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Allgemeiner Anzeiger : 13.08.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-08-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191008131
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100813
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1910
-
Monat
1910-08
- Tag 1910-08-13
-
Monat
1910-08
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 13.08.1910
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hohenzollern und Cumberland. Die von Wien aus verbreitete Nach richt, daß es demnächst zu einer völligen Aus söhnung zwischen den Häusern Hohenzollern und Cumberland kommen werde, hat keine Be stätigung gefunden. Trotz des geschickt ange legten Planes, hierbei den greisen Kaiser Franz Joseph, der ja zu beiden Häusern die besten und freundschaftlichsten Beziehungen unterhält, als Mittler dienen zu lassen, mußte man denn auch von vornherein der Nachricht mit großem Zweifel gegen überstehen, weil auch dieser Ver mittler, so sehr es auch sein Wunsch sein mag, es nicht mehr erleben dürste, daß die kaum überbrückbarer« Gegensätze ausgeglichen werden, ja überbaupt einstweilen ausgeglichen werden können. Um das Verhält nis der beiden Häuser zueinander zu verstehen, ist es vielleicht angebracht, die Geschichte der Spannung zu erzählen: Ms der Konflikt zwischen Österreich und Preußen im Frühjahr 1866 ernstlich wurde, befahl auch König GeorgV., der Vater des jetzigen Hauptes der Familie, die Rüstungen, um an der Seite Österreichs zu kämvfen. Deshalb stimmte Hannover auch am 14. Juni 1866 im Bundestage für den öster reichischen Antrag auf Mobilmachung des Bundeskorps gegen Preußen, was dieses schon am nächsten Tage durch ein Ultimatum beant wortete, in welchem es Abrüstung und Neutrali tät forderte. Da König Georg dieses Ultimatum ablebnte, erfolgte bereits am 16. Juni die preußische Kriegserklärung. Der Krieg war ebenso kurz wie unglücklich für Hannover und endete bereits am 29. Juni mit der Kapitulation von Langensalza. Preußen beschloß die An gliederung des Landes, und der König sowie der Kronprinz Ernst August nahmen ihren Wohnsitz im Auslande und zwar in Österreich. Nach dem Tode König Georgs wahrte Ernst August in einem an alle Mächte und Höfe gerichteten Schreiben vom 11. Juli 1878 seine Rechte auf das Königreich Hannover und erklärte, bis zur Wiedereinsetzung in die selben den Titel eines Herzogs von Cumberland und zu Braunschweig und Lüneburg mit dem Prädikat „Königliche Hoheit* führen zu wollen. Als am 18. Oktober 1884 Herzog Wilhelm von Braunschweig ohne direkte Erben starb, ergriff Ernst August als das Haupt des Weifen hauses durch Patent vom gleichen Datum von dem Herzogtum Braunschweig Besitz. Da er jedoch auf Hannover nicht verzichten wollte, so beachtete die Braunschweiger Regent schaft dieses Patent nicht, und der Bundesrat erklärte am 2. Juli 1885 nach einem Antrag Vreußens, daß die Regierung des Herzogs von Cumberland in Braunschweig mit den Grund- iüsen der Bundesverträge und der Reichsver fassung nicht vereinbar sei. Doch gelangte der Herzog in den Besitz des Privatvermögens Herzog Wilhelms und am 10. März 1892 wurden ihm auch die Einkünfte des sogenannten Welfenfonds ausbezahlt, nachdem er in einem Schreiben an Kaiser Wilhelm erklärt hatte, daß ihm jede Absicht, den be stehenden Zustand in Deutschland anzufechten, völlig fernliege. — Man sieht, die Gegensätze sind sehr tiefliegende, die geschlagenen Wunden zu schmerzliche, als daß man