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Allgemeiner Anzeiger : 23.02.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191002238
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19100223
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100223
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1910
-
Monat
1910-02
- Tag 1910-02-23
-
Monat
1910-02
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 23.02.1910
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AnäreLS k^ofer. Als Napoleon im Jahre 1809 auf dem Gipfel seiner Macht stand, Kronen verschenkte, neue Königreiche schuf, aus biederen Handwerkern (Marschall Lannes, der im Mai 1809 bei Aspern fiel, war 1792 noch Arbeiter in einer Färberei gewesen) Kciegshelden schuf und Österreich abermals niederzeworfen hatte, ent standen dem Siegreichen in verschiedenen Ge genden Deutschlands Feinde, deren Zusammen wirken dem Korsen hätte gefährlich werden können. Da sie aber unabhängig voneinander, mit unzureichenden Mitteln und zu verschiedenen Zeiten ihre Unternehmungen ins Werk setzten, mußten sie scheitern. Napoleon selbst hat ja nach der Schlacht von Aspern gesagt: „Die Unrinkgkeit «nd Unentschlossenheit meiner Gegner ist mein Verbündeter." Der preußische Hauptmann v. Katt, der westfälische Oberst v. Dörnberg, Major v. Schill, der Herzog von Braunschweig-Ols, sie alle konnten mit ihren Freischaren und Ausständen den Siegeszug deS stolzen Korsen auf deutschem Gebiete nicht aufhalten; ein einziger aber hielt ihm Stand: der Sandwirt Andreas Hofer, der in Gemeinschaft mit einigen Volksgenossen den Volksaufstand in Tirol organisierte, als Öster reich im Frieden von Schönbrunn (18. Oktober 1809) auf Tirol verzichtete. Kaiser Franz hatte Tirol verlassen; denn trotz seines Handschreibens, das die Zusage enthielt, er werde keinen Frieden mit Napoleon schließen, der nicht Tirol unauflöslich mit der Monarchie vereine, hatte der trotz seiner vielen Ratgeber ratlose Kaiser darin gewilligt, daß Tirol in zwei Teile zerfalle, wovon der eine an Bayern fallen und der größere zu Napoleons italienischen Besitzungen (illyrischen Provinzen) geschlagen werden sollte. Das freiheitliebende Alpenvolk, das nicht der Knute des Eroberers ausgeliefert und nicht vom angestammten Kron- lande getrennt sein wollte, griff zu den Waffen, um dem Helden und Vergewaltiger seines Jahr hunderts entgegenzutreten. Und ««ter Hofers Leitung begann nun ein Kampf, der an die Heldentaten der Schweizer und Niederländer in ihren Freiheitskämpfer» erinnert. Aber schließlich mußte das mutige Völkchen der Übermacht er liegen. Anfang November, nachdem der Vizekönig von Italien und der österreichische Feldherr Erz herzog Johann zur Waffenniederlegung geraten hatten, gab Andreas Hofer den Widerstand auf. Ganz Tirol wurde amnestiert. Als aber napoleonische Truppen das Passeyrtal besetzen wollten (15. November), da leimte in dem Herzen Hösers aufs neue der Groll und der Hitzkopf brach den Landfrieden. Mit dem Mute der Verzweiflung hielt er mit wenigen Ge treuen aus dem Ober-Jnntal noch dem Ansturm der Bayern und Franzosen stand. Mitte Dezember war seine Kraft gebrochen. Die Führer flohen, während Hofer in die Acht erklärt ward. Der Geächtete, den seine Volksgenossen als Befreier priesen, verbarg sich in einer fast unzugänglichen Hütte des Passeyr-Gebicges, ward aber von einem Landsmann den Franzosen ver raten, gefangen genommen und am 20. Februar 1810 in Mantua erschossen. Die Wiederauf, nähme des Kampfe? seitens der Tiroler nach der Unterwerfung gab dem Kaiser Napoleon den Schein des Rechts. Dennoch ging durch Deutschland ein Schrei