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Allgemeiner Anzeiger : 27.08.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-08-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191008272
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19100827
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100827
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-08
- Tag 1910-08-27
-
Monat
1910-08
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 27.08.1910
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VleReichsslnanM im Jahre My. Nach den jetzt amtlich mitgeteilten Zahlen des Endabschlusses der Reichshauptkasse find die Ergebnisse des Reichshaushaltes für das Jahr 1909 erheblich günstiger gewesen, als nach dem Etatsvormschlag angenommen worden war. Es sind nämlich nur 126 460 318 Mk. anstatt der veranschlagten 239 757 900 Mk. als Fehl betrag 'vorläufig auf die Anleihe zu übernehmen. Das tatsächliche Ergebnis stellt sich also un gefähr um 113 297 582 Mk. besser als der Voranschlag. Interessant find folgende Einzel angaben des amtlichen Nachweises: Für den Reichstag waren 351000 Mk. mehr erforderlich. Beim Auswärtigen Amte sind die Ausgaben um 432 000 Mk. hinter dem Anschläge zurück geblieben. Im Geschäftsbereich des Reichsamts des Innern ist eine Überschreitung von 1497000 Mark zu verzeichnen. Mehr erforderlich waren insbesondere bei dem Reichszuschuß auf Grund des Jnvalidenverficherungsgesetzes ISO 000 Mk. und zu Familienunterftützungen aus Anlaß von Friedensübungen 1050 000 Mk. Für daS Reichshesr sind bei den Kontingentsverwaltungen von Preußen, Sachsen und Württemberg an fort dauernden Ausgaben 6 535 000 Mk. weniger, an einmaligen Ausgaben dagegen 7 532 OSO Mk. mehr als angesetzt, erforderlich gewesen. Die erhebliche Überschreitung ist hauptsächlich hervor gerufen durch über- bezw. außeretatsmäßige Ausgaben, und zwar von 341000 Mk. für Kasernenbauten in Köln, von 600 OM Mk. für Schießstandsersatzbauten bei Berlin und von 6 500 MO Mk. für Grunderwerbskosten zur Anlage des Truppenübungsplatzes Zehrensdorf. Die Mehrausgaben find indessen nur durch laufend, da ihnen bei den Einnahme« der Heeresverwaltung entsprechende Erstattungen sowie eine außer« etatsmäßige Einnahme von 6 375 000 Mk. für den Verkauf von Teilen des Tempelhofer Feldes bei Berlin gegenüberstehen. — Bei der Marinsverwaltung schließen die fortdauernden Ausgaben mit 1626 000 Mk. und die ein maligen Ausgaben mit 250 OM Mk. Weniger auswand ab. Bei den Fonds des Reichsschatz amts ergibt sich an fortdauernden Ausgaben ein Weniger von 37 063 000 Mk. An die Bundes staaten mußten zur Ergänzung ihres Anteils an der Erbschaftssteuer auf den Betrag der Durchschnittseinnahme in den Rechnungsjahren 1901 bis 1905 1329 OM Mark mehr als angesetzt gezahlt werden. Die den Einzelstaaten verbleibende Hälfte der Reichsstempelabgabe von Wstteinsätzen bei Pferderennen stellte sich, der Einnahme ent sprechend, um 1459 000 Mk. höher als der Voranschlag. Zur Überweisung an die Bundes staaten zwecks Unterstützung von Hausgewerbe treibenden und Arbeitern des Tabakgewerbes sind 133 OM M. mehr als angesetzt, aufge wendet. Die Verwaltung und Berzinfuug der Reich-schuld hat 1271000 Mk. mehr erfordert. Beim all gemeinen Penfionsfonds ergibt sich unter Ein schluß der erwähnten Ersparnisse bei den Ver waltungen des Reichsheeres und der Marine insgesamt eine Wenigerausgabe von 4159 MO Mk. — Bei