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Allgemeiner Anzeiger : 01.10.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-10-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191010019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19101001
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19101001
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1910
-
Monat
1910-10
- Tag 1910-10-01
-
Monat
1910-10
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 01.10.1910
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Vie ^ronprinrenreise nack Ostasien. Ein sozialdemokratisches Blatt in London, das meist aut unterrichtet ist, teilt mit, der Hauptzweck des englischen Besuches des Prinzen Heinrich von Preußen sei der gewesen, mit dem Könige von England den Reiseweg und das Zeremoniell für die indische Expedition des deutschen Kronprinzen bis ins einzelne versönlich zn besprechen. Die zeremonielle Seite der Kronprinzenreise macht insofern einige Schwierig keiten, als einerseits der Erbe des deutschen Kaisertums natürlich seinem hohen Range ent sprechend auftreten muß, anderseits die Eng länder, zumal bei der in Indien verwaltenden Stimmung, alles vermieden sehen möchten, was auch nur indirekt geeignet sein könnte, den Glanz des englische« Namens zu verdunkeln. In der Londoner Presse macht sich denn auch bereits das Bestreben geltend, die öffentliche Aufmerksamkeit von der astatischen Reise des deutschen Kaisersolmes abzulenken. Das ist indessen nicht so leicht, da besonders die chinesische Presse immer wieder über den Kronprinzenbesuch und seine Bedeutung berichtet. Nm lebhaftesten aber beschäftigen sich mit der Ostasienfahrt des deutschen Thronerben die Japaner. Sie meinen, der Besuch des Kron prinzen gelte in erster Reihe China und dem chinesischen Kaiserhofe, „Indien und Javan würden nur so mitgenommen". Vielleicht liegt ober die Sache aerade umgekehrt, da der deutsche Botschafter in Tokio gerade zu der Zeit in Deutschland sich befand, als die ersten Nach richten von der ostasiatischen Reise des Kron prinzen in die Öffentlichkeit gelangten. Daß Japan vgrläufig als letztes der zu besuchenden Länder auf dem Programm steht, liegt wohl daran, daß die Rückreise über Sibirien gehen soll. In die Zeit der Anwesenheit des Kronprinzen fällt der Geburtstag des Deutschen Kaisers. Dieser Tag wird vom Kronprinzen wohl in Tsingtau im deutschen Schutzgebiete begangen werden; bald daraus dürfte der Besuch am Pekinger Hofe er folgen. Durch den chinesischen Gesandten und durch Vermittlung des Auswärtigen Amtes ist der Kronprinz vom Prinz-Regenten von China gebeten worden, in Peking als sein Gast in der äußeren verbotenen Stadt, und zwar im Südwesten derselben, Wohnung zu nehmen. Im Westen der rotumwallten verhotenen Stadt, deren Zutritt bekanntlich Fremden wie Chinesen aufs strengste untersagt ist und auch den dort Dienst tuenden Beamten, Offizieren, Eunuchen usw. nur gegen Zutrittskarte und Vorzeigen ihrer Photographie gestattet ist, erstrecken sich die drei kaiserlichen grünumkränzten Lotusteiche. Inmitten des südlichen, auf einer idyllisch schönen Insel, liegt der Palast des Kaisers Kwang-Szü. Dieses Gebäude, abgeschlossen von den übrigen Höfen und Palästen der kaiserlichen Winter- reiidenz, wird die Wohnung des deutschen Kronprinzen sein, falls dieser es schließlich nicht doch vorziehen sollte, in der deutschen Gesandt schaft zu wohnen. Jedenfalls ist in