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Allgemeiner Anzeiger : 10.09.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191009100
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- Saxonica
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1910
-
Monat
1910-09
- Tag 1910-09-10
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Monat
1910-09
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 10.09.1910
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Tum MerftArbeiterstreik. Für die ganze weitere Entwickelung des Lohnkampfes in der Schiffbauindustrie wird ohne Zweifel die Haltung der Arbeiterschaft von sehr verhängnisvollen Folgen sein. Als der deutsche Metallarbeiterverband an die Wersten mit einer Reihe von Forderungen herantrat, lehnten die Werften Verhandlungen ab und erklärten sich lediglich bereit, eine Vertretung der Arbeiter organisationen zu empfangen, um die Gründe ihrer Ablehnung mitzu teilen. Die Antwort der Arbeiterschaft war der Ausbruch des Streiks. Man wird dabei einige Forderungen der Werft arbeiter nicht als ganz unberechtigt ansehen können, so z. B. das Verlangen nach Einrichtung von Arbeiteransschüffen, die ja auch in der preußischen Eisenbahnverwal tung in der Zahl von mehreren Hunderten be stehen und die guten Beziehungen der Verwal tung zu ihren Arbeitern niemals beeinträchtigt haben. Ebenso ist die Herabsetzung der wöchent lichen Arbeitszeit um drei Stunden zu ver stehen, um so mehr, da diese auch auf den kaiserlichen Werften bereits zugestanden ist. Ob die Frage einer Lohnerhöhung im gegenwärtigen Zeitpunkt berechtigt war, sei dahingestellt. Lie Werften hatten von vornherein gegen Eini gungsversuche von amtlicher Seite erhebliche Bedenken; fie wollten vielmehr den Streik durch direkte Verhandlungen mit der Arbeiter schaft beilegen. Und als nun durch eine leitende Persönlichkeit der Kieler Werft die Anregung zu solchen direkten Verhandlungen gegeben wurde, erklärten sich die Wersten dazu bereit und wünschten, daß an diesen Verhandlungen, die keine Angelegenheit des Metallarbeiter verbandes allein, sondern eine Angelegenheit der gesamten Arbeiterschaft geworden war, alle Arbeiterorganisationen teilnehmen, die auf den Schiffswerften vertreten find. Dieser Vorschlag wurde indes von den sozialdemokratischen Gewerkschaften abgelehnt mit der Begründung, daß sie mit andersorganisierten Gewerkschaften nicht gemeinsam verhandeln würden. Damit war die Möglichkeit einer amtlichen Vermitte lung 'ausgeschaltet, denn eine amtliche Ver- Mittelung kann unter keinen Umständen bereit sein, Einigungsversuche zu unternehmen, wenn von der einen Seite von vornherein Teile der Arbeiterschaft von den Verhandlungen aus geschlossen werden. Man darf es deshalb als wahrscheinlich annehmen, daß es zu neuen Einigungsverhandlungen in absehbarer Zeit nicht kommen wird und daß der Verband der deutschen Metallindustriellen seine frühere Absicht einer großen Symvathie- Aussperrung in der gesamten Metallindustrie nunmehr verwirklichen wird. Damit aber steht das deutsche Wirtschaftsleben, das soeben vor einem langwierigen Bauarbeiterstreik durch einen Friedensschluß der Parteien bewahrt worden ist, vor einer neuen schweren, vielleicht noch schwereren Krise. Die Folgen der fortgesetzten Streiks und der damit in Verbindung stehenden Aussperrungen lassen sich nur annähernd über sehen, wenn man einen Blick auf Schweden wirft, dessen Wirtschaftsleben