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Allgemeiner Anzeiger : 26.10.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-10-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191010260
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19101026
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1910
-
Monat
1910-10
- Tag 1910-10-26
-
Monat
1910-10
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 26.10.1910
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Vas Lade -er Mtenhetze. Die englischen Flottenhetzer haben offenbar reinen Erfolg. Denn wie die Warnerstimme des Lord Beresford, der ungeheure Zahlen be züglich der deutschen und der österreichischen Flotte herausgerechnet hatte, ungehört verhallt ist, so hat auch Ler ehemalige Ministerpräsident Balfour mit seinem Wiederbelebungsversuch uferloser Flottenpläne oder der Deutschenhetze, was in London im Grunde dasselbe bedeutet, der liberalen Partei einen unschätzbaren Dienst geleistet. Das Geschrei von ver deutschen Gefahr und die Forderung von mehr Dreadnoughts (großen Panzern) ist selbst dem so außerordent- lrch geduldigen englischen Wähler zum Ärgernis erwachsen. Dafür lassen sich zahllose Anzeichen anführen. Selbst in den Kinematograph- Theatern werden Bilder dieses Inhaltes mit Lachen und Spott begrüßt, zum Teil aus dem Gefühle stolzer Verlegenheit, zum größten Teil aber, weil man endlich dieser Hetze herzlich überdrüssig ist. Uns nun kommt der ehemalige konservative Premierminister und singt die alle, abgeleierte Melodie mit einer Miene, als sei England verloren. Daß seine Presse mit ein stimmt, ist natürlich, daß aber das große eng lische Volk wieder auf diesen politischen Jahr- marktsrummel hineinfallen wird, ist ganz aus geschloffen. Es ist doch etwas nachdenklicher und vernünftiger, als vie hetzende« Parteipolitiker glauben, und hat sich längst die Frage vor gelegt, was die Nation, gegen die immer und immer wieder neue Dreadnoughts gebaut werden füllen, eigentlich in England holen könnte. Die Antwort darauf konnte dem gesunden englischen Menschenverstand, sobald er sich von dem Ein flüsse dieser fanatischen Verhetzung freigemacht hatte, nicht schwerfallen: Nichts! Und so ist es schließlich kein Wunder, daß die liberale Presse — darunter die Regierungsblätter — sich keinerlei Mühe gibt, Herrn Balfour, der wieder einmal von einem Überfall durch Deutschland faselt, zu widerlegen. Bei einigen der jüngsten Nachwahlen ist deutlich zum Ausdruck ge kommen, was das englische Volk in seiner Mehrheit will: Schlich mit der Flottenhetze! So tönte es aus allen Reden. Das Land soll endlich Mittel und Zeit gewinnen, um sich mit sozialen Reformen befassen zu können. Sie sind notwendiger als der Flottenbau, der das Land ins Verderben bringt. Die Negierung weiß denn auch, daß ihre vornehmste Sorge dem sozialen Frieden gelten muß. Mehr als je ist man in London einer Friedenspolitik geneigt. Damit ist nicht gesagt, daß man um jeden Preis ein Bündnis mit Deutschland oder ein Flotten abkommen herbeiführen will, aber die übertriebenen Rüstungen sollen eingestellt werden, um Millionen freizu machen für die soziale Arbeit. — Wenn diese Sümmung der englischen Negierung, die die Meinung der Mehrheit des engllschen Volkes zum Ausdruck bringt, von Dauer ist, so werden wir uns m Demjchland dessen herzlich freuen, denn wenn unsre englischen Vettern erst nicht mehr