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Allgemeiner Anzeiger : 29.06.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191006298
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19100629
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100629
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-06
- Tag 1910-06-29
-
Monat
1910-06
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 29.06.1910
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k— Gerückte. Der jüngste überraschende Ministerwechsel in Preußen hat im ganzen Reiche Eindruck gemacht. Das zeigen die Blätterstimmen (von denen manche erklären, daß der neue Minister des Innern, Herr v. Dallwitz, schon im Anfang der neuen Landtagstagung eine neue Wahlrechts- Vorlage einbringen werde), mehr noch aber die Gerüchte, die von weiteren Änderungen in den preußischen Staats- und in den Reichsministerien durch das Land schwirren. Und noch immer steht der Name des Herrn Dernburg, der kürz lich vom Staatssekretariat des Kolonialamtes zurückgetreten ist, im Vordergrund bei ollen diesen Vermutungen. Überall liest unk hört man die Frage: Kommt er wieder? Seit er auf eine Anfrage der Nationalliberalen, ob er die infolge des Todes des Abgeordneten Zimmer mann in Frage stehende Neichstagskandidatur für Zschopau-Marienberg annehmen wolle, ge antwortet hat, er wolle sich bis auf weiteres nicht politisch betätigen, obgleich ihm jene Kandidatur sympathisch wäre, will die Meinung nicht mehr zur Ruhe kommen, er sei der Man« der Zukunft. Und schließlich liegt die Vermutung nicht außer halb der Möglichkeit, denn die Worte „bis auf weiteres" weisen doch darauf hin, daß Dern burg dem politischen Leben, dem er vier Jahre lang eng verbunden war, nicht für immer den Rücken gewandt hat. Gleichviel, ob er nun als Parlamentarier oder als Minister wieder ins politische Leben tritt, weite Kreise Deutschlands werden ihn mit Freuden begrüßen, denn ohne Zweifel wird er auf jedem Platz in der Lage sein, mancherlei Anregungen zu geben, die für daS Vaterland von Nutzen sind. Indessen ist es ziemlich ausgeschlossen, daß Herr Dernburg noch einmal unter der Kanzler schaft v. Bethmann-Hollwegs ein Amt über nehmen wird. Daher gewinnt auch die andre Frage an Berechtigung: Wird Herr Dernburg Reichskanzler? Maximilian Harden, der Ber liner Publizist und Herausgeber der.Zukunft', hält diese Möglichkeit nicht für ausgeschlossen. Er, der in diplomatischen und politischen Kreisen mancherlei Beziehungen hat, schließt einen längeren Artikel über Dernburg mit den Worten, daß der ehemalige Kolonialminister dem Kaiser als Kanzler willkommen sein dürfte. In der Tat ist die Frage der Kanzlerschaft Dernburg? an leitender Stelle schon einmal erwogen worden und wie man wissen will, noch ehe Herr v. Bethmann-Hollweg sein Amt antrat, aber die Zeit schien damals nicht günstig. Die kommenden Reichstagswahlen Würden aber für Herrn Dernburg der Zeitpunkt sein, sich im Streite der Parteien an die Spitze der Regierung zu stellen, um die Wogen der Wahlschlacht zu glätten. Bei der Reichstags wohl 1907 war die Kolonialfrage gewissermaßen das nationale Banner, unter dem sich die Wahl vollzog. Den kommenden Wahlen wird solches Banner fehlen, wie denn, soweit bisher ersichtlich, die Regierung für 1912 keine Wahlparole hat, die einen Widerhall in allen Schichten des Volkes fände. Da wäre die Devise „Kanzler Dernburg" ohne Zweifel geeignet, weite Kreise auf das Regierungsprogramm