noch heute unter dem Eindruck des vorjährigen Generalstreiks steht, obwohl damals mehrere Millionen zur Unterstützung aufgebracht wurden. Man kann deshalb nur hoffen, daß, obwohl saft alle Aus fichten geschwunden find, noch in letzter Stunde eine Einigung der streitenden Parteien zustande kommt. ^VLoirter. Politische Aunälchau. Deutschland. "Kaiser Wilhelm, der anläßlich des Manövers zum Besuch beim Fürsten Dohna in Prökelwitz eingetroffen ist, hielt in Stolp, wo er der Enthüllung eines Denkmals für Kaiser Wilhelm I. beiwohnte, eine längere An sprache, in der er aus die hervorragenden Waffenoienste der Pommern verwies. * Wie verlautet, wird der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes v. Kiderlen-Wächter gegen die Mitte dieses Monats nach Bukm..^ reisen, um dem Könige Karl van Rumänien sein Abberufungsschrsibsn zu überreichen. Auf der Rückreise beabsichtigt er sich einige Tage in Wien aufzuhalten, wo er voraussichtlich vom Kaiser Franz Joseph empfangen werden wird. Möglicherweise wird er gleichzeitig mit dem Deutschen Kaiser in Wien weilen, der am 20. und 21. September dort sein wird, um seinem kaiserlichen Freunde und Bundesgenoffen zum 80. Geburtstage nachträglich auch noch seine mündlichen Glückwünsche zu überbringen. * Der Kommandeur der Schutziruppen, Oberst v. Glasenapp, tritt demnächst eine Inspektionsreise nach Süd west - afrika an. "Der neue Gouverneur von Kamerun, Dr. Gleim, wird die Ausreise nach dem Schutz gebiet am 25. d. Mts. antreten. "Für die Leitung der deutschen Grenz- regulierungsexpeditionam Kiwu see find vom Reichs-Kolonialamt jetzt zwei Kommissare ernannt worden, die beide über 15 Jahre der Schutztruppe für Deutsch-Ost afrika angehört haben. Die Ausreise der Kom missare erfolgt voraussichtlich im Dezember d. Js. Die Arbeiten am Kiwusee werden Anfang April nächsten Jahres beginnen. Die Dauer der Expedition wird auf etwa 10 Monate ver anschlagt. Fraukrsick. "Wie verlautet, hat das Kriegsministerium den Auftrag zum Bau von vier Flug- maschinen für die reguläre Armee erteilt. Der Ausbau der Luftflotte soll dann beschleunigt werden. Im Heereslager von Aldershot hat mm dieser Tage eine neue Art des Signali sierens versucht, die in den bevorstehenden Manövern weiter erprobt werden soll. Durch mächtige Scheinwerfer wurden Befehle und Nachrichten in Morsezeichen auf die Wolken- maffen geworfen, die bis auf eine Entfernung von zwanzig Meilen zu lesen waren. Enqlemd. "Vor einigen Tagen hatten Londoner Blätter gemeldet, daß eine Erweiterung desenglisch-japanischen Abkommens bevorstehe. Diese Nachricht wird jetzt durch eine amtliche Meldung aus Japan bestätigt. Danach soll der Vertrag (das Verteidigungs bündnis) zwischen Japan und England dahin abgeändert werden, daß bis zum Jahre 1916 eine Kündigung der beiden Vertragsteile aus geschloffen ist. Japan habe ferner einen Zusatz antrag zu dem Vertrage durchgesetzt, wonach im Falle eines Krieges der unbeteiligte Staat auch dann Unterstützung zu leisten hat, wenn eine dritte Macht nur diplomatisch zuungunsten des angegriffenen Teiles eingreift. — Bisher hatte der Vertrag Geltung bis 1913 und besagte, daß im Kriegsfälle die eine Macht die andre nur dann zu unterstützen habe, wenn eine dritte Macht mit ihren Streitkräften eingreist. BalkaMaate». * Die von den Botschaftern der Kretaschutz mächte der Türkei übergebene Antwortnote weist darauf hin, daß gegen die Zulassung von Venizelos und Pologeorgis