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Allgemeiner Anzeiger : 02.03.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-03-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191003023
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100302
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1910
-
Monat
1910-03
- Tag 1910-03-02
-
Monat
1910-03
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 02.03.1910
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für Indien, es sei im Augenblick nicht fest- Wstellen, welche Ursachen der Flucht des Dalai-Lama von Tibet nach Indien zu grunde lügen, jedenfalls sei es sicher, daß er von den Chinesen nicht vertrieben worden sei. Die indische Regierung unterhandelt gegen wärtig mit der chinesischen, um eine Klärung der io überraschend geschaffenen Lage herbei zuführen. BEemftaatsr». * Der türkische Senat hat nach fünf tägigen stürmischen Debatten die Fünf- rnillionen anleihe für die Marine ge nehmigt. Die Anleihe (100 Mill. Frank) ist von der Abgeordnetenkammer schon vor längerer Zeit beschlossen worden. * Die türkisch-bulgarischen Grenz- streitigkeiten, die schon im vorigen Jahre häufig Anlaß zu Kriegsgerichten boten, haben doch ernstere Formen augenommen, als die Regierung in Konstantinopel anfangs zugeben wollte. Wiener Nachrichten zufolge ist es an verschiedenen Grenzpuukten zu scharfen Gefechten der beiderseitigen Wachen gekommen. Es heißt sogar, daß beide Staaten einen kriegsmäßigen Truppenaufmarsch eingeleitet haben. Amerika. * Die Zustände in Nikaragua scheinen nach Wie vor ziemlich trostlos zu sein; denn nach den neusten Meldungen hat Präsident Madriz vor den Rebellen (die angeblich ent scheidend geschlagen waren) die Flucht ergriffen. Im Lande herrscht völlige Anarchie und vier Rebellensührer nehmen den Präfidentenftuhl für sich in Anspruch. Aus ctem Aeickstage. Der Reichstag setzte am Donnerstag die zweite Lesung des Etats für das Reichsamt des Innern fort. Abg. Werner (Rcsp.) erklärte, kein Stand arbeite so tüchtig wie der Bauernstand. Das gelte auch vom Handwerkerstand. Darauf ging der Abg. Göring (Zentr.) ausführlich auf Handwerkerfragen ein und forderte weitgehenden Schutz des Hand werkerstandes. Der Hansabund könne nicht als Vertretung der Handwerker angesehen werden. Abg. Findel (nat.-lib.) fragte, wenn der Staat für Industrie und Landwirtschaft gesorgt habe, warum nicht auch für das Handwerk? Abg. Carstens (freit. Dv.) hielt eine gesunde Wirtschaftspolitik für die beste Hilfe des Handwerks. Abg. Hoch (soz.) kritisierte die Schutzzollpolitik und such-e dann die Wahlrechtsdemonstrationen besonders der Frank furter Arbeiter zu rechtfertigen. Staatssekretär Delbrück warnte vor einer sprunghaften Sozial politik. Die verbündeten Regierungen haben gerade in der laufenden Session mit der Einbringung von Gesetzesvorlagen gezeigt, daß sie ernstlich auf die Fortführung der Sozialpolitik bedacht seien. Ein Reichsberggcsetz lehnen die verbündeten Negierungen nach wie vor ab. Am 25. d. wird die zweite Beratung des Etats für das Reichsamt des Innern fortgesetzt. Abg. Behrens (wirtsch. Vgg.): Wir sind bereit, die Sozialpolitik der Negierung nach wie vor zu unterstützen. Besonders in bezug auf die Kartell gesetzgebung. Ferner wünschen wir die vermehrte Heranziehung der Börse. Durch ein Verlassen unsrer bisherigen wirtschaftspolitischen Bahn hätten die Arbeiter den größten Schaden. Die Negierung sollte mit ihrer bisherigen Gepflogenheit, Vertreter der Arbeiterorganisationen zu hören, nicht brechen. Zu unsern nationalen Arbeiterkongressen entsendet ja die Regierung schon Vertreter, sehr zum Arger der f Soziawemokraten. Redner fordert weiter u. a. gesetz liche Maßnabmen gegen die