der Entrüstung, als der Tod Hofers bekannt wurde. Hier hätte der Kaiser zeigen können, daß seinem „nie gerührten Herzen" der Edelmut nicht fremd war, indem er einen seiner mutigsten und ehr lichsten Gegner, den das Schicksal nach heftiger Gegenwehr in seine Hand gab, begnadigte. Er schrieb noch auf Helena: „Er war ein Rebell I" Für Deutschland aber hatte Hofer ein leuchtendes Beispiel ausgestellt, das in seiner s vollen Watsamkeit in den Befreiungskriegen s Mbar ward. Wenn jetzt aus Anlaß der Han- dertjahrfeier Tiroler in der Kirche zu Innsbruck, wo Hofers Denkmal steht, beten, so denken sie! voll Sloiz ihres Nanonathelden, der der erste war, der dem stolzen Korsen auf unvergleich lichem Siegeszuge ein Halt gebot. ^Lektor. Politische Kuncilckau. Deutschland. * Wie jetzt angekündigt wird, findet der Be such König Alberts von Belgien bei Kaiser Wilhelm Ende März statt. * Das braunschweigische Regenten- paar ist auf seiner Weltreise, aus Siam kommend, auf der Insel Sumatra einge troffen. * De: Bundesrat hat der Verlängerung des deutsch-schwedischen Handels vertrages zugestimmt. * Die Reich 8 bank wird demnächst das Guthaben des früheren Sultans Abd ul Hamid an die türkische Regierung heraus zahlen, nachdem alle Beteiligten sich dahin ge einigt haben, einen Prozeß zu vermeiden. * Die Wahlprüfungskommission des Reichstags hat die Wahlen der Abgg. Arnstadt (kons., Mühlhausen-Langensalza) und Meyer- Pfarrkirchen (Zentr., 4 Niederbayern) für ungültig erklärt. * Die Wahlrechtskommission des Preuß. Abgeordnetenhauses hat die Bestim mungen über die Heraufsetzung einzelner Wähler- kategonen in eine höhere Klasse einstimmig a b- ge lehnt. Nachdem nun die von der Regie rung vorgeschlagene direkte Wahl abgelehnt, da gegen aber die Einführung der geheimen Wahl beschlossen und nun wieder eine wesent liche Bestimmung des Regierungsentwurfs ab gelehnt worden ist, scheint es sicher zu sein, daß die Wahlrechtsvorlage im Abgeordneten haus keine Mehrheit und auch wohl bei der Regierung weiter keine Unterstützung finden wird. * Die Berliner Stadtverord netenversammlung hat einstimmig den Antrag angenommen, den Preuß. Landtag um Ablehnung der Wahlrechtsvorlage der Regierung zu ersuchen. *Nach halbamtlichen Mitteilungen wird die für den November d. in Aussicht genommene Landes-Ausstellung Togo (West afrika) in Lome nicht stattfinden, da das Reichs schatzamt der hierfür beantragten Bereitstellung von Geldmitteln seine Zustimmung versagt hat. Frankreich. * In Paris ist die internationale Handelsgesellschaft für öffentliche Ar beiten in Marokko mit einem Kapital von zwei Millionen Frank begründet worden. Davon entfallen fünfzig Prozent auf die Franzosen, dreißig Prozent auf die Deutschen und der Rest auf die andern Nationalitäten, unter denen England und Spanien der Vorrang eingeräumt wird. England. * Allem Anschein nach steht in England eine ernste Krise bevor. Wie verlautet, hat dec Premierminister Asquith nicht die Zustimmung König Eduards für eine Beschränkung deS s Rechts des Oberhauses erhalten können. Sollte sich dieses Gerücht bestätigen, so wären die Tage des gegenwärtigen Ministeriums gezählt; denn man erwartet in weiten Kreisen des Landes, daß diese Frage schnellstens einer Lösung entgegengeführt wird. Auch die Arbeiter parteien und die Iren, auf deren Usterstützung die Regierung angewiesen ist, würden dem Kabinett die Gsfolgtchaft versagen, wenn es ans seinen oft angekündigten „Kampf gegen das Oberhaus" verzichtete. Italien. *Jm Somalilande (der Nordostküste Afrikas) Haden verschiedene aufrührerische Stämme Raubzüge unternommen. Stach italienischen Btättermsldungen finden