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Allgemeiner Anzeiger : 11.06.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191006118
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1910
-
Monat
1910-06
- Tag 1910-06-11
-
Monat
1910-06
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 11.06.1910
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Oernburgs Rücktritt. Das schon seit mehreren Wochen verbreitete Gerücht, der Staatssekretär Dernburg, der Leiter des Kolonialamtes, werde von seinem Posten zurückireten, hat jetzt seine Bestätigung gefunden. Wie erst jetzt bekannt wird, hat Herr Dern burg bereits im Anfang des vorigen Monats sein Entlassungsgesuch eingereicht und es auf rechterhalten, obwohl die maßgebenden Stellen im Reiche in voller Würdigung seiner Verdienste den Versuch gemacht hatten, ihn von der Ausführung seiner Rücktrittsidee abzubringen. Er ging zunächst am 15. Mai für 14 Tage auf Urlaub, nach dessen Ablauf er zwar nach Berlin zurückkehrte, ohne indessen das Kolonial amt wieder zu betreten. Die Genehmigung dLS Abschiedsgesuches wird unmittelbar nach Schluß der Landtags session erwartet. Dernburg wird nicht, wenigstens in absehbarer Zeit nicht, ein andres Amt an nehmen, noch hat er die Absicht, wie fälschlich gerüchtweise verlautet, wieder in die Finanz welt zurückzukehren, um Leiter eines großen Privatunternehmens zu werden. Er dürfte zu nächst eine mehrmonatige Reise nach Ostafien antreten, um die dortigen, für Deutschland so wichtigen politischen und wirtschaftlichen Ver hältnisse an Ort und Stelle zu studieren. Der Zeitpunkt der Einreichung des Abschiedsgesuches, die ersten Tage, des Monats Mai, ist be zeichnend für die Gründe, die den Staatssekretär zur Niederlegung seines Amtes bewogen haben dürften. Der Gesetzentwurf betr. die Deckung der Aufstandskosten für Südwestafrika hatte damals dem Reichstage Gelegenheit gegeben, die ganze Kolonialpolitik des Staatssekretärs von neuem aufzurollen. Die großen Auseinandersetzungen, die bereits einige Monate vorher darüber zwischen Dern burg und den Parteien, besonders in der Budgetkommission, gepflogen worden waren, hatten mit der einstimmigen Billigung der Grundsätze seiner Geschäftsführung geendet, und der Reichstag zögerte nicht, ihm sein Vertrauen auszudrücken. Man glaubte danach die gedeih liche Fortführung unsrer Kolonialpolitik auf Jahre hinaus gesichert. Da tauchte die Frage der Vertrag Serneuerung mit der Kolonial« gesellfchaft für Südwestafrika aus. Der Diamantenstreit, der nach mühseligen Verhandlungen eben ge schlichtet zu sein schien, entbrannte mit frischer üraft und wurde namentlich aus dem Schutz gebiete heraus mit immer größerer Leiden schaftlichkeit weiter geführt. Es war Herrn Dernburg inzwischen nicht entgangen, daß die Stimmung der jetzt maßgebenden Parteien des Reichstages gegen ihn immer kühler wurde. Dernburg hatte zwar von Anbeginn seiner Amtstätigkeit das Programm aufgestellt, daß er die Aufgaben seines Amtes von nationalen und wirtschaftlichen, nicht aber von partei politischen Gesichtspunkten aus zu lösen bestrebt sein werde. Darauf, wie der Reichstag sich zu ihm stellte, halte er natürlich keinen Einfluß. Wie die Dinge sich inzwischen entwickelt haben, scheint er sich hier einer Gegnerschaft von längerer Dauer ausgesetzt zu sehen und hält es für ratsam, vor dieser die Segel zu streichen, in einem Augenblick, da er die Leitung der Kolonialgeschäste mit gutem Gewissen andern Händen anvertrauen kann. Bernhard Dernburg, der frühere Direktor der Darmstädter Bank, wurde Anfang September 1906 als Nachfolger