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gesellengnartier durch Blumen festlich hernerichtet, eine Stickerei als Angebinde dazwischen gelegt und ihre oft von ihm begehrte Photographie gegen den mittelsten der Töpfe, einen eben anfgebliihten Rosenstock, gelehnt. Mit ihm zu sammen hatte sie die Räume nicht betreten. Das war ihr eine Selbstverständlichkeit, die sie auch damals zur Eile ge trieben. Plötzlich jedoch hatte der Schlüssel in der Autzentür geschnappt: die Freundin hatte sich nach der Tür der Wirtin zu geflüchtet: sie selbst war von dem aufjubelnden Geburts tagskind jedoch erwischt worden und hatte sich schmollend ab küssen lassen müssen. Darauf hatte er sie ritterlich hinab geleitet, weil sie sich der Wirtin gegenüber nun doch ein biß chen zn keck vorgekommeu war. Hinterher wenigstens. Die Wirtin indes war eine artige, brave Fran, die ihr nichts Häß liches nachsagen würde. Das hatte sie getröstet und die won nige Rückschau auf diesen Backfischstreich nicht mit heimlichen Beklemmungen verdunkelt. Aber jetzt meldete sich hier, zynisch lächelnd, ein zweiter Mitwisser, den sie damals auf der Treppe nicht erkannt hatte in jener herzklopfenden Angst, die ihr nachher doch als ein wunderbarer Genuß erschienen war: ein ihr so gut wie frem der, spöttisch ans sie nicderschauender Mann, der Gott weiß ivas für Schlüsse aus ihrer arglosen Unbesonnenheit ziehen zu dürfen glaubte! Sie biß sich auf die Unterlippe und zog die Stirn in är gerliche Falten. „Abscheulich!" dachte sie beklommen. „Erinnern Sie sich wirklich nicht?" fragte er, sie mit er wachendem Interesse musternd. Ein heimlicher Haß stieg in ihr empor gegen diesen sich ihr dreist aufdrängenden Späher, der eine deutliche Freude daran empfand, sie mit seinem Beobachtungsresultat in häß liche Verlegenheit zu bringen. Was für ein nndelikater, rücksichtsloser Mensch war das doch! Und trotzdem mußte sie ihm gegenüber höflich bleiben und durfte ihn nicht verächtlich abtrumpfen, wie sie's am liebsten getan hätte, wenn er nicht ihr offener Feind werden und hingehcn sollte, um seine Kenntnis ihres unbesonnenen Eindringens in des Geliebten Wohnung bei gemeinsamen Be kannten herumzutragcn. Sie machte also gnte Miene zum bösen Spiel und sagte, mühsam lächelnd: „Ah, jetzt dämmert's mir! Waren Sie nicht mein vis-a-vis beim Konter, Herr Doktor?" „Nein, aber bei der Fran^aise," berichtigte er. „Stüber glitt dabei ans und trat meiner Dame beinahe die Schleppe ab, wenn Sie sich erinnern." „Natürlich. Es war >ehr Peinlich und wirkte doch furcht bar kölnisch!" erklärte sie. „Elimar hatte Pech bei dem Tanz." „Elimar hat überhaupt Pech," griff er das Wort auf. „Wenn Sie gestatten, begleite ich Sie ein Stück, mein verehr tes Fräulein. Ich komme nämlich in seinem Auftrage." „Ah," stammelte sie und wurde blaß. Eine böse Ahnung krampfte plötzlich ihr Herz zusammen. Instinktiv fühlte sie, daß ihr von solch einem „Postillon d'amour" nichts Gutes kom men konnte. „Ja," sägte er, langsam an ilwer Linken wciterschreitend, „er hat wirklich nicht viel Glück aus der Welt, der arme Junge!" „Um Gottes willen, was ist ihm passiert? Sie wissen nicht, wie Sie mich ängstigen, Herr Doktor!" rief sie zitternd und griff unwillkürlich nach einem Ahornstamm, der zu ihrer Rechten am Wege stand. „Vor allen Dingen fassen Sic sich!" mahnte er, sie mit einem kühlen Blicke streifend. „Passiert ist ihn, vorläufig noch gar nichts! Aber es könnte ihm geschehen, daß er ans seiner Laufbahn gerissen würde, wenn ... ja, wenn, um es kurz zu sagen, er sich nicht finanziell zu arrangieren verstände!" „Ich verstehe nicht . . ." stammelte sie. „Nun, Freund Stüber ist ein bißchen leichtsinnig gewesen. Er hat Schulden. Wechselschulden. Ehrenschulden. Was weiß ich. Aber es ist eine stattliche Summe. Und die Manichäer sitzen ihm auf den Fersen. Findet er sie nicht ab, geht er Hopps! Daran ist nicht zu tippen. Und da sein hjßchen Erb teil längst von ihm verbraucht worden ist und seine Anstellung, soweit sie Gelder nbwirft, noch in weitem Felde liegt, bleibt ihm nur eine Rettung. Das ist eine anständige Heirat!" Er machte absichtlich eine Panse, nm die Wirkung seiner Worte abzuwarten. Sie sah geängstigt zn ihm auf. Und doch war ein leiser Schimmer von