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Allgemeiner Anzeiger : 10.08.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-08-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191008100
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19100810
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100810
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1910
-
Monat
1910-08
- Tag 1910-08-10
-
Monat
1910-08
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 10.08.1910
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Oie fürsorgeerriekung. Die Fürsorgeerziehung in Preußen, die nicht überall die erfreulichen Ergebnisse gehabt hat, die man non ihr erwartete, ist in letzter Zeit heftig angegriffen worden, weil sich die Fälle häuften, in denen jugendliche „Ausreißer" sich gegen die Gesetze vergehen. Gegen eine Verall gemeinerung der ungünstigen Erfahrungen, die in diesen Einzelsällen mit früheren Fürsorge zöglingen gemacht wurden, wendet sich eine halbamtliche Veröffentlichung, in der es heißt: „Die jährlich erscheinende Statistik über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger, bearbeitet im Königlich preußischen Ministerium des Innern, enthält ganz genaue Angaben über die Erfolge der Fnrsorgeerziehungsarbeit. Das Ministerium stützt seine Angaben auf die ihm durch die Oberpräsidenten zugehenden Be richte der die Fürsorgeerziehung ausführenden Kommunalverbände (Provinzen). Das Ministe rium ist auf Grund dieser Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt, daß die Erfolge gut zu nennen seien. Einzelheiten sind aus den eben falls in der Statistik abgedruckten Berichten der Landeshauptleute bezw. der Oberpräfidenten der einzelnen Provinzen zu entnehmen. Danach kann es gar keinem Zweifel unterliegen, daß selbst bei den in hohem Grade verwahrlosten Burschen und Mädchen durch eine planmäßige, jahrelange Erziehung ganz Vorzügliches erreicht wird. Um aber allen Zweifeln zu begegnen, hat das Ministerium des Innern Ende 1909 eine von sämtlichen Kommunalverbänden zu erhebende Statistik angeordnst über alle die Fürsorgezöglinge, dk in der Zeit vom 1. April 1904 bis 31. März 1909 zur Entlastung ge kommen find, sich also jetzt ein bis fünf Jahre selbständig im bürgerlichen Leben bewegen. Die Ergebnisse der einzelnen Provinzen gehen an das Ministerium, das alsdann die Schluß rechnung aufmachen wird. Wenn auch bis jetzt die Ergebnisse erst teilweise vorliegen, so läßt sich doch schon erkennen, daß Arbeit und Kosten der Fürsorgeerziehung nicht umsonst aufgewendet sind. Dem allge meinen Durchschnitt nach haben sich 74 Prozent der männlichen und 73 Prozent der weiblichen Zöglinge genügend bezw. gut geführt, bei 9 Pro zent der männlichen und 11 Prozent der weib lichen war die Führung zweifelhaft und bei je 16 Prozent schlecht. Die Ergebnisse werden noch bester bei den Zöglingen, die in einem Alter bis zu 14 Jahren der Fürsorgeerziehung überwiesen find; von diesen haben sich 88 Prozent der männlichen und 93 Prozent der weiblichen Zög linge genügend bezw. gut geführt. — Die Zu schrift schließt mit der berechtigte« Mahnung: „Wenn man das Material ins Auge faßt, das der Fürsorgeerziehung überwiesen wird — es sind doch immer die Schlechtesten der Minder jährigen — so muß man zu dem Schluß kommen, daß hier wahrhaft Großes geleistet ist. An sich bedauerliche Einzelfälle sollten daher bei verständiger Würdigung der Sachlage nicht benutzt werden, die Fürsorgeerziehung in der öffentlichen Meinung zu