China alles bereit, dem Sohne des mächtigen Deutschen Kaisers einen glänzenden Empfang zu bereiten. Dabei lehnt es die chinesische Presse ab, sich über die politische Seite des Besuches irgendwie zu äußern. China befindet sich nach dem Abschluß des japanisch-russischen Über einkommens in wenig glücklicher Lage. Es ist bekannt, daß es mit den Ver. Staaten Ver handlungen führt, über deren Natur vorläufig Stillschweigen bewahrt wird. Es ist daher kein Wunder, wenn das vor Jahren einmal viel- b.fprochene Gerücht wieder auftaucht, Deutschland, China und die Ver. Staaten wollten ein Bündnis schließen, das in Ostafien das Gleichgewicht wieder Herstellen soll, das man von England, Japan und Rußland bedroht glaubt. Es ist wohl kaum anzunehmen, daß dem Kronprinzen eine besondere politische Auf gabe übertragen werden wird, aber es ist nicht zu leugnen, daß dieser Besuch in der asiatischen ZtreMrawalle in Berlin-Moabit. Die ernsten Ausschreitungen in dem Berliner Stadtteil Moabit, die von streikenden Arbeitern Welt seinen Eindruck nicht verfehlen wird, wenn er die freundlichen Beziehungen z und Japan fester knüpft, so Hai er für lands Interesse seinen Zweck erfüllt. einer öffentlichen Versammlung über die elsaß - lothringische Verfassungsfrage. Mir wEen," sagte er, „daß Elsaß-Lothringen lü deutscher Bundesstaat wird, mit allen einem solchen zustehenden Rechten, wir wollen das allgemeine Reichstagswahlrecht für die Zweite Kammer. Die Erste Kammer muß, wenn sie überhaupt notwendig sein sollte, in einem so kleinen Lande wie Elsaß-Lothringen vollständig aus gewählten Mitgliedern bestehen, wenn auch für sie ein indirektes Wahlrecht nicht zu um gehen sein wird. Dagegen darf es nicht zuge lassen werden, daß die Hälfte ihrer Mitglieder, wie die Regierung vorschlägt, vom Kaiser er nannt wird, denn auch die Erste Kammer soll eine Vertretung des Volkes sein, nicht des Souveräns. Den Kaiser kann das Land als Souverän nicht annehmen, das läßt die Per sonalunion mit Preußen nicht zu. Ein neues Herrscherhaus kann nur in Übereinstimmung mit den Gefühlen des Volkes hier eingesetzt werden." Die Versammlung stimmte dem Redner be geistert zu. — Es darf dabei nicht vergessen werden, daß die Vorschläge der Regierung noch keine endgültigen find und daß die Frage betr. ein neues Herrscherhaus zurzeit überhaupt noch nicht spruchreif erscheint. *Die Lübecker Bürgerschaft hat einstimmig beschlossen, den Senat zu ersuchen, er möge Lübecks Vertreter im BundeSrat an weisen, bei der Reichsregierung zur Erleich terung der Vieheinfuhr und Auf hebung der Zölle auf Futtermittel und Vieh vorstellig zu werden. ««gla»d. "Die fremden Militärs, die den jetzt be endeten englischen Manövern bei wohnten, sprachen sich sehr anerkennend über die Tüchtigkeit der Soldaten aus, bekunden aber übereinstimmend, daß die höheren Offiziere zum Teil versagt hätten, über die Leistungen des Luftkorps bei den Manövern wird berichtet, daß der Armeelust kreuzer „Beta" fünf Tage lang an den Übungen teilnahm und dabei über tausend Kilometer über den kämpfenden Armeen zurücklegte. Dagegen spielten die beiden teilnehmenden Flugmaschinen keine bedeutende Rolle. Schweiz. * Die sechste Konferenz der Int ernatio - nalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz ist in Lugano eröffnet wor den. Sie ist besucht von mehr als 100 Ver tretern, von 17 Regierungen und 15 Landes sektionen, darunter Deutschland, Osterreich- Ungarn, Frankreich, England