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Allgemeiner Anzeiger : 07.09.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191009074
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100907
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1910
-
Monat
1910-09
- Tag 1910-09-07
-
Monat
1910-09
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 07.09.1910
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Var Zarenpaar in veutschland. Der erste Ausflug den der russische Kaiser von Friedberg auS unternahm, führte ihn in das nahegelegene Bad Nauheim. Der Zar be sichtigte dort die Badehäuser und den Park. Er kam dann in die Parkstraße und wurde hier vom Publikum erkannt, daS ihn lebhaft be grüßte. Im übrigen sind bestimmte Ver fügungen über die Veranstaltungen, die während deS Friedberger Aufenthaltes deS Zarenvaares getroffen werden sollten, auch jetzt noch nicht ge tosten. Verschiedene verbreitete Nachrichten, daß daS Verbleiben der Zarin in Friedberg noch ungewiß sei, werden als unzutreffend bezeichnet. Ein andres Bad (angeblich Kisfingen) ist nicht in Aussicht genommen. Richtig ist, daß die Kaiserin die Nauheimer Bäder fürs erste nicht nehmen und nur der Erholung leben wird. Weitere ärztliche Entscheidungen bleiben Vorbe halten. Die Zusammenkunft mit Kaiser Wilhelm findet wahrscheinlich in Wolfsgarten, aber nicht vor Anfang Oktober, statt, aber auch ein andrer Ort, wie Cronberg, ja sogar Potsdam, kommen dafür in Frage. Die Verhandlungen darüber sind bereits ausgenommen, ebenso ob die Zusammenkunft einen rein privaten oder «inen amtlichen Charakter haben soll. Die Ge rüchte, daß in den letzten Tagen politische Ver haftungen in Friedberg oder Umgebung vorge nommen worden seien, werden an zuständiger Polizeistelle in Abrede gestellt, ebenso wird die Behauptung, daß die Feuerwehr mit dem Rücken zum Kaiserwagen habe stehen müssen, als eine Fabel bezeichnet. Nach amtlichen Nachrichten waren die Absperrungen bei der Ankunft des russischen Herrschers tat sächlich geringfügig, die sonstigen Sicherheits maßregeln, soweit äußerlich erkennbar, nicht sehr erheblich. Trotzdem flattern ständig Schauer- mären hinaus über die Belästigung von Ge schäftsreisenden und über dergleichen peinliche Maßregeln mehr. In Nauheim sollen angeblich „Russen vornehmer Herkunft* ausgewiesen sein, ebenso soll es den Juden gar übel ergehen. Ein Großindustrieller auS Lodz fragte bei der Kurdirekiion brieflich an, ob sich die „Aus weisung sämtlicher russischen Juden* bewahr heitet. Jede derartige Maßnahme wird an zu ständiger Stelle ganz energisch bestritten; die oroßherzogliche Regierung würde einem solchen Ansuchen auch wirklich nicht Folge geben. Richtig aber ist, daß die russische Polizei sich um die in Nauheim wellenden Landeskinder fortgesetzt eingehend bekümmert, und daß Kur gäste, die sich hierdurch geniert fühlen, ganz vereinzelt abgereist sein mögen. Politische Kunälchau. Deutschland. * Im Beisein KaiserWilhelms wurde in Charlottenburg das neue Reich sMilitär gericht eingeweiht. * In kolonialen Kreisen ist ausgefallen, daß anläßlich der Ernennungen des Gouverneurs Dr. Seitz zum Gouverneur von Südwestafrika und des Geheimrats Dr. Gleim zum Gouver neur von Kamerun nicht auch der Gouver- nementSposten von Togo neu besetzt wurde. Die? dürfte, nach der ,B. B-Ztg.', darauf zurückzuführen sein, daß Staatssekretär v. Lindequist immer noch hofft, daß der Gou verneur Graf Zech für eine weitere