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im geringsten, Herr Doktor!" bemerkte sie finster. <Die ab scheuliche Geschichte liegt endgiltig hinter mir, und ich bin hier her geflüchtet, nm sie langsam zu verwinden und zu vergessen!" „Und gerade dazu möchte ich beitrageu!" versicherte er zähe. „Ich habe damals alles aus dem Sehwinkel jenes Uu- Geh. Regierungsrat Prof. Or. Paul Gützfeldt weitbekannter - Forschungs reisender, feierte in Berlin am 14. Oktober seinen 70. Ge burtstag. Er unternahm große Entdeckungsreisen zur Erforschung von Inner-Afrika und Süd-Amerika und hat auch als Alpinist sich einen hervorragenden Namen ge macht. Seine Kriegserlebnisse 1870/71 und die Ergebnisse seiner Forschungsreisen hat er in einer Anzahl von Werken niedergelegt. Würdigem betrachtet, der mir in seinem grenzenlosen Egois mus vorgeredet hatte, der Bruch würde Ihnen selbst halb und halb erwünscht sein, da er Anzeichen dafür hätte, die ihm bit ter kränkend gewesen wären. „Et cetera"! Erst, indem ich mich meiner unbehaglichen Aufgabe entledigte, erkannte ich mit schmerzlichem Bedauern, wie tief und heilig Ihre Gefühle waren, wie elend er Unrecht gehabt hatte, als er Sie mir als oberflächlich und flatterhaft geschildert!" „Nehmen Sie getrost an, er hätte recht gehabt!" erwiderte Käthe mit unterdrücktem Seufzer und riß im Vorübergehen ein Paar Ligusterblätter von einem Strauch am Wegrande, um für ihre unruhigen Finger eine Ablenkung zu haben. „Aber rühren Sie die Vergangenheit nicht noch weiter auf nnd gön nen Sie mir mein endlich wiedererrungenes Gleichgewicht!" „Ich will es Ihnen sogar befestigen helfen!" rief er mit beteuerndem Eifer. „Sie sollen von mir hören, daß ich Heute davon überzeugt bin, Ihnen durch meinen Ton schweres Leid Augefügt zu haben, weil ich in vollständig schiefen Ansichten über Ihr Verhältnis zu Stüber befangen war. Meine Sym pathien in dem ja Gott fei Dank erledigten Falle sind längst auf Ihrer Seite!" „Und weshalb haben Sie trotzdem nicht dafür gesorgt, daß mir wenigstens mein Bild wieder zngestellt wurde?" fragte sie, die Oberlippe verächtlich schürzend. Er schwieg verdutzt einen Augenblick lang. Teufel auch, das dumme Bild hatte er ganz vergessen! Es lag vergraben in irgend einer Mappe, in die er es geschoben, als Stüber es ihm ausgebändigt. Aber sich von einem kleinen Mädchen durch solch einen Vorstoß verblüffen zu lassen, war seine Ari nicht. Er wäre sich ja selbst heillos lächerlich erschienen, wenn er nicht schnell einen glänzenden Ausweg entdeckt hätte. „Mit dem Bild ist es mir eigentümlich gegangen!" be gann er, und seine Stimme hüllte sich in den mystischen Schleier- mühsam unterdrückter Gefühle, ein Kehlkopfmanöver, mit dem er noch immer die gewollte Wirkung erzielt hatte. „Als ich es Ihnen zusenden wollte, fand ich im Augenblick kein passen des Kuvert dazu und lehnte es deshalb gegen den Briesständer auf meinem Schreibtisch. Von da an hat es mich einen Tag um den anderen angesehen und sich mir langsam ins Herz ge stohlen. Ich habe mich nachher einfach nicht mehr davon tren nen können. War es mir doch, als spräche es mir ans Ihren lächelnden Augen Verzeihung zu für die häßliche Situation, in die mich ein übertriebenes Freundschaftsgefühl damals im Tiergarten geschoben hatte! Grollen Sie mir nicht darum. Ich gebe es Ihnen noch heute zurück, wenn Sie darauf be stehen . . ." „Gewiß!" sagte Käthe ruhig. „Aber schließen Sie dann auch Frieden mit mir und lassen Sie mich uni . . . um Ihre Freundschaft werben!" bat er, halb echten Feuers voll. „Ich brauche keine Freunde, Herr Doktor!" antwortete das junge Mädchen, deren geistiges Ohr diesem Menschen ge genüber voll unbezwinglichen Mißtrauens blieb, so unerfahren sie auch.soust in der Beurteilung ihrer Mitmenschen war. „O, sagen Sie das nicht!" rief er pathetisch. „Alles trägt sich leichter, wenn man eine Seele weiß, der inan vertrauen darf. Und Sie sollen sich überzeugen, daß ich dieses Ver trauens nicht unwürdig bin. Lassen Sie mich Ihnen helfen bei der Arbeit, die Sie sich vorgenommen haben. Sie kom men leichter zum Ziele, wenn ich Ihnen mein bißchen Schul weisheit zur Verfügung stellen darf. Und lernen Sic muh dabei kennen! Legen Sie das Vorurteil ab, das Sie über mich hegen, weil ich mich in einer törichten Stunde zu dem unglückseligen Werkzeug eines hilflos versinkenden Leichtfußes machen ließ, und rauben Sie mir die Hoffnung nicht, meine innigen Sympathien für Sie einst erwidert zu sehen, wenn . ." „Zunächst möchte ich doch, daß wir Fritzi endlich finden!" unterbrach sie ihn verstört; denn in seinen Augen loderten bei seinen immer kühner werdenden Erklärungen jäh die Flam men einer sie anwidernden Sinnlichkeit empor, ^cham und Entrüstung zugleich trieben ihr das Blut in die Wangen, und ohne weiter auf seine Worte zu hören, sprang sie hastig über ein niedriges Drahtseil fort anf den gepflegten Parkrasen, überquerte das saftig grünende Rondel, dessen „Betreten bei Strafe verboten" war, und eilte in einen dem Walde zn füh renden Seitenweg, in dem sie seinen Blicken entschwand. Verärgert hielt er den Schritt an nnd kniff die Augen lider zusammen wie ein alter Kater in der Mittagssonne. Es wäre lächerlich erschienen, hinter ihr drein zu stürmen, obgleich ihn das nagende Gefühl, abgclaufen zu sein, dazu verführen wollte. Er bezwang also die Anwandlung und sand,te Käthe nur einen bösen Blick nach. „Ich werde Dich schon kirre kriegen, kleine Kratzbürste!" Das Grabdenkmal für die Mutter und Schwester Richard Wagners, das diesen Herbst auf dein alten Johannis friedhof in Leipzig enthüllt wurde. Die Marmorplatte tragt folgende Inschrift: „Was der Erde entsproß, Nahm sie mütterlich auf; Was sich vom Himmel ergoß, Schwang sich zum Himmei hinauf." Der granitue Sockel kündet dem Beschauer folgendes: Hier ruhen in Gott Johanna Wagner-Geyer geb. Berthis, Rosalie Marbach geb. Wagner, Mutter und Schwester Richard Wagners. murmelte er ingrimmig. „Nun erst recht! Du sollst noch pa rieren lernen!" Ihre stolze, kühne Zurückhaltung hatte sein Wohlgefallen an ihrer schlanken, mädchenhaften Anmut und dcm süßen