des Erbprinzen zu Hohen lohe-Langenburg unter Verleihung des Charakters als Wirklicher Geheimrat mit dem Prädikat Erzeüenz mit der Leitung der damaligen Kolo- nialabtsilung im Auswärtigen Amt betraut. Unzweifelhaft hat sich Herr Dernburg in seinem Amte große Verdienste erworben, die von allen Seiten gewürdigt werden. Als Nachfolger Dernburgs m Kolon-alamr wird in erster Reihe Unterstaats- ekretär v.Lindequist genannt, doch spricht man auch s von dem früheren Gouverneur von Ostasrika, Grafen ! Götzen, der zurzeit als preußischer Gesandter bei den Hansaitädten, mit dem Sitz in Hamburg, tätig ist. Im Zusammenhang mit dem Personen wechsel an leitender Stelle wird vermutlich auch das Abschiedsgesuch des Gouvemeurs v. Schuck mann endlich erledigt werden, der seit vielen Wochen beurlaubt ist. Ob das Gesuch geneh migt wird oder ob Herr v. Schuckmann, der aus der Unverträglichkeit seiner Anschauungen mit denjenigen Dernburgs kein Hehl machte, unter den veränderten Umständen nach Südwestafrika zurückkehren wird, muß sich demnächst entscheiden. Politische Kuncischau. Deutschland. *Kais.er Wilhelm wird sich von Schwerin, wo er am 11. d. an der Taufe des Erbgroßherzogs teilnimmt, nicht, wie anfänglich geplant, nach Stralsund begeben, sondem direkt nach Potsdam zurückkehren. *Die von verschiedenen Seiten verbreiteten Gerüchte von einer schweren Darm-Er krankung des Königs von Württem berg entbehren jeder Begründung. Der König leidet allerdings seit einiger Zeit an Darm beschwerden, doch ist eine Verschlechterung in der Gesundheit nicht eingetreten. Das Befinden ist den Umständen entsprechend durchaus be friedigend. *Jn gut unterrichteten Kreisen will man wissen, daß der ehemalige Reichskanzler Fürst Bülow demnächst Rom verlassen und sich auf seine Besitzung Kl. Flottbeck zurückziehen wird. Wenn einzelne Blätter infolge dieser Meldung vermuten, der Exkanzler bereite sich zur Rück kehr in sein Amt vor, so muß demgegenüber daran erinnert werden, daß der Fürst mehrmals versichert hat, er werde unter keiner Bedingung wieder in ein Amt treten. Außerdem aber würde der Fürst eine innerpolitische Lage finden, die jener entspricht, die ihn im Vorjahre zum Rücktritt veranlaßte. * Nachdem in dem Gesetzentwurf betr. die Einführung von Schiffahrtsabgaben die neuen Formulierungen vorgenommen wor den find, die hauptsächlich durch das Entgegen kommen der preußischen Regierung gegenüber Sachsen erforderlich waren, ist die neue Vor lage nunmehr dem Bundesrat zugegangen. Dessen Ausschüsse dürften Mitte dieses Monats ihre Beratungen beginnen, und bald darauf wird der Bundesrat selbst den Gesetzentwurs verabschieden, der dann im Herbst dem Reichs tage sofort nach dessen Wiederzusammentritt zu gehen wird. *Die Weinkontrolleure streben eine Konferenz sämtlicher deutscher Kontrolleure im Reichsgesundheitsamt vor Beginn des neuen Herbstes an. Hierbei soll das Wein gesetz einer eingehenden Besprechung unterzogen werden. Bon der Konferenz wird auch er wartet, daß sie den Vollzug des Gesetzes nach einheitlichen bestimmten Grundsätzen regelt. * Zur Vorbereitung der Neugestaltung des deutschen Patentgesetzes werden dem nächst kommissarische Beratungen zwischen den beteiligten Reichsämtern und Ministerien statt finden, nachdem inzwischen wiederholte Be ratungen mit den an der Patentgesetzgebung interessierten Kreisen stattgefunden haben, um deren Wünsche kennen zu lernen. Es wird sich bei den Beratungen um eine Umgestaltung des Verfahrens vor allem in bezug auf die Fristen und Gebühren sowie um die Wahrung der Erfinderrechte der Angestellten handelst. Auch