den bedrohlichen Feind in uns sehen, ist der Weg zur Freundschaft nicht mehr allzu weit. v. Politische Aunälcbau. Deutschland. "Kaiser Wilhelm hat noch einen Vor trag über die Verhandlungen angeordnet, die zum Verkauf des Tempelhofer Feldes an die Gemeinde Tempelhof geführt haben. Infolge dessen ist Las Gerücht entstanden, daß der Monarch mit dem Vorgehen des Ministers nicht einverstanden sei, und daß Herr von Heeringen von seinem Amte zurücktreten werde. Damit ist jedoch nach einer HMoamt- lichen Erklärung nicht zu rechnen. "Der Staatsselretär des Reichsschatzamtes, Wermuth, hat sich in Karlsruhe dem Großherzog Friedrich II. vorgestellt und dann mit dem badischen Finanzminister über schwebende Fragen der Reichsfinanzverwaltung verhandelt. * Vom Bundesrat wurde der Entwurf eines Gesetzes betr. die durch die neue Straf- Prozeßordnung veranlaßten Anderungendes Gerichtskostengesetzes angenommen. "Die von der Regierung vorgsschlagene Einschränkung des Wahrheits beweises in Beleidigungsprozessen wurde von der Reichstagskommission für die Reform des Strafgesetzbuches mit Stimmen gleichheit abgelehnt. Österreich-Ungar«. * Der Marineausschuß der ungarischen Dele gation hat das Marinebudget ange nommen und der Marineleitung aufrichtigen Dan! für ihre außerordentliche Wirksamkeit im Interesse der Entwicklung der Kriegsmarine ausgesprochen. Damit ist nicht nur der Ausbau der österreichisch-ungarischen Kriegsmarine ge sichert, sondern auch die Hoffnung gegeben, daß der so heiß umstrittene Ausgleich zwischen beiden Reichshälften endlich seinem Abschluß näherkommt. Frankreich. "Briand konnte jetzt im Mimst erate be richten, daß die Krise nach dem Eisen bahnerstreik überwunden sei. Auf allen Bahnlinien sei die Ordnung wiederhergestellt. Der Ministerrat beschloß sodann eine Note zu veröffentlichen, in der gegenüber anders lauten den Gerüchten festgesteüt wird, daß das Kabinett vollkommen einig sei. Veränderungen im Ministerium ständen nicht bevor, ehe nicht die Kammer sich über den Eiseubahnerstreik und die Maßnahmen der Negierung geäußert habe. Wenn aber die Kammermehrheit aus Anlaß der jüngsten Vorkommnisse einen oder den andern Minister tadeln sollte, so werde das ganze Kabinett zurücktreten. G«g!a«d. * König Georg hat dm deutschen Bot schafter Grasen Wolff-Metternich in Audienz empfangen. Ler Botschafter erkundigte sich im Namen Kaiser Wilhelms nach dem Befinden des erkrankten Fürsten Franz v. Teck, des Bruders der Königin. — Wie verlautet, wird König Georg seine Antritts besuche an den Höfen der europäischen Großmächte erst nach vollzogener Krönung ab- statten. Die Krönung wird im nächsten Sommer stattfinden. Der erste Besuch wird voraussicht lich Kaiser Franz Joseph gelten. * König Manuel und die Königin-Mutter Amelie sind in London eingetroffen und mit königlichen Ehren empfangen worden. Allge mein fiel das leidende Aussehen des jungen Königs auf. * Der erste Lord der Admiralität Mac Kenna hielt in Llanthony eine Rede, in der er erklärte, die Vorschläge, die Balfour kürzlich in bezug auf die englis ch e Flo ttenstärke gemacht habe, würden weder durch Tatsachen noch durch deweislrästige Zahlen unterstützt. Alle Par teien seien sich darin einig, daß Englands Vor herrschaft zur See erhalten werden müsse. Die Frage laufe aber einfach darauf hinaus, genau zu bestimmen, welche Vorbereitungen notwendig seien, um Englands Politik den nötigen