zur grie chischen Nation al-Versammluug nichts geschehen könne, nachdem diese, die Volks- - führer waren, ihre Ämter in Kreta niedergelegt § und ihre Beziehungen zu Kreta gelöst hätten. Dir Aufnahme der übrigen drei kretischen Abgeord neten in die Nationalversammlung würde ver hindert werden. Für eine endgültige Lösung der Kretafrage sei indessen die Beseitigung jeder Kriegsgefahr die erste Vorbedingung. Mit diesem gewiß sachlichen Entscheid wird sich die türkische Negierung einstweilen zufrieden geben müssen. "Während noch die Regierungen der Türkei und Bulgariens über die mazedo nische Frage (Waffenablieferung) unter handeln, hat eine bulgarische Bande ein tür kisches Dorf überfallen und nahezu ausgeraubt. Wenn infolge solcher Vorkommnisse die türkische Regierung mit allem Eifer die Waffenein ziehung durchzuführen bestrebt ist, kann das nicht Überraschen. Es wäre wünschenswert, daß die türkisch-bulgarischen Verhandlungen bald zu einem Abschluß kämen, ehe Mazedonien, wie . leider schon zu oft, der Schauplatz blusiger Bruderkämpfe wird. Amerika. "Zur Befestigung des Panama kanals sind vom Kriegsdepartement der Ver. Staaten Pläne ausgearbeitet worden, die rund 280 Mill. Mk. beanspruchen. Diese ungeheure Summe muffen die Amerikaner noch aufwenden, wenn fie aus dem mit so großen Geldopfern und so unendlichen Schwierigkesten zustande- gekommenen Panamakanal praktischen Nutzen ziehen wollen. Asten. "Die Durchführung der Reformen in China, für die man jetzt den ehemals abge setzten Vizekönig Juanschikai zurückzuge winnen hoffte, scheinen an gewissen Einflüssen zu scheitern, die sich zum Schaden einer geord neten Fortarbeit bei Hofe bemerkbar machen. Dort spielt nämlich die Witwe des verstorbenen Kaisers mit ihrem Anhang immer noch eine hervorragende Rolle. Sie ist eine unversöhn liche Gegnerin aller Reformen und somit auch Juanschikais, der ohne Zweifel geeignet wäre, das chinesische Reformwerk wie kein andrer zu fördern. Man darf gespannt sein, wer in diesem Widerstreit der Interessen siegen wird. Gegen den Mkohoimißbrauch. Der Verwaltungsdirektor der Charite in Berlin, Geheimrat Dr. Pütter, berichtete vor kurzem in einer Versammlung, die das Zentral komitee der Auskunftstellen und Fürsorge-An stalten für Alkoholkranke einberufen hatte, über eine neue Kampforganisation gegen das Trinker elend in Berlin, die seit dem 1. Januar d. Js. 214 Alkoholiker ausgenommen hatte, von denen 98 Prozent schon in einem Stadium waren, daß fie entweder durch die Trunksucht arbeitsunfähig oder geisteskrank geworden sind. Auch im Reichstage wurde im Laufe des verflossenen Winters dieses traurige Thema angeschnitten, und der Staatssekretär Delbrück konnte auf eine Anregung, Mittel in den Etat einzustellen zur Erforschung und Bekämpfung des Aiko- Holismus, die erfreuliche Antwort geben, daß der Kampf gegen den Alkoholmißbrauch in erster Linie zwar Sache der Eltern, Erzieher, Meister und Vorgesetzten der Gefährdeten sei, daß sich das Reich aber auch an dem Kampfe beteilige und schon jetzt 10 000 Mk. zur Unter stützung an Vereine gebe, die auf diesem Gebiete tätig seien. Es ist niederdrückend, daß jährlich etwa 32 000 Menschen in Deutschland wegen Trunksucht der Armenpflege zur Last fallen, 30 000 Personen an Säuferwahnsinn erkranken, 1300 Menschen in der Trunkenheit verunglücken, 1800 Selbstmorde durch unmäßigen Alkohol- genuß verursacht werden und 150000 Personen wegen solcher Vergehen und