schädigen." Diese Mahnung trifft den Kern der Sache; denn schließlich ist auch die Fürsorgeerziehung nur Menschenwerk und daher mit Mängeln behaftet. Und wenn einerseits die Erziehungsergebnisse! erfreuliche sind, so wird ein gewisser Prozentsatz ! der Minderjährigen, die der Fürsorgeerziehung! unterstanden, doch immer wieder mit den Gesetzen s in Konflikt geraten. Das aber geschieht auch bei Leuten, die ihre Jugend in der Treibhaus- Wärme elterlicher Fürsorge und Liebe verlebt haben. ' Hl rriss-rm Politische Kunälchau. Deutschland. kL Zu der Nachricht, daß KaiserWil- Helm dem befreundeten Kaiser Franz Joseph zum 80. Geburtstage als besonderes Geschenk die Aussöhnung mit dem Hause Cumberland anbieten werde, wird der ,P. R.' von einer dem Hofe in Wien nahe stehenden Seite erklärt, daß Kaiser Franz Joseph in den letzten Jahren allerdings des öfteren ein besseres Einvernehmen zwischen den beiden Häusern als sehr wünschenswert be zeichnet habe. Es sei aber nie zutreffend gewesen, daß zwischen Hohenzollern und Cumber land Schritte für eine Aussöhnung unter nommen wurden, um vielleicht an einer Form sache zu scheitern. Sollte jetzt Kaiser Franz Joseph aus einer bisherigen Lieblingsidee einen festen Wunsch gemacht haben, so wird man auf Cumberländer Seite nichts unterlassen, um die Erfüllung möglich zu machen. * Das in französischen Blättern verbreitete Gerücht, KaiserWilhelm werde demnächst dem König Alfons in San Sebastian einen Besuch abstatten, bestätigt sich nach Madrider Meldungen nicht. * Die bevorstehende Ausdehnung der Krankenversicherungspflicht auf landwirtschaftliche Arbeiter, Dienstboten, un ständige Arbeiter und die im Wandergewerbe beschäftigten Personen, sowie die geplante Hinterbliebenenversicherung wer den naturgemäß die Aufwendungen für unsre Arbeiterversicherungen weiterhin sehr erheblich steigern. Um über diese Aufwendungen ein klares Bild zu bekommen, sind sowohl die in Zukunft neu entstehenden Kosten wie die für den jetzigen Umfang bereits entstandenen Kosten errechnet worden. Hiernach ergibt sich ein Kostenaufwand von jährlich 859 Millionen (für alle Versicherungen). Berücksichtigt man hierbei den jährlichen Zuwachs der Bevölkerung, so er gibt sich, daß schon in sehr naher Zeit die jähr lichen Aufwendungen für die soziale Gesetz gebung eine Milliarde erreichen werden. Seit dem Inkrafttreten unsrer sozialpolitischen Ge setze waren nun bis zum Ende des Jahres 1907 von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und dem Reich Gesamtaufwendungen von über 8 Milliarden gemackt worden. Rechnet man hierzu nach dem gegenwärtigen Stand der Versicherung jährliche Aufwendungen von 732 Millionen, so ergibt sich, daß die Gesamtkosten unsrer sozialen Gesetz- geoung bis zum Ende dieses Jahres die Summe von 10 Milliarden schon erheblich übersteigen. * Im bayrischen Finanzausschuß teilte Minister v. Psafs mit, daß der Rech nungsabschluß des Staatsbudgets für 1908/09 mit einem Fehlbeträge von über 17 Mill. Mark abschließt. Die Poft allein weist ein Mindererträgnis von 5 Millionen auf, die Zölle 3 Millionen, die rechtsrheinischen Eisen bahnen 18 Millionen und die Pfalzbahnen eine Million weniger. Mehreinnahmen brachten die direkten Steuern, die Erbschaftssteuer, die Staats forsten und die Staatsbetriebe. Der Minister folgerte aus dem Staatshaushalt die Notwendigkeit des äußersten Sparens für die folgende Budgetzeit. England. *Zu Ehren der in London zu Besuch weilenden Mitglieder der DeutschenLand- wirts ch