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Allgemeiner Anzeiger : 18.06.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-06-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191006189
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100618
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1910
-
Monat
1910-06
- Tag 1910-06-18
-
Monat
1910-06
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 18.06.1910
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Oftafiatische fragen. Vor einigen Tagen ging das Gerücht durch die Welt, die Angliederung Koreas an Japan sei beschlossene Sache. Aber die Stimmen kamen wieder zum Schweigen, da die japanische Regierung augenscheinlich nicht geneigt war, über ihre Pläne irgendwelche Auskunft zu geben. Tatsache ist, daß Korea jetzt völlig von japani schen Truppen besetzt ist, und daß Japan mit diesem Lande, dessen Wirtschaft es nach und nach unter seine Leitung gebracht, dem es auch den Kaiser genommen hat, machen kann, was es will. Bedeutsam für die weltpolitische Lage ist, daß Japan diese Angliederung vornehmen kann, ohne auf den Widerspruch Ruhlands zu stoßen. Allerdings sind die Nachrichten, daß beide Mächte ein Bündnis geschlossen hätten, widerlegt worden. Wahr aber ist, daß alle ihre Streitigkeiten, die noch eine Folge der Aus legung des zwischen ihnen geschlossenen Friedens- Vertrages waren, beigelegt sind. Und das hat mit seinem Drängen der amerikanische Staats sekretär des Äußeren, Knox, getan. In dem Be streben, Rußland sowohl wie Japan aus der Mandschurei, die diese beiden sich wirtschaftlich teilen, zu verdrängen, hatte er bekanntlich vor längerer Zeit den Vorschlag gemacht, die mandschurische« Bahnen an China zurückzugeben. Natürlich hat Rußland den Vorschlag zurückgewiesen und ebenso Japan. Die Ver. Staaten aber haben mit einem Schlage das Mißtrauen Chinas, das sie durch ihre Einwandererpolitik wachgerufen hatten, über wunden und leben in Freundschaft mit dem Lande, dessen Söhne sie bei sich noch immer ihrer Rasse wegen von der Gleichberechti gung ausschließen. Daraus ergibt sich das Bild der Gruppen, die gegeneinander im fernen Ostasien tätig sind. Auf der einen Seite: Rußland und Japan, denen sich aus Bündnis rücksichten England und Frankreich zugesellen, auf der andern Seite China und die Ver. Staaten. Wenn nun in den letzten Tagen das Gerücht auftauchte, England sei nicht gewillt, den Bündnisvertrag mit Japan zu erneuern, so zeigt schon die eben angedeutete Sachlage, daß England im gegenwärtigen Augenblick sehr schlecht dabei abschneiden würde. Noch ist seine Herrschaft in Indien nicht so gefestigt, daß es wagen dürfte, den Freund von gestern und den Bundesgenossen sich selber zum Feinde zu machen. Es muß wohl oder Übel durch sein Bündnis zulassen, daß Japan seine Macht auf dem asiatischen Festlande weiter verstärkt. Dadurch entstehen allerdings der englischen Regierung in der Heimat immer größere Schwierigkeiten, man weiß ja, daß von den englischen Kolonien die japanfreunvliche Politik des Mutterlandes durchaus nicht geteilt wird. Die Japanerausweisungen in Kalifornien, Kanada und in Australien haben deutlich gezeigt, daß man der Politik des Mutterlandes gegen über der gelben Rasse nicht zu folgen gewillt ist. Und im kanadischen Parlament ist offen ausgesprochen worden, daß man die zu bildende Flotte dem Mutterlands nur dann zur Ver fügung stellen will, wenn fie nicht