Schundliteratur und wünscht die baldige Privatbea ntenversicherung. Staatssekretär Delbrück: Die Frage der Be kämpfung der Schundliteratur ist im Fluß. Die Überwachung soll nicht von lokalen Polizeibehörden vorgenommen werden, sondern von einer organisierten Überwachung auf internationaler Grundlage. In Paris wird demnächst eine internationale Konferenz stattsinden. Sie sehen, ich schenke der Materie vollste Aufmerksamkeit. Abg. v. Liebert (freik.) wendet sich gegen den sozialdemokratischen Antrag auf Einführung der achtstündigen Arbeitszeit in der Glasindustrie. Mau muß doch auch an die Interessen der Industrie denken. Die Glasindustrie ist keineswegs gefährdeter als andre Industrien. In der Umgebung von Glashütten liegende Jagden werden oft von Glas arbeitern gepachtet I Die Löhne sind um 35 Prozent gestiegen. Abg. N ö r e n (Zentr.) befürwortet die Resolution gegen die Schundliteratur. In der Hamburger Bürgerschaft ist sogar ein liberaler Antrag Kege» diele Literatur angenommen worden. Wir können schon jetzt auf Grund des 8184 schärfere Maßnahmen ergreifen. Bedauerlich- ist eS, wenn Sachverständige, dir in künstlerischen Dingen lax denken, von den Ge richten zugezogen werden. Abg. Wach hör st deWente (nat.-lib.) wendet sich gegen die Vorwürfe, die der Bund der Landwirte gegen seine Partei erhoben. Gerade sie hat die Land wirtschaft gefördert, warum dann noch die wüste Hetze ? Alles, was im deutschen Staat schlecht ist, wird den Nationalliberalen zugeschoben. Wir wünschen nicht, daß bei uns englische Zustände einreißen. Ich erkenne an, daß der Bund der Land wirts bestrebt gewesen ist, die Landwirtschaft zu fördern. Dis Agitation der Sozialdemokratie sticht vorteilhaft gegen die des Bundes der Landwirte ab. Redner greift weiter den Bund der Landwirte an und verteidigt den Bauernbund. Abg. Hahn (kons.) führt aus, daß die national- liberale Partei selbst Schuld daran sei, wenn sie an gegriffen werde, besonders wegen ihrer Stellung zur Flnanzreform. Diese Partei hat diejenigen, dis an der Finanzreform mitgearbeitet haben, schlecht gemacht. Redner gebt ausführlich auf die einzelnen Punkts der Finanzresorm em. Den Konser vativen ist doch die ganze Reform zu danken! Wenn die Wirkungen sich nur auf den Mittelstand und die Arbeiter beschränkt hätten, dann wäre es niemals zur Gründung des Hansabundes gekommen. Da ober das Großkapital ebenfalls herangezogen wurde, machte inan auf einmal die ganze Reform schlecht. Die Mnanzrcform war notwendig, wenn wir die Weltmachstellung des Reiches wahren wollten. Das wird auch im Volke begriffen. Gerads die mittleren Schichten waren übermäßig belastet, und wenn wir das Großkapital herangezogen, so können wir das jederzeit vertreten. Für die Erb anfallsteuer konnten wir aus Prinzip nicht stimmen, denn man hätte die Besteuerung der Erbsckaneu immer weiter getrieben. Was den Bauernbund an- belrifft, so möchte ich hier anführen, was der frühere Staatsminister v. Hammerstein gesagt hat: „Der Bauernbund toll doch ehrlich sagen, was er ist: ein naüonalliberaler Wahlverein!" Ich bin seinerzeit aus der nationallib-ralen Partei ausgeschieden, weil sie ihre frühe m guten Bahnen verlassen halte, die sie von der Btsmarckschen Politik ab- und der Eaprivuchen zuführten. Ihr Zusammengehen mit den Sozialdemokraten ist noch einmal Ihr (zu den Natl. gewandt) Ende. Sie leisten ja nur die Vorarbeit für die Sozialdemokratie! Die- Sozialdemokraten wollen alles an den Beinen herunterziehen in die große erbarmungslose Gleich heit. Sie dagegen wollen alles verhöhnen. Bei den vorigen Wahlen war es uns noch möglich, dem Publikum gut zuzureden, jetzt aber ist dies unmög lich. Wir sehen dem Ausgange des Kampfes in zwei Jahren in Ruhe