Nach druck zu verleihen. Balfour habe gesagt, daß der Grad von Englands überlegen Heu jo tief wie nie zuvor gesunken sei, richtiger sei es jedoch, zu fügen, daß mit wenigen Ausnahmen Englands Überlegenheit in Friedenszeiten nie mals so groß gewesen sei. "Viel Aufsehen erregt in England das soziale Glaubensbekenntnis des Schatzkanzlers Lloyd George, das dieser in einer vor der „Christlichen Liga" im City- Tempel gehaltenen Rede abgelegt hat. Not, Unruhen und Unzufriedenheit träten gegenwärtig überall zutage, sagte der Schatzkanzler, sowohl in dem freihändler'schen England als m den Hochschutzzollstaaten des europäischen Festlandes. Der Grund dafür sei eben nicht hinter diesen Problemen zu suchen, sondern liege tiefer. In England müsse er in der Ansammlung unge heurer Vermögen in den Händen Weniger ge ¬ sucht werden. Alljährlich sterben in England 350 000 Personen, die nichts hinterlassen, wäh rend 2000 andre etwa 150 000 000 Pfund (drei Milliarden Mart) auf ihre Verwandten vererben. Der Redner führte diesen Gegensatz zwischen reich und arm noch weiter aus und sprach von den zahllosen Drohnen, die England zu ernähren habe. Um mit all diesen Übeln aufzuräumen und viel schlimmeren vorzubeugen, bedürfe es sehr scharfer Maßnahmen, womit die jetzige Regierung in ihren sozialen Reformen den Anfang gemacht habe. "Die Bank von England hat den Diskont von 4 Prozent auf 5 Prozent e r - höht. Spanien. * Endlich hat die spanische Regierung über ihre seit längerer Zeit mit Marokko geführten geheimnisvollen Unterhandlungen einige Mit teilungen gemacht. Nach den Erklärungen des Ministerpräsidenten Canalejas handelt es sich um die Entschädigungen aus den Kämpfen gegen die Kabylen 1908, auf die Spanien ein Recht habe. Canalejas widerlegte zugleich die von französischer Seite verbreiteten Gerüchte, daß Spanien dem Sultan bereits mit einem Kriege gevroht habe. In Madrid sei man fest ent schlossen, alle Verträge zu halten, aber die Zahlung der Entschädigung werde man „mit allen Mitteln" durchsetzen. Portugal. * Der Regierungswechsel in Portugal hat, wie das Beispiel eines reichen Warenhaus- besitzers zeigt, der sein Vermögen von dreißig Millionen dem Staate überwies, den nationalen Opfersinn mächtig belebt. In Palriotenkreisen wird jetzt eifrig der Gedanke einer großen freiwilligen Geldsammlung be sprochen, aus deren Erträgen die schwere Last der äußeren Schuld gemildert werden soll. Verschiedene Besitzer von kleinen Grundstücken stellten ihren Besitz zur Verfügung, ebenso öffentliche Beamte ihre Monaigehälter als Zeichen des Patriotismus und der republika nischen Gesinnung. Afrika. * Aus Johannesburg wird berichtet, daß die Regierung des Verein igtenSüdafrika die Einstellung der Rekrutierung zum freiwilligen Militärdienste angeordnet habe. Die Ergebnisse dieser Rekrutierung scheinen recht dürftig gewesen zu sein. Es wird behauptet, die Buren weigerten/sich, Dienst zu tun, weil die Kommandos nur in Englisch und nicht auch in ihrer Sprache gefaßt seien. Oie perlilcke frage. Auf die englische Note, die eine militärische Besetzung Persiens androhl, falls die Teheraner Regierung nicht schnellstens für Ordnung sorgt, hat das Kabinett schnell geantwortet. Sie er- ktärt, die Schwierigkeit der persischen Regierung, die Ordnung aufrechtzuerhallen, sei rein finan zieller Art, und wenn die augenblicklich im Gange befindlichen Verhandlungen, in London