dieses interessanten Politikers zu vereinigen. Natürlich müssen alle diese Vermutungen nur als „Gerücht" behandelt werden. Daß sie aber in hohen Kreisen immer wieder auftauchen, daß man sie in der Presse in immer neuer Form bespricht, ohne daß amt lich oder halbamtlich eine Stellungnahme er folgt, zeigt, daß diese Gerüchte etwas Wahres enthalten. lll. v. Politische Kunälckau. Deutschland. * Pariser Blätter haben die Nachricht ver breitet, Kaiser Wilhelm werde den Friedenspreis der Nobelstiftung erhalten. Demgegenüber erklärt der Präsident der Nobelstifiung, daß der Preisträger bisher noch nicht bekannt sei, daß aber der DeuDche Kaiser in Erwägung gezogen sei, weil er durch seine Vermittelung den Krie" verhindert habe, der nach der Angliederung Bosniens und der Herzegowina an Österreich auszubrechen drohte. "Reichskanzler v. Bethmann-Holl weg hat dem König von Württemberg im Hoflager zu Bebenhausen einen Besuch abge stattet. Unmittelbar darauf ist der Kanzler nach Berlin zurückgekehrt. "Die Rückkehr des braunschweigi schen Regentenvaares von der Reise nach Judien und Siam erfolgt Ende Juli. "Da der neue Staatssekretär des Reichs kolonialamts v. Lindequist einen kurzen Urlaub angetreten hat, so werden die mancher lei Entscheidungen über die Neubesetzung der Stellen im Kolonialamt selbst und des Kouver- neurpostens in Ken Kolonien voraussichtlich erst Anfang Juli fallen. * Die endgültige Abstimmung über den Ent wurf einer Schiffahrtsabgabenvor lage im Bundesrat soll am 30. Juni d. Js. stattfinden. Der Bundesrat will sodann in die Sommerferien eintreten. Man nimmt in Bundesratskreisen an, daß der Widerstand von Österreich und Holland gegen das Gesetz im Laufe des Sommers durch diplomatische Ver handlungen beseitigt werden kann und die Vor lage dem Reichstage im November zugehen wird. "In dem hessischen Reichstagswahlkreise Friedberg-Büdingen, der infolge Ab lebens des bisherigen Vertreters des land- bündlerischen, nationalliberalen Grafen von Oriola, ohne Vertreter war, hat am 24. d. Mts. die Stichwahl zwischen dem Kandidaten des Bundes der Landwirte und dem Sozialdemo, kraten stattgesunden. Der sozialdemo kratische Kandidat wurde mit über raschend großer Mehrheit gewählt. Rechts anwalt Dr. v. Helmolt (Bund der Landwicte) erhielt 9413 und Tischlermeister Busold (soz.) 11545 Stimmen. Die Wahlbeteiligung war stärker als beim ersten Wahlgang, blieb aber hinter der Beteiligung bei den allgemeinen Wahlen im Jahre 1907 zurück. * Die Reichstagsersatzwahl in Zschopau-Marienberg für den ver storbenen Abg. Zimmermann ist auf den 24. August anberaumt worden. "Der Vorstand des Deutschen Städte- tages, der im Berliner Rathause unter dem Vorsitz des Berliner Oberbürgermeisters Kirschner tagte, hat nach langer eingehender Beratung beschlossen, die Frage der Arbeitslosen versicherung auf die nächste Tagesordnung des Deutschen Städtetages zu setzen und wegen der Wertzuwachssteuer eine neue, ausführlich begründete Eingabe an den Reichstag zu richten. Österreich-Ungar«. "Im bosnischen Landtag hat eine Anzahl Abgeordneter eine Beschlußfassung ein gebracht, in der Kaiser Franz Joseph die Dankbarkeit für die Gewährung der Ver fassung ausgedrückt wird und einige Abänderungen in der Verfassung verlangt wer den, damit diese dem Zeitgeist und den Bedürf nissen des Landes entspreche. Der Beschluß wurde mit großer Mehrheit angenommen. Frankreich. * Der König und die Königin der Bulgaren sind in Paris eingetroffen