entgegen. Abg. Gothein (frs. Vgg.) hält die Aus führungen der beiden Herren Vorredner als nicht zur Sache gehörig. Leider hat der Staatssekretär gestern zu viele Bedenken gegen einen größeren Schutz des Wahlgeheimnisses geltend gemacht. Zigarrenkisten sind jedenfalls keine geeigneten Be hälter für Stimmzettel. Von einem Kartellgesetz versprechen wir uns sehr wenig. Redner fordert bessere Ausbildung der Handwerker und versucht nachzuweisen, daß die Landwirtschaft gar nicht in der Lage ist, den inländischen Bedarf zu decken. Der Bund der Landwirte vertritt vor allem die Inter essen des Großgrundbesitzes. Abg. David (soz.): Wenn der Abg. Nören meint, daß wir alle einig sind in der Bekämpfung des Schmutzes in Wort und Bild, so trifft dies nur in gewissem Sinne zu. Wir wollen nicht Ver vielfältigungen von Kunstwerken verbieten, sobaio es sich um Nacktheiten handelt. Redner wendet sich zu den Äußerungen mehrerer Abgeordneter über die Glasarbeiter. Die Sozialdemokratie hat sich ernst haft an den sozialpolitilchen Arbeiten beteiligt. Die Negierung sollte nicht die Arbeiterorganisationen zu diskreditieren suchen, wie dies der Herr Staats sekretär getan Hal. Der Zusammenstoß zwischen dem Bunde der Landwirte und dem Bauernbunde hat größere Bedeutung. Früher oder später muß doch ein tieferer Rifs zwischen großen und kleinen Landwirten kommen, wenn auch vorläufig Oldenburgs reaktionäre An sichten im Zirkus Busch bejubelt werden. Der Zu sammenstoß zwischen Landwirlebund und Bauern bund ist also als Fortschritt zu begrüßen. Freilich läßt sich sehr wohl darüber streiten, wer zurzeit größere Macht har, Herr Dr. Hahn oder Herr von Bethmann-Hollweg. Nach einigen persönlichen Bemerkungen zwischen den Abgg. Wachhor st de Wente und Hahn . vertagt sich das Haus bis Dienstag. Vie Stevung des Vrewundes. Gelegentlich des Besuches, den der öfter- reichische Minister des Äußern, Graf v. Nhren- ihw, dem Reichskanzler in Berlin gemacht hat, haben die beiden Staatsmänner wiederholt ein gehende Besprechungen über die europäische Politik gehabt. Das Ergebnis dieser Unter redungen ist in Wien sowohl wie in Berlin gleichlautend wie folgt veröffentlicht worden: „Seit dem Bestände des engen Bundesverhält- nissss zwischen Deutschland Osterreich-Ungarn gehört der persönliche Gedankenaustausch zwilchen den führenden Staatsmännern beider Reichs zu den Überlieferungen der Kabinette von Berlin und Wien. Eine Bekräftigung dieses alten Brauches darf in der Reiss des Grasen Ährentha! nach Berlin und in dem Besuche er blickt werden, den der österreichisch - ungarische Minister des Äußern dem deutschen Reichs kanzler Herrn v. Bethmann-Hollweg in Erwide rung von dessen vorjährigem Besuch in Wien absiattet. Beide Staatsmänner hatten neuer dings dis ihnen erwünschte Gelegenheit, sich über die verschiedenen politischen Fragen, die in letzter Zeit Bedeutung hatten, aussprechen zu können. Anknüpfend an ihre Unterredungen vom vorigen Herbste waren sie in der Lage, festzustellen, daß ebenso Deutschland wie Oster reich-Ungarn die Erhaltung des Friedens im nahen Orient anstreben, und daß sie die weitere friedliche Entwickelung der inneren Ver hältnisse der Türkei mit ihren Sympathien be gleiten. Herr Graf Ährenthai und Herr von Bethmann-Hollweg verblieben ber ihrer ruhigen Beurteilung der nächsten Zukunft, sowohl was die Lage in Europa im allgemeinen, als anch die Entwickelung im nahen Orient anbelangt. Diese Zuversicht stützt sich vor allem auf das Bundesverhältnis beider Staaten zu Italien, sowie auf die günstige Entwickelung der Beziehungen Deutschlandsund Österreich-Ungarns zu den andern Mächten, die die so notwendige Erhaltung der Eintracht unter den Mächten wirksam zu fördern geeignet sind." Eine