im Hinterlande heftige Kämpfe statt, ohne daß Leben und Eigentum von Europäern bedroht seien. Vaikanftnate«. "Wiener Meldungen zufolge sind die Ver- ! Handlungen zwischen Österreich-Ungarn ! und Rußland über die Balkanpolitik gescheitert, weil Rußland sich weigert, die Ver kehrspolitik der Donaumonarchie auf dem Balkan anzuerkennen. In diplommifchen Kreisen heißt es, es sei eine Verständigung zwilchen beiden Staaten auf absehbare Zeit ausgeschlossen. — Das wäre im Interesse des Friedens zu be dauern. *Es ist ein Zeichen der immer ernster wer denden Lage in Griechenland, daß in allen größeren Städten des Reiches die Truppen kriegsbereit gemacht worden sind. Türkische Blätter verbreiten bereits die Nachricht, daß König Georg unmittelbar vor der Verzichtleistung auf den Thron stehe. Wenn auch dieses Gerücht nicht zutrifft, so steht doch fest, daß im Schoße der königlichen Familie ernste Entschließungen bevorstehen; denn der König hat alle im Auslande lebenden Prinzen zu einem Familienrat nach Athen laden lassen. Demnach scheint sich der Herrscher nunmehr ernstlich mit Abdankungsgedanken zu tragen. * Der Familienrat, den König Georg von Griechenland angesichts der schwierigen Lage im Innern zusammenberufen hat, ist noch zu keinem Entschluß gekommen. Soviel ist jedenfalls sicher, daß König Georg seine Ab sicht auf den Thron zu verzichten, aufgegeben hat. "Die bulgarische Sobranje hat nach lebhaften Debatten das Gesetz über die Stiftung des neuen Ordens der Heiligen Cyrillus und Methodius, gegründet zum An denken an die Unabhängigkeits erklärung, angenommen. Der Orden soll als der höchste von allen bulgarischen gelten, hat nur eine Rangklaffe, nämlich das Großbank, und darf gleichzeitig nur an fünfzehn Personen ver liehen werden, wobei die fremden, nm Bulgarien besonders verdienten Fürstlichkeiten nicht mit gerechnet sind. Aste«. "In dem südchinesischen Auf standsgebiet haben die Regierungstruppen einen Sieg gegen die (von Japanern ausge bildeten!) Rebellen erfochten. Gleichwohl hat der Vizekönig eine Bekanntmachung erlassen, daß er für Leben und Eigentum der in dem unruhigen Gebiet lebenden Europäer keine Sicherheit leisten könne. Viele Europäer sind infolgedessen geflüchtet. Nachdem sich die chinesische Regierung durch den Mund ihres Vizelönigs für unfähig erklärt hat, den Schutz der Europäer zu übernehmen, wird es Aufgabe der interessierten Mächte sein, geeignete Maß nahmen zu treffen. Hus äem Aeickstage. Der Reichstag hielt am 17. d. den ersten SchwerinStag in der neuen Session ab. Abg. Fürst zu Löwenstein (Zentr.) begründete den vom Zentrum gestellten Toleranz-Antrag, den er als Grundlage zu einer imposanten Willenserklärung aller Parteien für religiöse Freiheit bezeichnete. Namens der Konservativen lehnte Abg. Winckler den Antrag ab. Abg. Everling lnat.-lib.) be stritt namens der National-liberalen, daß die Katho liken Anlaß zu nennenswerten Klagen haben. Gleich falls gegen den Antrag erklärte sich Abg. Mülle r- S Meiningen. Abg. David (soz.) erklärte sich zwar für den Antrag, in dem er nur eine Forderung des sozialdemokratischen Parteiprogramms sah, rügte aber, daß die Zentrumspartei draußen im Lande die Sozialdemokratie als kulturkämpferisch anzuschwärzen - suche. Für die Freikonservativen verlas Abg. Fchr. - v. Gamp eine kurze Erklärung, die zwar jede Be schränkung der religiösen Freiheit verwirft, aber die Beseitigung etwaiger Beschränkungen dieser Freiheit nur von der Landesgesetzgebung erwartete. Für die Polen erklärte sich Abg. Brandys für den Zen trumsantrag. Das Haus vertagte sich sodann. Am 18. d. stehen auf der Tagesordnung zunächst! die