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„Ja oder nein?" wiederholte Nauen hartnAig. z „Ja denn, ja — der Klügste gibt nach," ries^oas Mädchen, dabei lachte schon wieder der Schalk aus ihren Augen, und Egon fühlte sich von neuem ihrer Macht verfallen. „So, ist das goldige Egonchen nun zufrieden?" fragte sie schmeichelnd, und als sie, dicht neben ihm Platz nehmend, ihm ein frisches Glas kredenzte, regten sich schon wi^ier allerlei ehrgeizige und sogar ehrbare Gedanken in ihren: Kopf — von einer glänzenden Zukunft, durch Standesamt und kirchlichen Segen gesichert. Aber so schnell, wie sie gedacht, war Rauen heute nicht wieder umzustimmen; die ganze Art ihres Benehmens hatte ihn empört und gereizt, hatte sein Selbstbewusstsein getroffen, dazu gefeilte sich Eifersucht und die Erkenntnis, daß er diesem Mädchen gegenüber doch eigentlich keine anderen Rechte gel tend machen konnte, als welche sie ihm freiwillig einrnumtc, und daß er sich jederzeit einer ähnlichen Behandlung von ihr könne gewärtig sein. Breugel fühlte, daß er ein fehr über flüssiger Dritter an diesem Tisch war, und ging, ebenso Ivie der Mchlhändlcr, dieser, nachdem er noch vertraulich ein paar Worte mit Lorchcn gewechselt und mit ganz eigentümlichem Lächeln zu Egon hinübergeschant hatte. „Was wollte der Wirt von Dir?" fing Rauen an, nach dem Lori, an diesem und jenem Tisch bedienend und Plau dernd, schließlich bei ihm wieder aulangte, vorher aber von dem Wirt angerufen und in ein kurzes Zwiegespräch verwickelt worden war. „Was soll der Wirt wollen?" erwiderte Lori, „er sagte mir, ich möchte gefälligst nicht vergessen, daß Sie seit drei Wochen mit kesnem Schritt hier gewesen seien, und ich sollte nicht die guten Gäste lausen lassen, um mit Ihnen ewig bloß zu reden, ohne daß dabei eine große Zeche gemacht würde. Lassen Sie uns doch eine Flasche Champagner trinken, Egon chen, ja? Sonst habe ich heilte abend beim Kassemachen den größten Skandal mit dem Alten." „Gnt — bringe uns eine Monopol, aber dann erzähle mir auch, Ivas das mit dem dicken Graupenkrämer auf sich hat. Hörst Du?" - / „Natürlich, natürlich, alles, was Sie wollen," rief Lori lachend nnd eilte dann schnell ans Büfett, um das Bestellte zu holen. Nachdem die ersten Gläser geleert waren, sagte sie Nauen, daß sie Wohl nicht mehr lange im Lokal und Kellnerin bleiben würde. „Weiß Gott," rief sie, nnd in diesem Augenblick glaubte sie vielleicht selbst, was sie sagte, „weiß Gott, mau hat auch dies Leben endlich satt. Versuches nnr einer erst. Vom Wirt grobe Behandlung, schlechtes Essen, dazu dies ewige Trinken, und keine Nacht vor eins, zwei Ahr zn Bett. Daß man da froh ist, wenn schließlich ein Mann uns eine sichere Brotstelle bietet, und das aus wirklicher Liebe, darüber kann sich doch wahrhaftig kein Mensch wundern." „Was faselst Du da, Lori? Sprich Dich doch etwas deut licher aus." „Nun ja, aber es ist noch Geheimnis. Ter Mehlhändler will mich heiraten." „Heiraten?" Wäre ein Blitz aus heiterem Himmel direkt vor Egon niedergefahren, er hätte kein verdutzteres Gesicht machen kön nen, als bei Loris Mitteilung. „Heiraten —?" wiederholte er noch einmal, „das ist un möglich." „Nanu? Unmöglich? Wieso das?" entgegnete das Mäd chen gekränkt. „Der Mann meint es treu rurd ehrlich, und darum werde ich ihm auch mein Leben lang dankbar und eine recht treue, gute Frau sein." Egon biß sich auf die Lippen und schwieg. Lori beobachtete ihn unter den halbgesenkten Wimpern hervor aufmerksam, zog daun ihr feines Batisttüchelchen hervor und fuhr sich damit über die Augen — sie war doch ein gutherziges Ding und da bei so sinnbctörend hübsch. „Lori, — liebst Du denn den dicken Mehlkrämer?" fragte Egon. Sie schüttelte den Kopf. „Aber dann würde ich ihn doch nicht heiraten — Du weinst — bist wohl gar einem anderen gut? Was?" Sie nickte kaum merklich, und ihre braunen Augen sahen jetzt voll zu ihm auf: sein Herz klopfte rascher. - - „Lori, Lori, warum denn aber heiraten ohne Liebe?" fragte Egon. „Weil der, dem ich gut bin, mich doch nicht heiratet, und weil ich von hier weg möchte und eine ehrliche, ehrbare Frau werden will — darum." Egon hatte die Flasche Champagner zuni größten Teil allein getrunken, Lori schmeichelte ihm noch eine zweite ab, das Blut wallte ihm heiß zum Herzen und stieg ihm in die Schläfen, in denen es heiß hämmerte und pochte; der Kopf war ihm wüst und schwer. Von diesem Abend an gehörte Rauen wieder zu den „besten Gästen" in der „Rose", und bald gab er überhaupt jeden Widerstand gegen die Flammen, die ihn aufs neue er faßt hatten, auf; er fühlte, er wußte es, daß er Lori rettungs los verfallen war, und blindlings folgte er ihr hinab, hinab! 