solche amtliche Kundgebung aus Anlaß einer Ministsr-Begegnnng ist ungewöhnlich und sie wird dem Fernstehenden erst verständlich, wenn er liest, was englische und französische Zeitungen darüber schreiben. Da lesen wir, daß es zwischen Deutschland und Osterreich- Ungarn in letzter Zeit zu tiefgehende» Meinungsverschiedenheiten sowohl wegen der Balkanpolitik, als auch wegen der Beziehungen Österreich-Ungarns zu Rußland gekommen sei. Pariser Zeitungen erklären sogar unumwunden, daß dir deutsche Regierung die rusfisch-österreichischsn Ausgleichsverhandlungen nur ungern gesehen habe. Deutschland wird also wieder einmal als Störenfried hingestellt. Darum ist es gut, daß die amtlichen Kund gebungen, die in Wien und Berlin veröffent licht worden find, in aller Deutlichkeit erkoren, daß irgendwelche Meinungsverschiedenheiten in der Beurteilung der internationalen Politik (also auch des österreichisch-russischen Verhältnisses) nicht vorhanden seien. Die Ministerbegegnung in Berlin hat eine Legende zerstört, die wieder einmal bestimmt war, Deutschland vor der Welt zu verdächtigen. Politische Auncllckau. Deutschland. * Nach halbamtlichen Meldungen erscheint es nunmehr sicher, daß Kaiser WiIhelm auf der bevorstehenden Mittelmeer-Reise sowohl mit dem König Alfons von Spanien als auch mit dem König Viktor Emanuel von Italien Zusammentreffen wird. *Der verstorbene ReichstagsprSsident Graf - zu Stolberg-Wernigerode ist ans seinem Faauüengute Dönhofstndt beigesetzt wor- den. Kaiser Wilhelm ließ sich oei der - Feier durch den General v. Mackensen vertreten, j K Sme titeliose Geschickte. Sj Von Eugen Osborne. «Fortsetzung.! „Gemach, meine Herren I" sprach die junge Frau. „Bei so viel Zuvorkommenheit wird wahrhaftig die Wahl mir schwer. Gestatten Sie mir, zuerst Sie meiner Freundin vorzustellen: Fräulein von Kriegsheim. — Liebe Helene — Herr von Wildenau, Herr Fredericks, Herr Gardner, alle drei Cousins meines seligen Gatten, und hter sein Neffe Herr Albert von Schwerd, Lem ich in tantenhafter Autorität anempfehle, dir seinen Arm zu bieten. Ich nehme für dies mal den Ihren, lieber Gardner, an " Der Erwählte strahlte vor Freude, während die verschmähten Cousins ihn mit unzufriedenen Blicken ansahen. Der Neffe schien nicht böse über die getroffene Wahl. Während dieser kleinen Szene war ein Herr aus den Falten einer Portiere herausgrtreten, und hatte einige Schritte gemacht, wie um sich den Damen zu nähern. Als er jedoch deutlich hatte Helene als Fräulein von Kriegsheim be zeichnen hören, war ihm eine Bewegung freudiger Mena chung entfahren, dann hatte er sich schleunigst wieder hinter seine Portiere zurück gezogen, ohne von irgend jemand bemerkt worden -u sein. Während der kurzen Pause, die dem Vortrage eines zweiten Bravourstückes von seiten der europäischen Berühmtheit voranging, bemerkte Helene zwei Herren, die mit allen Anzeichen der Bestürzung auf sie oder Adelheid zuzueilen schienen. Der voranging, mochte ungefähr vierzig *Jm neuesten, dem Reichstage zngegcmgem . Geschäftsbericht des Neichs-Ver- sicherungsamtes wird betont, daß nun mehr alle gswsrklichen und landwirtschaftlichen Berufsgenoffenschaften im Besitze von Unlall- verhütungsvorschriften seien. Für die Über wachung und Durchführung der Uasallvsr- Hütungsvorschriften waren im letztverflossenen Jahre 321 technische Anfsichtsbeamte tätig, von denen 105 von den Baugewerks - Berufs genossenschaften und 37 von den landwirt- sch.Michen Berufsgenossenschaften beschäftigt wurden. * Die Jnftizkommission des Reichstags ver handelte in zweiter Lesung über dieBeleidi- gungs - Und den Körperverletzungs paragraphen der Strasgesetzergänzung. Die Verhandlung über die Beleidigungsstrafen wurden abgebrochen, da der