afts g es e lls cha ft gab die „Land wirtschaftliche Vereinigung Englands" ein Früh stück, bei dem ihr Präsident die Gäste herzlich als Bürger einer großen, befreundeten Natton begrüßte. Der Landwirtschaftsminister Car rington brachte einen Trinkspruch auf Kaiser Wilhelm auS und sagte weiter, er habe, als er König Georg und den Deutschen Kaiser gemeinsam an der Bahre König Eduards stehen sah, die Empfindung gehabt, daß die von den beiden Herrschern vertretenen Nationen nicht nur auf dem Gebiete des Handels friedlich miteinander wetteifern sollten, sondern daß sie die höhere und heilige Be stimmung hätten, Schulter an Schulter beieinander zu stehen in der Erhaltung des Weltfriedens. Schwede«. * Auf dem in Stockholm tagenden inter nationalen Friedenskongreß wurde ein Beschluß angenommen, der die Hoffnung ausspricht, daß Rußland in seiner Vergewalti- gungspolmk gegen Finnland nicht stmsahren werde. Mit Ausnahme der russischen Teil nehmer stimmte der ganz« Kongreß diesem Be- schlusse zu. Ob das aber den Finnländern etwas helfen wird? «örlkanstaate». * Der in London tätige Finanzagent der Türkei hat seiner Regierung berichtet, die kürzlich aufgetauchten Gerüchte von einer A n - Näherung der Türkei an den Drei - bund habe dem türkischen Geldbedürfnis alle Pforten verschlossen. Die englischen Bedingun gen für eine Anleihe erschienen dem Unter händler so unannehmbar, daß er für den Augen blick alle Hoffnung aufgegeben hat, mit dem englischen Geldmarkt zu arbeiten. Der Unter händler will nun in Paris sein Glück versuchen. * Wegen der Fortdauer der türkischen Handelssperre gegen griechische Waren erhob der griechische Gesandte in Konstantinopel ernste Vorstellungen bei der dortigen Re gierung; er erhielt die Zusicherung entgegen kommender Maßnahmen. Trotzdem erscheint die Hoffnung auf eine Einschränkung der Sperre gering, da ja die Regierung sich bisher leider auch machtlos gegen die Hitzköpfe erwiesen hat, die zum Kriege mit Griechenland drängen. Amerika. * Nach amerikanischen Blättermeldungen hat der kanadische Premierminister Laurier beim Empfange einer deutschen Abordnung geäußert, er könne an eine Kriegsgefahr zwischen England und Deutschland nicht glauben. England sei der beste Freund Deutschlands und habe dies in der Vergangen heit oft bewiesen. Schon der gesunde Menschen verstand könne jedem sagen, daß kein Grund zu einem Streite zwischen den beiden Ländern vor handen sei. — Wenn dieser gesunde Menschen verstand nur nicht hier und da so oft zu wünschen übrig ließe I Asten. LL China schreitet auf dem Wege der Re formen rüstig vorwärts. Nachdem die auf Grund eines früheren kaiserlichen Erlasses in Aussicht genommene Einführung einer Silber- Währung auf der Grundlage einer großen Silbermünze von 1 Toel nicht zur Durchführung gelangt ist, bestimmt ein neuer kaiserlicher Erlaß den Dollar unter der Bezeichnung „Jüan" zur Einheitsmünze. Wie hierzu amtlich bekannt- gegeben wird, soll es Silber-, Nickel« und Kupfermünzen geben, erstere zu 1 Dollar, 50, 25 und 10 Cent; in Nickel sollen 5-Centstücke ausgeprägt werden, doch erst in späterer Zeit, da zurzeit noch Erhebungen Über das berg männische Vorkommen des Nickels und die Art der Prägung dieses Metalls im Gange find; in Kupfer sollen 2- und 1-Centstücke geprägt werden. Silberne Scheidemünze braucht nur bis zum Betrage von 5 Dollar, solche in Nickel und Kupfer nur bis zu 50 Cent angenommen werden. Königreich Montenegro. Jetzt endlich hat auch Fürst Nikolaus über die