Verbrechen von de» Gerichten znr Verantwortung gezogen werden, die im Rausche begangen sind. Man stelle sich vor, daß in einem Berliner Krankenhause alljährlich etwa 200 an Säufer- . Wahnsinn Erkrankte ausgenommen werden, und ' wie der ärztliche Direktor des Krankenhauses in . einem Berichte aussührt, ist diese Zahl noch viel zu gering angegeben, da sich Säuferwahnsinn im Anschluß au zahlreiche andre Krankheiten entwickelte, die als Grund der Ausnahme regi striert wurden. Vian gehe wohl kaum fehl, wenn man annehme, daß bei Männern ein Viertel bis ei« Fünftel aller Krankheiten durch übermäßigen Alkohol- und namentlich Schnapsgenuß hervorgerufen ist. Teils seien es Erkrankungen der Leber, teils des Muskel- und Nervenapparates, die durch unmäßigen Alkoholgenuß bewirkt werden und Leben und Gesundheit eines großen Teiles unsrer Be völkerung frühzeitig schädigen oder gar ganz vernichten. Staatssekretär Delbrück hat recht, wenn er zum Kampfe gegen diesen Alkohol- mißbrauch in erster Linie an die Eltern und Familien sich wendet. Vor allen sind die Frauen berufen, auf diesem Gebiete zum Besten des Volkes zu arbeiten. Es ist darum mit Freuden zu be grüßen, daß nunmehr eine Organisation ge gründet werden soll, die sich über das ganze Reich erstreckt, und die die Frauen für den Kampf gegen den Alkoholmißbrauch vorbereiten soll. Gelingt es der deutschen Frau, sich in diesem Kampfe eine Stellung zu erringen, wie sie die englische Frau schon seit Jahrzehnten inne hat, so dürfte der bis heute leider noch immer wenig erfolgreiche Kampf gegen den Mißbrauch geistiger Getränke bald Früchte zeitigen, die sich in Zahlen ausdrücken lassen. Nicht allein die Wehrkraft des Volkes, nicht seine Wirtschaftsstellung allein sind von der Lösung dieses Problems abhängig, sondern auch jeder Kulturfortschritt. Die Frau wird hier ein Gebiet finden, auf dem sie ihre Kraft und ihr Talent, ihr Geschick und ihren Geist in gleicher Weise gebrauchen kann. v. Beer rmÄ Flotte. — Das neue Linienschiff der Dreadnought- ! Klaffe „Posen" ist von Kiel auf dem Wege um Skagen nach seiner Station Wilhelms- Haven abgegangen. „Posen" und die vor acht Tagen nach Wilhelmshaven in See gegangene „Rheinland" werden nach Beendigung der Herbstmanöver an Stelle von „Zähringen" und „Wittelsbach" in das erste Geschwader der Hochseeflotte eingestellt. Diese Schiffe bilden dann mit „Nassau" und „Westfalen" die erste vollzählige Division der Dreadnoughts (größten Panzerschiffe). — Die Außerdienststellung des Spezialschiffs für Küstenkunde „Grille", der früheren ersten Königs- und Kaiserjacht, die bereits für den 19. August anberaumt gewesen, aber mit Rück sicht auf die Danziger Kaisertage dann hinaus geschoben wurde, ist jetzt in Wilhelmshaven erfolgt. Das Fahrzeug ist jetzt 53 Jahre alt (es wurde am 9. September 1857 bei Normand in Havre zu Wasser gelassen) und hißte am 3. Juni 1858 zum ersten Male Flagge und Wimpel. Den Winter über bleibt „Grille" in der Reserve, um im Frühjahr von neuem für Admiralstabsreisen unter die Flagge zu treten. Von unä fern. Ein beöentsames Werk des Friedens. Unter dem Vorsitz des französischen Ministers der öffentlichen Arbeiten, Millerand, wurde in Paris die zweite Internationale Konferenz der Techniker der Telegraphen- und Telephon verwaltungen eröffnet. Auf der Konferenz sind zweiundzwanzig Staaten vertreten. In der Rede, mit der der Verkehrsminister Millerand die Konferenz eröffnete, wird hervorgehoben, daß