in erster Lesung angenommene Rsgierungsvorschlag auf Wider spruch stieß. Es wurden neue Anträge in Aus sicht gestellt, in der Richtung, daß zu wirksamerem Schutz des Privatlebens ein besonderes Delikt der Verletzung von Privaigeheimnissen gebildet wird. * Die Reichstags-Kommission für das Hausarbeitsgesetz hat ihre Be ratungen begonnen. Die Frage, ob kleine selb ständige Handwerker, die nur sich und ihre Familie beschäftigen, nnter das Gesetz fallen, ist mit „ja" beantwortet worden, soweit ihr Be trieb Gefahren für sie oder das Publikum bietet. * Die Vorschläge der Lüderitzbuchter Inter essenten über die Ausbeutung der südwest - afrikanischenDiamantenlager wer den von den maßgebenden Kreisen nach wie vor mit der Rechtslage für unvereinbar angefehen. Die weitere Erörterung der in den von den Lüderitzbuchtsrn erneut an den Reichstag ge sandten Depeschen erwähnten Einzelheiten dürfte voraussichtlich anläßlich der dritten Lesung des Kolontaletats im Reichstage erfolgen, die unge fähr Mitte Mär; stattsinden wird. Bis dahin ist auch der Gouverneur v. Schuckmann in Berlin einqstroffsn und wird an den Verhandlungen teilnehmen können. * Dis W a h l r e ch t s - K o m m i s s i o n des Preuß. Abgeordnetenhauses hat die erste Lesung der Wahlrechtsvorlags zu Ende geführt. Der letzte bemerkenswerte Beschluß ist, daß mit 19 gegen 9 Stimmen dis öffent liche Wahl für die Abgeordneten — im Gegen satz zu den geheimen Urwahlen — festgesetzt wurde. * Aus eine Anregung bett'. Abschaffung des Zeugniszwangsverfahrens er klärte Minister v. Frauendorfer in der bayrischen Abgeordnetenkammer: Zu einer Beseitigung des Zmgmszwanges im Disziplinarverfahren könne die Regierung nicht die Hand bieten, da sie gewisse Zwangsmittel im Disziplinarverfahren nicht entbehren könne. Das Redaktionsgeheimnis dürfe sich nur auf den Redakteur beziehen, nicht auch auf den Beamten, der auch für sein außer dienstliches Verhalten verantwortlich sei. Im übrigen solle das Zeugmszwangsverfahren vor sichtig angewandt werden. *Jm elsässischen Landesaus schuß ist abermals der Antrag, die Reichs- regieiung solle Elsaß-Lothringen znm selbständigen Bundesstaat erheben, mit großer Mehrheit angenommen worden. Der Staats sekretär Frhr. Zorn v. Bulach gab dazu folgende Erklärung ab: „Die Regierung ist ernstlich be strebt, den Ausbau unsrer Verfassung im Sinns einer größeren Selbständigkeit des Landes zu fördern. Verhandlungen auf diesem Gebiet schweben seit langem bei den zuständigen Stellen in Berlin. Erneute Anregungen unser seits lassen hoffen, daß die Angelegenheit baldigst der Entscheidung zugeführt wird." Darauf wurde einstimmig ein weiterer Antrag angenommen, der für Elsaß-Lothringen eins republikanische Verfassung wünscht, und ferner ein Antrag auf Einführung des ge heimen Wahlrechts in Verbindung mit der Ver hältniswahl, Vie auch den Minderheiten eine Äertceuing sichert. England. *Jm Oöerhause erklärte der Staatssekretär Jahre zählen, hatte ein übellauniges Gesicht, hinkte ziemlich bedeutend und schien ungemein ärgerlich über dieses Hindernis in seinen Bewegungen. Der andre war ein sehr junger Mann, mit auffallend rosigem Teint. Er hätte aussehen können wie ein recht, hübsches verkleidetes Mädchen, wenn nicht der unstäie, ausdruckslose Glanz seiner Augen, wie er Kurz sichtigen eigen zu sein pflegt, seiner Schönheit Eintracht getan hätte. „Wie denn, meine Cousine!" rief mit unzu friedenem Tone der H'nkende, nachdem er Adel heids Lehnstuhl glücklich erreicht. „Sie hatten mir doch versprochen, daß kein andrer als ich Sie beute begleiten dürfte, und nun —" „In der Tat, mein Cousin, es tut mir leid, Sie find aber wieder einmal zu spät ge kommen. — Liebe Helene, ich stelle dir hier eine» vierten