Amtsperiode der Kolonie als Gouverneur erhalten bleibt. Graf Zech befindet sich gegenwärtig auS Ge- sundheitsrücksichten auf Heimatsurlaub und wollte deshalb nicht wieder in die Kolonie zu rückkehren. *Für den kommenden Herbst find vom Reichsamt deS Innern auf Wunsch beteiligter Kreise der Industrie und des Handwerks Ver handlungen über die Frage der Abgrenzung zwischen Fabrik und Handwerk in Aus sicht genommen, zu denen außer den beteiligten Ressorts des Reiches und der größten Bundes staaten auch Vertreter der Handelskammern und Handwerkskammern zugezogen werden sollHß Diese Beratungen haben die Ausgabe, festzu- stellen, ob und auf welche Weise eine klare begriffliche Bestimmung für die Unterscheidung von Fabrik und Handwerk herbeizuführen ist. Die Lösung der ganzen Frage war auf reich?« gesetzlicher Grundlage gedacht. Nun hat sich der deutsche JnnungS- und Handwerkertag auch mit dieser Angelegenheit beschäftigt, und sich dabei auf den Standpunkt gestellt, daß von einer gesetzlichen Regelung kaum große Vorteile zu erwarten sind, daß vielmehr auf dem Wege der Verständigung zwischen Handwerk und In dustrie die streitigen Fragen viel eher zu er ledigen wären. Es wurde darauf hingewiesen, daß schon in einer ganzen Reihe von Fällen eine solche Verständigung herbeigeführt sei. Wenn diese Überzeugung allgemein in den beteiligten Kreisen Platz greifen würde, so wäre damit die Lösung sehr schwieriger Fragen, die sich für eine gesetzliche Behandlung wenig eignen, außerordentlich erleichtert. *Die Unterbilanz der Automobil st e u e r, der Unterschied zwischen dem tatsäch lichen Erträgnis und dem ursprünglichen Vor anschläge der ReiLSregierung, ist noch immer eine bedeutende. Denn die Automobilsteuer hat in dem am 1. April abgeschlossenen vierten Jahre ihres Bestehens nur 2 316 000 Mk. ein gebracht, während man von Anfang an Mit einer Reineinnahme von 3V, Millionen Mark rechnete. Erst in einigen Jahren dürfte man, nach der bisherigen Entwickelung zu schließen, auf diesen Betrag kommen. * Der polnische Reichstagsabgeordnete Dr. v. SkarzynSki, der den Wahlkreis Kosten- Neutomischel vertrat, ist, 59 Jahre alt, in Aix- les-Bains, einem französischen Badeort, wo er sich zür Kur aufhielt, gestorben. *Jm Werftarbeiterstreik ist vor- läufig auf eine Einigung zwischen beiden Parteien nicht zu rechnen, da die Ausständigen den Gegenvorschlag der Werften abgelehnt haben, eine Besprechung mit Vertretern der Arbeiterorganisationen unter Hinzuziehung je eines Vertreters der Hirsch-Dunckerschen und der christlichen Gewerkschaften sowie dreier Vertreter der nationalen Arbeitervereine auf den Wersten abzuhalten. Damit sind friedliche Verhandlungen nahezu unmöglich geworden. *über die Betriebsergebnisse von Bahn linien in Deutsch - Südwest - und - O st - afrika werden im .Kolonialblatt' interessante Ausschlüsse gegeben. Danach find die Ein nahmen der Lüderitzbahnstrecke Lüderitzbucht— Kalkfontein, die im Oktober v. Js. dem öffent lichen Verkehr übergeben wurde, als durchaus befriedigend zu bezeichnen. In den ersten sechs Monaten stellten sich die Betriebseinnahmen auf rund 1V« Million Mark gegenüber 880 000 Mk. Betriebsausgaben, so daß ein Überschuß von rund 370 000 Mk. verbleibt. Bei dem Pacht verträge mit der Deutschen Kolonial-Eisenbahn- bau- und Betriebsgesellschaft in Berlin hatte der FiSkuS der Betriebspächterin der Bahn eine Mindest-Roheinnahme für das erste halbe Jahr von 700 000 Mk., für das erste volle Jahr