sie so leicht ver gessen könnte. Da von einer Wiedereinsetzung Ernst Augusts in seine königlichen Rechte nicht die Rede sein kann, so hätte derselbe eigentlich keinerlei greifbaren Vorteil von einer Aus söhnung. Was den Deutschen Kaiser anbelrifft, so sind für ihn eigentlich auch nur Nebensachen in dieser Frage maßgebend. Es wäre dies eigentlich nur der Wunsch, in Hannover immer noch bestehende Strömungen auszugleichen. Politische Kunciscbau. Deutschland. "Kaiser Wilhelm trifft, wie nunmehr seststeht, zu der Truppenschau auf dem Großen Sande bei Mainz am 16. August dort ein. * DieZusammenkunft KaiserWilhelms mit dem Zaren, der demnächst zu längerem Aufenthalt in Darmstadt eintrifft, soll nach neueren Meldungen dort am 21. August statt finden. * Zu der geplanten Reise des deutschen Kronprinzen nach Ostasien wird halb amtlich erklärt, daß dem zukünftigen Träger der Krone durch diese Reise Gelegenheit geboten werden soll, den fernen Orient und den dort belegenen deutschen Kolonialbesitz aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Daraus geht schon hervor, daß der Orientfahrt des Kron prinzen politische Zwecke und Absichten fern liegen. Es handelt sich ausschließlich um eine Studienfahrt des deutschen Thronerben, deren Anregung von ihm selbst ansgeht und zu der der Kaiser seine Zustimmung gegeben hat. Wie verlautet, wird die Kronprinzessin ihren Gemahl nicht begleiten, auch steht es noch nicht fest, ob die Reise auf einem eigens hierzu hergerichteten deutschen Schnelldampfer oder einem Kriegsschiff vor sich gehen wird. "Der Bund der Industriellen hat in einer Eingabe an den Staatssekretär des Reichskolonialamtes seine Stellungnahme zu dem neugeschaffenen Ständigen Wirtschaft- lichen Beirat für die Kolonialver waltung ausgedrückt. Er verspricht sich von ihm eine weitere Stärkung der Kolonialfreudig keit. Wegen des Interesses der ihm an geschlossenen Industriellen an der Abschwächung der Abhängigkeit Deutschlands von fremden Rohstoffländern hofft der Bund, daß das Reichskolonialamt auch die großen industriellen Interessenvertretungen, insbesondere aber ihn selbst, als Zentrale der Exportindustrien zur Entsendung von Vertretern in diese ständige Kommission anffordern werde. "Der frühere Reichtagsabgeordnete Fus- angel, der den Wahlkreis Arnsberg-Olpe- Meschede von 1893 bis 1907 als Zentrums abgeordneter im Reichstage vertrat, ist in Hagen an Lungenentzündung plötzlich gestorben. Fusangel, der die .Westdeutsche Volkszeitung' herausgab, ist 58 Jahre alt geworden. Balkanftaate». "Die türkischen Blätter sprechen ihre Be friedigung über den Ankauf der beiden deutschen Panzerschiffe aus, durch die die Überlegenheit der Türkei über Griechenland auf dem Meere gesichert sei. * Infolge der sich häufenden Übergriffe der Türken an der bulgarischen Grenze hat sich die bulgarische Regierung mit der Bitte an die Großmächte gewandt, eine unparteiische Untersuchung dieser bedauerlichen Zwischenfälle vorzunehmen. Sollten die Mächte diesen Vorschlag ablehnen, so müßte Bulgarien zur Selbsthilfe schreiten. Daß das keine leere Drohung ist, zeigt die gleichzeitig verfügte Mobilmachung von 60 000 Mann Reserven. Hoffentlich bleibt die entschlossene Haltung Bulgariens nicht ohne Eindruck in Konstanti nopel. Amerika. "Die amerikanische Presse erörtert lebhaft die Rede, die kürzlich der kanadische Minister präsident Laurier vor den amerikanischen, in Kanada angefiedelten Farmern hielt, worin er ein Schutz-undTrutzbündnis zwischen England und den