und vom Präsidenten der Republik, vom Minister präsidenten, vom Minister des Auswärtigen, von den Präsidenten der Kammer und des Senats und andern Regierungsvertretern empfangen! worden. Das Königspaar stattete dem Präsi- ! denten, sowie dem Ministerpräsidenten Besuche ab und empfing auch beide Herren. England. " Die Fr auenre ch tl erinnen sind um eine Hoffnung ärmer. Im Unterhause erklärte ! nämlich Premierminister Asquith, der vor j einigen Tagen eine ihrer Abordnungen sehr liebenswürdig empfangen hat, die Negierung werde zwar Gelegenheit geben, über das Frauen stimmrecht in zweiter Lesung abzustimmen, auf weitere Beratungen jedoch verzichten. Damit dürfte die Frage des Frauenstimmrechts für die ParlameMwahlen bis auf weiteres entschie den seim Portugal. "Die Lösung der Ministerkrise ge staltet sich sehr schwierig, da alle Politiker, denen König Manuel die Kabinettsbildung angeboten hat, im Hinblick auf die Finanz wirren im Lande ablehnten. Valkankaat««. "Die Lage auf Kreta kann jetzt als gebessert angesehen werden, da die Kreter ihre Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben haben, den Ratschlägen der vier Schutzmächte, die gegen wärtig über die Entsendung einer gemeinsamen Note an Kreta unterhandeln, Folge zu leisten. In der Note wird die Forderung aufrechterhallen, die mohammedanischen Deputierten ohne Eides leistung auf den König der Griechen zur Nationalversammlung zuzulassen. Sodann wurden die Rechte des Sultans von neuem bestätigt. Die Mächte find sich über den Inhalt der Note vollständig einig, die gegenwärtigen Unterhand lungen beziehen sich lediglich auf die Fassung der Note. Uber die Entsendung von weiteren Kriegsschiffen in die kretischen Gewässer vor Er öffnung der Nationalversammlung ist unter den vier Schutzmächten ebenfalls eine Einigung er zielt worden. In der Türkei hält man indessen an der Forderung fest, Griechenland solle formell auf die Insel verzichten. Zu diesem Zweck wird die Handelssperre mit einer Strenge durchgeführt, die dem griechischen Handel empfind lich schadet. Amerika. * Den Alarm-Nachrichten von einer revo lutionären Bewegung in Nord mexiko wird in New Aork keine allzu große Bedeutung beigemessen. Meldungen aus Texas unk Arizona besagen, daß die mexikanischen Behörden alle Umtriebe im Grenzgebiet mit starker Waffenmacht unterdrückt haben und auch jeder neuen Bewegung von vornherein energisch entgegentreten. Die Anhänger des Präsident schaftskandidaten Madero sind durch auf wieglerische Schriften zum Widerstand gegen die Staatsgewalt getrieben worden. Die Hetzer befinden sich jetzt in Haft. Madero selbst wird gleichfalls gefangen gehalten und Präsident Diaz hat seine Verweisung außer Landes un geordnet. Damit dürfte die Ruhe im Lande gesichert sein. VasVombenattentat in M-öberg. In Friedberg (zum Wahlkreise Friedberg- Büdingen gehörig) gehen zwar die Wogen der Wahlscklacht hoch, aber im Vordergründe des allgemeinen Interesses steht doch das unerhörte Bombenattentat, das auf das Rathaus verübt Worden ist, in Verbindung mit einem Anschlag auf die gegenüberliegende Reichsbankfiliale, auf deren Beraubung es ohne Zweifel abgesehen war. Ein Augenzeuge schildert der ,Frkf. Ztg/ das Attentat wie folgt: „Ich saß mit mehreren Bekannten in einer Wirtschaft gegenüber dem Rathaus, als die heftige Explosion erfolgte. Türen und Fenster sprangen infolge des Luftdruckes auf. Die Be sucher des Rathauses, wo kurz vorher eine Ver steigerung stattgefunden