eine durch die Neuregelung des Verfahrens be dingte teilweise Umgestaltung des Patentamtes wird Gegenstand der Beratungen sein. Man darf annehmen, daß dem Reichstag in seiner nächsten Session ein entsprechender Gesetzentwurf zugehen wird. *Nach einem Bericht des Gouverneurs von Kamerun ist der Kaufmann Bretschneider mit 17 Trägern bei Sef, an der Straße Jaunde- Dume von den Makkas, einem von der Kultur fast noch gänzlich unberührt gebliebenen Kanni balenstamme, ermordet worden. Der stell vertretende Stativ nschef von Dume, Hauptmann Marschner, ist dorthin abgerückt uno hat bereits sieüMMakkahäuptlinge in seiner Gewalt. Der GMerueur hat den kürzlich in das Schutz gebiet zurückgekehrten Major Dominik mit der Durchführung der weiteren Maßnahmen be auftragt. * In Deutsch.Südwe st afrika ist dis Schulpflicht jetzt allgemein eingeführt. Sie erstreckt sich auf Kinder im Alter von sechs bis vierzehn Jahren und auf eine Dauer von vier Jahren. Das naturgemäß unter diesen Umständen das Gesetz nur sehr locker gehandhabt werden kann, ist selbstverständlich. Es wird daher beantragt werden, den Betrag von mindestens 500 000 Mk. jährlich für Er richtung von Schulen auszuwerfen. Wer es irgendwie kann, schickt seine Kinder nach Deutsch land, um sie dort erziehen zu lassen, da es in vielen Fällen, aus Gründen der örtlichen Ent fernungen heraus, einfach unmöglich ist, die Kinder in Südwestafrika zur Schule zu schicken. «»gland. * *Die Meldung, daß das englische Königspaar zunächst einen Besuch am Berliner Hofe machen wird, bestätigt sich. Den Hofämtern in Lissabon und Madrid ist jetzt mitgeteilt worden, daß das Königspaar erst Berlin, dann Madrid, Lissabon (auf der Reise dorthin Paris) Rom und Petersburg be suchen wird. Diese Besuchsreisen werden auf drei Jahre verteilt. * Die Admiralität studiert zurzeit einen neuen Plan der Verteidigung der englischen Häfen. Die außer Dienst gestellten Kriegs schiffe, die im Falle eines Krieges nicht mehr als vollgültige Schiffseinheiten verwendet werden können und bisher verkauft worden sind, sollen auf die Werften zurückgeschickt werden und in schwimmende Forts verwandelt werden. Die schweren Geschütze sollen von den Schiffen ent fernt und durch ungefähr 16 kleine Geschütze von 4 Zoll ersetzt werden. Diese neuen schwim menden Forts sollen in den englischen Häfen dauernd verankert und mit kleineren Artillerie- Abteilungen versehen werden. Jedes Geschütz soll in der Minute 10 Schuß abgeben können, sodaß innerhalb einer Minute von jeder Breit seite des Forts 300 Geschosse abgefeuert werden können. Balkanstaaten. * Die Generalkonsuln der Schutzmächte haben der kretischen Nationalver sammlung zwei Noten überreichen lassen, von denen die eine fordert, daß die mohamme danischen Beamten in Kreta in die Lage ver setzt werden, ihr Amt auszuüben, ohne dem König von Griechenland den Treueid geleistet zu haben. In der andern Note wird die Zu lassung mohammedanischer Deputierter zur kretischen Kammer gleichfalls ohne Vereidigung gefordert. Diese Forderungen wurden bereits vor einigen Tagen gestellt, auf Wunsch der türkischen Regierung jetzt aber in dringender Form wiederholt. Allem Anschein nach bleibt also auf der heißumstrittenen Insel alles beim alten. Afrika. *Die am 31. Mai ins Leben getretenen Ver. Staaten von Südafrika gedenken als erste aller englischen Kolonien eine Art allgemeiner Wehrpflicht einzuführen. Der jetzt dem Kabinett vorliegende Plan steht vor, daß alle Schuljungen von 10—18 Jahren einem „Kadettenkorps" beitreten und alljährlich eine Zeitlang im Manöverfeld üben sollen. Von 18—25 Jahren