namentlichen Abstimmungen über den Toleranz- anlrag des Zentrums und den Zusatzanlrag der Sozialdemokralen. Der Zusatzantrag wird mil 233 gegen 89 Stimmen abgelehnt. Der^Antrag des Zentrums wird mit 160 gegen 150 Stimmen bei 8 Einhaltungen ebenfalls abgelehnt. Die weiter auf der Tagesordnung stehende sozialdemokratische Jnrerpcllation: „Was den Reichskanzler zu seinen Äußerungen im Abgeordnetenhause am 10. Februar veranlag! habe, die das in der Verfassung des Reiches uuo mehrerer Bundesstaaten gewährleistete allgemeine, gleiche, geheime Wahlrecht herabzusctzen und zu bedrohen geeignet schienen?" wird nach einer Erklärung deS Staatssekretärs Delbrück, daß der Reichskanzler dieselbe demnächst selbst beantworten werbe, von der Tagesordnung abgesetzt. Es folgt die Beratung des Etats des Reichsamts des Innern beim Titel „Staats sekretär". Abg. Mayr-Kaufbeuren (Zentr.) bespricht die wirtschaftliche Entwickelung Deutschlands. Die Handelsbilanz weist gegenüber Anfang 1S0S eine Besserung auf. Redner wendet sich gegen den Hansa- bund. Handwerker und Kleingewerbetreibende ge bären nicht in den Bereich von Großindustrie und Handel. Was den Mittelstandsschutz anlangt, so ist meine Stellung zum Hansabunde eine ablehnende. Staatssekretär Delbrück: Es ist nicht meine Absicht, hier ein Programm meiner künftigen Tätig keit zu entwickeln, aber doch möchte ich jetzt einmal die Frage: „woher und wohin die Fahrt?" erörtern. Mit der Errichtung des Deutschen Reiches hat für Deutschland eine Periode ihren Abschluß gesunden, die ausgesüllt war mit Kämpfen um Volksideale. Dann begann die Periode wirtschaftlicher Kämpfe und darauf ein ausgeprägter Zug der Konzen tration aller wirtschaftlichen Kräfte. Die sich voll ziehenden Änderungen beschränken sich nicht nur aus Arbeiterfragen, sondern greifen auch in das Gebiet der Landwirtschaft hinüber. Die ganze Wirtschaftslage hat unsre Landwirtschaft im Osten lange schwer gefährdet. Diese Sorge hat uns 25 Jahre lang beschäftigt und nicht ohne Erfolg. Am verderblichsten hat die Entwickelung der In dustrie auf den Mittelstand eingewirkt. Deshalb hat die Mittelstandspolitik uns bisher so ernsthaft be schäftigt. Hier handelt cs sich um den Schutz be stehender Zustände, die von rechts und links ange griffen werden. Von allen Fragen hat keine so ge waltige Stoßkraft entwickelt, wie die der Sozialpolitik. Das liegt darin, daß hier das deutsche Volk seinen ganzen Idealismus hineinlegt. Der soziale Zug geht auch durch unsre Wissenschaft, Literatur und Kunst. Es ist uns leider nicht gelungen, die Kluft zwischen den beiden Teilen des deutschen Volkes zu überbrücken. Wir werden uns bei allen sozialpoliti schen Problemen von der versöhnenden Tendenz leiten lassen müssen. Wir wollen nicht vergessen, daß bei allen diesen Fragen es nicht die Sorge für das materielle Wohl ist, die uns leiten soll, sondern daß es sich dabei um unvergängliche Besitztümer handelt. Diese aber werden wir nur wahren können, wenn es gelingt, das ganze Volk um diese Besitz- lümer zu scharen. Der Bestand eines großen Staates hängt wesentlich von der Schaffung eines leistungs fähigen Mittelstandes ab. Das gilt auch von der Landwirtschaft. Wenn wir beute sehen, daß 25 Jahre des Kampfes der Landwirtschaft zu einem gewissen Abschluß gekommen sind, so hat dazu am meisten die entschlossene Arbeit der Landwirte und ihrer Ver bünde beigetragen und darin liegt eine Summe von materiellen und sittlichen Werten. Trotz der Sorge, die wir vor 20 Jahren um unsre Landwirtschaft hatten, und die nicht mehr so aus uns lastet, dürfen wir niemals vergessen, daß hier große Werte liegen. Versagen Sie