von 1400000 Mk. zugesichert und mit einem etwaigen Betriebszuschusse gerechnet, der für den FiSkuS nach oben hin aus jährlich 200 000 Mk. begrenzt worden war. Um so erfreulicher ist es, daß statt des für den Anfang befürchteten Betriebszuschusses schon jetzt mit einem Be- triebsüberschusse zu rechnen ist. Auf der Stammstrecke Daressalam—Morogoru der ost- afrikanischen Zentralbahn ist ein Betriebsüber- schuß von 229 576 Mk. erzielt worden. Osterreich-Ungar«. * Kaiser FranzIoseph hat den öster reichischen Minister des Äußeren, Ahrenthal, und den Marquis di San Giuliano und deren Kabinettschefs in Audienz empfangen. Marauis di San Giuliano überreichte dabei dem Monarchen ein Handschreiben des Königs Viktor Emanuel, in dem der König seine dem Kaiser zum Geburtstag telegraphisch über mittelten Wünsche in den herzlichsten Worten erneuert und den Verbündeten Herrscher seiner freundschaftlichsten Gefühle versichert. Kaiser Franz Joseph sandte dem König Viktor! Mmanuel ein Danktelegramm, in dem er den König bittet, überzeugt zu sein, daß er die ihm ausgedrückten Gefühle aufrichtiger Freundschaft und BundeSgenoffenschaft auf daS wärmste erwidere. Weiter betont der Kaiser, daß eS ihn mit besonderer Genugtuung erfüllt habe, den hervorragenden Staatsmann Marquis di San Giuliano empfangen zu können. England. LL Trotzdem die von der englischen Marine in den letzten Tagen im Kanal auSgeführten Schießversuche auf Scheiben, dieFlug - Maschinen darstellen sollten, hinsichtlich deS Ergebnisses geheim gehalten werden, kann dennoch versichert werden, daß sie die Marine behörden nicht befriedigt haben. Die an Machen befestigten Scheiben, die von einem Kreuzer schnell über die Ziellinie geschleppt wurden, konnten von einem feuernden Kreuzer in einer Höhe von 1500 Fuß nicht herunter geholt werden. Belgier«. * Die Konferenz der Interparlamen tarischen Union in Brüssel hat ihre Arbeiten beendet und bestimmt, daß sie 1911 in Rom tagen wird. Die Konferenz nahm einen Antrag deS belgischen Deputierten Franck an, der verlangt, daß man dahin wirke, daß die Staaten die Beschlüsse der Londoner Seekriegs- Konferenz von 1908 annehmen. Ferner wird die Aufhebung des Seebeuterechts und die Begrenzung des Blockaderechts auf Kriegshäfen und befestigte Plätze gewünscht. Die Konferenz wünscht die Einsetzung nationaler Komitees, die jeweils Vorschläge machen sollen für die Tages ordnung der Haager Friedenskonferenz. Ein stimmig sind die Delegierten der Ansicht, daß daS Briefporto allgemein auf 10 Pfennig pro 20 Gramm zu ermäßigen sei. Ein entsprechender Anttag soll der nächsten Konferenz unterbreitet werden. Spanien. "über Bilbao ist wegen der dortigen Unruhen der Kriegszustand verhängt worden; außerdem wurden für die Stadt die Verfassungsgarantien aufgehoben. Am spanischen Hofe glaubt man, daß diese Maßregeln bald überflüßig sein werden. Vie Okolera. H „Wir werden niemals mehr die indische Cholera haben. Sie ist für Europa eine Krank heit deS 19. Jahrhunderts gewesen, sie wird keine Krankheit des 20. Jahrhunderts sein.