sollen alle jungen Leute der Armee angehören; sie haben die gewöhnlichen Exerzierübungen sowie eine alljährliche Feld übung von 14 Tagen mitzumachen. Von 25—35 Jahren gehören sie den Reserven an und haben alljährlich eine Feldübung von 4—8 Tagen mitzumachen. Ernste Vlitzschlagkatastrophen. Die Gewitter, die infolge der Hitze in den letzten Tagen über Deutschland heruntergingen, haben in den verschiedensten Gegenden schweren Schaden angerichtet. Aus München, Hanau, Metz wird berichtet, daß Menschen auf offener Straße vom Blitz erschlagen wurden. Neben der schweren Gewitterkatastrophe bei Königs ¬ brück, wo auf der Chaussee der Blitz in das Infanterie - Regiment Nr. 177 schlug und drei Mann tötete, sowie 15 verletzte, ist das schwerste Unglück, das die Gewitter am 7. d. anrichteten, die Explosion einer Sprengstoffabrik zwischen Schlebusch und Dünnwald in der Nähe von Köln. Die Explosion wurde durch einen Blitz hervorgerufen, der in die Nitrieranstalt heineinfuhr. Sofort bei Ausbruch des Ge witters wurde in der Fabrik der gesamte Betrieb eingestellt und ein Teil der Arbeiter flüchtete sich in den Speisesaal. Die durch die Explosion bewirkte Verheerung ist schrecklich. Das Kasino der Fabrik wurde vom Erdboden wegrasiert. Neben einigen Schwerverletzten ließen sich etwa 30, die durch die Trümmer und Glassplitter verwundet worden waren, im Krankenhause in Schlebusch verbinden. 1500 Kilogramm Spreng stoff sind in die Luft geflogen, während 10 000 Kilogramm in Kasematten lagerten, außerdem 200 Alkoholkessel. Wie der Blitzschlag zünden konnte, ist unerklärlich, da mehrere hundert Blitzableiter vorhanden waren. Der Meultemer vor Gericht. Die Aufrollung des Dramas von Allenstein hat am Montag vor dem dortigen Schwurgericht begonnen und wird etwa 14 Tage in Anspruch nehmen. Zwei Offiziere von seltener Be gabung sind bekanntlich dieser Tragödie zum Opfer gefallen: der eine in nächtlichem Über fall durch die Hand seines Freundes, während der andre aus Verzweiflung über die be gangene Bluttat sich selbst gerichtet hat. Und nun steht die gewesene Gattin des erschossenen Majors v. Schönebeck vor den Geschworenen unter der schweren Anschuldigung, den Freund und Geliebten zur Ermordung ihres Mannes angestiftet zu haben. Bemerkenswert ist noch, daß die Anklage gegen Frau v. Schönebeck auf Grund einer Besprechung des Falles im Preuß. Herrenhause erhoben wurde, und daß die Ange klagte trotz der Schwere der ihr zur Last ge legten Handlung sich auf freiem Fuße befindet. Aus naheliegenden Gründen wurde für den größeren Teil der Verhandlungen die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Die Vorgeschichte des Falles ist kurz die fol gende: Frau v. Schönebeck-Weber wird be schuldigt, den Hauptmann v. Göben zur Er mordung des eigenen Gatten, des Majors von Schönebeck, die in der Nacht zum 26. Dezember 1907 erfolgte, angestiftet zu haben. Am Morgen des 26. Dezember fand der Bursche Weide seinen Herrn im Schlafzimmer erschossen vor. Ein Selbstmord, an den man zuerst glaubte, mußte schon deshalb als ausgeschlossen gelten, weil die Kugel, mit der Major v. Schöne beck getötet war, ein kleineres Kaliber zeigte als die Patronen des neben der Leiche gefundenen geladenen Revolvers. Auch die Lage der Leiche, dis Richtung des Schußkanals und das Fehlen jeden Motivs für einen Selbstmord ließen bald nur noch eine Ermordung zu. Am 28. Dezem ber wurde unter dem Verdacht des Mordes der Geliebte der Frau v. Schönebeck, Hauptmann Hugo v. Göben, verhaftet und die kriegsgericht liche Untersuchung vor dem Gericht der 37. Divi sion gegen ihn eingeleitet. Schon