der Negierung die Unterstützung nicht, wenn sie neue Forderungen zu stellen hat, die unsrer politischen Entwickelung die notwendige Stetig keit sichern sollen. Abg. P au li-PotSdam skons.): Wir können dem Herrn Staatssekretär nur dankbar für seine Ausführungen sein. Wir können stolz sein auf unsre foziowotitiiÄc Gesetzgebung: Und sie ist die eines monarchisliscyen Staates. Hauptsache ist Trennung von Großindustrie und Handwerk. Für den Abschluß von Tarifverträgen trete ich nach wie vor ein. Die neunstündige Arbeitszeit ist nicht zu lang und würde die weitere Herabsetzung der Arbeitszeit unsre Konkurrenzsähigkeit schädigen. Wirklich paritätische Arbeitsnachweise halte ich für berechnt. Abg. Fischer- Berlin (soz.): Die Rede des Staatssekretärs bedeutete für uns: Es bleibt alles beim Alten. Er hat von allem gesprochen, nur nicht von den Arbeitern. In allen Arbeitersragen ist die Negierung abhängig vom Zentralverband deutscher Industrieller. Darum mußte auch Graf Posadowsky gehen, der eine ernste Sozialpolitik wollte. Wollen die Arbeiter etwas erreichen, so müssen sie sich organisieren und ebenso stark werden wie der Zentral verband. Abg. Linz (freikons.): über Person, Auffassung und Tätigkeit des Staatssekretärs läßt sich ein Urteil noch nicht fällen. Unterhält er gute Beziehungen zur Industrie, so ist ihm das nur zu danken. Des halb kann von Abhängigkeit vom Zcntralverband nicht die Rede sein. Die Gerechtigkeit verlangt die Anerkennung, daß gerade die letzten Wochen mannig fache sozialpolitische Gesetze gebracht haben. Er wünscht ist die Förderung der bergischen Industrie in Seide, Halbseide uno Wolle durch erhöhien Zoll- schutz; hier wird die französische Konkurrenz immer schwerer empfunden, weil in Frankreich diese Industrie unter günstigeren Bedingungen arbeitet. Darauf vertagt sich das Haus. U Sine titellose Selckickte. 7) Von Eugen Osborne. lKortietzung.I „Wen sollte ich fragen?" „Nun, beisoielshalber, die Dame selbst." „Wie durste ich das, da ich ihr doch meinen Namen nicht sagen wollte. Sie fragte mich ja danach." „So hattest du wenigstens ihre Wohnung ausfindig machen sollen." „Meinst du, daß es bei mir dazu der Mahnung bedurfte? Sie wohnt in dem weißen Hauie, links an der Ecke der Fluß- und Park straße." „Das HauS bat zwei Stockwerke?" fragte der andre aufmerksam werdend. „Ja wohl." „Siebst du," sagte der Freund, der jetzt ver suchte, abwechselungshalber sich wie ein Türke mit unterschlagenen Beinen auf seinem harten Sofa zu placieren. „Siehst du, wie gut es ist. daß du mich nicht erschossen hast? Ich bin jetzt imstande, dir eine recht nützliche Auskunft zu erteilen. Deine Bewunderte heißt Frau Adelheid v. Kundlingen, geb. v. Schöneck. Aus- nahmsweise hast du diesmal mit deiner plötzlichen Verliebtheit einen klugen dummen Streich ge macht. Es ist eine Frau, vor der man Respekt haben muß: ebenso geistreich als schön, ebenso gut wie liebenswürdig." „Jawohl! Ohne Zweifel, das ist sie!" rief der Lebhafte entzückt. „Wie aber kommst du zu der genauen Bekanntschaft? Und warum höre ich erst heute davon?" „Nun, die Bekanntschaft ist so genau noch nicht. — Ich habe die liebenswürdige Dame noch nie gesehen." „Aber woher weißt du denn?" „Was?" „Ei, daß sie geistreich, gut und liebenswürdig ist! Du schilderst sie ja fo genau, als kenntest du sie von Kind auf." „Und du bist der Rechte, das zu beurteilen," sprach der mit dem Tschibuk lachend, „übrigens werden wir bald die Gelegenheit haben, zu be urteilen, inwiefern das ausgezeichnete Renommee der jungen Frau recht hat. Ich habe ein Emp fehlungsschreiben an sie." „Du bist zu beneiden." „Ei, da ich nicht verliebt