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„Nun, ich hoffe, Käthe, Tu vi^E^e, daß^Dir auf Erden niemand näher steht, als DeiiWMMster. Und wenn Du Wert darauf legst, so lassen wir Ottomar getrost aus dem Spiel. Ich kann ein Geheimnis auch fxr mich behalten!" „Liebe Helga!" rief das erglühende junge Mädchen in einer Aufwallung von beschämter Schwesternliebe und legte ihre schlanken Arme um den Hals der Aelteren. „Heute abend erzähle ich Dir alles!" „Nur, wenn Du's vor Dir und — ihm verantworten kannst!" scherzte die junge Jngenieursfrau und drückte einen herzlichen Kuß auf die blühenden Lippen Käthes, worauf diese endlich mit einem Blick auf die Uhr und dem sich daranschlie ßenden Schreckensruf: „Alle Wetter, schon gleich zwei! Da komme ich eine ganze Viertelstunde zu spät!" die Umarmung löste und hastig davoneilte. „Ist denn um diese Zeit schon ausverkauft?" rief ihr die Schwester heiter nach. „Ausverkauft? . . . Was denn?" fragte sie verständnislos. „Was?" lachte Helga. „Nun, der Windbeutelvorrat bei Deinem Konditor." „Ach, Du!" klagte die Siebzehnjährige schmollend und setzte ihren Trab auf den läuferbelegten Treppenstufen dann um so hurtiger fort. Ihr Weg führte sie aus der Kurfürstenstraße in die nahe Schillstraße. Dann kreuzte sie den Lützowplatz und wanderte eiliger wie ein Berliner Laufmädel die Friedrich-Wilhelm- stratze hinab, bis sie am Eingang der Hofjäger-Allee den Tier garten erreicht hatte. Nun mäßigte sie ihr Tempo und schlug alsbald rechts einen Seitenweg ein, um zur Rousseau-Insel zu gelangen. Ihre Blicke glitten dabei rechts und links durch den gelichteten Stammbestand des herrlichen Parkes, beachte ten aber weder das jauchzende Kindervolk noch deren Hüte rinnen, auch keinen der steifbeinigen alten Militärs mit den verschämten Ordensbändern im Zivilrock. Nur bei jungen, schlanken Flaneuren, die in der Ferne auftauchten, weilten sie prüfend einen Augenblick, um dann enttäuscht und unruhig weiter zu suchen. Jetzt zog ein junger, elegant gekleideter Herr nach kur zem Zaudern höflich den Hut vor ihr. Sie sah verwundert zu ihm auf. Das ziemlich selbstbewußte Gesicht mit den auf fälligen Schmissen auf beiden Wangen war ihr zunächst völlig fremd, und doch empfand sie eine dunkle Ahnung, es schon einmal gesehen zu haben. Aber wann und wo? Er ließ ihr nicht Zeit, nachzusinnen. „Fräulein Walberg?" fragte er halblaut, wie um sich zu vergewissern, daß er nicht doch an eine Unrechte gekommen sei. „Allerdings!" beschied sie ihn stockend; denn ein fremdes, kühles Gefühl flog sie an, als sie in die dunklen, bohrenden Augen des sie Aufhaltenden blickte. „Doktor Sartorius!" stellte er sich vor. Es klang läfsig und überlegen, nicht wie ein zaghafter Verehrer es gesagt ha ben würde. „Oder kennen Sie mich noch, gnädiges Fräulein?" „Ich erinnere mich nicht . . ." bemerkte sie beinahe ab weisend. „Auf dein letzten Juristenball hatte ich das Vergnügen!" half er ihrem Grübeln lächelnd nach. Aber es war lein an genehmes Lächeln. Es hatte eine Note brntaleu Grinsens. Die gelblichen Zähne blinkten dabei auf, und die Spitzen des geckenhaft gepflegten schwarzen Schnurrbarts gingen dazu seltsam in die Höhe. „Auch als sie unlängst meinem Freund Elimar die Ehre Ihres Besuches geschenkt hatten, begegnete ich Ihnen mit ihm auf der Treppe!" Eine heiße Nöte überlohte ihr Antlitz bei dieser unver muteten Erwähnung eines törichten und doch, Gott sei Dank, Bertha Behrens, weitbekannt unter dein Schriftstellernamcu W. Heimburg, feierte am 7. September ihren 60. Geburtstag. Die beliebte Nomanschriftstellerin ist in Tbale a. H. geboren, iprc Schul jahre verbrachte sie in Quendlinburg, in Salzwedel begann sie 1876 ihre literarische Tätigkeit. Die zahlreichen Romane, die sie im Lauf ihres Lebens geschrieben hat, erfreuen sich besonders in Frauenkreisen großen Beifalls. Sie ist unverheiratet geblieben und lebt in Dresden. harmlos verlaufenen kleinen Abenteuers, das ihr damals sinnige Freude, stürmisches Herzklopfen, tollen Schrecken und ! zuletzt doch wieder heitere Befriedigung im Herzen ausgelöst hatte. Aber nun wurde die wonnige Erinnerung an die be- ! gangene Kühnheit jäh durch diesen heimlichen Beobachter und Glosseur in ihr zu einem beschämenden Vergehen, an das sie - mit peinigender Scheu denken mußte. Elimar Stüber, ihr heimlich Verlobter, hatte au jenem Tage feinen Geburtstag gehabt. Und während er noch ans dem Gericht beschäftigt war, hatte sie ihm mit einer wage mutigen Freundin zusammen den Tisch in seinem Jung- Ter neue japanische Generalgouverneur von Korea. Die Annexion Koreas durch Japan ist jetzt offiziell be kannt gegeben. Als ja panische Provinz führt Korea den Namen Cho Sen. Sämtliche Verträge, die das ehemalige Kaiserreich mit europäischen Mächten abgeschlossen, gehen auf Japan über, das auch dem entthronten Kaiser sowie den Prinzen standesge mäßen Unterhalt gewährt. Zum Gouverneur der neuen Provinz wurde Ge neral Terautschi er nannt. General Terautschi, früher japanischer Kriegs minister, kam im Juni als Generalresident nach Söul, der Hauptstadt von Korea, und leitete die Verhand lungen betreffs der Thron- verzichtung des Kaisers I tschak, der zu seinem Be vollmächtigten den kprea- nischen Staatsminister M- Wan-Uon ernannt hatte. Siegessäule in Tokio, eine Nach bildung dec Berliner Siegessäule.