hatte, hatten das Gebäude zum Glück schon verlassen, sonst wären wohl Menschenleben dem verbrecherischen Anschläge zum Opfer gefallen. Das Treppenhaus ist voll ständig zerstört, ebenso der im ersten Stock ge legene, erst vor kurzem vollständig renovierte Sitzungssaal der Bürgermeisterei. Die im Gebäude befindlichen Beamten flüchteten in die oberen Stockwerke, da sie infolge der Zerstörung der Treppe einen Ausweg nach unten nicht sanken. Der durch die Explosion verursachte Pulverdampf war so stark, daß er durch das Dach hinaus drang. Die Gewalt der Explosiv« war so beträchtlich, daß Stücke der Treppe und der Tür bis über die 45 Meter breite Straße hinüberflogen. Glücklicherweise wurde niemand s^wsr verletzt, nur ein Herr erlitt eine kleine Verletzung am Kopf, ein andrer eine solche an der Hand. Aus Frankfurt a. M. kamen sofort mehrere Polizeibeamte, darunter Polizeiaffeflor' Auerbach und zwei Kriminalkommissare. Der Attentäter Barkenstein wohnte seit 15. Juni im Hotel Burghof. Er und sein Gehilfe hatten sich übrigens gut mit Bomben versehe«. Man fand später nach dem Attentat vor dem Reichsbankgebäude ein Fahrrad mit einem Päckchen, in dem Zündschnur mit Kapseln und zwei birnenförmige Blechbomben von etwa neun Zentimeter LSiwe und e»wa fünf Zenti meter Durchmesser enthalten waren." Der Haupt zeuge, der Bankvorsteher Meyer, der von dem Räuber durch einen Schuß verletzt wurde, ist noch nicht ganz vernehmungsfähig. Einem An gestellten hat er jedoch den ganzen Hergang des Überfalles geschildert. Hiernach kam der Fremde mit gezogenem Revolver in das Tresor zimmer gestürzt. Der Bankvorsteher, der gerade mit dem Zählen des Paviergeldes beschäftigt war, ließ einige Bündel Passierscheine aus der Hand fallen und wandte sich sofort gegen den Angreifer, der seinerseits nun wohl nicht den Mut fand, loszudrücken. Meyer schlug dem Fremden mit der einen Hand den Revolver herunter, während er mit der andern nach dessen schwarzer Larve griff. Es kam zu einem wütenden Handgemenge, in dem der Bankvor steher einige Schläge auf den Kovf erhielt, die ihn etwas betäubten, ihm aber noch nicht die Be sinnung raubten. Der Räuber gab mehrere Schüsse auf Meyer ab und entfloh dann. Erst als er sah, daß er seinen Verfolgern nicht ent kommen könne, schoß er sich eine Kugel durch den Kopf, die ihn sofort tötete. Die Behörden nehmen an, daß es sich hier um dieselben Ver brecher handelt, die vor vierzehn Tagen einen Anschlag auf die Villa eines Bankiers in Frankfurt a. M. unternahmen. Dort explodierte indes die Bombe, ohne Schaden anzurichten. Es handelt sich bei den Tätern — mindestens zwei, vielleicht drei Personen kommen in Frage — um zweifellos anarchistisch beeinflußte Verbrecher, die in Rußland so bekannten „Exvropriateure", die eine Reihe solcher Attentate hintereinander aussühren, bis sie entweder gefaßt bezw. niedergeschossen werden, oder bis sie wirklich einmal reiche Beute machen. Naturgemäß ge staltet sich die Untersuchung sehr schwierig. Allem Anschein nach hat einer der Verbrecher die Bombe unter die Rathaustrevpe gelegt, während der andre bereits vor der Bank Posto gefaßt hatte, um in der bei der Explosion ent stehenden allgemeinen Verwirrung den Raub ausführen zu können. Der geheimnisvolle Reffende, in dem man den Bombenwerfer ver mutet, ist verschwunden. Allem Anschein nach, ist der Bankräuber nicht der Chauffeur Barken stein aus Halle, sondern hat diesem nur die Papiere gestohlen. Der in Halle