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Allgemeiner Anzeiger : 29.10.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-10-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191010297
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19101029
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1910
-
Monat
1910-10
- Tag 1910-10-29
-
Monat
1910-10
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 29.10.1910
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Vie Tiele äes Deutschen flotten-Vereins. In Eisenach fand die Tagung des Landes» Verbandes von Sachsen-Weimar des Deutschen Flotten-Vereins statt. Eine besondere Bedeutung erhielt sie durch die Ausführungen des Nräsi- denten des Deutschen Flotten-Vereins, Groß admirals v. Köster, über die Ziele des Vereins, die neuerdings aus Anlaß des Verkaufs zweier Krieasschiffe an die Türkei verschiedentlich be sprochen worden waren Er führte dazu aus: „An den Verkauf dieser Schiffe knüpften sich auch von einer Seite unsres Vereins insofern besondere Erwartungen, als man wünschte, daß der baldigste Ersatz derselben auf unser Pro gramm gesetzt werde und daß namentlich der Neubau des noch immer fehlenden 17. Flotten flaggschiffes betrieben werden möchte. Meine Herten ! Wir mußten uns dieser Anregung gegenüber durchaus ablehnend verhalten, wenn gleich wir nicht verkannt haben, daß sie von einem warmen Interesse für Ausgestaltung und Kräftigung unsrer Marine Zeugnis ablegt. Ich möchte Sie aber bitten, wohl zu erwägen, welche Unannehmlichkeiten dem Präsidium erwachsen, wenn derartige Vorschläge der Öffentlichkeit über geben werden, ohne daß es vorher gehört wor den ist. Nach wie vor halten wir es für unsre Pflicht, unter keinen Umständen von unserm auf der vollkommene« Durchführung des Flottengesetzes beruhenden Programm abzuweichen, und wir haben deshalb zu berücksichtigen, daß die Ge nehmigung eines Ersatzbaues für die so glücklich veräußerten Schiffe schon für das nächste Jahr zu erwarten ist und daß die Einstellung des Flottenflaggschiffes, das im Bestände unsrer Linienschiffe schon lange vorhanden ist, keine Mmerial-, sondern eine Personalfrage bedeutet. Die Folge der vorstehend erwähnten Anregung war natürlich, d'aß zunächst unsre und dann die Auslandspreise diese neue Werbearbeit auf nahmen, daß man wieder von den uferlose« Forderungen des Flottenvereius sprach und daß in England die von 100 Admi ralen und Generalen unterstützte Forderung einer Zwei-Milliarden-Anleihe für die Flotte neue Nahrung erhielt. Sie sehen daraus, meine Herren, daß solche Anregungen, wenn sie in der Öffentlichkeit besprochen werden, durchaus nicht harmloser Natur sind, und ich möchte es bei dieser Gelegenheit nochmals betonen: Nicht auf ein Wettrüsten kommt es uns an, die Durch führung des Flottengesetzes ist's, was wir er streben, die Durchführung dieses Gesetzes, das klar und deutlich den Weg anzeigt, den wir für unsre Rüstungen zur See einzuschlagen haben, so daß eS eigentlich nur von übelwollenden miß verstanden werden kann. Wenn in der Presse weiter über Flottenabkommen und über Verständigungen betreffs der See- rüftungen der tonangebenden Mächte geschrieben worden ist, so meine ich, daß von feiten des Deutschen Reiches die Grundlage für eine derartige Ver ständigung bereits vor Jahren geschaffen war, als Regierung und Parlament durch Vorlage und Bewilligung des Flottengesetzes den Weg, den