der Reichspost- und Telegraphen verwaltung sind die fortdauernden Ausgaben um 8 940 000 Mk. und die einmaligen Aus gaben um 148 000 Mk. hinter dem Voranschläge zurückgeblieben; ebenso ist bei der Reichseisen bahnverwaltung ein Weniger von 6 268 000 Mk. bei den fortdauernden und von 95 000 Mk. bei den einmaligen Ausgaben zu ver zeichnen. — Im ganzen sind an ordentlichen Einnahmen, soweit sie dem Reiche verbleiben, 72 678 778,09 Mk. mehr aufgekommen, während an Minderausgaben 40 618 803,24 Mk. zu ver- zeichnen find. Diese amtlichen Zahlen lassen im Gegensatz zu den in letzter Zeit aufgetauchten Gerüchten von der Notwendigkeit neuer Steuern deutlich erkennen, daß sich die Finanzlage des Reiches teils durch Mehreinnahmen, teils infolge erhöhter Sparsamkeit in den einzelnen Ver waltungen langsam zu bessern beginnt. Hoffent lich ist diese Wendung von Dauer. politische Aunäscbau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm hat sich von Posen nach Königsberg begeben. Der Monarch äußerte wiederholt seine lebhafte Genugtuung über den Verlauf der Festlichkeiten aus Anlaß der Einweihung des neuen Posener Residenz schlosses. "Im Auftrage Kaiser Wilhelms machte der Staatssekretär des Auswärtigen Amts v. Kiderlen-Wächter dem kaiser lich japanischen Botschafter in Berlin einen Besuch, um di« Teilnahme des Kaisers anläß lich der Überschwemmung in Japan auszu sprechen. "Die städtischen Behörden nehmen sich mehr und mehr der Veteranen aus den Kriegen von 1864, 1866 und 1870/71 an, da ja die Unterstützung der Reichsregierung in vielen Fällen nicht ausreichend ist. So haben nach dem Beispiele von Hamburg u. a. auch die städtischen Körperschaften von Görlitz und Bunzlau eine Summe von 4000 und 15M Mk. zur Verteilung an die dortigen Veteranen aus Anlaß der vierzigjährigen Wiederkehr des Tages von Sedan in den städtischen Etat ein gestellt. * Der Verpflegung des Eis e nb ahn st er so nals, das während des Dienstes außerhalb der Familie Mahlzeiten einzunehmen gezwungen ist, bringt der preußische Eisenbahn minister v. Breitenbach großes Interesse ent gegen. Das zeigt ein Erlaß, in dem der Mnister von neuem an die Ausrüstung der Aufenthalts- und Übernachtungsräume mit Koch- öfen, Kochgeschirr usw., der Packwagen und Lokomotiven mit Wärmevorrichtungen, weiter an die Einrichtung von Kantinen und Erfrischungs räumen erinnert. Bei der hohen Bedeutung, die diese Einrichtungen nicht nur auf die Ge sundheit des Personals und dis Sicherheit des Betriebes haben, erwartet der Minister, daß die Eisenbahndirektionen dieser Fürsorge fortgesetzt ihre besondere Aufmerksamkeit zuwenden und, soweit Einrichtungen noch fehlen oder den be rechtigten Anforderungen noch nicht entsprechen, das Erforderliche veranlassen. "Auf eine Möglichkeit, zur Linderung der Fleischteuerung in Deutschland und Mitteleuropa wohlfeiles Vieh vom Auslande einzuführen, hat der argentinische Konsul in Wien hingewiesen. Er hat dieser Tage erklärt, daß die argentinische Regierung wohl in der Lage sei, wöchentlich eine Schiffsladung von 1500 bis 2000 Rindern bester Sorte, wie fie Österreich und Deutschland nicht schöner haben, nach Triest zum Versand zu bringen. Der Preis für ein solches Stück Rindvieh von über 7M Kilogramm Lebendgewicht, das jetzt in Österreich etwa 700 bis 900 Kronen kostet, würde sich in Argentinien nicht höher als auf etwa 2M Kronen stellen. Wenn die deutsche Regierung eine solche Einfuhr