wohnhafte Barkenstein ist gegenwärtig auf Reisen und un bekannten Aufenthalts. und flotte. — Der Kaiser hat das Kriegsministerium ermächtigt, fortan auch Vorschläge zur Verleihung des Charakters als Rechnungsrat an aktive Oberzahlmeister vorzulegen. Die aktiven Ober zahlmeister mit dem Charakter als Rechnungsrat tragen die Epauletten wie bisher, jedoch goldene Kantilleneinfassung (4 Millimeter) des Epaulett- seldes an der Umrandung des Epaulettmondes. Zwei vergoldete Rosetten. Das Geflecht der Achselstücke besteht aus drei silbernen, mit blamr Seide durchwirkten Plattschnüren, das durch zwei gleiche unten im Bogen verlaufende Schnüre eingefaßt wird, ferner vergoldetes Wappenschild, einen Adler auf silbernem Grunde enthaltend, mit Krone darüber, weiße Tuchuuterlage »nd zwei vergoldete Rosetten. — Generaloberst Frhr. v. d. Goltz, der im Auftrage des Kaisers an der Jahrhundertfeier Argentiniens teilnahm, hat in Buenos Ayres von dem Präsidenten von Argentinien und den Spitzen der Behörden Abschied genommen. Ein Regiment Grenadiere und ein Bataillon Infanterie erwiesen ihm die militärischen Ehren bezeigungen. U 6me lckwefgeprükte frau. 13) Roman von M. de la Chapelle. FoiUetzun<i.> So kam Jordan erst am andern Tage dazu, Bewe aufzusuchen. Sie empfing ihn, wie immer, voll unbe fangener Herzlichkeit. Er hingegen vermochte nicht, sich von einem Gefühl der Verlegenheit freizumacken, kenn er wußte, daß er mit dem, was er zur Sprache bringen wollte, an Dinge rührte, die Beates Empfinden tief verletzen würden. Und doch konnte er wiederum nicht schweigen — war es doch immerhin möglich, daß ihr die näckste Zeit Kämpfe brachten, in denen er sie nicht ohne Schutz wissen wollte. Er gedachte des Eindrucks, den die Nachricht von ihrem Hiersein auf Baron Ulrich hervorgebracht — irgend eine Gewalttat konnte und würde er freilich nicht gegen sie unternehmen — aber viel leicht, daß er auf Mittel und Wege sann, ihr die mühsam errungene Existenz wenigstens für Berlin unmöglich zu machen. In solchem Falle aber sollte sie wissen, daß er stets und immer an ihrer Seite stehen würde, sie gegen jeden Angriff zu verteidigen. Beate schien freudiger wie sonst gestimmt. Sie erzählte ihm, daß sie begründete Aussicht habe, iür nächste Saison an das Schillertheater engagiert zu werden, dessen Direktor sie durch einen Berliner Agenten äußerst warm empfohlen worden sei. „Das wäre schon ein Schritt vor wärts, vielleicht zu künftigem Glück, von dem ich während meines vergangenen Lebens nicht allzuviel gekostet habe." Wohl ohne daß sie es wollte, hatte sich in diese Worte ein Klang wehmütiger Bitterkeit hineingeschlichen, und zugleich legte sich ein Schatten auf ihre vorher so heitere Stirn. Jordans Blick ruhte voll warmer Teilnahme auf ihr, er glaubte sie zu verstehen, und des halb wurde es ihm doppelt schwer, ihre Stimmung durch Wachrütteln des Vergangenen noch mehr herunlerzudrücken. Und dennoch mußte er sprechen, um sie auf das, was vielleicht an sie herantreten konnte, vorzubereiten. „Ich brauche Ihnen wohl nicht erst zu sagen, wie sehr ich wünsche, Ihnen dieses Glück auch für die Zukunft zu erhalten," begann Jordan nach einiger Überwindung. „Aber gerade darum bin ich gezwungen, an Dinge zu rühren, die Sie bisher vor mir verborgen gehalten, und die ich auch jetzt nicht zur Sprache bringen würde, gälte es nicht, Sie auf gewisse, Ihnen feindliche Einflüsse aufmerksam zu machen, mit denen man vielleicht versuchen könnte, Ihnen