zur Unter stützung Japans herangezogen wird. England, das an den ostasiatischen Fragen nicht unmittel bar beteiligt ist, sieht sich daher in einer peinlichen Stellung und man begreift, daß es alles daran setzt, um jeden Keim de» Unfriedens im fernen Osten zu ersticken. Ob das freilich auf die Dauer möglich sein wird in einem Gebiete, wo so viele widersprechende Interessen aufeinander stoßen, darf billigerweise bezweifelt werden. Und die Stunde ist nicht mehr fern, wo England offen Stellung nehmen muß. Nicht umsonst betreibt Japan mit Eifer seine Marine- und Luftflottenrüstungen, nicht ohne Grund hat Amerika seine Flotte in zwei Geschwader geteilt, deren größerer Teil dauernd die chinesisch-japa nischen Gewässer beobachten muß. Wer den politischen Himmel im fernen Osten friedlich sieht, der irrt in der Beurteilung der Machtver hältnisse und ihrer notwendigen Entwickelung. VestmsLn. Politische Kunälckau. Deutschland. * Infolge des Einspruchs der vreußischen Regierung hat der Papst die Veröffent lichung der vielbesprochenen Borromäus- Enzyklika in Deutschland untersagt und über ihre Wirkung auf die Protestanten sein Bedauern ausgesprochen. Damit ist der Zwischenfall erledigt. In der Note, die dem preußischen Gesandten am Vatikan überreicht worden ist, heißt es u. a.: Der Heilige Stuhl glaubt, daß der Ursprung der Erregung über die Enzyklika darauf zurückzuführen ist, daß der Zweck nicht richtig erkannt worden ist, auf den die Enzyklika gerichtet war, und daß daher einige ihrer Sätze in einem Sinne aus gelegt worden sind, der den Absichten des Heiligen Vaters völlig fremd ist. Es liegt daher dem unterzeichneten Kardinal daran, zu erklären, daß Seine Heiligkeit mit wahrem Bedauern die Nachrichten von einer solchen Erregung vernommen hat, da — wie schon öffentlich und formell erklärt worden ist — irgendwelche Absicht, die Nichtkatholiken Deutsch lands oder dessen Fürsten zu kränken, seiner Seele ganz und gar fern lag. Der Heilige Vater hat übrigens niemals eine Gelegenheit Vorbeigehen lassen, um seine aufrichtige Achtung und Sympathie für die deutsche Nation und ihre Fürsten zu be kunden, und hat noch bei einer kürzlichen Ge legenheit die Freude gehabt, diese seine Gefühle zu wiederholen. * Während der Anwesenheit des Kaisers in Hannover am 17. und 18. d. Mts. wird auch die Kaiserin einigen Krankenhäusern und WohltStigkeitsanstalten in Hannover Be suche abstatten. * Unter den Gästen Kaiser Wilhelms bei der bevorstehenden Nordlandsahrt wird sich auch der Regierungs- und Schulrat Dr. Komorowski aus Potsdam befinden. Dr. K. soll zur Teilnahme an der Fahrt ein geladen worden sein, weil sich der Monarch von ihm u. a. über schwebende Schulfragen Vorträge halten lassen will. Schon vor längerer Zeit hat der Kaiser bekanntlich geäußert, daß das Schulwesen noch mehr nach neuzeitlichen Ge sichtspunkten ausgestaltet werden müsse, und daß er ein Freund der Reformschule sei. * Die Verhandlungen über die Änderung der elsaß-lothringischen Verfassung haben im Statthalterpalais zu Straßburg be gonnen. Es nehmen u. a. daran teil Statt halter Graf Wed el, Staatssekretär des Innern Delbrück und der Staatssekretär für Elsaß- Lothringen Zorn v. Bulach. Man be- schäftigte sich mit bereits fertigen Verfaffungs- und Wahlrechtsentwürfen. Die Teilnehmer be obachten Stillschweigen über das Ergebnis der Beratungen. *Die Einnahme des Reiches an ZV ll en im Monat Mai d. Js. hat 46-/- Mill. Mark