gestatten würde, so würde sich trotz aller Fracht und Unter- suchnngsspesen dieses Vieh frei Hamburg noch immer ganz erheblich billiger stellen als jetzt im Inlands Fleisch weit minderer Sorte. — (Es ist kaum anzunehmen, daß die deutsche Regie rung ihre bisher beobachtete Haltung in der Frage der Vieheinfuhr ändern wird.) Fra«kretÄ. Wie aus zuverlässiger Quelle verlautet, erklärte Präsident FalliLres in befreundetem Kreise, daß er mit Rücksicht auf sein Alter und seine Krankheit keinesfalls wieder für dis Präsidentschaft kandidieren werde. "Im Kriegsministerium ist man sehr miß gestimmt über die von einem Teil der Gene ralität an dem französischen Infante- i riegewehr gemachten Ausstellungen, deren! hauptsächlichste die ist, daß das Gewehr im Ernstfälle nicht drei Monate lang verwendet werden könne. General Bonnal, der Leiter der Jnfanterieinspektionen, erklärte, einer der Haupt vor t e i l e der deutschen Armee sei, daß i jede« Armeekorps einen eigenen Truppenübungs- Pla5 besitze, der gleichzeitig Schießplatz sei. In Frankreich habe man trotz der ungeheuren, für dm Armee gebrachten Opfer an dieses wichtigste Erfordernis einer guten Infanterie-Ausbildung nicht gedacht. Infolgedessen ist eine Kommission eingesetzt worden, die die Errichtung neuer Schießplätze vorbereiten soll. Bnlkanftante«. "Die türkische Handelssperre gegen Griechenland ist noch immer nicht beendet. Der griechische Gesandte hat infolge dessen in Konstantinopel eine Note überreicht, in der gegen die Fortdauer der Sperre griechi scher Waren, die eine Verletzung des Handels vertrages und der Freiheit des Handels be deute, Einspruch erhoben und die türkische Regierung für den materiellen Schaden, der Griechenland daraus erwachse, verantwortlich gemocht wird. Auf den Schritt des griechischen Gesandten erwiderte der türkische Minister des Äußeren, die Türkei habe ihr möglichstes zur Beendigung der Sperre getan, aber auch Griechenland müßte durch entsprechende Haltung in der Kretafrage dazu beitragen. Es ist nicht recht ersichtlich, was der türkische Minister von der griechischen Regierung verlangt: es sei denn, daß mit allen Mitteln die förmlich« Der- zichtleistung deS Königs auf Kreta erzwungen werden soll. Amerika. * Der Präsident von Brasilien, Hermes da Fonseca, der jetzt in Danzig an den Manövern teilnimmt und bisher in einem fran- zöfischen Kurort weilte, erklärte in einer Unter redung, daß die Beziehungen Brasiliens zu Deutschland, soweit der Waffen- und Munitionsbedarf der Republik in Betracht käme, seit 1882 ununterbrochen fort dauern und befriedigende Ergebnisse gezeitigt haben. Dieser Erfolg der deutschen Unter stützung Brasiliens bildete, wie Fonseca weiter erklärte, den Hauptinhalt seines kürzlich statt- gehabten Gesprächs mit Kaiser Wilhelm, und ganz von selbst ergab sich das Über einkommen bezüglich der Entsendung deutscher Instruktions-Offiziere nach Brasilien (das in Varis so viel böses Blut gemacht hat). Dies alles schließe aber keines wegs ms, daß Brasilien in seiner freund schaftlichen Haltung gegenüber Frankreich ver harren wolle. Afrika. "In der Nähe von Fez, dem Gebiete, in dem der ehemalige Räuberhauptmann Rai- suli Gouverneur ist, wurde der Leichnam eines Europäers aufgefunden. Der deutsche Konsul in Larasch hat ihn als einen öster reichischen Untertan frstgestellt. Die Ermordung muß mit besonderer Grausamkeit stattgefunden haben, ein Beweis, daß der mohammedanische