* Trotz der furchtbaren Nachrichten über die Aus breitung der Choleraepidemie in Rußland, spricht der bekannte französische Arzt Bertillon diese Behauvtung in einem Aufsatz aus, den er der Geschichte der Epidemien im 19. Jahrhundert widmet. Er ist sich der Kühnheit seiner Prophe zeiungen bewußt, aber er glaubt, daß der grobe Vernichter aller KrankheitSträger, die Reinlichkeit, in unsrer Zeit bereits so fortgeschritten ist, um eine Ausbreitung der furchtbaren Menschheits geißel zu verhindern. DaS Erscheinen der indischen Cholera in Europa war eine Folge des gesteigerten Reiseverkehrs. So lange man nicht Reisen machte, blieb die Cholera Jahr hunderte hindurch in Indien. Im 19. Jahr hundert hat man beim Reisen die wichtigsten Vorkehrungen der Reinlichkeit nicht beachtet; heute kann die Cholera nur noch in Länder eindringen und große Verheerungen anrichten, die nicht auf der Höhe der modernen Sauberkeit stehen. Vor 1830 scheint die Cholera in Europa nicht epidemisch aufgetreten zu sein. Die Beziehungen zwischen Indien und Europa waren in den früheren Jahrhunderten nicht so ausgebildet, um diesen furchtbaren und unsicht baren Gast bei uns einzuführen. Die Eroberung Indiens durch die Engländer mußte diese Be ziehungen unendlich vermehren; die Schnelligkeit des Reisens brachte die Gefahren näher und näher. Am 26. März 1832 kam die Cholera zuerst nach Paris und tötete innerhalb von 6 Monaten 18 402 Personen; im Jahre 1849 kehrte sie zurück und forderte 19 615 Opfer. Die sechs folgenden Choleraepidemien, die sich ziemlich regelmäßig alle zehn Jahre wieder ¬ holten, waren immer weniger mörderisch. Die letzte von 1892, die hoffentlich auch die letzte bleiben soll, hatte 713 Todesfälle in ihrem Gefolge. Aus ihrem Herd in Indien macht die Cholera freilich beständig Versuche, ihre traurigen Eroberungszüqe weiter auszudebnen. Doch ist sie im wesentlichen auf die arabische Welt be schränkt, wo sie in der herrschenden Unsanberkeit die Wrundbedingnng ihrer Existenz findet. Mit den Pilgermassen, die sich alljährlich "ach dem Grabe des Pro pheten in Mekka wälzen, reisen die entsetzliche« Träger der Krankheit mit. In den fettigen Turbanen sind sie verborgen, haben ihren Sitz in der schmutzigen Kleidung, und ihr unge schwächte Wirkungsfähigkeit tragen sie wie im Fluge fort auf den raschen Eisenbahnen, während früher auf den langsamen Karawanenwegen viele dieser Mikroben den Untergang fanden. Während also in dem Gebiet der Muselmanen gleich sam eine ununterbrochene Kette der über- tragungsmöglichkeiten für die Cholera Vorhände« ist, macht sie auf dem Seewege ihre Ein fälle in ferner« Gebiete. Man hat die Ratten als die gefährlichsten Verbreiter der Cholera er kannt. Wie diese Tiere ihr traurige? und Schrecken verbreitendes Werk vollbringen, daS kann man ost bei Schiffen beobachten, die, von langer Reise zurückaekehrt, im Hafen liegen. In der Stille der Nacht kann man da zahlreiche Ratten beobachten, die sich schüchtern aus dem Schiffe bervorwagen. Genossen vom Festlande kommen herbei, um die weitgereisten Kameraden zu be grüßen; es findet ein reger Verkehr zwischen den Schiffsratten und den Landratten statt und häufig bleiben die fremden Ratten im Lande zurück, während andr« mit dem Schiffe wetter reisen. In diesem nächtlichen Getriebe der schmutzigen Tiere kann sich dann auch eine der Epidemien einsckleichen, die die schlimmste Ge fahr für die Menschheit bedeuten, neben der Cholera vor allem die Bubonenpest. Ein französischer Gelehrter Dr. Simond hat festgestellt, daß die eigentlicken Träger der Pest, die sich ja auch wieder in Odessa regt, sowie der Cholera die Flöhe der Ratten sind. Die Ratten haben wohl die Krankheitserreger, aber sie übertragen sie nicht direkt, sondern wenn die Ratte tot ist, suchen fick die Flöhe einen neuen Gastgeber, bei dem sie Aufnahme finden können, und ist es keine Ratte, die ihnen