betragen; für die Zeit vom 1. April bis Ende Mai d. Js. stellt sich die Zolleinnahme auf 91 Millionen Mark, d. h. 2'/- Millionen Mark weniger als in den entsprechenden beiden Monaten des Jahres 1909. Gegen den Etats voranschlag für das Rechnungsjahr 1910 bleibt die Soll-Einnahme für April und Mai d. Js. um etwa 14 Millionen Mark zurück. * Für die Unterstützung von Tabak arbeitern, die durch die Reichsfinanzreform beschäftigungslos geworden find, hat das Reichs- schatzamt nach den bisher für diesen Zweck bereits verausgabten 4'/« Millionen nunmehr noch wettere zwei Millionen bereitgestellt. Diese werden den Mitteln zur Deckung von Fehl beträgen entnommen, die sich im ganzen auf 3,7 Millionen belaufen. "Bei der Reichstags-Ersatzwahl Fried be^a-Büdingen ergab sich die Notwendig keit Wer Stichwahl zwischen Dr. v. Hei mos (Bund der Landw.), der 6310, und Aufeld (soz.), der 9419 Stimmen erhielt. Der nationalliberale Kandidat erhielt 4379 Stimmen. "In großen Gebieten Deutsch-Ost afrikas herrscht nach der ,Köln. Volksztg.' seit Monaten eine Teuerung, und es ist schwierig, auch nur die notdürftigsten Lebens mittel herbeizuschaffen. Die Schulen sind leer, die Felder von Unkraut überwuchert; es ist un möglich, auch nur einen Arbeiter zu bekommen. Die Leute irren kraftlos im Lande umher, um etwas Nahrung zu suchen. Viele sind aus gewandert. Auch Träger sind nicht zu be schaffen, so daß viele Lasten seit Monaten da liegen. Man hofft auf die Regenzeit, die in diesen Tagen eingesetzt hat. — Die Gerüchte von einer Hungernot in unsrer Kolonie, die von auswärtigen Blättern verbreitet worden sind, wessen nach amtlichen Erklärungen nicht zu. Spanien. * Das Ohrenleiden König Alfons' scheint doch ernster zu sein, als anfänglich zu gegeben worden ist. Eine in diesen Tagen vor- genommene Untersuchung ergab, daß der König durch die im vergangenen Jahre vorgenommene Operation von seinem Übel nicht geheilt worden ist. Der König wird sich daher in einigen Tagen abermals einer Operation unterziehen müssen. Balkanstaaten. * Nachdem die Schutzmächte nahezu ein Jahr über die Lösung der Kreta frage ver handelt haben, ist man auf einen Plan zurück gekommen, der allein geeignet erscheint, den drohenden Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland zu verhindern: Man will nun endlich eine Konferenz nach London berufen. Das ist schließlich auch noch der einzige Weg, nachdem die türkische Regierung es abgelehnt hat. den Kretastreit durch das Haager Schiedsgericht entscheiden zu lassen. (Die Schiedsgerichtsidee ist also auch nicht das er hoffte Allheilmittel!) Bemerkenswert ist, daß bei dieser Gelegenheit englische Blätter wieder gegen Deutschland Hetzen. Sie schreiben, um Englands schwankende Haltung in der Kreta frage zu verhüllen, Deutschland Hetze zum Kriege zwischen der Türkei und Griechenland und es hetze in Konstantinopel auch gegen England, um wirtschaftliche Vorteile einzu- heimsen. Der Tod König Eduards hat also nicht zu der von vielen gerühmten „grund sätzlichen Verständigung" zwischen den beiden Nattonen geführt. Amerika. * Expräsident Roosevelt, der in diesen Tagen nach längerer Abwesenheit wieder in Amerika eintrifft, wird sich in der Heimat sofort in die politischen Geschäfte stürzen. Während er nämlich in Afrika und Europa weilte, hat sich in den Ver. Staaten unter der Leitung eines vom Präsidenten Taft entlassenen Sekretärs eine neue Partei gebildet, die