Ver. Staaten als unabwendbar erklärte, dessen Ergebnis der Weltfrieden wäre. Es dürfte dann in der ganzen West kein Geschütz ohne die Erlaubnis )« beiden Staaten abgefeuert werden. Der kanadische Minister erklärte weiter, daß er alles un werde, um die Grundlage für dieses Bündnis zu schaffen. * Amerikanischen Nachrichten zufolge find die Aufständischen in Nikaragua gegen sie Regierungstruppen in mehreren Gefechten iegreich gewesen und haben verschiedene Orte erobert. Die Gerüchte, daß dabei deutsche Untertanen in Gefahr gekommen find, be tätigen sich nicht. Afrika. "Aus Marokko wird berichtet, Sultan Muley Hafid habe beschlossen, in Rücksicht auf die Finanzlage den Gesamtbestand der cherifischen Truppen von etwa 18 000 auf 10000 Mann zu verringern. Diese 10 000 Mwin En von zehn Kaids befehligt werden mmr dem Oberbefehl des Majors Mangin, des Chefs der französischen Militärmisfion. — Diese Einschränkung des Heeres würde Muley Hafid trotz der schlechten Finanzlage doch wohl nicht vornehmen, wenn er nicht auf seinem Throne jetzt durchaus sicher zu sein glaubte. Aste«. "DaS russische Handelsministe rium beabsichtigt in der Mongolei eine regere Tätigkeit zu entfallen, d. h. Maßnahmen zur Belebung des Handels, Verbesserung der bestehenden Verkehrsstraßen, Schiffbarmachung der Flüsse und Bau von Eisenbahnen an die mongolische Grenze, sowie Niederlagen auf den Stationen, Erleichterung der Zollformalitäten usw. zu ergreifen. Es muß dabei bemerkt werden, daß ein kurz nach dem Boxeraufstand zwischen Rußland und China geschlossener Geheim - vertrag ersterem große Zugeständnisse behM Erschließung nicht nur der Mongolei, sondern auch der angrenzenden Vrovinzen zugesteht. Die Ausführung deS Geheimvertrages hat offenbar infolge der politischen Verwickelungen im fernen Osten bisher geruht, soll aber jetzt eine Handhabe für die Absichten der russischen Regierung abgeben. * Die persischen Rebellen, die mit ihrem Führer Satar Khan in einem Volks park in Teheran von den Regierungstruppen eingeschlossen waren, find nach 22 stündigem Kampfe niedergeworfen worden. Satar Khan, der sich um die Beruhigung des nord westlichen Persien große Verdienste erworben hat und darum im Volke sehr beliebt war, ist mit seinen 200 Soldaten gefangen genommen worden. Die persische Regierung hofft, daß sie nun bald die Ruhe werde Herstellen können. Noch sieht die Lage allerdings sehr trübe aus, da der Regierung immer neue Gegner erstehen. Ver Heimatschutz und die « heimatpflege auf dem Lande erfahren infolge einer ministeriellen Anregung seit Jahresfrist eine stete Förderung. Die Landbevölkerung ist dem Preuß. Minister des Innern sehr dankbar, daß er der Urheber für die Beseitigung so mancher dörflichen Unschön heit ist. Dem Eisenbahnreisenden fällt es bei seinem Fluge durch das Land sofort auf, daß die Landichaftsbilder, namentlich der Dörfer, gehoben find. Die Anregungen des Ministers bezwecken in der Hauptsache, den Häusern und Scheunen sowie den in der Landschaft verstreut liegenden Gehöften und Vorwerken, insbesondere auch den Arbeiteranfiedelunge« ein lichtes, freundliches Gewand zu verleihen. Die Auslassung besagt u. a., daß der Zweck, den Bauten ein lebendiges, frisches Aussehen zu geben, sich auch durch fachgemäße Ausführung im Backsteinrohbau erreichen läßt, wenn die in besserem Material herzustellenden Ziegelmauern weiß ausgefugt und größere oder kleinere ge schickt zu verteilende Flächen mit Mörtel ver putzt werden. Zur weiteren Belebung des Aussehens