bevorstehende Erhebung Montenegros ge sprochen. Er hat einem Mitarbeiter der ,N. Fr.Pr/ eine Unterredung gewährt und dabei u. a. ge äußert: „Vor allem kann ich versichern, daß ! mein Schwiegersohn, König Peter von Serbien, ! die Erhebung Montenegros zum Königreich warm begrüßt. Dafür gab er mir in seinem ; Briefe einen Beweis, worin er mir mitteilt, daß er infolge seiner angegriffenen Gesundheit nicht ' persönlich an den Festlichkeiten teilnehmen könne. Er schicke aber den Kronprinzen Alexander, der bei den Jubiläumsfestlichkeiten Serbien ver treten wird. So wie wir uns stets über jeden Fortschritt Serbiens freuen, ist es nur natürlich, daß auch dieses Land sich jetzt freut, wenn unser Ansehen ge hoben wird. Lächerlich wäre es, daran zu denken, daß wegen der Proklamierung Monte negros mir dem italienischen Hofe auch nur die unbedeutendsten Meinungsverschiedenheiten em- stehen könnten. Ebenso nimmt auch Osterreich- Ungam uns gegenüber eine freundschaftliche ' Haltung ein, was übrigens vollkommen den An- i schaumigen seines allgemein geachteten Monarchen entspricht. Montenegro wird sich ebenso wie ich und mein Haus bemühen, auch in Zukunft zu zeigen, daß wir der Sympathien der großen K«lt«rwelt würdig sind. Die Proklamierung des König reichs ist weder der Ausdruck irgend welchen Ehrgeizes noch das Ergebnis irgendwelcher Protektion oder gar irgend eines unberufenen Einflusses. Sie ist vielmehr die natürliche Folge der jahrhundertelangen Freiheit dieses Landes, seiner Vergangenheit, seiner Opfer und der An erkennung, die es als verläßliche Stütze euro päischer Kultur auf dem Balkan von jeher geerntet hat." Fürst Nikolaus, der nun bald die Königskrone auf sein Haupt setzen wird, hat kein Wort von den Schwierigkeiten gesagt, die seine neue Würde in finanzieller Beziehung mit sich bringt, und er hat geflissentlich vergessen, daß es sich für ihn und seine Nachfolger immer nur um ein Schattenkönigtum handeln kann, so lange Osterreich-Ungarn und Italien mit Eifer sucht über das Adriatische Meer wachen. Oeer unä flotte. — Die Zahl der Schisse, die an den dies jährigen Herbstmanövern der Flotte teilnehmen, wird hinter der des Vorjahres zurückbleiben. Während damals außer den beiden Linien schiffsgeschwadern und dem Verbände der Auf klärungsschiffe der Hochseeflotte für die Manöver noch zwei besondere Geschwader aus den Schul- und Versuchsschiffen bezw. den acht Küsten panzern formiert wurden, wird diesmal nur ein neues Geschwader gebildet. Dieses, das dritte Geschwader, wird sich zusammensetzen aus den die Reservedivision der Nordsee bildenden Linienschiffen „Kurfürst Friedrich Wilhelm", „Brandenburg", „Weißenburg", „Wörth" und zwei Linienschiffen der Reservedivision der Ost see: „Kaiser Barbarossa" und „Kaiser Friedrich III.", zu denen noch hinzutreten Linienschiff „Schwaben" und kleiner Kreuzer „Stuttgart", die als Artillerieschulschiffe in Sonderburg stationiert find, sowie der kleine Kreuzer „München" vom Torpedoversuchs kommando. Abgesehen von den als Tender, Depeschenboote usw. bestimmten Fahrzeugen werden also die vier Verbände sich zusammen setzen aus 23 Linienschiffen, vier Panzerkreuzern und acht kleinen geschützten Kreuzern. Weiter werden der Hochseeflotte fünf Torpedoboots flottillen (zwei Schul-, zwei Manöver-, eine Reserveflottille) angehören mit zusammen 55 Hoch seetorpedobooten, sowie die Unterseeboote mit ihren Begleitschiffen. Selbstverständlich werden auch wieder Minenstreudampfer sowie die beiden Minensuchdivisionen