mit Kanada, Italien, Spanien, Belgien, Holland, skandi navische Länder und Ver. Staaten von Amerika. Balkanftaate«. * Die politische Lage in Griechenland ist immer noch nicht geklärt. Die Frage, ob das Ministerium Dragumis nach endgültiger Konstituierung der Kammer als Körperschaft zu rücktreten oder bleiben wird, schwebt nach wie vor. Der kretische Abgeordnete Venizelos, der Führer der Kreter, will nur im äußersten Notfall die Bildung eines neuen Kabinetts über nehmen, trotzdem man glauben darf, daß die Krone sie ihm gerne übertragen würde, da man darin eine Gewähr für die Ordnung und die Ruhe sieht. Afrika. * Der Oberbefehlshaber der französischen Besatzungstruppen in Marokko, General Moinier, hat sich nach Paris begeben, um infolge der bedrohlichen Haltung der Stämme an der Schauja-Grenze Truppenverstärkungen zu verlangen. Er dürfte mit seiner Forderung aber auf erheblichen Widerstand stoßen, denn die französische Regierung erklärt sich schon jetzt dagegen. Sie läßt öffentlich erklären, daß sie nicht die Absicht habe, neue Truppen nach Marokko zu schicken, da entgegen anderweitigen Mitteilungen die Notwendigkeit hierzu nicht be stehe. Im Schauja-Gebiet sei alles ruhig, die dort vorhandenen Besatzungen reichten aus. Politische Aunälebau. Deutschla«d. *Die Meldungen über die Zeit und den Ort einer Begegnung Kaiser Wilhelms mit dem Zaren sind als verfrüht zu be zeichnen, da die bisher getroffenen Verfügungen immer noch eine Abänderung erfahren können. Der Aufenthalt der russischen Kaiserfamilie in Friedberg richtet sich in erster Linie nach dem Gesundheitszustand der Zarin. Voraussichtlich dürfte die in Nauheim mit Erfolg begonnene Kur noch einige Wochen in Anspruch nehmen. Nach Beendigung des Friedberger Aufenthaltes gedenkt die Zarenfamilie entgegen anders lautenden Mitteilungen noch nach Wolfsgarten oder Darm stadt zu gehen. *Wie verlautet, hegt man in Regierungs kreisen den Wunsch, denReichstag erst nach dem Bußtage (16. November) zusammentreten zu sehen, um den jetzt tagenden Kommissionen Ge legenheit zu geben, ihre Arbeiten zu fördern. Man legt regierungsseitig auf die beschleunigte Verabschiedung des Arbeitskammergesetzes und des Wertzuwachssteuergesetzes keinen großen Wert, zumal letzteres nach den Erfahrungen des letzten Jahres nicht sehr große Erträgnisse er warten läßt. Bon den übrigen Vorlagen ist nur die Ergänzung zum Strafgesetzbuch reif für die Beratung. Der neue Reichsetat dürfte auch erst in den ersten Dezembertagen dem Reichs tage vorgelegt werden können. Der Reichstag hat also kaum genügend Stoff für drei Wochen, wenn einige Tage auch durch die Beratungen von Anträgen und Anfragen ausgefüllt werden könnten. *Die Verhandlungen zwischen dem Reichs- schatzamtunddemKriegsminifterium über die Aufstellung des neuen Militäretats und die Feststellung der neuen Heeresvor lage sind zufriedenstellend für beide Ressorts verlaufen. Es hat eine Einigung auf der mitt leren Linie stattgefunden, nachdem das Kriegs ministerium einige minder wichtige Forderungen seines Etats zurückgezogen hatte und auch die Militärvorlage auf das notwendigste Maß be schränkt worden war. Hiermit sind die größten Schwierigkeiten für die Etatsaufstellung be seitigt, da die Wünsche der übrigen Ressorts schon an und für sich bescheiden waren. Mit der Aufstellung der einzelnen Etats kann nun mehr begonnen werden, sodaß die ersten Etats dem Bundesrate gegen Ende Oktober bereits vorliegen werden. *Bei derReichstagSersatz-Stich- wahl im Wahlkreise Frankfurt a. O.