werde es dienen, wenn geeignete Bauteile, wie Giebel, Vorsprünge usw. in Fach werk hergestellt, Fensterläden, Spaliere für rankende Gewächse angebracht und wenn alles Holzwerk mit Anstrich versehen werde. Die Behörden wurden ersucht, bei der Prüfung der Baugesuche in diesem Sinne zu verfahren und auf die Bauenden nach Möglichkeit einzuwirken. Zur Verbesserung des Aussehens der bereits bestehenden häßlichen Ziegelbauten und bei Neubauten mit minderwertigem und miß- farbigem Ziegelmaterial wurde der Mörtelverputz und Anstrich in Verbindung mit der Anpflanzung von rankendem Grün als das beste Mittel empfohlen, den Heimatschutz und die Heimat- iflege nach dieser Richtung hin durchzuführen. Dieses Rezept des Ministers ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Die Landgemeinden entwickeln einen fieberhaften Wetteifer, alte Gebäude auf- zufrifchen und ihnen das Charakteristikum des Alters zu nehmen. Für die Renovierung her vorragend schöner Bauten werden sogar von den Gemeinden oder von den Landräten Beihilfe« geleistet. Leider wird aber das Gute, das durch diese Maßnahme erreicht wurde, wieder zum Teil illusorisch gemacht durch die häßlichen Reklameschilder, die vornehmlich längs der Eisenbahnstrecken auf freiem Felde aufgestellt oder an den kleinen Landhäuschen angebracht sind. Hier ist von berufener Stelle noch ein Machtwort zu sprechen. k)eer unä flotte. — Die gesamte Hochseeflotte ist von ihrer Sommerreise aus den norwegischen Gewässem nach Kiel zurückgekehrt. Nach kurzer Ruhepause beginnen am 22. d. Mts. die großen Schluß- und Kaisermanöver in der Ost- und Nordsee. — Die vom Reichstage genehmigte und vom Kaiser durch Kabinetts order befohlene Bildung des Veterinär - Offizierkorps hat seitens des Kciegsministeriums die Herausgabe einer neuen Militär - Veterinärordnung im Gefolge gehabt, die den Ausbildungsgang, den Dienst und die Rangverhältnisse der Veterinäre regelt. — Die ehrengerichtlichen Bestimmungen für die Offiziere des preußischen Heeres liegen im Neudruck vor. Der Neudruck weist in sachlicher Beziehung nicht unerhebliche Verbesserungen auf, so die bedeutende Erweiterung der Verteidigungs befugnisse des Angeichuldigten und die tätige Anteilnahme der mit Pension zur Disposition gestellten und der mit dem Recht zum Tragen der Uniform verabschiedeten Offiziere an den Ehrengerichten. Es ist jetzt dem Angeschuldigten und dem Verteidiger gestattet, die Verteidigungs schrift selbst zu verlesen und sie mündlich zu ergänzen. Sie brauchen auch die Spruchsitzung erst verlassen, nachdem der erste Teil des be gründeten Gutachtens — die Darstellung des vom Ehrenrat als feststehend erachteten Sach verhalts — verlesen worden ist. Für den An geschuldigten ist die zu seiner Verteidigung höchst bedeutsame Bestimmung getroffen, daß ihm bei der Schlußvernehmung die Anklagepunkte in dem Wortlaute, wie sie der Ehrenrat vor dem Ehren gericht zu vertreten beabsichtigt, bekanntzugeben und schriftlich zu behändigen sind. « Die Erweiterung des militärische? Turnens durch sportmäßige Spiele usw. hat durch Luft- badespiele einen neuen militärischen Dienstzweig gezeitigt. Die günstigen Folgen, die das Lust- nud Sonnenbad auf den Körper ausüben, find von der Militärbehörde nicht unbeachtet geblieben. Nachdem sich in neuerer Zeit auch viele Militär ärzte in Militärzeitschriften und auf Kongressen als Freunde dieser Art Körperkultur bekannt haben, ist von verschiedenen Truppenteilen die Anordnung getroffen worden, den Soldaten Ge legenheit