eine An leihe aufzunehmen, erfolgreich seien, werde die persische Regierung Schritte tun können, die die in der englischen Nore erwähnten energischen Maßregeln unnötig machen würden. Weiter wird erklärt, der Fortschrill dec Anleiheveryanö- lungen sei abhängig von der Haltung Englands und Rußlands. Persien könne vielleicht noch so drückende Bedingungen annehmen, um eine Anleihe zu bekommen, es würde jedoch keineswegs auf seine Unabhängig keit verzichten. Die innere Lage Persiens sei nicht günstig, aber man stelle sie mit Absicht ungünstiger oar, um einen Vorwand zur Ein mischung zu finden. Mit den düsteren Schil derungen verfolge man den Zweck, Rußland und England noch enger aneinander zu schließen. Lie persische Frage könne aber unmöglich von England und Rußland allein gelöst werden. Sie stelle eine Angelegenheit dar, die die ganze Well interessiere. Auch Deutschland und die Ber. Staate« hüllen große Handelsinteressen in Persien zu wahren." Man weiß in Teheran sehr wohl, R Vor äie Mak! gestellt. LLj Noman von M. Lautner. (Fortsetzung.) Doch so leicht diele Berührung auch ge wesen war, Erna mußte sie dennoch emp funden haben: sie richtete das Köpfchen empor und suchte sich frei zu machen aus Kurts Armen, aber sie ließ es ruhig geschehen, daß er sie zum Sofa geleitete und sich neben sie setzte. Und nun fand er auch wieder Worte, und ihre Hand in der seinen haltend, versuchte er ihr gut zuznreden. „Sei stark, Erna," bat er mit weicher, ein dringlicher Stimme, „es ist der Lauf der Welt, wir können daran nichts ändern und müssen es hinnehmen. Bedenke nur, wie viele Tausende dasselbe leiden, ja, noch viel — viel Schlimmeres. Und dann — wir Menschen sind nicht allwissend — wie ost schon haben Arzte sich getäuscht. Ich denke, so lange noch Leben da ist, muß man auch die Hoffnung nicht ganz finken lassen." Sie schüttelte leise weinend das Haupt. „Nein, nein — ich habe keine Hoffnung mehr. — Man muß eben das Unvermeidliche tragen." „Ich kann dich jetzt nicht allein lassen, Erna," sprach er weiter, „und bleibe deshalb heute hier, wenn du es erlaubst." „Du bist sehr gut zu mir," kam es fast un hörbar über ihre bebenden Lippen, „aber bitte, tue es lieber nicht." „Gewiß nicht, wenn es dir nicht ange nehm ist." „Nein, so meine ich es nicht, aber ich — ich möchte nicht, daß du dich der Ansteckung oussetzest — und wollte dich schon bitten, gar nicht mehr her zu kommen. Mag die Wirt schaft gehen wie sie will, das ist jetzt alles Nebensache." Er sah sie mit einem seltsam erstaunten Blick an. „Wenn das nur der Grund ist, dann lasse ich mir das Herkommen nicht verbieten und bleibe. Aber es wäre gut, wenn du in der nächsten Zeit noch jemand, ich meine eine Frau, zur Seite hättest. Weißt du niemand, den du gern hier haben möchtest?" „Niemand; wozu auch?" „Die Geheimrätin würde gewiß kommen, wenn wir sie darum bitten," fuhr er fort, ohne ihren Einwand zu beachten. „Sie ist eine be sonnene, kluge Frau und dir sehr zugetan. Ihre Gegenwart wäre d'r sicher ein Trost und Hort in diesen Tagen. Ich werde ihr schreiben; ja, soll ich?" „Die Geheimrätin ist ja gar nicht zu Haus, sie ist zu ihrer Schwester gereist, die auch krank liegt. Ich habe erst gestern einen Brief von ihr erhalten." „Das ist fatal. — Wie wäre es mit Hanna?" „Hanna kann ich auch nicht zumuten, jetzt herzukommen. Ich müßte mir ja zeit meines Lebens Vorwürfe machen, wenn sie sich ansteckt.' Beide