bin, bin ich noch nickt eifersüchtig und denke ein Mittel zu finden, dich mit einzuführen." „Ja, stehst du," sprach der junge Mann, im Zimmer nachdenklich auf- und abschreitend, „wenn schon die erste Begegnung einen so leb haften Eindruck auf mich gemacht hat, so sind deine jetzigen Beschreibungen von der Dame wenig geeignet, ihn zu schwächen." „So gratuliere ich!" „Wozu? Ich bin kein moderner Roman held, um eine Vorliebe für Romane mit verheirateten Frauen zu hegen. Ich hasse das Gemeine." „Ha, da steckt der Haken! Beruhige dich darüber, sie ist Witwe." „Witwe?" „Freilich, der alte Herr, ehemaliger Gerichts präsident v. Gundlingen, zählt längst nicht mehr unter den Lebenden. Die Ehe soll eine glück ¬ liche gewesen sein, dauerte aber nicht einmal ein volles Jahr." „Ha! also . . . Gerichtspräsident! Gaben dem seine Akten nicht genug zu tun? Oder war für ihn keine andre Frau auszutreiben?" „Immer besser! Schon eifersüchtig!" rief der Freund aus vollem Halse lachend. „So ist's recht, mein Teurer! Noch dazu soll der alte Herr ein Mann von seltener Liebenswürdigkeit gewesen sein; da kommt es wohl nicht in Be tracht, daß er seiner Frau zur Not auch als Großvapa hätte dienen können!" „War er so alt? Nun dann hat sie ihn wohl nur geehrt und aeschätzt, wie einen Vater geliebt und so Wester!" rief der junge Mann, und die Hände des andern ergreifend, setzte er leidenschaftlich hinzu: „Freund, du gibst mir das Leben wieder!" „Du bist rein verhext!" meinte jener kaltblütig. Es entstand eine kleine Pause, dann deutete er aus das Paket Briefe, die auf dem Tische lagen, und fragte in pathetischem Ton: „Was soll nun aber aus diesen werden?" „Ah! Die hatte ich ganz vergessen!" rief der Jüngere. „Hat sich denn wirklich eine Ant wort auf mein tolles Gesuch gefunden?" „Es ist niemand so toll, daß er nicht noch übertroffen werden könnte — Ein ganzer Haufen Antworten." „So wollen wir sie durchsehen, obwohl mir die Sache nicht mehr den Spaß macht wie zuerst. Aber alle diese Episteln zu lesen, fällt mir nicht ein. Unterscheiden wir! — Hier diese — un förmliche Kuverts: ungebildete Handschriften, unförmliche Siegel legen wir beiseite, die können nichts Interessantes enthalten. — Bleibe« die feinen, parfümierten Billetts. Volons!" Die beiden Herren fingen an, den Inhalt der zierlichen Kuverts zu studieren und teilten sich, teils spottend, teils heiter lachend, ihre Be merkungen darüber mit. Plötzlich lachte Helenes Reisegefährte und Bewunderer laut aus und legte den Bries, den er eben gelesen, in die Hände seines Freundes, mit der Bitte, ihm zu sagen, wie er sich Schreiberin dieses vor stelle. Jener nahm ihn zur Hand. „Achtzehn Jahr- alt; rosig; kirschrote Lippen; kleine weiße Mäusezähne, und ein gut Test ausgelassen, leichtsinnig und kokett," — so lautete das Urteil, nachdem er ihn gelesen. „Kokett gewiß! Leichtsinnig, mag sein — Aber jedenfalls mit einigem Humor begabt. Die hat den wahren Sinn meiner Anzeige heraus und straft mich dafür ganz nett. Wie fein sie Spott mit Spott vergilt und meine eigenen Worte gegen mich kehrt!" „Du gedenkst also das Abenteuer zu be stehen? Und deine letzte Flamme, Frau von Gundlingen?" „Merkwürdig! Der Brief macht auf mich den Eindruck, als könne er von ihr sein." „Warum nicht? Etwas Leichtsinn und viel Koketterie muß man am Ende feder Frau nach sehen: auch der vernünftigsten." „Du hast bekanntlich keine besondere Meinung von den Frauen im allgemeinen." „Auch nicht von den Männern im allgemeinen. Mich interessieren die Völker in ihrer geschicht lichen, namentlich kulturhistorischen Bedeutung
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