zu den Manöver» herange zogen. — Zum Flottenarzt der Hochseeflotte ist an Stelle des kürzlich verstorbenen Generalarztes Dr. Arendt der Generaloberarzt Dr. Erdmann ernannt worden. " .SSSS---SS-SSS—--------- ^on uns fern. Z«r Einweihung des neuerbaute« Restdenzschlofses in Pose» werden außer dem Kaiserpaar auch das Kronprinzenpaar sowie Prinz und Prinzessin Eitel-Friedrich am 19. August in Posen eintreffen. Die Einweihung erfolgt am 20. August. Es verlautet, daß das Kaiserpaar noch bis zum 22. oder 23. August in Posen Aufenthalt nehmen wird. Radunfall de- Prinze« Heinrich der Niederlande. Prinzgemahl Heinrich der Nieder lande stürzte im Haag mit seinem Fahrrad und zog sich einen Schlüsselbeinbruch zu. Der für die nächste Zeit geplant gewesene Besuch des Prinzen auf der Brüsseler Weltausstellung ist deshalb vorläufig verschoben worden. Automobtlunglück in Bayern. Der Di rektor Köhler vom Residenz-Automaten-Restaurant in München ist mit Frau und Sohn auf der Rückfahrt nach Partenkirchen bei Wolfapfelkceuth verunglückt. Der Chauffeur verlor auf ebener Straße plötzlich die Steuerung, das Automobil ramm gegen einen Baum und überschlug sich. ' Frau Köhler erlitt einen Schädelbruch und starb sofort. Ihr Gatte ist schwer, aber nicht lebens gefährlich verletzt, der Sohn kam mit unbedeuten- . den Verletzungen davon. Das Fahrzeug ist zer- ! trümmerl. ÖL Sine schwergeprüfte frau. 2Lj Roman von M. de la Chapelle. Schluß.) So lauteten die wenigen und doch für Beate so unendlich inhaltsreichen Zeilen, in denen sich die Genugtuung aussprach, auf die sie schon verzichten zu müssen geglaubt. Freilich kostete es auch ibrem Stolz einige Überwindung, dem Manne, der ihr schon damals, bevor sie Egons Gattin wurde, seine Mißachtung so deutlich gezeigt, jetzt die Hand zur Versöhnung zu reichen und daS ihr Angetane zu vergessen. Allein Kurt stand zwischen ihr und der Vergangenheit — seiner Zukunft war sie es schuldig, sich zu über winden. Und Kurt war es auch, der über die ersten peinlichen Augenblicke bei der Begegnung zwischen Beate und Baron Ulrich hinweghalf. Beate hatte ihn auf geschickte Weiss darauf Vorbereitet, daß er heute noch seinen Großpapa kennen lernen würde — seine Frage, warum dies nicht schon längst geschehen? mit einem Hinweis auf die Krankheit Baron Ulrichs be antwortete, die es ihm erst jetzt ermögliche, Beate und ihn bei sich zu sehen. Voll kindlicher Ungeduld drängte er nun dem für ihn so sehr wichtigen Besuche entgegen, dessen eigentliche Bedeutung er natürlich nicht ahnte. Als er daun dem alten, streng blickenden Mann gegenüberstand, der ihn so eigentümlich, so durchdringend anscch, wollte sich seine neu gierige Ungeduld einen Moment enttäuscht suhlen. Er hatte sich nach Kinderart von dem unerwarteten Großpapa ein andres, freund licheres Bild gemacht — und mm dieser finstere, blasse Mann, auf dessen Stirn zwei böse, drohende Falten lagen. Aber, er war ja nicht unartig gewesen — warum sollte ihm der Großpapa also zürnen? Dieser kindlichen Kombination folgend, löste sich Kurt von der Hand Beates und trat dem Lehnstuhl Baron Ulrichs näher. „Nicht wahr, Großpapa, du bist nicht böse auf mich?" fragte er mit seiner tiefen, treu herzigen Stimme, die großen, dunklen Augen voll zu dem Baron aufschlagend. Und unter dem Blick dieser unschuldigen Kindsraugen verlor allmählich daS strenge Gesicht seine Härte, ein weicher Zug erschien auf ihm und die zitternde Hand Baron Ulrichs hob sich, um leise über den lockigen Scheitel