sie zu verfolgen gedenken, klipp und klar angegeben und es später bei den verschiedensten Gelegenheiten betont haben, daß eine Veran lassung, über das uns damals gesteckte Ziel hinauszugehen, trotz der sehr bedeutsamen Zu nahme unsrer Schiffahrt und der zu dieser in engster Beziehung stehenden allgemeinen Handels und Kolonialinteressen nicht vorliege. In bezug auf die Größe der Schiffe könnten wir gegen die Vereine andrer Staaten nicht zurückstehen. Noch jüngst hat der uns wohlbekannte englische Admiral Lord Charles Beresford in einem offenen Briefe an Englands Premierminister sich dahin ausgesprochen, daß Kreuzer in den Heimathäfen ohne vollzählige Besatzungen nutzlos seien. Unser Gesetz bringt aber bezüglich der Flotte folgende Grundsätze zur Geltung: „Von der Reserveschlachtflotte soll die Hälfte der Linienschiffe und Kreuzer dauernd in Dienst ge halten werden." Wenn dieser Grundsatz MsheD noch nicht durchgeführt worden ist, so^nndies lediglich auf den G Mangel an Personal, V also auf eine Geldfrage, zurnckgefkhrt werden. Denn wenn eine dahingehende Bestimmung sich vor zehn Jahren, bei der damals verhältnis mäßig einfachen Konstruktion der Schiffe, schon als wünschenswert erwies, wie viel mehr muß dies heute der Fall sein, wo das moderne Schiff sich zu einer Vereinigung von Dampf-, hydrau lischen und elektrischen Maschinen mannig faltigster Art herausgebildet hat, deren Zahl sich bei der „Nassau"-Klasse schon auf mehr als 120 gesteigert hat. Unser Bauprogramm, das bis zum Jahre 1917 den Bau der Linienschiffe in der erhofften Weise vorsieht, läßt uns aber in bezug auf die großen Kreuzer insofern im Stich, als es einen Ersatzbau für die in Schul schiffe umgewandelten Kreuzer der „Hertha"- Klasse erst nach der gesetzmäßigen Frist von 20 Jahren vorsieht, während die Schiffe infolge ihrer Umwandlung in Schulschiff« tatsächlich mit ihrer Umwandlung in schwim mende Gymnasien aus der Liste der Kreuzer zu streichen waren. Ein Panzerkreuzer mehr vom Jahre 1912 würde das hier bestehende Manko ausfüllen. Die völlige Durchführung des von allen Landes- und Provinzial» erbänden des Flottenvereins gebilligten Programms Ihres Präsidiums muß aber nach wie vor das Ziel sein, das wir mit aller Kraft um so mehr an zustreben haben, als unsre Auslandsinteressen, die in so glücklichem Fortschritt begriffen sind, eine kräftigere Vertretung unsrer Flagge im Auslande bedingen, als dies aus Ihnen be kannten und von Ihnen anerkannten Gründen bisher möglich war." politische Aunälchau. Deutschland. *Aus Anlaß des Kaiserbesuches in Brüssel fand dort eine Galatafel statt, bei der zwischen Kaiser Wilhelm und dem König von Belgien herzliche Trinksprüche ge wechselt wurden. *Das Zarenpaar ist von Friedberg nach Schloß Wolfsgarten bei Darmstadt über gesiedelt. * In dem nächstjährigen Haushaltsplan der Reichspost, und Telegraphenver- wattung sind 500 neue Stellen für Post assistenten, 500 für Oberpostschaffner, und 400 für Postschaffner vorgesehen. Im letzten Jahre waren keine Stellen geschaffen worden. Frankreich. * Die jetzt wieder zusammengetretene fran zösische Kammer hat den erwarteten großen Tag gehabt. Ministerpräsident Briand hat sofort die Gelegenheit benutzt, den Parteien der äußersten Linken entgegenzutreten und seine Behandlung des Eisenbahner st reiks zu rechtfertigen. Von Anfang an herrschte die größte Erregung, und es kam wiederholt zu Zwischenfällen, die