volle Einigung über ein bestimmtes, von allen Staaten einzuführendes Telephonsystem fürs erste nicht abzusehen sei, weil das in den meisten Staaten angewandte System der Vermittelung der Anschlüffe durch Handgriffe doch ebenso viel Anhänger zähle, wie das automatische oder halbautomatische System. Während man also noch einige Zeit Erfahrungen sammeln müsse, um mit den Vorschlägen auf Vereinheit lichung der technischen Einrichtungen in den Vermittelungsämtern hervorzutreten, könnte schon in absehbarer Zeit eine nützliche Verständigung darüber erfolgen, wie im europäischen Tslsphon- netz mannigfache, dem internationalen Verkehr hinderliche Unzukömmlichkeiten zu beseitigen seien. Ei» unehrlicher Postasfistent. In der Nacht zum 1. September wurde aus dem Haupt postamt zu Münster i. W. ein Wertpaket, das von der Sparkasse in Ochtrup an die Landes bank in Münster adressiert war und 12 000 Mk. in barem Gelds emhielt, gestohlen. Der Ver dacht lenkte sich auf den Poftasfistrnten Sch. Dieser wurde einem Verhör unterworfen und gestand, das Paket entwenoet zu haben. Bei einer Haussuchung sand man das Geld im Kleiderschrant verborgen. An der Summe fehlten nur 300 Mk. Sch. erklärte, daß er das Geld habe verwenden wollen, da er am 1. Ok tober zum Militär eintreten sollte. K Vor äie MM gestellt. Sj Roman von M. Lautner. (Forts-Sung.! „Wer war denn der Herr, der da eben sortging?" fragte einer der Offiziere, „habe ihn hier noch nie gesehen." „Das war der junge Baron von Altenstein auf Neuendorf I" entgegnete Dr. Wehlen. Ah, da hätten wir auch nicht so laut reden brauchen!" meinte Graf Bülgow zu seinem Nachbar. „I was, wir haben ja nichts Böses gesagt, im Gegenteil!" entgegnete dieser. Kurt war mit mißmutigem Gesicht in seinen Wagen gestiegen, hatte selbst die Zügel ergriffen und fuhr in scharfem Trabe mrs der Stadt. Die Unterhaltung, deren unfreiwilliger Zeuge er gewesen, ärgerte ihn. Unzweifelhaft hatte es sich um seine Koufiue gehandelt; war Erna das Gesprächsthema am Biertisch! Es verdroß ihn mehr, als er sich selbst ein gestehen wollte. Er sand es UMemlich im höchsten Grade und vergaß dabei vollständig, daß er selbst oft in fröhlichem Kreise beim Glase Bier oder Wein dasselbe getan hatte, ohne daß es ihm unpassend erschienen wäre. Aber das war eben nicht Erna gewesen. Unbewußt stellte er sie höher, als alle andern ihres Geschlechts, bettachtete sie gewissermaßen schon als sein Eigentum, an das keiner rü^en duri e Ein Name klang ihm besonders unangenehm ins Ohr: „Sacken!" War das der Glückliche, der ihre Neigung gewonnen, um deflentwillen sie ihm selbst abweisend entgegentrat? Hanna hatte sich dsmals nicht deutlich genug ms- gesprochen, als er fie befragt, und es hatte ihm den Eindruck gemacht, daß sie mehr wisse, als sie sagen wollte. Er hielt dies mit dem vorhin Gehörten zusammen und das Ergebnis war keineswegs befriedigend. Was war denn auch natürlicher, als daß ein so schönes und reiches Mädchen wie Erna Bewunderer und Bewerber in Masse fand und daß es unter all den vielen, die sie huldigend umschwärmten, einen gab, dem ihr Herz sich zuneigte. Und die logische Folge war dann, daß der von ihrem Vater entworfene Heiratsplan fie mit Abscheu erfüllte. Die Sache schien ziemlich klar und er würde die volle Wahrheit wohl bald erfahren. Aber da jede Ungewißheit in Zweifel und Unruhe stürzt, fühlte auch Kurt ein peinliches Unbehagen, das ihn dazu drängte, lieber gleich das