- Lebus ist der Sozialdemokrat Faber mit einer Mehrheit von 172 Stimmen gewählt worden. Für Winter (nat.-lib.) wurden 15 625 und für Faber (soz.) 15 797 Stimmen abge geben. Die Wahlbeteiligung war stärker als beim ersten Wahlgange, bei dem insgesamt 28 668 Wahlberechtigte gegen 31427 bei der Stichwahl ihre Stimmen abgegeben hatten. — Beim ersten Wahlgange am 15. September waren für Winter (nat.-lib.) 7754, für Faber (soz.) 14 319 und für Dunkel (kons.) 6595 Stimmen abgegeben worden. Mit Faber zieht der 52. Sozialdemokrat in den Reichstag ein. *Der Diskont der Reichsbank ist (von vier) auf fünf Prozent, der Lombardzins fuß für Darlehen gegen Verpfändung von Effekten und Waren (von fünf) auf sechs Pro zent erhöht worden. * Die neuen preußischen Steuer- Vorlagen, die die vorläufig geltende Steuer gesetzgebung mit dem Zuschlagssystsm aus gleichend ergänzen sollen, werden höchstwahr scheinlich in der nächsten Landtagssesfion noch nicht zur Verabschiedung kommen, da der neue Finanzminister Dr. Lentze neue Erhebungen als Grundlage für diese Vorlagen anstellen läßt. *Der Reichstagsabgeordnete Wetterls, dessen politischer Einfluß in den Reichslanden im Steigen begriffen ist, sprach in Kolmar in der Kohlenfirma Kupfer u. Komp, in den letzten Tagen wiederholt hervorgerufen worden waren, haben am Montag und Dienstag zu außerordent lich scharfen Zusammenstößen zwischen einem großen Polizeiaufgebot und der aufgeregten Menge geführt. Der Janhagel griff die Sicher heitsmannschaften mit Steinwürfen und Revolverschüffen an, sodaß der führende Polizei-Offizier daS Zeichen zum bewaffneten Vordringen geben mußte. Dabei wurden drei Polizei-Offiziere, 40 Schutzleute und viele der Ausschreitenden verletzt, 14 Rädelsführer wurden verhaftet. Nach den wiederholten Straßentumulten war die Polizei auf größere Ausschreitungen vorbereitet, zugleich aber auch entschlossen, mit eiserner Strenge Ausschreitungen hintanzuhalten. Als es nun am Montag abend zu einem Angriff auf eine Schutzmannskette kam, die den Jan hagel aus den Straßen entfernen wollte, zogen die Beamten blank. ES fielen plötzlich Revolverschüsse au- einer Destillativ«, und im nächsten Augenblick sauste auf die Be amten ein Hagel von Biergläsern, Krügen, Flaschen und Gerätschaften hernieder. Sofort drangen 20 Mann unter Führung eines Leut nants in das Lokal ein und trieben die An greifer, die sich beim Nahen der Polizei in die Hinteren Räume der Wirtschaft geflüchtet hatten, mit Säbelhieben auf die Straße hinaus. Ein noch ernsterer Zusammenstoß erfolgte an der Ecke der Berlichingen- und Sickingenstraße. Dort wurde die Polizei von etwa 100 halbwüchsigen Burschen, die sich in den Häusern Nr. 10 und 73 postiert hatte, hinterrücks überfallen, wäbrend aus den oberen Etagen sich wahre Ströme von Wasser auf die Angegriffenen ergoß. Auch auS einer Kneipe wurden die Schutzleute mit Bierseideln und Gläsern bom bardiert. Erst einer größeren Abteilung von Wachmannschaften, die im Laufschritt von der fliegenden Wache aus den Kupferschen Werken herbeieilten, gelang es, die Demonstranten bis zur Beusselstraße zurückzutreiben. Dabei wurden drei Beamte verletzt. Auch die Destillation, aus der die Schutzleute bombardiert worden waren, wurde geräumt. Angriffe auf die Feuerwehr. Im Verlauf der für Berlin beispiellosen Tumulte vergriff sich die Menge schließlich auch an den Feuermeldern