Kurts zu stressen. Der nickte triumphierend zur Mutter zurück. „Siehst du, Mama, Großpapa ist gar nicht döse, imd er ist auch gar nicht mehr krank!" frohlockte er, sich fester an Bacon Ulrich an schmiegend. Ein sekundenlanges Zögern — der letzte, vergebliche Kampf, den fein mühsam sich beugen der Stolz mit seiner besseren, heute gewonnenen Überzeugung ausfocht; dann streckte Baron Ulrich die Rechte nach Beate Ms. „Ich bereue tief, Ihnen unrecht getan zu haben — verzeihen Sie mir um dieses Knaben willen." Langsam legte Beate ihre Hasd in die seine. „Wir wollen beide versuchen, das Vergangene zu vergessen," sagte sie einfach. .Vielleicht > .7 § „ - hilft uns Kurt den Weg zu einer Gegenwart zu finden, die frei von Haß und Bitter keiten ist." — Baron Ulrich bestand darauf, daß Beate mit Kurt zu ihm übersiedele — er wollte den jdiaben iür die kurze Spanne Zeit, die ihm noch vom Schicksal gegönnt war, in seiner unmittel baren Nähe haben. Jordans Bemühungen gelang es, den Ver trag, der sie an das Luisen-Theater band, zu lösen — freilich gegen Zahlung der üblichen Konventionalstrafe, die für solche Fälle vorge sehen ist. Er wollte die Frau, die ihm nun bald ganz angehören sollte, nicht Abend für Abend von tausend fremden Augen kritisiert wissen, und obgleich er sich selbst eingestand, daß hierbei von seiner Seite ein gutes Teil Essersucht inS Spiel kam, so vermochte er doch nicht, dagegen anznkämpfen. Der Winter hatte sein Regiment kaum be endet, als Baron Ulrich dem gebieterischen Rufe des Todes folgte, Kurt als alleinigen Erben des Erkbovenschen Besitzes zurücklassend. Thilo hatte recht gehabt: Verzeihen konnte sein Onkel den beabsichtigten Betrug nicht, das Erbe war ihm verloren, allein Baron, Ulrich war großmütig genug, ihm eine Summe zu überweisen, die es ihm ermöglichte, nach Ame rika zu gehen uud dort die Gründung einer Existenz zu ftwhen. Wenige Tage vor seinem Tode erfolgte auf Baron Ulrichs dringenden Wunsch die eheliche Verbindung Jordans und Beates, sein nahes Ende ahnend, wollte er nicht, daß sein Tod dem Glück der beiden eine Verzögerung auf erlegte. Zum Frühjahr fiedelte das junge Paar nach Leipzig über, wohin Jordan einen äußerst schmeichelhaften Riss als Professor m der dortigen Universität und Letter der chirugischen Klinik erhalten. Dorthin sandte ihnen Papa Schwendler auch eines Tages die Nachricht von der Ver lobung Hedwigs mit ihrem Vetter Karl Borg- mann. Der Tod Otto Hartkopfs hatte sie doch schwerer getroffen, als alle geglaubt, denn sie vermochte sich nicht von dem Gedanken frei z« machen, daß sie eigentlich die Hauptveranlassung zu dem Unglück gewesen sei. Hätte sie nicht so dringend den Wunsch nach jener verhängnisvollen Auwmobilfahrt ge äußert, so würde das Schreckliche nicht ge schehen sein. Daran hielt sie fest, und unter der Qual dieser peinigenden Selbstvorwürfe litt sie körperlich und seelisch, so daß Papa Schwendler schier verzweifelte und das Schlimmste befürchtete. Und das Schlimmste traf auch ein in Gestatt eines langwierigen Nervenfiebers, das indessen, als die Gefahr glücklich überstanden, auch zu gleich Rettung brachte, denn mit der beginnenden Genesung streifte Hedwig allmählich jene quälen den Borwürfe von sich, die schon begönne« hatten, ihr Gemüt zu verdüstern. Da Jordan zu jener Zeit noch in Berlia war, übernahm er ihre Behandlung, wofür Vapa Schwendler ihm jeden Tag aufs neue seinen Dank aussprach, denn -r hegte die feste
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