Fanatismus in dem Gebiete wieder stark auf lebt seit Raisulis Regiment. In der Provinz soll übrigens eine starke Mißstimmung gegen Raisuli herrschen, der von der an sich armen Bevölkerung hohe Abgaben erpreßt. Das marokkanische Auswärtige Amt hat unverzüg lich die Versicherung abgegeben, daß die Schuldigen bestraft und dem Gouverneur eine Rüge erteilt werden soll. Jedenfalls zeigt das Vorkommnis, daß das Leben der Europäer im Scherffenreiche noch immer nicht ganz un gefährdet ist. k)eer und flotte. s Eine ganz eigenartige Ausnahmestellung in der deutschen Armee nimmt das 2. Bataillon des Großherroglich Mecklenburgischen Grenadier- Regiments Nr. 89 ein, das in Neustrelitz in Garnison steht und dessen Chef der Großherzog Adolf Friedrich von Mecklenburg-Strelitz ist. Als seinerzeit vor Jahrzehnten die Neuunifor mierung der deutschen Armee durchgeführt wurde, erbot sich der Vater des jetzt regierenden Großherzogs, für sein Bataillon für Verpflegung und Uniform selbst aufzukommen, wofür er in dessen die Vergünstigung forderte, an der Uniform des Bataillons kleine Abweichungen vornehmen zu dürfen, was ihm auch gestattet wurde. Daraufhin erhielt das Bataillon an Kragen und Nrmelaufichlägen gelbe Litzen im Gegensatz zum 1. und 3. Bataillon, deren Chef der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin ist und die weiße Litzen tragen. Ferner ordnete der Großherzog an, daß die Offiziere, Feldwebel, Vizefeldwebel, Portepeefähnriche wie überhaupt alle Portepeeträger an Stelle des in der ganzen Armee üblichen silbernen Portepees ein goldenes Portepee zu tragen hätten. Erst vor einigen Jahren wurde von dem jetzt regierenden Großherzog das silberne Portepee eingeführt, doch wnrde den bis dahin aktiven Portepee trägern gestattet, auch weiter in und außer dem Dienste das goldene Portepee zu tragen. Die älteren Portepeeträger sind nach wie vor stolz auf ihr goldenes Portepee. Aber noch eine andre Abweichung von der üblichen Uniform ist bei diesem Bataillon zu finden. Bei der Ein führung der Doppeltresse an den Ärmeln der Waffenröcke für etatsmäßige Feldwebel durch den Kaiser gab der Großherzog die Anordnung, daß für seine vier statsmäßigen Feldwebel die Chargenknöpfe (großen Adlerknöpfe) an den Rockkragen in Fortfall kommen, da sie sich ja nun von den Vizefeldwebeln eben durch die Doppeltresse unterschieden. Diese Anordnung besteht noch heutigen Tages. — Außer den vor einigen Tagen in der äußeren Kieler Bucht untergegangenen Torpedo booten „8 32« und „8 76« sind bereits acht Torpedoboote der deutschen Marine gesunken, von denen vier Torpedoboote später wieder gehoben werden konnten. Wie das vom Stettiner Vulkan 1884 gebaute Vrobeboot „V 3", das im Langeland-Belt sank, find es bis auf das Hochseetorpedoboot „8 12« lauter kleine Torpedoboote. „8 41" kenterte am 28. August in der Jammerbucht bei Skagen. Es ist niemals wiedergefunden worden, und dir Besatzung von 18 Mann fand den Seemanns tod. „8 48" ging bei seiner Probefahrt am 11. April 1896 infolge Zusammenstoßes mit „8 46" auf der Jade bei Hooksiel unter, wobei drei Mann ums Leben kamen. Beim Unter gänge von „8 26", das bei furchtbarem Sturme am 22. September 1897 in der Elbmündung kenterte, büßten der Kommandant Leutnant z. S. Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg und sieben Mann der Besatzung das Leben ein, während der Untergang von „8 85", das am 1. September 1898 bei schwerem Seegange während der Manöver an der Küste von Feh marn sank, keinen Verlust von Menschenleben zur Folge hatte, da die gesamte Besatzung durch das Torpedodivisionsboot „v 4« gerettet werden konnte. Sein Untergang gab übrigens den Anstoß zum Verzicht auf den weiteren Bau kleiner Boote und zur Schaffung der jetzigen modernen Hochseetorpedoboote. Am 24. Juni 1902 wurde sodann „8 42« in der Elbmündung vom englischen Dampfer „Firsby" in den Grund gebohrt, wobei außer dem Komman danten Kapitänleutnant Rosenstock v. Rhöneck vier Mann der Besatzung ein Seemanns grab fanden. Der 17. September 1905 brachte die Katastrophe von „8 126«, wobei 31 Menschen umkamen; das Fahrzeug war bei einem Nacht manöver von dem kleinen Kreuzer „Undine" gerammt und in zwei Teile zerschnitten worden. Endlich ging am 13. März 1908, von dem Dampfer „Eduard Grothmann" gerammt, in der Elbmündung „8 12" unter, doch konnte die Besatzung bis auf einen Mann geborgen werden. Von unci fern. Eine Flohfahrt luxemburgischer Prin zessinnen. Die Erbgroßherzogin von Luxemburg und ihre drei Schwestern Charlotte, Hilda und Antonie haben mit ihrem Gefolge auf einem stark gebauten, mit Tischen und Bänken be setzten und reich dekorierten Floß eine Fahrt die Isar abwärts von Lenggries aus gemacht. Die Fahrt, die sehr schön verlaufen ist, dauerte von 8 Uhr morgens bis halb 3 Uhr nach mittags. Der kranke Großherzog von Luxem burg weilt bekanntlich seit Jahren jeden Sommer auf seinem Schlosse Hohenberg bei Lenggries in Oberbayern, wo schon seine Eltern ihre zweite Heimat gefunden haben. A Vor clie Mak! gestellt. Lj Roman von M. Laut« er. Die Gesellschaft war nur noch wenige Schritte entfernt, rmd Erna, wenig entzückt von der Aussicht, in der nächsten Minute von einer Schar bettelnder, aufdringlicher Zigeuner um ringt zu werden, gab ihrem Pferde einen kräftigen Schlag mit der Gerte, um es mit Gewalt vorwärts zu treiben, da — ein Sprung, — einen Moment stand eS kerzengerade, sodaß eS seiner Reiterin nur mit äußerster Mühe gelang, sich im Sattel zu haften, und im nächsten AugeMick schoß eS davon wie ein Pfeil, wie von Furien gejagt. Anfangs empfand Erna diesen rasenden Lauf wie etwas unendlich Wonniges; eS machte ihr Vergnügen, dies Dahinfliegen, als ob ihr selbst mit einem Male Flügel ge wachsen wärm. Bämne und Sträucher tanzten in wirbeülder Eile an ihr vorüber. Ein Gedanke über die Gefährlichkeit ihrer Lage kam ihr dabei nicht; «st als sie nach einiger Zeit merkte, daß sie die Herrschaft über ihr Pferd verlor und nicht mehr imstande sei, es zu zügeln, beschlich sie ein leises Unbehagen. Ein Schwindel «faßte fie und der Atem verging ihr fast unter dem scharfen Luft zug, der ihr entgegenwehte; fir mußte sich an den Bügeln des Sattels festhalien, um nur nicht das Gleichgewicht zu verlieren, da wurde fie mit Schrecken gewahr, daß dieser selbst nicht mehr festlag. Es wurde ihr schwarz vor den Augen, fie fühlte nur noch einen heftigen Anprall — dann verlor fie dis Besinnung. Ais sie die Augen wieder aufschlug, lag sie am Wege. Sie versuchte sich zu erheben, doch war ihr noch so schwarz und schwindlig und der linke Fuß schmerzte so sehr, daß alle ihre Be mühungen vergeblich waren. Sie nahm alle Willenskraft zusammen, denn jetzt schlug das Rollen eines Wagens an ihr Ohr, und es war gar zu fatal, so gesehen zu werden, vom Pferde gefallen, auf der staubigen Landstraße Legend. Daß ihr auch das passieren mußte I Der Wagen