eine Unterbrechung der Sitzung nötig machten, den schließlichen parla mentarischen Erfolg Briands aber nicht hinderten. ES gelang zwar nicht, die Beratung zu Ende zu führen, aber die Glückwünsche und der nicht endenwollende Beifall, der Briand nach seiner großen Rede zuteil wurde, lassen erkennen, daß seine Maßnahmen nur bei der äußersten Linken verurteilt werden. Wenn es trotzdem zu einer Kabinettskrise kommt, so liegt das daran, daß der Arbeitsminister Viviani die Politik Briands nicht billigt. Er dürfte also aus dem Kabinett ausscheiden. Valkauftaate«. * Nach den letzten Nachrichten hat der fran zösische Botschafter Bompard in Konstaminopel alle Ursache, mit dem Verlauf seiner Unterredung mit dem Minister des Auswärtigen Rifaat-Pascha zufrieden zu sein. Die türkische Regierung legt, wie es heißt, den größten Wert darauf, in gutem Einvernehmen mit Frankreich zu bleiben und möchte den französischen Geld markt nicht für alle Zukunft verschlossen sehen. In diesem Sinne wird Bompard nach Paris berichten. Der Botschafter wird hmzufügen, daß der Geldbedarf der türkischen Regierung 150 Millionen weit übersteige, und daß ein er neuter Aufruf an das französische Kapital un vermeidlich scheine. Es würde sich nur darum handeln, daß man in Paris auf jene Bedin gungen verzichte, die mit der Machtstellung der Türkei unvereinbar find. *Der griechische Ministerpräsident Veni zelos hat sich mit dem zum Teil unter Vor behalt ausgesprochenen Vertrauensvotum der griechischen Nationalversamm lung nicht zufrieden gegeben, sondern der un haltbaren Lage ein schnelles Ende gemacht. Er hat in einer Audienz, die er beim König hatte, erklärt, wenn die Stimmen, die er aus Gefällig keit erhalten habe, abgezogen würden, so habe er nicht das Vertrauen der Mehrheit. Der König hat ihm darauf die Genehmigung zur Auf lösung der Kammer gegeben, und Veni zelos hat von dieser Genehmigung auch sofort Gebrauch gemacht. Wenn auch unter einzelnen Gegnern des neuen Ministerpräsidenten starker Unwillen herrscht, so dürfte es Venizelos doch gelingen, Herr der Lage zu werden. Amerika. *Der 8. November, der Tag, an dem die Entscheidung darüber fällt, ob die Republi kaner auch künftighin in Nordamerika die Herrschaft ausüben' werden oder sie an die Demokraten abtreten müssen, rückt immer näher, und schon häufen sich die Wetten, die über die mutmaßlichen Siege der einzelnen Gouverneurskandidaten abgeschlossen werden. Selbst wenn, wie bisher, die Republikaner aber im Staate New Jork siegen sollten, dürfte ihnen der Wahlkampf in den andern Staaten manche Niederlage bringen. In ihren Reihen weiß man, daß sich ein Umschwung der politischen Anschauung der Massen vollzogen hat. Die Siegesgewißheit unter den Demokraten wächst immer mehr. Neue Parteikräfte regen sich in den Ver. Staaten, das alte Partei-System droht zusammenzubrechen, und neue Gruppen mit neuen Zielen ringen sich empor. Aste«. *Der japanische Ministerpräsident Kat sura erklärte auf einem Festessen der Kauf leute, das einzige Neue in dem nächsten Budget werde die Zuwendung von 70 Millionen Jen (140 Mill. Mk.) für die Vermehrung der Flotte sein. Die Summe solle auf sechs Jahre verteilt werden. Der durch die Über schwemmungen verursachte Schaden und die Kosten der Angliederung Koreas würden das Budget nicht wesentlich beeinflussen. Es werde möglich sein, dieses aufzustellen, ohne zu einer Anleihe Zuflucht zu nehmen. * Dieser