die Rechte des Volkes gegenüber den großen Gesellschaften (Trusts und Monopolinhabern) vertreten will. An die Spitze dieser Partei, die Demokraten und Republikaner umfaßt, wird Theodor Roosevelt treten. Präsident Taft, der ohnehin schon amtsmüde ist, wird von dieser Gründung nicht sehr erbaut sein und lebhaft das Ende seiner Amtszeit, die ihm nun noch von seinem Vorgänger erschwert wird, herbei wünschen. *Der Auf st and der MayaS - Jn- dianer in der mexikanischen Provinz Jukatan, dem einige aufblühende Städte zum Opfer ge fallen sind, ist jetzt niedergeschlagen worden. In ganz Mexiko herrscht vollkommene Ruhe. Europäer sind bei dem Aufstande nicht ge schädigt worden. n Vie Mlrokolkrage in äen Kolonien. Die Alkoholfrage in den Kolonien bildet nach wie vor die größte Sorge aller Politiker, die ein Interesse an kolonialen Dingen nehmen, denn es ist nicht zu leugnen, daß von der Lösung dieser Frage das Gedeihen der Kolonien wesentlich abhängt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Weiße oder Eingeborene handelt. Es ist festgestellt, daß der Alkoholgenuß in den Kolonien den Eingeborenen nicht mehr schadet, als den Weißen, daß er aber in jedem Falle dem Gedeihen jeder Kolonie ein schweres Hinder nis bedeutet. Darum haben alle Kolonial mächte wiederholt über Maßregeln beraten (zuletzt im Anfang dieses Jahres) wie dem Alkoholmistbrauch i» den Kolonie« zu steuern sei. (Unter Alkoholmißbrauch ist unter Berücksichtigung der klimatischen Verhält nisse der tägliche Genuß einer für deutsche Ver hältnisse geringfügigen Menge Alkohols zu ver stehen.) Diese internationalen Konferenzen haben in richtiger Erkenntnis der schweren Gefahr deS kolonialen Alkoholgenusses dazu geführt, daß die uneingeschränkte Einfuhr von Alkohol so gut wie aufgehoben ist. Die Mächte sind überein gekommen, daß mit allen Mitteln dem Übel ge steuert werden soll. Demgemäß ist in Deutsch- Ostafrika und auf den deutschen Südseeinsetn die Verabfolgung von Alkohol an Eingeborene gänzlich, in Deutsch-Südwestafrika, Kamerun und Togo in gewissen Gebietsteilen verboten. Da neben find überall hohe Zölle eingeführt, besonders in der zukunftsreichen süd westafrikanischen Kolonie, wo der Hektoliter (mit mehr als 70prozenttgem Alkoholverbrauch) etwa 600 Mark Zoll kostet. Dadurch wird indessen nur der Alkoholverbrauch der eingeborenen Be völkerung beschränkt. Für die weiße Bevölke rung, deren Gesundheit nach sachverständigem Urteil in dem tropischen Klima mehr als in der Heimat den schweren Folgen des Alkoholgenusses unterworfen ist, kann es sich lediglich darum handeln, wie in der Heimat durch Aufklärung und Belehrung zu wirken. In diesem Sinne verweist auch eine Denkschrift, die daS ,Reichs- arbeitsblati' über diese Frage kürzlich veröffent licht hat, auf die Notwendigkeit, daß für den Kolonialdienst unter allen Umständen Leute ge wonnen werden, die in der Heimat nach Mög lichkeit dem Alkohol entsagt haben. Die Denkschrift weift darauf hin, daß unter der heißen Sonne der Kolonien den tropischen Erkrankungen durch auch nur mäßigen Alkoholgenutz Vorschub geleistet wird, daß be sonders Erkrankungen des Herzens und der Nerven, die in den Kolonien nach verhältnis mäßig kurzem Aufenthalt sich einstellen, auf den Genuß von Alkohol zurückzuführen sind. Dem- entsprechend soll auch auf dem Kolonialinstitut der Behandlung dieser Frage künftighin be sondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Man