zu geben, sich in leichtestem Gewände auszutummeln. Auf Kosten der Kommandos find Badeanzüge beschafft worden, mit denen sich die Soldaten bei den Luftbadespielen zu be kleiden haben. Den Chefs ist anempfohlen worden, diese Spiele gelegentlich der Übungen im Freien auf abgelegenem Gelände anzuordnen, aber unter allen Umständen darauf zu achten, daß die Mannschaften vor dem Entkleiden voll ständig abgekühlt sind. Von unci fern. Ein deutscher Prinz als Plantage«« befitzer in Dentsch-Ostafrtka. Prinz Hein rich XXXlI. von Reuß-Köstritz, der nach einer einjährigen Studienreise in Südwestafrika, Süd- und Ostafrika im nächsten Monat wieder in Europa eintrifst, hat bei Mrogoro in Deutsch- oftafrika unweit der Mittelbahn Ländereien im Umfange von etwa 1000 Hektar angekauft, um eine Pflanzung mit vorwiegend Kautschuk an zulegen. Die Anstalten zur Instandsetzung deS Betriebes sind schon getroffen. Deutsche Turner in Belfort. Am 14. und 15. August findet in Belfort (Frankreich) ein großes internationales Turnfest statt, an dem zum erstenmal seit dem deutsch-französischen Kriege deutsche Turner in größerer Zahl teil nehmen werden. Bisher sind dreißig Elsaß- Lothringer angemeldet; auch zahlreiche deutsche Schweizer werden erwartet. A Vor äie MM gesellt. 1) Roman von M. Lautner.*) „Und ich heirate ihn doch nicht! Magst du mich unvernünftig nennen, mir Mangel an Pietät vorwerfen, das ändert meine Sache nicht. Jedes Mädchen hat das Recht, bei diesem wichtigsten Schritt ihres Lebens nach ihrem Herzen zu handeln, ihren eigenen Willen geltend zu machen und ich, ich soll unbefragt über mich bestimmen lassen, soll mich verschenken lassen, wie man eine Sache verschenkt, ein Ding ohne Gefühl und Leben. Nein! Nimmermehr! Mag kommen, was will, das dulde ich nicht!" In leidenschaftlicher Erregung stieß ein junges Mädchen diese Worte hervor, den lleinen elegant eingerichteten Salo« unruhigen Schrittes durchmessend. Sie trug Trauerkleider, die ihre stolz auf gerichtete Gestatt mit den jugendlich weich ent- wickelten Formen schlanker erscheinen ließen. Der zierliche Kopf mit seiner schweren blonden Haarmasse wurde trotzig in den Racken geworfen, die großen dunklen Augen sprühten Blitze des Unwillens, und der rote Kindermund bebte bei dem Gedanken an das Unrecht, dessen Opfer sie sich fühlte. Drüben in der Fensternische saß eine alte Dame im Lehnstuhl und blickte mit firmender Miene in die regnerische Landschaft hinaus, während ihr gegenüber an einem kleinen Tischchen eine andre junge Dame mit einer Handarbett, wie es schien, eifrig beschäftigt war. *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. Beide waren ebenfalls in tiefer Trauer. „Ich fasse, ich begreife den Papa gar nicht,* fuhr die Sprecherin in demselben aufgeregten Tone fort, „er, der so gut, so voll Liebe für mich war, er konnte eine solch grausame Be stimmung treffen!* — „Dein Vater hat mit weiser Überlegung ge handelt, liebes Kind,* ließ sich die alte Dame jetzt vom Fenster her vernehmen, „so ost ich dir dies schon vorgehalten, du willst es aber nicht einseben.