schwiegen, ein jedes mit seinen Ge danken beschäftigt. Sie drückte ihr Tuch an die schmerzende Stirn und hielt die Augen geschloffen. Endlich unterbrach sie die Stille. „Weißt du auch schon von — von dem armen Hübner?" „Ja, Anton sagte es mir vorhin, als ich kam. Der arme Mann! Ich bedaure seinen Tod von Herzen, und nicht zum wenigsten in deinem Interesse." „Ja, ich verliere viel an ihm — sehr viel. — So lange ich denken kann, kannte ich ihn — und Papa, wie hat er ihn hochgeschätzt. — Nun sind sie beide fort — und — bald stehe ich — ganz allein." „Erna! — Nein, so — darfst du nicht reden! Ich kann es nicht ertragen, dich so trostlos zu sehen," rief «r erregt und faßte aufs neue ihre Hand, die sie ihm vorhin entzogen, und nach einer Weile sprach er: „Erna — wenn ein Freund — ein Bruder dir etwas gilt, so sollst du nie allein sein, so lange ich noch lebe!" „Du bist sehr gut," wiederholte sie noch einmal, „und ich bin dir großen Dank schuldig." „Nein, nicht so, Erna; man schuldet keinen Dank für etwas, was den andern beglückt — und daß es mich glücklich macht, dir beistehen zu können, das weißt du ja, nicht wahr?" fügte er leise hinzu, mit sanftem Druck ihre Finger fester umschließend. Da wurde leise an die Tür gepocht, und Jenny trat herein. „Schwester Theresia lasse das gnädige Fräu lein bitten, herüber zu komnen, die Kranke habe nach ihr verlangt," meldete sie. Eilig erhob sich Erna, um dem Ruf zu folgen, und mit einem Hoffnungsstrahl im Herzen betrat sie das Krankenzimmer. daß Rußland sich so leicht nicht entschließen wird, seine Stellung in Persien an England abzutreten. Abgesehen davon, haben ja auch kleinere europäische Staaten wirtschaftliche Inter essen in Persien, wie z. B. Belgien, und nie mand wird sich leichten Herzens entschließen, in der persischen Frage England z«m Sachwalter zu machen. Die ganze politische Welt hat die Empfindung, daß die Drohnote über die Er richtung einer englisch-persischen Polizeitruppe im Süden, falls dieser binnen drei Monaten nicht beruhigt sei, sich als ein Druck auf die persische Regierung zur Annahme einer englischen An leihe von vier Millionen Mark darstelle. Seit Monaten find verschiedene englische Finanz gruppen bemüht, in Persien Anleihen ver schiedener Höhe unterzubringen. Bei der Riesen geldnot wird Persien eines dieser Angebote an nehmen müssen. Interessant ist bei dieser An gelegenheit die Stellungnahme Ruhland-. Natürlich hat sich England erst mit dem Zaren reiche über sein Vorgehen verständigt und man beeilt sich denn auch in Petersburg, zu erklären, daß Englands Vorschlag nicht außergewöhnlich sei. „Ler Vorschlag Englands aus Organi sation der Polizei zum Schutz der Karawanen- straßen sei nichr neu; er habe bereits eine der Bedingungen der persischen Anleihe gebildet. Die persische Regierung habe sie bisher aber abgelehnt. Da die russische Diplomatie eben falls an der Ordnung in Persien stark inter essiert sei, verbleibe auch das russische Militär einstweilen in Nordpersien. Von irgendwelchen Schritten gegen die Unabhängigkeit Persiens sei indessen nie die Rede gewesen." Diese amt liche Versicherung klingt sehr gut, nur sehen die Dinge in der Wirklichkeit anders aus; denn in der Lat ist ernstlich Persien- Selbständigkeit bedroht. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man einen Blick auf die Stellung der Regierung in Kon stantinopel wirst. In der Türkei, als Nachbar staat Persiens, hat Englands Note natürlich die allgemeine Aufmerksamkeit erregt, und die türkische Regierung hat zum Schutze ihrer Konsulate und Untertanen in Persien Schutz truppen über die persische Grenze gesandt. Ler persische Geschäftsträger hat dagegen Einspruch erhoben und erklärt, Persien werde sich mit dem letzten Blutstropfen gegen eine Austeilung wehren. Laß die Gefahr einer Aufteilung Persien- durchaus im Bereiche der Möglichkeit liegt, er hellt daraus, daß der deutsche und der öster reichische Botschafter in Konstantinopel mit dem Großwesir eine längere Unterredung über diese Frage hatten. Der Großwesir hat zwar be- ruyigende Zusicherungen gegeben, das hindert aber nicht, baß die tollsten Gerüchte verbreitet sind. So wollen französische Zeitungen wissen, seit langer Zeit schwebten schon geheime Ver handlungen zwischen England, Rußland und der Türkei, um ber „persischen Mißwirtschaft", d. h. natürlich zugleich der persischen Selb- ständigkeit ein Ende zu machen. Persien will nun angeblich auf Deutschlands und Öster reichs Rat eine« letzte« Versuch machen, das militäcische Einschreiten Englands, das für die nationalstolzen Perser von unbe rechenbaren Folgen sein könnte, zu verhindern. Das Kabinett wird das Ansuchen an die eng lische Regierung stellen, einer Erhöhung der Zölle um 10 Prozent zuzustimmen. Im "Kalle der Einwilligung werde die persische Negierung die Verpflichtung übernehmen, den Überschuß zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Ordnung zu verwenden. England wird nun Farbe bekennen müssen, ob ihm laisächlich nur an der Ordnung der persischen Verhältnisse liegt, oder ob der Anfang zu einer Vernichtung Persiens, die das englisch-russische Abkommen vor zwei Jahren eingeleitel hat, gemacht wer den soll. Jedenfalls ist die Lage im Orient durch Englands Vorgehen mit einem Schlage sehr ernst geworben. lVllebtvr. Tante Lottchen hatte seit vielen Tagen keine Spur von klarem Bewußtsein gezeigt, nur Fieberphantasien und ein betäubungs ähnlicher Schlaf hatten abwechselnd ihren Geist in Banden gehalten; daß dieselbe sie nun zu sehen begehrte, begrüßte sie deshalb als gutes Zeichen. Es erwies sich aber als trügerisch. Als Erna mit einem Liebeswort auf den Lippen sich über die Kranke neigte, leuchtete kein Schimmer des Erkennens aus dem unstäten, irren Blick, der den ihren traf; sie mochte im Fieber ein paarmal den Namen ihrer Nichte ge nannt haben, aber ohne jedes Bewußtsein. Mit einem tiefen Seufzer richtete sich Erna wieder auf und faßte die fieberglühende Hand, die sich unruhig auf der Decke hin- und herbe wegte. So saß sie bange Stunden. Jeder Atem zug, jedes der so unheimlich fremd klingenden Worte, die über die brennenden Lippen der Kranken kamen, schnitt ihr ins Herr. Wie langsam schleicht da die Zeit — jede Minute eine Ewigkeit, und doch, man möchte sie fassen, ste aushalten, sie verrinnt ia noch viel, viel zu schnell, kann doch die nächste derselbe« schon — die letzte sein. Währenddem verrichtete Schwester Theresia geräuschlos mn milder Hand ihre Funktionen am Krankenbett, von Minute zu Minute die EiSumschläge erneuernd, bald einen Lässt! Medizin der Leidenden einflößend, oder emen kühlenden Trank an ihre lechzenden Lippen führend, bald sie sanft in die Kissen drückend, wenn sie in ihrer Aufregung sich aufrichte« wollte.
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