und gefährdete so die Feuersicher heit der ganzen Gegend. Von zehn Uhr ab setzte der Janhagel an der Ecke der Rostocker- und Sickingenstraße einen Feuermelder in größeren Zwischenräumen dreimal in Tätigkeit. Wenn dann die Löschzüge erschienen, wurden sie mit Steinwkrfen empfangen und zur Rückkehr gezwungen. Nach einer telephonischen Be sprechung zwischen dem Polizeipräsidenten und dem Oberbrandinspektor Reinhardt wurde dann der Feuermelder anher Betrieb gesetzt und daran ein Zettel angebracht, wonach Feuer meldungen auf dem nächsten Polizeibureau an- znbringen wären. Außerdem hatte die Menge in den in Mitleidenschaft gezogenen Straßen zügen sämtliche Laternen zerstört, so daß daS aufrührerische Viertel vollständig in Dunkel ge hüllt war. Bei einbrechender Nacht wurden, während die Schutzleute auf dem Kohlenplatze ein förmliches Biwak bezogen hatten, mehrere Anschlagssäulen in Brand gesteckt, dann kam die Nachricht von einem Sturm auf die ReformattonSkirche in der Beusselstraße. Die tobende Menge zer störte die schönen Kirchenfenster durch einen Steinhagel. Sofort gab Major Klein, der Führer der zweiten Schutzmannsbrigade, der daS Oberkommando über das etwa 300 Mann starke Aufgebot hatte, im Hauptquartier in der Sickingenstraße den Befehl zum Ausrücken. ES gelang endlich, die Mengs zu zerstreuen, aber die ganze Nacht hindurch ereigneten sich verein zelte Zusammenstöße. K Vor äie Maki gestellt. ILj Rowan von M. Lautner. IFortsetzmig.j „Sie werden mich heute wohl oder Übel alS Tischgast behalten müssen," sprach der Justiz rat heitern Tones mit einer kleinen Handbewe gung an die Damen. „Ich muß nämlich nach Herrendorf hinüber und möchte dort nicht gern gerade zur Essenszeit ins Haus fallen." „Sie wissen ja, bester Herr Justizrat, wie sehr wir uns freuen, Sie einmal hier zu haben," entgegnete die Tante mit noch etwas schwanken der Stimme. „Überdies habe ich als selbstver ständlich angenommen, daß die Herren zu Tisch bleiben und fest darauf gerechnet." „So muß ich bitten, mich gütigst zu eni- tchmdigen," sagte Kurt, „ich will morgen früh auf einige Zeit verreisen und habe noch ver schiedene Borberettungen zu treffen." „Sie wollen wieder fort?" riefen Tante Lottchen und Hanna zugleich. Er nickte: „Ich bin so frei." „Und wohin geht die Reife, wenn man fragen darf?" sprach Hanna. „Gewiß darf man," antwortete er mit einem Lersuch, Heller zu erscheinen, „ich habe eine Einladung meines Freundes Weißenberg auf seiner ungarischen Besitzung zur Jagd ange nommen." „Ah, also nach dem schönen Ungarland! Dann viel Glück zur Reise und Glück zur Jagd." Er verabschiedete sich hierauf von der Tante und Hanna und küßte Erna stumm die Hand. „Ich komme mit Ihnen," rief der Justizrat, „ich muß noch mal zum Inspektor hinüber. Auf Wiedersehen, meine Damen." Draußen klopfte er Kart auf die Schulter. „Halten Sie nur Ihr Herz fest, die schönen Ungarinnen sollen gefährlich sein." „O keine Sorge!" lachte dieser. „Nun, nun, wer weiß, was da passieren kann. Na, adieu, Herr Baron und glückliche Fahrt!" „Danke, danke! Adieu, Herr Justizrat." „Närrischer Mensch," philosophierte der alte Herr auf seinem Wege zur Jnspektorwohnung, als der Neuendorfer Wagen davonfuhr, „läßt sich da ein Mädchen wie diese kleine Erna durch die Lappen gehen, auS rein philisterhaften Gründen. Na, wer weiß, was dahinter steckt, und am Ende muß man ihm noch dankbar sein, hätte viel schlimmer kommen können; der kleine Trotzkopf