hofft mit der Zeit dahin zu kommen, daß die jetzt unter den Folgen des Alkohols sich immer verringernde Bevölkerung der Kolonien durch Alkoholenthaltung auf der Höhe erhalten und daß die weiße Bevölkerung den Aufgaben der Kolonialwirtschaft immer mehr gewachsen sein wird. ^ZLvdtsr. Von und fern. Der Grbgrostherzog vo« Oldenburg alS Lebensretter. Der Kaiser hat dem Erb- großherzog von Oldenburg in Anerkennung der mit eigener Lebensgefahr unternommenen Rettung der Frau Großherzogin Marie von Mecklenburg-Schwerin bei dem Unfall auf dem Schweriner See am 15. Mai d. IS. die preußische Rettungsmedaille am Bande' verliehen; die mecklenburg-schwerinsche Rettungsmedaille besitzt der Erbgroßherzog bereits. Am 14. Mai wollten die Großherzogin Marie und .ihr Enkel, der Erbgroßherzog von Oldenburg, von dem Sommerschloß Rabensteinfeld aus eine Ruderfahrt aus dem großen Schweriner See unternehmen. Beim Besteigen des Bootes hatte die Großherzogin das Unglück, inS Wasser zu fallen. Der Erbgroßherzog sprang nun von dem Steg in das tiefe Wasser hinunter, und es gelang ihm, seine Großmutter an den Steg hinaufzuziehen. Ki 6me schwergeprüfte 10) Roman von M. de la Tha pelle. Und dann jene hunderttausend Mark, die Otto, wie er sagte, in nächster Zett sicher zu fallen mußten l War es nicht ein rechtes Glück für Hedwig, wenn fie die Frau eines so reichen Mannes wurde? Der Vater täte daher gut daran, Hre Bekanntschaft mit Otto eher zu fördern, als zu hindern, denn durch seinen Eigensinn konuk er sie schließlich noch um ihr GLck bringen. Diese und ähnliche Gedanken beschäftigten Hedwig während des Heimgangs und brachten fie zu dem Entschluß: gegen den Vater sowohl, wie auch gegen ihren Vetter Karl energischer anfzutreten — was hatte sich letzterer überhaupt in ihre Angelegenheiten zu mischen? — Sie war seiner Eifersüchteleien herzlich überdrüssig und wollte ihn bei nächster Gelegenheit ernstlich in seine Schranken zurückweisen. In ziemlich kriegerischer Stimmung betrat fie daher die väterliche Wohnung, und da Papa Schwendler fie mit einer Flut von Vorwürfen wegen ihres Zuspätkommens empfing, nahm fie sogleich Gelegenheit, ihren vorhin gefaßten Ent- schluß ins Werk zu setzen, indem fie dem Vater ui ziemlich unvermittelter Weise erklärte: daß er sich nächste Woche einen halben Tag ohne sie behelfen müsse, da Herr Hartkopf sie einge laden habe, mit ihm eine Automobilfahrt in die Umgegend Berlins zu unternehmen. Papa Schwendler glaubte seinen Ohren nicht trauen zu dürfen. »Was — eine Automobil fahrt mit einem jungen Mann — du bist wohl gar nicht klug!" grunzte er sie an. „Jawohl — Automobil ist jetzt das Mo dernste, und ich sehe nicht ein, warum ich mir das Vergnügen entgehen lassen soll." „Dann mußt du aber doch erst meine Er laubnis dazu haben, und die gebe ich dir nicht, darauf kannst du dich verlassen." Hedwig zog ein schnippisches Gesicht, indem fie erwiderte: „Dann fahre ich eben ohne deine Erlaubnis, denn zurückhalten lasse ich mich nicht — ich habe es Herm Hartkopf schon versprochen, den Ausflug mit ihm zu machen." Papa Schwendler fuhr in seinem Lehnstuhl hoch, wie ein« gereizte Katze. „Also bist du vorhin wieder mit deinem Windbeutel zusammen getroffen ?" rief er erbost. „Der soll mit seinem Automobil fahren, wohM er will, aber ohne dich, das bitte ich mir auS!" An diese unzweideutige Weisung, knüpfte der alte Mann nun eine lange, geharnischte Rede, welcher Hedwig