Vetter meines verstorbenen Mannes vor — Herr Freund — Fräulein von Kriegsheim, meine Freundin von der Pension her." Helene wollte sich verbeugen, machte aber statt dessen eine heftige Bewegung nach rück wärts, so daß fie beinahe an die etwas spitze Nase des Rosigen gestoßen wäre, der, tief auf fie herabgebeugt, mit süßer Stimme lispelte: „Meine gnädige Tante, Sie sehen mich tödlich erschrocken. Man sagt mir eben, daß ich mich seit einer halben Stunde auf fünf Schritt Entfernung von Ihnen befinde, und ich Haos Sie gar nicht begrüßt. Ich weiß nicht, was meine Augen heute besonders angegriffen hat — sonst sehe ich viel besser, — doch ich Hoffs, Sie werden mir verzeihen —" „Sehr gern, teurer Neffe, verzeihe ich Ihnen," sagte Adelheid lachend, „trotzdem Sie Ihre Ent schuldigung um einen Stuhl zu weit nach links angebracht Haden. Erlauben Sie, daß ich Sie bekannt mache . . . Fräulein von Kriegsheim — Herr von Lüttichau, — ein zweiter Neffe meines seligen Mannes." Rauschende Passagen verhinderten eine Antwort des Verlegenen. Dem zweiten Bravourstück der Berühmtheit folgten andre Pitzern, dann kam die große Pause, während der fass alle ihre Plätze verließen, um sich einige Bewegung zu machen, und mit Bekannten zu plaudern. Helene, die hier noch sehr freind war, hielt sich dicht an Adelheids Seite. Einmal neigte sie sich zu ihrem Ohr und flüstere: „Sie find da!" — Und nach einigen Minuten: „Sie kommen." Wirklich näherte sich ihnen eine Gesellschaft von drei Herren und suchte sich mit einiger Schwierigkeit Bahn zu machen dwch die vielen Vettern und Neffen, die Frau von Gundlingen stets umschwärmten wie Bienen einen Honig stock. Der eine war ein gewisser Baron von Gerstfeld, ein alter Herr, den beide jungen Damen noch von ihrer Kindheit her kannten und liebten; die zwei andern waren jene, mit denen sie zwar auch schon Bekanntschaft ge macht hatten, jedoch auf ungewöhnliche Weise, und ohne daß ihnen deswegen deren Namen bekannt geworden wären . . . aber nicht, ohne daß sie in dieser Hinsicht schon ihre Vermutungen gefaßt hätten. „Meine lieben, jungen Freundinnen," sagte der sreundliche alte Herr, „hier wünschen Ihnen vorgestellt zu werden (mit einer leichten Hand bewegung nach den beiden hin) der Processor Sonnenfeld, der Baron von Guntzlow, Namen, die Ihnen nicht unbekannt sein werden. Ich brauche Ihnen also nicht erst zu sagen, daß unsre Stadt stolz sein kann aut solche Gäste, und daß ihr daran liegen muß, ihre Ehre ihnen gegen über gewahrt zu sehen. Zu diesem Zweck glaube ich nichts Besseres tun zu können, als diese Fremden Ihrer besonderen Aufmerksamkeit cm- zuempfehlen!" Bei den letzte» Worten nickrs der alte Herr ein paarmal schelmisch mit dem Kopf und entkernte stch. „Ich hoffe, Sie verzeihen es mir, gnädiges Fräulein," sagte der Brünette, der Helenes ehemaliger Reisegefährte war, „daß ich ein» Form scheinbar so lange versäumt habe, die mir doch erst das Rechr gibt, mich zu Ihren Bekannten zählen zu dürfen. Ich weiß es jetztj daß Sie hier ebenso fremd find wie ich, und habe vergeblich nach einem beider seitigen Bekannten gesucht. Am Gelingen ver zweifelnd, war ich schon entschlossen, mich heute ohne weiteres selbst vorzustellen, als ein glück licher Zufall mir Herrn von Gerstfelv in den Weg führte. — Während er so sprach, hafteten seine Augen mit glühendem Ausdruck auf dem jungen Mädchen, als wollten fie sagen: „Ich hätte aber jedenfalls und überall meinen Weg zu dir gefunden." „OI" sagte Helene freundlich, „Sie haben jedenfalls eine gute Rekommandation ausfindig gemacht. Sie hörten selbst, wie schmeichelhaft Herr v. Gerstfeld Sie einführte. Bei meiner Freundin und mir steht er aber in ganz be-
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