Tage wurde in Peking das so genannte Vorparlament oder die National versammlung. eröffnet. Unter begeisterten Beifallsausbrüchen wurde einstimmig der Be schluß angenommen, dem Prinz-Regenten die alsbaldige Einberufung eines Parlaments zu empfehlen. Wie den.Times' aus Peking ge meldet wird, stimmten selbst die Mongolensürsten und der Mandschuadel dafür. Dieser Beschluß wird durch eine außerordentlich starke Bewegung im ganzen Chinesenreich unterstützt, wo der Erfolg der neu eingeführten Provinzlandtage Stimmung dafür gemacht hat. Auch die Provinzialbehörden sind für die baldige Ein berufung des Parlamentes. Sämtliche Vize- könige haben sich dazu bekehrt, mit Ausnahme der von Tientsin und Nanking. Eine Depu tation, die den Prinz-Regenten dieser Tage be suchte, um ihm die Wünsche des Volkes vorzu tragen, wurde von ihm sehr entgegenkommend empfangen. Ursprünglich hatte der Hof be absichtigt, der Einführung der Verfassung und des Parlamentes eine siebenjährige Vor bereitungsperiode vorausgehen zu lassen, doch ist man jetzt der Überzeugung, daß die Regie rung dem allgemeinen Drängen nachgeben und noch vor 1913 das erste Parlament einbe rufen wird. *Mit bemerkenswertem Eifer betreibt CHissa die geplanten Reformen. So hat in diesen Tagen der mandschurische Provinzialrat be schlossen, die von der regierenden Dynastie ge schaffenen Vorrechte der mandschurischen Truppen aufzuheben und die Mandschuren ebenso wie die übrige Bevölkerung Chinas zum Dienst in der reorganisierten Armee heranzuziehen. Var Gordon-Bennett-Rennen der Lüste. In Amerika ist in diesen Tagen die sport freudige Welt in besonderer Spannung gewesen: Freiballons aus allen Teilen der Welt stiegen bei New Jork zu einem Dauer- und Weitfluge auf, der wieder einmal zeigte, welche Leistungen bei den heutigen Mitteln der Lustschiffahrtstechnik schon ein Freiballon zu vollbringen vermag. Interessant ist, daß bei diesem internationalen Wettfliegen ein delüscher Ballon die bemerkens werteste Fahrt gemacht hat. Der Ballon „Düffeldorf" ist Mittwoch mittag in der Nähe von Kiskifink (Quebeck) gelandet. Die Mannschaft behauptet, 1240 englische Meilen zurückgelegt zu haben. Ferner wurde mitgeteilt, der Ballon hätte bei der Landung noch 15 Sack Ballast gehabt und hätte sich noch 3ö Stunden in der Luft halten können, wenn sie nicht gefürchtet hätten, daß sie beim Verlassen der Eisenbahn nicht wieder in zivilisierte Gegenden gekommen wären. Der Ballon sei zuerst in der Richtung auf Mil waukee getrieben worden, dann nach Nord osten. An der kanadischen Grenze hätte er in folge von Windstille fünf Stunden still ge legen, dann sei er 75 Meilen die Stunde getrieben worden. 17 Meilen jenseits des Sees Kiskifink seien sie hart, aber unbeschädigt ge landet. In sechs Stunden seien sie durch Unterholz nur eine halbe Meile vorwärts ge drungen. Deshalb wären sie zum Ballon zurückgekehrt, hätten sich dort verproviantiert und wären dann etwa 48 Stunden gewandert, wo sie einen Waldhüter trafen, der sie nach Kiskifink brachte. — Der Ballon „Germania" unter Führung des Hauptmanns v. Abercron war 1195 englische Meilen geflogen und gleich falls in Quebeck gelandet. — Es liegen nun mehr von allen Teilnehmern an dem Gordon- Bennett-Fliegen Landungsnachrichten vor, bis auf den Ballou „Amerika". Da auch die Insassen von mehreren der andern Ballons erst tagelang nach der Landung auS den unwirtlichen und einsamen Gegenden Nach