Hoffnung in ihren Augen. »Ich werde mit meiner Schü>ester und meinem Schwager reden!" flüsterte sie, dEy sich Mnt fassend, „ist es sehr viel, was er braucht?" Doktor Sartorius wiegte ablehnend das Haupt und lächelte spöttisch. „Es hat leider keinen Zweck, auch nur den Versuch nach dieser Richtung hin zu wagen!" erklärte er. „Stüber wäre wohl sonst selbst gekommen und hätte sich nicht hinter mir ver krochen." „Aber ich bin gar nicht so mittellos, wie ich es ihm seiner zeit dargestellt habe! . .. Ich wollte nur nicht, daß er mich für eine gute Partie halten sollte," begann sie zaghaft. „Ich verstehe Sie wohl, gnädiges Fräulein! Sie wollen um Ihrer selbst willen geliebt werden," entgegnete er, und sie hörte es ihm trotz ihrer Bedrängnis an, wie er sich innerlich lnstig über sie machte. „Wer wollte das einer jungen Dame verdenken? Und ich zweifle gar nicht, daß es auch bei meinem Freund Stüber Momente gegeben hat, in denen er an nichts anderes als an Ihre holde Anmut und Ihren süßen Liebreiz denken mochte. Sie mögen ihm das zugute halten, wenn er in diesem Ueberschwang sich ... hm .. . nicht immer an die Grenzen gehalten hat, die in einem solchen Verhältnis durch — äh, sagen wir: die allgemeinen Anschauungen geboten sind! Ein bißchen Schuld trifft Sie selbst dabei ja auch. Immer hin ..." „Was wollen Sie denn mit diesen abscheulichen Anspie lungen eigentlich sagen, Herr Doktor?" blitzte sie ihn an. „Ach Gott, gar nichts! Gar nichts!" erwiderte er achsel zuckend. „Es ist ja auch nichts weiter dabei. Und was mich anbetrifft, ich werde selbstverständlich keinen Mißbrauch da mit treiben, daß ich zufällig Zeuge gewesen bin . . . hm . . . wenn Sie auch für mich —" „O pfui!" rief sie, überwältigt von Scham und Zorn, „Sie glauben mich verdächtigen zu dürfen, weil ich an Elimars Geburtstage einmal sein Zimmer betreten habe, um ihn mit einer kleinen Aufmerksamkeit zu überraschen! Aber ich schwöre Ihnen . . ." - „Schwören Sie lieber nicht!" unterbrach er sie mit einem ungläubigen Lächeln. „Es ist ja auch ganz nebensächlich. Hier handelt es sich im letzten Grunde doch nur darum, Ihnen klar zu machen, daß Stüber seine Beziehungen zu Ihnen abbrechen mutz, um sich aus einer unhaltbaren Situation zu retten!" „Und warum hat Herr Stüber nicht soviel Takt besessen, mir das selbst zu sagen oder zu schreiben?" fragte sie mit einem schmerzlichen Würgen in der Kehle. „Ein Dutzend Briefentwürfe hat er mindestens zerrissen. Er konnte die rechten Worte nicht finden. Und dann wntzte er auch nicht, ob der Brief ohne weiteres in Ihre Hände ge langen würde. Zum Selberkommen aber fehlte ihm nicht nur die Kurage, sondern auch die Zeit," erklärte er gelassen. „Er ist nämlich gar nicht mehr in Berlin . . ." „So geben Sie mir seine Adresse, damit ich wenigstens mein Bild von ihm zurückfordern kann!" verlangte sie tonlos. „Seine Adresse? ... hm ... er ist nach Stettimgefahren, sich zu verloben. Und ich Weitz nicht, ob ihm damit gedient ist, wenn . . ." „So ersuchen Sie ihn in meinem Namen darum. Ich möchte nach diesen Eröffnungen sowieso nichts mit ihm zu tun haben. Sie können es mir ja postlagernd schicken. Post amt 30, wenn Sie sich die Mühe machen wollen." „Aber selbstverständlich!" Er sah, wie sie mit den Tränen kämpfte. „Sie müssen es nicht allzu tragisch nehmen, gnädiges Fräulein," nahm er einen lauwarmen Anlauf, sie zu trösten. „Er ist ja doch nun mal 'n Leichtkittel, der für Sie nicht ge paßt hätte, selbst wenn Ihr Vermögen nicht durch die Testa- mcntsklansel Ihres verstorbenen Vaters so unsinnig festgelegt worden wäre!" „Woher wissen Sie denn das?" fragte sie in jähem Er staunen. Er lachte überlegen. „Uns Juristen bleibt nichts verborgen!" prahlte er. „Freund Stüber allerdings war nach dieser Seite schlecht in formiert, sonst . . . Aber das ist ja schließlich einerlei, nach dem wir uns einig geworden sind, den großen Strich unter die ganze Geschichte zu machen und diesem Luftikus eine an dere Perspektive zu gönnen. Nicht wahr? ... Bei Ihrer Jugend und . . ." „Sie dürfen sich weitere Betrachtungen ersparen, Herr Doktor!" erklärte sie, sich aufraffend. „Die Angelegenheit ist für mich erledigt. Ich wünsche Herrn Stüber alles Glück, das er erstrebt. Leben Sie Wohl!" (Fortsetzung folgt.)