Unterschlupf bietet, so ist eS ein andres Tier oder auch ein Mensch. Durch ihre Bisse bringen sie dem neuen Opfer den Keim der Krankheit bei, den sie von ihren früheren mitgebracht haben. Diese Feststellungen Simonds sind von hoher medizi nischer Bedeutung. Neben den Flöhen der Ratten find es die Moskitos, die das Sumpf fieber und das gelbe Fieber verbreiten, ist es die Tsetse-Fliege, die die Schlafkrankheit hervor- ruft. Das wichtigste Mittel im Kampf gegen die Epidemien ist und bleibt die Sauberkeit. Die Verminderung der Sterbefälle durch Krank heits-Epidemien läßt sich aus folgender Statistik von Paris für die Zeit seit 1881 bis 1885 er kennen. Damals starben auf 100 000 Ein wohner 88 am Typhus, 1909 nur 9, in Men nur 6; an Blattern 21, jetzt gibt eS überhaupt keine Todesfälle durch diese Krankheit mehr; 54 starben an den Masern, 1909 18; an DiphtheritiS starben 88, 1909 10. - Von unä fern. Sin «euer Überfall auf der Berliner Stadtbahn. Noch ehe es gelungen ist, den Räuber zu ermitteln, der vor kaum vierzehn Tagen den verwegenen Überfall auf eine junge Dame im fahrenden Südringzuge ausführte, ist auf derselben Strecke ein neuer Raubanfall ver übt worden. Kurz nach V,3 Uhr nachmittags überfiel der 22 jährige stellungslose Hausdiener August Köhler dicht vor der Station Schöne- berg die gleichaltrige Verkäuferin Elisabeth Iakob auS Wilmersdorf, Bruchsalstraße Nr. 12, würgte sie und versuchte sie zu berauben. ES gelang den Fahrgästen, den Burschen zu fassen und der Polizei zu übergeben. A Vor äie MM gestellt. 8^ Roman von M. Lautner. t^artsetzung.» Zögernd fuhr Hanna fort: „Nun, und Erna, das verwöhnte Kind, daS stets um seine kleinsten Wünsche befragt worden, — ach, Sie dürfen eS mir nicht übel nehmen. Ich bin überzeugt, fie wird auch ihren Widerwillen gegen — gegen diese Be stimmung noch überwinden. — Sie müssen ein wenig Geduld mit ihr haben. Sie ist ja noch so jung, und eS kam ihr so überraschend. Sie wird es sicher noch zur rechten Zeit einsehen, wie töricht «S wäre, ihren ganzen Besitz zu opfem — bloß um ihr Trotzköpfchen durchzu führen.* Kurt war sehr ernst geworden, und eine tiefe Falle hatte sich zwischen seine Brauen gelagert. „Ach, jetzt verstehe ich Sie!* sprach er und sah düster vor sich hin. — Schweigend gingen fie nebeneinander, denn auch Hanna war mit ihren Gedanken beschäftigt, die freilich ganz andrer Natur waren, als die ihres Begleiters, trotzdem fie sich um denselben Punkt drehten. „Eine Frage noch,* fing dieser nach einer Weile wieder an: „Hat Erna irgend eine Nei gung — ich meine — ist ihr Herz nicht mehr frei?* „DaS kann ich Ihnen beim besten Willen nicht verraten, sie hat mich nicht darin zu ihrer Vertrauten gemacht.* „Aber Sie find doch lange hier im Hause und haben vielleicht Ihre eigenen Beobachtungen gemacht.* „Sehen Sie, sie hat sich die Cour machen lassen; es ist ihr gehuldigt worden, wie jedem hübschen Mädcken, daS zufällig auch Erbin ist. Vergangenen Winter, als sie in die Gesellschaft trat, wurde sie überall sehr gefeiert. Möglich, daß es dabei einem oder dem andern gelungen ist, ihr Herz zu wecken. ES haben auch öfter Herren hier verkehrt. Offiziere auS B. kamen heraus.* Sie schwieg, und er fragte nicht weiter. Inzwischen hatten sie daS Schloß beinahe erreicht und Erna erblickend, lief Hanna auf sie zu, faßte ihren Kopf mit beiden Händen und sah ibr lachend in die Augen. „Waren wir zu lange, bist du böse, Herz?* fragte fie. „Wie kannst du daS denken?