das kaum errungene Glück zu gefährden. Der Zufall ließ mich gestern bei dem Baron Ulrich von Erkhoven das Bild Ihres verstorbenen Gatten sehen." Ein halb unterdrückter Ausruf Beates unter brach ihn, verstört, fassungslos starrte sie ihn an. „Sie wissen —?" stammelte sie. „Ich weiß, daß Baron Egon von Erkhoven Ihr Gatte war. Mein Beruf als Arzt führte mich zu seinem Vater, der sich meiner Behand lung anvertraute, und so erhielt ich Kenntnis von dem, was Sie mir bis zum heutigen Tage verschwiegen." „Baron Ulrich ist hier — in Berlin?" „Ja, er kam vor kurzem hierher, um für sein immer schmerzhafter auflretendes Leiden ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen." Noch immer starrte ihn Beate mit großen, aufs äußerste gespannten Blicken an, das Uner wartete, was er ihr soeben verkündet, schien ihre Gedanken momentan zu hemmen. Plötzlich trat sie ihm rasch, beinahe ungestüm um einen Schritt näher. „Baron Ulrich hat mich Ihnen gegen über angeklagt, gestehen Sie eSl" stieß sie zwischen den Zähnen hervor. Da Jordan nicht gleich antwortete, fügte sie bitter lächelnd hinzu: „Ich konnte es mir denken, es war eine gute Gelegenheit, seinem Groll gegen mich wieder einmal Lust zu machen. Daß dies einem Fremden gegenüber geschah, tut nichts zur Sache. Der „Komödiantin" ist man ja keinerlei Rücksicht schuldig. Und Sie, Sie haben diese Anklage geglaubt?" „Nein, ich habe keinen Augenblick an Ihnen gezweifelt." Jordan hatte dies ruhig, ohne jede Emphase, jedoch mit dem Ausdruck jener tiefsten, innersten Überzeugung gesagt, an der es nichts mehr zu rütteln oder zu ändern gab. Und Beate mußte dies wohl aus seinen Worten herausgehört haben, denn ein strahlen des, beinahe sieghaft zu nennendes Leuchten breitete sich plötzlich über ihre bis jetzt ver düsterten Züge, und mit unwillkürlicher Bewe gung, dabei aufatmend wie von schwerer Last befreit, streckte sie Jordan beide Hände ent- gegen. „Sie glauben an mich, o Dank, Dank für M.es Wortl" sagte sie, unter aufsteigenden Tränen lächelnd. „Wenn Sie wüßten, für wie viel dunkle und bittere Stunden Sie mich damit entschädigen." Er zog ihre Hände an seine Lippen. „Beate — konnte, durfte ich zweifeln?" flüsterte er, ihr mit der unverhüllten Innigkeit der Liebe in die feucht schimmernden Augen sehend. „Was wäre Jbr Bild meinem Herzen gewesen, wenn es daraus so leicht hätte verdrängt werden können?" Er wollte sie an sich ziehen, allein sie wehrte ihn hastig, wie in jäh zurückkehrender Angst, ab. „Nein, nein. Sie sollen erst alles er fahren, dann erst sollen Sie mir sagen, ob Sie noch att mich glauben, denn ich kann Ihnen für das, was ich Ihnen jetzt enthüllen will und muß, keinen andern Beweis bringen als nur die schlichte Versicherung, daß ich die Wahr heit sage —" „Bedarf es denn eines Beweises?" fiel ihr Jordan vorwurfsvoll ins Wort, ihre Hand fester in der seinen drückend. Doch abermals wehrte sie ihn ab, mit flehender, beinahe demütiger Gebärde, so daß er nicht anders konnte, als sie freizugeben. Sie trat einen Augenblick von ihm hinweg ans Fenster und lehnte die Stim an die kalten Scheiben — sie wollte wohl ihre Gedanken sammeln und in jene Vergangenheit zurück» leiten, aus der sie nun berichten sollte. Als sie sich Jordan wieder zuwandte, war ihr Gesicht ruhig und ernst. „Sie wußten bis heute nichts von mir, als wie das, was Ihnen gestern der Zufall ent» decktet Daß ich die Gattin des verstorbenen
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