8. Was niemand geglaubt oder nur für möglich gehalten, das vollzog sich im Januar des nächsten Jahres — der vor nehme, in den besten Kreisen verkehrende Rauen heiratete die Kellnerin aus der „Rose", Lori Daniella, und um dem ersten, mächtig ausbrausenden Wogenprall des Erstaunens, der Ent rüstung und der allgemeinen Rederei zu entgehen, verließ er mit seiner jungen Gattin Berlin und ging mit ihr nach Paris. Paris, das Eldorado aller reichen Lebemänner und schö ner, vergnügungssüchtiger Frauen! Kein Ort der Welt war für ein Paar wie Egon und Lori geeigneter, die Flitterwochen zu verleben — dabei keine gesellschaftlichen Verpflichtungen, keine gesellschaftlichen Rücksichten nach irgend einer Richtung hin. Nur das Leben genießen, und das taten sie in vollen Zügen, ohne zu überlegen, ohne zu rechnen. Lori war nur sparsam gewesen ans Eigennutz und Klugheit, so lange sie für sich felbst sorgen mußte, ihre Zukunft noch nicht gesichert war und ihre mehr oder minder angenehme Existenz von der mehr oder minder großen Freigebigkeit ihrer Verehrer abhing. Sie hatte Egons Vermögensverhältnisse bei weitem über schätzt, sie wollte als seine Fran nicht schlechter leben wie als Kellnerin; der Wert des Lebens lag für sie in Brillanten und kostbaren Kleidern, und für diese verausgabte sie in Paris unvernünftige Summen, nnd Egon, der noch immer unter dem Bann ihres siunbetöreuden Einflusses stand, versagte ihr keinen Wunsch, freute sich an ihrer Schönheit und fühlte seine Eitelkeit geschmeichelt nnd befriedigt, wenn die Blicke der Männer bewundernd an ihr hingen. Die ersten Wochen verflogen beiden in ungetrübter Hei terkeit und gegenseitigem trefflichen Einverständnisse, und Egon glaubte wirklich, daß dies Leben Glück und daß er selbst glücklich wäre. Sie hatten in ihrem Hotel ein anderes Ehepaar kennen gelernt, jung wie sie selbst, aber reicher; Leute, deren Verkehr Egon nicht gesucht haben würde — jetzt fand er sie — aller dings etwas „boni-Mois" — wie er sich zu Lori äußerte, ohne von ihr verstanden zu werden — aber doch bequem und amü sant. Daß er sie besonders im Hinblick ans Lori so „bequem" als Umgang fand, gestand er sich vorläufig noch nicht ein. Endlich aber trat als gebietende, heimwärtsweisende Macht die Geldfrage für Egon in den Vordergrund, nachdem er eines Morgens die Wochenrechnung des Hotels bezahlt und einen Ueberschlag über die ihm noch zur Verfügung stehenden Mittel gemacht hatte. Er saß am Schreibtisch und hatte schon lauge geschrieben, gerechnet nnd Geld gezählt. Lori lag auf der Chaiselongue, in einen Schlafrock von blauer Seide gehüllt, sie hatte die Arme unter dem Kopf verschränkt und die kleinen, aber plum pen Füße, die mit seidenen Strümpfen von der Farbe des Schlafrockes bekleidet waren, nebeneinander auf dem Polster ausgestreckt, das Haar hing ihr aufgelöst über die Schultern herab, unter den halbgeschlossenen Wimpern hervor blinzelte sie träumerisch wie eine Katze zu ihrem Manne hinüber, ein Ausdruck stumpfer Apathie lag auf ihren Zügen, und die ganze Erscheinung des jungen Weibes machte den Eindruck des Gewöhnlichen. „A—ah," gähnte sie plötzlich tief und gedehnt. „Lori!" rief Egon entsetzt, wandte sich mit gerunzelter Stirn nm nnd sah eben noch, wie sie ihren ohnehin schon etwas großen Mund weit öffnete und ihre volle Gestalt dehnte, den Kopf etwas auf die Seite legte. Seine Rechnung stimmte absolut nicht, seine Kasse wies ein bedeutendes Defizit auf — eine derartige Entdeckung pflegt bei den meisten Menschen der Anfang zur Ernüchterung zu sein; der Anblick, der sich ihm jetzt in seiner Gattin bot, voll endete denselben — zum erstenmal machte er die peinliche Ent deckung, daß Lori trotz ihrer hübschen Persönlichkeit, trotz ihres eleganten Negligös und alles sie umgebenden Luxus doch nichts anderes war, als was sie seit zwei Jahren gewesen — die Kellnerin aus der „Rose". (Fortsetzung folgt.)