* wehrte Erna sich gegen einen solchen Verdacht und machte sich mit einer ungeduldigen Bewegung frei. - ES war so schön im Park, daß wir gar nicht an vie Zeit dachten, nicht wahr?* fuhr Hanna mit einem Blick auf Kurt fort. „Ich glaube wahrhaftig, wir find sckon lange fortgewesen.* „Der Park ist wirklich sehr schön, und ich beneide dich um den prächtigen Wildstand darin!* wandte dieser sich an Erna, seine innere Be wegung gewaltsam niederkämpfend. „Ja, denke dir,* fiel Hanna ein, „wir sahen ein ganzes Rudel Rehe und fie liefen gar nicht davon, die herzigen Tierchen: wir waren ziemlich nahe heran.* „Und von Fasanen wimmelt's ja förmlich. Ich denke mir das reizend, so »st der Flinte in den Park zu schlendern oder vom Fenster auS gelegentlich einen Schuß zu tun.* „Sie scheinen mir ein großer Nimrod vor dem Herrn,* wandte sich Hanna wieder an Altenstein, „die Jagdpasfion leuchtet Ihnen ja ordentlich aus den Augen.* Inzwischen war Tante Lottcken, die durch die Stimmen auS ihrem sanften Schlummer er wachte, in der Tür erschienen. „Wohl geschlafen, Tantchen?* „Du weißt ja, Hanna, ich schlafe nie. Ich habe gelesen.* Srna könnt« ein Lächeln nicht unterdrücken in Erinnerung an die melodischen Töne, die sie eine Stunde lang zu hören gezwungen war, Hanna aber umfaßte die alle Dame und sie im Kreise drehend, rief sie lachend: „Aber deine Haube, die ganz schief sitzt, und deine rotgedrückten Wange» strafen dich Lügen.* Die Tante wurde ganz rot. „Närrisches Ding du. Die Haube hast du mir jetzt eben in Unordnung gebracht, du wirfst mich ja beinahe um!* und st» bemühte sich, fie wieder gerade zu richten. „Aber die rotgedrückten Wangen,* beharrte Hanna; doch Tante Lottchen schien diese Be merkung zu überhören oder doch keiner Be achtung zu würdigen. „Ich denke, du machst uns lieber den Kaff«e,* sagte sie. Erna war wieder schweigsam und auch Kurt hatte offenbar seine fröhlich« Laune von vorhin irgendwo unterwegs zurückgelaflen. — Als Kurt später im Wagen saß ,md nach seiner einsamen Wohnung fuhr, waren es «rast» Gedanken, die ihn dahin begleiteten. Merkwürdig, er, der nie daran gedacht, sich in HymenS Fesseln zu begeben, obgleich ei« solcher Gedanke ihm oft recht nahe gelegt worden war, der den dahinzielenden Wunsch seine» OnkelS anfangs als etwas, daS kaum ernst ge meint sein konnte, fast mit Lacken ausgenommen, er hatte sich in den wenigen Tagen seit seiner Rückkehr mit einer solchen Möglichkeit, viel leicht unbewußt, so vertraut gemacht, daß di» Wort« HannaS, die ihn noch ganz erfüllten, beinahe daS Gefühl einer getäuschten Hoffmmg in ihm erweckten. Jedenfalls verstimmten sie ihn fies, und er ärgerte sich über sich selbst, daß er sich dadurch verstimmen ließ. Es war wohl auch nur daS ungewohnte, einförmige Landleben daran schuld, daß er ia letzter Zeit überhaupt an die Möglichkeit seiner Verheiratung gedackt, und daß er kamst immer Ernas Bild verflochten, war ebenso natürlich, als erklärlich. Auf dem Lande ist man ja gewifsermaßea darauf angewiesen, zu heiraten. WaS sollte er machen, allein in seinem großen Besitztum? DaS würde ihm bald un gemütlich werden; die weiten, zum größten Teil unbewohnten Räum« verursachten ihm jetzt schon manchmal daS Gefühl der Vereinsamung. Er hatte sich nm in «in paar Parterrezimmem eingerichtet. Sein Arbeits- und Wohnzimmer, in welch«« er sich zumeist aufhielt, daneben dar Schlaf zimmer, ein kleiner Salon und dak geräumige.
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