in trotzigem Schweigen zuhörte. Mehr als einmal hatte fie auf der Zunge, dem Vater von Ottos Dermögensaussichten zu sprechen, allein fie dachte daran, daß er ihr beim Abschiednehmen noch einmal Verschwiegen heit über diesen Punkt anempfohlen, also mutzte sie gehorchen, so schwer es ihr auch wurde, denn fie war überzeugt, daß fie den Vater durch einen Hinweis auf jene bewußten hunderttausend Mark sofort entwaffnen würde. Papa Schwendler tobte noch eine Weile fort, uurßte aber doch zuletzt einsehen, daß sein Zorn an HedwigS trotzig« Schweigsamkeit machtlos abprallte, weshalb er sich endlich, vom Ärger und Schreien ganz heiser, zu frieden gab. Als jedoch sein Neffe Karl nach Hause kam, begann er den Zank von neuem, denn er wußte wohl, daß er nun einen Helfershelfer zur Sette hatte. Und Karl, der schon lange danach trachtete, Hedwig einmal gründlich seine Meinung üb« Otto Hartkopf zu sagen, stimmte nur zu bereit- willig auf den Ton des Allen ein, ja, als er von der beabsichtigten Automobilfahrt hörte, geriet « fast noch mehr in Rage, wie Schwendler. „Das wirst du doch unter keinen Umständen zugÄen, Onkel!" rief «, kirschrot vor Zorn. „Es ist deine Pflicht, hier energisch aufzutreten, traurig genug, daß Hedwig alle Scham und Sitte so vergessen kann, um diesem Wicht ein solches Versprechen zu geben." Er hatte absichtlich laut gesprochen, so daß seine Worte in der Küche gehört werden mußten, wohin sich Hedwig bei Karls Erscheinen zurück gezogen. Jetzt kam fie ebenfalls in die Wohn stube herüber. Ihre hübschen Augen blitzten Karl zornig an und ihre Wangen waren von innerer Er regung gerötet. „Es wäre wohl besser, du kümmertest dich um deine Angelegenheiten und nicht um die meinen. Ich lasse mir von dir keine Vorschriften machen, denn ich wüßte nicht, daß ich Scham «nd Sitte verletzt hätte, als ich Otto das Versprechen gab, mit ihm auszufahren." „Wüßtest du nicht? — Ach du liebe Un schuld du!" höhnte Karl. „So den halbe» Tag mü dem Herrn allein herumkutschieren, bald da, bald dort einkehren in hübsch abge legene Restaurants^- na, wenn du in all dem nichts Unpassendes findest, dann kannst du mir leid tun." Hedwig wollte heftig erwidern, allein Herr SchwenUer bedeutete ihr energisch, zu schweigen, so daß Karl ungehindert fortfahren konnte: „Ich werde übrigens diesen Herrn Hartkopf einmal aufsuchen und ihm auf gut Deutsch begreiflich machen, daß er seine Liebesabenteuer anderswo suchen soll — es gibt ja noch genug gläubige Herzen, die so einfältig find, seine Auf schneidereien für bare Münze zu nehmen." Blitzschnell fuhr Hedwig herum und trat dicht vor ihn hin. „Das wirst du nicht tun — dazu hast du ganz und gar kein Recht! Übrigens würde Otto dich ja auch nur auslachen — der ist viel zu vornehm, um sich mit dir in Streitig keiten einzulafsen." „So — zu vornehm — dieser ehemalig« Modewarenkommis — dies« Herr von Habe nichts, der schon seit Monaten stellenlos herum läuft und dem lieben Herrgott den Tag ab- stiehlt? — Der — zu vornehm? Ich verdien« mein Geld auf ehrliche Weise, durch mein« Hände Arbeit, woher aber der He« Hartkopf das Geld zu seinen Vergnügungen nimmt, weiß kein Mensch — jedenfalls lebt er vom Schulden machen, wenn nicht noch etwas Schlimmeres dahintersteckt." Eine heftige Bewegung Hedwigs schnitt Karl das Wort ab. „Vielleicht machst du ihn noch zum Dieb, auf dem besten Wege bist du dazu l"
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