wäre, glaube ich, geradeswegs durch die Wand gerannt. Aber närrischer Mensch, wirklich närrischer Mensch!" * * * Mehrere Monate waren vergangen. Weih nachten mit seinem Trubel und seinen Über raschungen war längst vorüber, ein neues Jahr hatte begonnen und mit ihm der Winter ein ganz ungewöhnlich strenges Regiment. Der Himmel sendete unaufhörliche Schnee massen herab und es herrschte eine wahrhaft sibirische Kälte. Der März endlich brachte wärmeres Wetter; vor seinen milden Sonnenstrahlen wichen Eis und Schnee, zugleich aber ungeheure Waffer- masseu entfesselnd. Aus allen Teilen des Landes liefen Nach richten ein von großer Überschwemmungsgefahr und Wassersnot, die allenthalben und zumeist in den Flußniederungen ungeheuren Schaden an richteten. Unzählige blühende Ortschaften waren dem Unglück, ja vollständigen Ruin preisgegeben. Da konnte es nicht fehlen, daß überall wohl tätige Hände sich regten, um nach besten Kräften das Elend zu mildern,- der übergroßen Not zu steuern. Überall bildeten sich Komitees zur Annahme milder Gaben, und ein jeder war bemüht, sein Scherflein beizutragen zu dem Werke der Barm herzigkeit. B., die Hauptstadt der am schwersten heim gesuchten Provinz, ging Men andern Städten mit gutem Beispiel voran, in Men Schichten der Bevölkerung wurden Konzerte arrangiert, Lotterien und Basare veranstaltet. Ist doch jeder so gern bereit, wohlzutun, wenn ein wenig Vergnügen für ihn selbst dabei mit unterläuft.^ Die sogenannte gute Gesellschaft tat sich VE Men andern hervor und arrangierte eine groß« artige Theatervorstellung, deren Zustandekommen und gutes Gelingen einer in solchen Dingen be-' währten Kraft zu verdanken war. Es war dies eine alte Dame, die Witwe eines höheren Regierungsbeamten, Frau Geyeim- rat Stelzer, eine in den weitesten Kreisen be kannte und beliebte Persönlichkeit, eine Samarite rin im wahrsten Sinne des Wortes. In unabhängigen Verhältnissen lebend und kinderlos, hatte fie ihr Herz den Armen und Kranken zugewendet; ihr ganzes Leben war eine ununterbrochene Kette von wohltätige« Werken jeder Art. Sie war eine der ersten, die sich bemühte, zum Besten der überschwemmte« alle Hebel in Bewegung zu setzen. Ihren Plan hatte sie bald entworfen, und traten ihr nicht gar zu große Schwiergkeiten in den Weg, so konnte sie des Gelingens ihres Werkes wohl sicher sein. Ihre Hilfstruppen requirierte fie aus den besten Kreisen der Gesellschaft; wo immer Schönheit und Anmut oder ein alter Name glänzten, erschien sie als Werberin für ihre gute Sache. Und fast überall fand fie ein freundliches Entgegenkommen und machte manch junges Herz lauter pochen, manch frische Wange tiefer glühen. Glaubte doch eine oder die andre der junge« Damen durch ihre Zusage ein gutes Werk za tun, und dann die Aussicht auf d e Proben, bei denen man sich so herrlich amüsiert, der Ge danke, wie große Bewunderung die eigene Erscheinung erregen würde und schließlich die Vorstellung selbst mit dem sich daranschließenden geselligen Zusammensein der beteiligten Künstler: dies alles ward in der Tat eine schier unüber sehbare Kette von Lust und Freude. Doch nicht ausnahmslos begegnete der Fra« Geheimrätin nur Sonnenschein, oft genug be kam sie auch enttäuschte, unzufriedene Gesichter zu sehen. Jede war natürlich bereit, die ihr angebotene Beteiligung anzunehmen in der stillen, aber sicheren Voraussetzung, eine der Hauptpartien zu erhalten.
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