richten geben konnten, so besteht um das Schick sal der „Amerika" vorläufig noch keine ernst« Besorgnis. Oberst Schaeck, der Führer der „Helvetia" (der Gewinner des vorjährigen ersten Preises), der ebenfalls an der Wett fahrt teilnahm, berichtet allerdings, er habe beim Kreuzen des Huronsees einen fallenden Ballon gesehen. Die Beleuchtung sei schlecht gewesen, und er habe daher durch das Fernglas weder das Fahrzeug erkennen noch feststellen können, ob es bemannt gewesen sei. Jedenfalls darf schon jetzt gesagt werden, daß die Führer sämtlicher deutscher Ballons in diesem Wettfluge Außerordentliches geleistet haben. Von unä fern. Im Dienste der Jugenderziehung. Die deutschen Berufsvormünoer traten am Montag im Bürgersaale des Berliner Rat hauses zusammen. Vertreten waren die Staats behörden Preußens, Sachsens und Elsaß- Lothringens. Auch die ungarische Regierung hat Abgeordnete entsandt, drei Juristen, die der Vormundschaftsbehörde angehören. Ferner sind Provinzialverwaltungen vertreten, unter diesen auch das Rechtsschutzamt des Niederösterreichi schen Landes-Zentral-Kinderheims in Wien und die Rechtsschutzabteilung der Landesfindelanstatt in Graz. Eine besondere Abteilung der Dele gierten bilden die Richter. Am stärksten jedoch sind die Städte vertreten. Besonders bemerkt wird, daß Wien seinen Bürgermeister Dr. Jos. Porzer entsandt hat. Kl Vor äie MM gestellt. 23j Roman von M. Lautner. iFortsetzmia-I Als Erna Kurt gewahrte, kam fie auf ihn zu — ihre Hände begegneten sich — und ihn ins andre Zimmer zurückziehend, flüsterte sie: „Sie schläft. Die Schwester meint, das wäre ein gutes Zeichen, die Krisis sei vorüber, und wir dürften wieder hoffen. Ach, wenn ich das glauben könnte." Sie hatte sich in einen Sessel sinken lassen und bedeckte das Gesicht mit beiden Händen, während ihre Brust sich vor innerer Erregung hob und senkte. „Gott sei Dank!" rief Kurt leise, mit einem Gefühl, als sei ihm eine Last vom Herzen ge nommen. „Gewiß darfst du ihr glauben, sie hat ja Erfahrung in solchen Dingen." Er trat an ihre Seite und beugte sich zu ihr herab. „Sei guten Mutes, Erna! Alles wird jetzt wieder gut werden." Sie ließ die Hände in den Schoß sinken und sab mit einem unbeschreiblichen Blick zu ihm auf, einem Mick, in dem Angst und Hoffnung sich um die Herrschaft stritten. — Eine halbe Stunde verging, und alles blieb still — die Kranke lag in tiefem, ruhigen Schlaf. Inzwischen war es Tag geworden. Ecua röschte die Lampe aus und öffnete *das Fenster, da funkelte ihr ein goldiger, sonniger, taustischer Morgen entgegen, und mit unsagbarer Wonne atmete sie die kühle, würzige Luft. Die Angst und Aufregung der letzten Stunden batten ihre Wangen weiß gefärbt und tiefe Schatten unter ihre Augen gezeichnet, die das klare Tageslicht jetzt deutlicher gewahren ließ. Auf Kurts Zureden, sich jetzt auch Ruhe zu gönnen, entschloß sie sich, zu Bett zu gehen, während er selbst, nachdem Anton — der die Nacht ebenfalls wachend verbracht — ihm noch eine Tasse Kaffee brachte, das Schloß verließ. — Nach einem Gang in den Wntschaftshof, wo inzwischen schon Leben und Tätigkeit sich regte, bestieg er seinen „Lncifer" und sprengte in den jungen Tag hinein, nach Neuendorf zurück — und ein Dankesblick und -Wort der Gesiebten begleitete ihn dahin. Geheimrat Wehlen konnte an diesem Tage in dem Befinden seiner Patientin eine ent schiedene Besserung feststellen, zu seiner eigenen großen