* „Weil ich es nicht einsehen kann,* kam die «regle Entgegnung. „Ich kann nun einmal nicht verstehen, daß es väterliche Liebe und Fürsorge sein soll, mich grenzenlos unglücklich zu machen." „Du hälft eben für ein Unglück, was in Wirklichkeit keins ist. Du bist eine d« besten Partien des Landes, und die Erfahrung lehrt uns, daß solche Mädchen oft nm ihres Be sitzes wegen umworben werden. Ich will damit nicht sagen, daß deine Person nicht be gehrenswert sei. Ab« du bist jung und un erfahren, leicht erregbar u«d neuen Eindrücken leicht zugänglich und eben darum vielleicht nicht immer imstande, ruhig zu überlegen und zu prüfen, ob derjenige, dem du deine Zukunft vertrauen willst, auch wirklich eines solchen Vertrauens würdig ist. Der Rausch verfliegt ab«, Kind, und dann kommt die Reue, wenn's zu spät ist. Vor einer solchen Erfahrung hat dich dein Bat« schützen wollen, und darum hat er dir deinen Vetter zum Gatten be stimmt, den er wie einen Sohn kannte und liebte und von dessen Ehrenhaftigkeit « über zeugt war wie von seiner eigenen.* „Das wäre alles recht schön und gut, wenn" ich diesen Vetter geliebt hätte, wie ich ihn Haffe,* svrach das junge Mädchen mit etwas lester Stimme. „Du kennst ibn nicht einmal.* „Und ich hasse ihn," rief sie wieder in der alten Erregung, „und werde nie, nie seine Frau werden.* Die alte Dame ließ sich wie erschöpft mit einem Seufzer in die Polster ihres Sessels sinken. Nach einer Weile, in der Schweigen ge herrscht, nahm sie wieo« das Wort. „Bedenke wohl, was du damit aufgibst, Erna. Es ist leicht gesagt: Ich werde nie seine Frau werden. Für dich hängt eine Existenz an den Worten, und wenn auch die jährliche Rente, die dir dein Bat« im Falle deiner Weigerung bestimmte, dich vor Not und Elend schützt, so wird doch große Sparsamkeit nötig sein, und den Luxus, den du von dein« Wiege an gewöhnt bist, wirst du dir abge- wöhnen müssen. Ob dir das so leicht werden wird, wie du zu glauben scheinst, bezweifle ich.* „Daß es mir leicht werden wird, mich an beschränktere Verhältnisse zu gewöhnen, be hauptete ich ja gar nicht; es ist von den zwei Übeln, zwilchen denen ich zu wählen habe, das kleinere. Ach, und wir werden rms auch an die Einfachheit gewöhnen, davon bin ich über zeugt. Ich sage mir dann, nicht wahr, Tantchen," fügte sie, sich zu der alten Tante heradbeugend und sie zärtlich umfassend, hinzu, „du wirst die kleine Erna nicht verlassen, wenn, sie auch nicht so reich sein wird?" ' W— „Mein Liebling, daß ich bei dir bleibe, ist selbstverständlich,* und schnell bereite Tränen füllten die alten treuen Augen. „Aber ich hoffe, du besinnst dich noch anders. Hanna, so hilf mir doch, diesen kleinen Trotzkopf zur Raison zu bringen," wandte sich Tante Lotichen an die junge Dame ihr gegenüber. „Ich kann Ernas Ansichten eigentlich nicht so ganz verdammen, Tantchen," klang jetzt eine sanfte Stimme. „Sie hat eben auch ihr« Ideale und hofft noch auf ihre Verwirklichung. Wer wollte es ihr da verdenken, daß sie ein prosaisches Individuum, wie ein testamentarisch vermackter Gatte, voll romantischer Entrüstung von sich weist." Es lag wohl mehr im Ton, als in de« Worten selbst etwas, was Ernas Ohr unan genehm berührte; sie erwiderte nichts, und nur ihre Lippe kräuselte sich verächtlich. Die Tante aber hörte nur die Worte und mochte einsehen, daß sie von dieser Seite nicht auf viel Beistand rechnen könne. „Mit euch beiden ist eben wirklich kein ver nünftiges Wort zu reden," sagte sie. Erna mochte nun aber wohl genug haben von diesem Thema; sie setzte sich an den offen- stehenden Flügel, schlug ein paar volltönende Akkorde an, und nachdem sie einen Walzer in rasendem Tempo halb zu Ende geführt, sprang sie auf, eilte zu Hanna hin, und ihre Hand auf deren Arbeit legend, rief sie heftig: „Ach laß doch diese ewige Stickerei, Hanna. Komm lieber ins Freie, ich sehne mich nach Lust und Bewegung.
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