Ärgste zu ergründen, als dieses Schwanken zwischen Hosten und Fürchten. Um die Lösung dieser Krage zu beschleunigen, beschloß er, a« einem der nächsten Tage wieder in Altenftein vorzusprechen. Es fand sich auch ein äußerer Grund, um diese schnelle Wieder holung seines Besuches zu motivieren. Er wollte den Damen sein neues Reitpferd vor führen, das vor einigen Tagen aus England glücklich eingettoffen war. Ws Pferdeliebhaber war er stolz auf die Erwerbung dieses herr lichen Tieres und wollte es auch gerne von ' andern bewundern lassen. So machte er sich denn auf den Weg, Liebe im Herzen und Zweifel in der Brust. Als er in den Alten steiner Park einlenkte, traf er, als hätten seine sehnenden Gedanken sie ihm ent- gsgengesührt, auf Erna, die in Begleitung der großen Dogge spazieren ging. Er sprang aus dem Sattel, nahm sein Pferd an dem Zügel und hatte sie mit wenigen Schritten eingeholt. Sie war leicht errötet, als er so unerwartet vor ihr stand, doch wurde sie ihrer Verwirrung bald Herr und konnte seine Frage nach ihrem Befinden mit fester Stimme beantworten. „Welch schönes Tier!" sprach sie, nachdem die üblichen Redensarten gewechselt worden, und klopfte „Luzifers" schlanken Hals, der seinen feinen Kopf nach ihr herumwandte und fie mit großen, ernsten Augen anblickie. Kurt sah ihr lächelnd zu. „Gefällt es dir?" fragte er. „Ganz ausgezeichnet; wo hast du es denn her?" Und sie trat zurück, um es besser sehen zu können. „Luzifer" ist vorgestern aus England ange kommen aus Lord Durells Gestüt. Es freut mich, daß er deinen Beifall hat, ich wollte ihn dir auch zu allererst vorführen. Sein erster Weg sollte nach Altenstein sein." Wie ein Schatten glitt es da plötzlich über ihre Züge. Sie hatte über dem Gegenstand den Besitzer vergessen, seine Worte erst brachten ihre Gedanken wieder ins Gleichgewicht. Ihm war diese Veränderung nicht ent gangen und er lenkte nun das Gespräch in all- ae^einere Bahnen, fragte nach diesem und jenem. was ihm durch seine lange Abwesenheit aus de. Gegend fremd war oder fremd geworden Warr Erna gab anfangs einsilbige Lntworten, doch ließ ihr natürliches und anerzogenes Taktgefühl sie bald alles andre vergessen, als daß sie als Wirtin dem Gast gegenüber schuldig sei, die Unterhaltung nicht ins Stocken geraten zu lassen. „Also im vorigen Wmter hast du dein erstes Debüt in der Gesellschaft gehalten," sagte Kurt im Laufe des Gespräches. „Ja, ich bin aber nur in Privatgesell schaften, zu befreundeten Familien gegangen. Große BÄle habe ich noch nicht besucht, Papa wünschte es nicht." „In kleineren Kreisen unterhält man sich ge wöhnlich am allerbesten," schaltete er ein. „Ach herrlich!" Und ein Lächeln erhellte ihre Züge in Erinnerung an die vergnügten Stunden. „Und bei wem verkehrt ihr hier zumeist?" forschte er weiter. „Ich wäre dir dankbar, wolltest du mich ein wenig darüber orientieren, wo man Besuche zu machen hat, da ich nach gerade daran denken muß, mich hier einzu- führen. Ich bin eigentlich als ganz Fremder in die Heimat gekommen und kenne hier fast keinen Menschen mehr, außer meinen alten Freund Fuller." Sie nannte ihm einige auf dem Lande an sässige Familien und meinte dann: „In der Stadt haben wir weniger Verkehr, nur mit einigen kommen wir da öfter zusammen. Mit Oberst Mass z. B. und Hauptmann Dodenberg. Bei Maffs find zwei Töchter in meinem Alter und die jugendliche Frau Dodenberg hält sich
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