hielt — es näherten sich eilige Schritt«, und eine tiefe, wohlklingende Stimme fragte: „Sind Sie verletzt, gnädiges Fräulein?" Sie nickte: „Ja, ich glaube." „Gestatten Sie, daß ich Ihnen behilflich bin." Dabei fühlte Sie sich von einem kräftigen Arm unterstützt, und als sie nach Änig« An strengung endlich aufrecht stand, blickte sie in das dunkelbärtige Gesicht eines ihr unbekannten Mannes. „Baron Altenstein," sagte derselbe, sich vor stellend, „und wenn Sie- nun die Güte haben wollten, mir zu sagen, wo ich Sie hinbringen charf?« Sie war zusammengezuckt, wie von einem jähen Schreck getroffen, als « seinen Namen nannte. Doch faßte fie sich gewaltsam und ent gegnete kurz abweisend: „Danke, ich werde gehen." Sie wandte sich, um ihre Abficht auszu führen, da aber versagte der kranke Fuß den Dienst. Aufschreien hätte fie mögen bei dem Versuch, einen Schritt zu machen, und biß die Zähne in dis Lippen vor Schmerz. Unmöglich, sie konnte nicht gehen. Ihrem Ritter mochte dies wohl auch klar geworden sein, denn er legte ohne weiteres seinen Arm um ihre Taille und trug sie mehr als « sie führte die wenigen Schritte bis an den Wagen. Erna fühlte, wie Kurt fie in den Wagen hin einhob und sie auf das Kissen gleiten ließ, sah, wie d« Kutsch« das zweite Sitzkissen vom Bock herunterreichte und er es ihr als Stütze unter den verletzten Fuß schob, wie er die Wagendecke über ihre Knie breitete, und ließ das alles ohne Widerstand geschehen. Es empörte sie zwar, daß fie sich Hilfe leistungen gerade dieses Mannes gefallen lassen mußte, aber es fehfte ihr jede Willenskraft, sich dagegen aufzulehnen; sie war wie in einem Traum befangen. „Nach Altenstein." „Menstein?" wiederholte er, und ein halb erstaunter, halb «kennend« Blick überflog ihre Gestalt. Dann sprang er in den Wagen, und den Platz an ihrer Seite einnehmend, rief « dem Kutscher zu: „Nach Altenstein, Gottlieb. Scharfen Trab, aber vorsichtig fahren!" Erna hatte sich in die Kiffen zurückgelehnt und schloß die Augen, eine kleine Falte zwischen den Brauen und mit ernst schmollender Lippe. Es war aber auch geradezu unerträglich, was ihr heute widerfahren. Von allen Menschen der Welt hätte sie sich am allerwenigsten von diesem Netter in solch fataler Situation überraschen lasten wollen. Im stillen hatte fie sich schon ein kleines Programm zurechtgelegt, wie sie ihn empfangen wollte, wenn er kam. Hochmütig würde sie ihn behandeln, vom ersten Augenblick an; er sollte auch nicht eine Minute darüber im Zweifel bleiben, daß der Wunsch ihres verstorbenen Vaters nicht auch der ihre sei und daß sie jede Annäherung seiner seits als eine Beleidigung betrachten würde. Und nun? Zornerfüllt mußte sie sich die beschämende Tatsache eingestehen, daß fie hilf los wie ein Kind sich in seinem Schutze be fand. Doch da war freilich der abscheuliche Fuß daran schuld, der übrigens recht empfindlich schmerzte. Kurt seinerseits ließ seinen Blick aufmerksam bettachtend auf dem jungen Mädchen an seiner Seite ruhen. „Verzeihen Sie meine Neugier," fing « nach ein« Weile an, „nicht wahr, ich habe de« Vorzug, meine Cousine Ema—?« Sie bejahte durch eine leichte Kopfbewe gung und tat, als sähe sie es nicht, daß er ihr jetzt feine Rechte hinhielt. Erst als er fragte: „Bekomme ich denn keine Hand zum Will kommen, Cousinchen?" legte sie leise die ihre hinein. „Ich bedauere herzlich, daß wir uns um«
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