Zefl, um mit einer Handarbeit am Fenster ihre Tage hinzubringen — am wenigsten, seitdem sie an Arnolds Wäsche die Wasch- und Plätifra« sparte. Arnold war nichts unangenehmer, als seine Schwester bei grober Arbeit zu treffen. Eines Tages überraschte seine Mutter ihn mit der Enthüllung, daß Ruth die doppelte Buchführung lernen wollte. „Nicht Übel," meinte der junge Mann, der in die Berliner Stube gekommen war, um Klavier zu spielen — seine einzige Unterhaltung, wenn er mal zu Hause blieb — „es wird nur Geld kosten " „Sie erspart es an deiner Wäsche, die Se jetzt selbst besorgt. Was wir sonst monatnch sür die Waschfrau ausgeben, reicht ungejähr Hk sür einen Kursus." ML < folgt.)
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