Verwunderung. In der Nacht war die Krisis wirklich ein getreten und hatte eine günstige Wendung an genommen, die zunächst in einem mehrere Stunden andauernden Schlafe, aus dem die Kranke mit vollem Bewußtsein erwachte, zum Ausdruck kam. So mußte der Todesengel, der so lange drohend seinen Platz behauptet hatte, doch end lich das Feld räumen, und langsam, ganz lang sam, aber doch unverkennbar, schritt die Gene sung vorwärts. , Die Epidemie schien nun überhaupt ihren Höhepunkt erreicht zu haben, die Zahl der Er- kmnkungen minderte sich von Tag zu Tag, und mm: fing allmählich an, wieder auszuaimen und feisten gewohnten Beschäftigungen nachzugehen. In vielen Famisi'n hatte der Tod doch manche Lücke gerissen, bm^ hier den Ernährer oder die sorgende Mutter hinweggerafft, bald dort eine fröhliche Kinderstimme auf immer ver stummen gemacht. Wohl sah man auch bei einem Gange durch das Dorf noch hohläugige, bleiche Gestalten schleppenden Schrittes ein sonniges Plätzchen ausiuchen oder vor den Türen sitzen, doch ver wischte die rastlos rollende Zeit bald auch diese Spuren und rückte nach und nach — äußerlich wenigstens — alles wieder inS alte Gleis. Kurt von Altenstein beschäftigte inzwischen die schwierige Aufgabe, unter den vielen für die frei gewordene Juspektorstelle aufgetretenen Be werbern eine Wahl zu treffen. Mit Vertrauen hatte ihm Ernas Vormund in dieser Sache ganz freie Hand gelassen, um seinem — wie er sich liebenswürdig ausdrückte — besseren Verständnis das eigene Recht abzu treten. Und er wußte recht gut, was er damit tat, denn es war durchaus nichts Leichtes, für diesen verantwortlichen und ganz selbständigen Posten den richtigen Mann zu treffen. Unentschlossenheit gehörte zwar nicht zu den Fehlern Kurts, hier konnte er aber zu keiner Entscheidung kommen und immer wieder legte er mit unzufriedener Miene die eingelaufenen Briefe beiseite. Eines Tages fand Kurt wiederum eine Anzahl Meldungen in Altenstein vor und hatte dieselben eben durchgesehen, als Erna ins Zim mer trat. „Nun. wie steht's, ist etwas Annehmbares darunter?" rief sie ihm zu. „Kaum," entgegnete er, „die Zeugnisse find zwar nicht schlecht, einige sogar recht gut, aber trotzdem eignet sich wohl keiner von den Be werbern für die Stellung." „Das ist ja aber recht schlimm," sprach Erna, indem fie eines der umherlieaenden Blätter auf nahm und darin zu lesen anfing. „Ja, sehr schlimm," ergänzte Kurt. „Ich habe es auch aufgegeben, auf diese Weise eine passende Persönlichkeit zu finden, und habe eine andre Idee." „Und was denkst du zu tun?" „Ich trete dir Pohl ab und suche mir einen andern." „Das ist außerodentlich liebenswürdig von dir, Kurt, aber — davon kann keine Rede sein. Ein solches Opfer nehme ich auf keinen Fall an." „Aber wer spricht denn von einem Opfer? Pohl selbst wird sich nicht ärgern, wenn er die viel bessere Stellung hier übernehmen kann." „Das ist ja möglich," unterbrach fie ihn, „aber trotzdem — kein Wort mehr davon, ich bitte dich sehr dämm." „Verzeih, Coufinchen, aber dann muß ich — so leid es mir tut — Men deinen Willen handeln. Wir können diesen verantwortlichen Posten nur einem erprobten, zuverlässigen Mann« anvertrauen; er ist ja hier ohne jede Kontrolle, kann wie als eigener Herr tun und treiben, waS er will; da setzt man doch nicht den ersten besten hin." Schweigend und mit geröteten Wangen halt«
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