nach wenigen Tagen legte Hauptmann v. Göben ein Geständ nis ab. Auf dieses Geständnis hin wurde am 31. Dezember auch Frau v. Schönebeck unter dem Verdacht der Anstiftung zum Morde in Hast genommen. Bereits Anfang Januar 1908 wurde die Mordanklage gegen v. Göben erhoben, der sich am 2. März 1908 durch Selbst mord mit einem Schnitt in die Kehle der irdischen Gerechtigkeit entzog, über den Geisteszustand der Frau v. Schönebeck lauteten die Gutachten der Arzte widersprechend, bis die wissenschaftliche Deputation für das Medizinalwesen in Berlin entschied, daß sie zur Zeit der Tat nicht unzu- rechnungsfäh'g gewesen sei. Daraufhin wurde gegen Frau v. Schönebeck, die inzwischen in London den Schriftsteller Weber geheiratet hatte, die Anklage erhoben. Die Angeklagte bestreuet entschieden jede Schuld. Kl 6me schwergeprüfte frau. 8) Roman von M. de la Chapelle. tFortsetzuvz.) „Machen Sie mit mir, was Sie wollen, Doktor I" stöhnte der Baron. „Nur befreien Sie mich von diesen entsetzlichen Schmerzen, die meine Glieder wie mit glühenden Zangen zerreißen/ Den Bemühungen Jordans gelang eS, dem Kranken wenigstens fürs erste diese ersehnte Ruhe zu schaffen. Er verordnete das notwendig Erscheinende und verabschiedete sich nach Ver lauf einer halben Stunde, als Baron Ulrich in einen tiefen Schlaf gefallen, mit dem Ver sprechen, gegen Abend nochmals wiederzukommen. Thilo, deu Fräulein Hartkopf heute morgen, bei Beginn des Anfalls, schleunigst hatte holen lassen, begleitete Jordan aus dem Kranken- zimmer. „Bstte, Herr Doktor — ein Wort noch —" sagte er, als die Tür sich hinter ihnen ge schloffen, indem er zugleich diejenige zu seines Oheims Arbeitszimmer öffnete und Jordan durch «ine Haudbewegung zum Eintritt aufforderte. „Sie machen ein ernstes Gesicht, Doktor," sagte er dann gedämpften Tones. „Ist der Zustand meines Onkels mit irgend welcher Gefahr verknüpft?" Jordan zuckte die Achseln. „Eine bestimmte Ansicht hierüber läßt sich für den Augenblick «och nicht abgeben. Jedenfalls hat der Eigen sinn, mit dem Ihr Herr Onkel bisher ärztliche Hilfe verschmähte, der Ausbreitung seines Leidens außerordentlich in die Hände gearbeitet, so daß der Krankheitsherd nicht nm auf eine Stelle beschränkt blieb. Dadurch ist das All gemeinbefinden, namentlich aber der Fonds an Kräften, stark heruntergegangen, was bei etwa hinzutretenden Komplikationen bedenklichen Einfluß ausüben könnte, woran sich wiederum — wenn auch keine direkte Katastrophe, so doch ausgedehnte Lähmungserscheinungen knüpfen dürften." Thilo sah ihn gespanten Blickes an. „Sie meinen — ein Schlaganfall?" fragte er zögernd. „Allerdings — eS pflegt dies meist die ge wöhnliche Folge von solchen Komplikationen zu sein." Wieder zögerte Thilo, ehe er fortfuhr: „Würden Sie es daher für angemessen halten, etwaige wichtige Verfügungen, die der Kranke noch zu treffen wünscht, möglichst bald vor nehmen zu lassen?" „Das erscheint mir nicht unbedingt geboten — eS sei denn, daß der Kranke selbst den dringenden Wunsch ausspricht, dergleichen er ledigen zu wollen. Im andern Falle ist es unbedingt besser, alles von ihm fern zu halten, was ihn irgendwie erregen oder seinen Geist unnötig anspannen könnte, und zu beidem geben doch letztwillige Verfügungen durch die Bedeu tung, die ihnen innewohnt, immer eine gewisse Veranlassung. — Wer besorgt übrigens die Pflege des Kranken, haben Sie einen Wärter in Aussicht?" „Nein, ich hielt das für überflüssig, da die Hausdame meines Oheims, Fräulein Hartkopf, dieselbe, die Sie bereits vorhin im Kranken zimmer flüchtig kennen gelernt — für solche Fälle vorzüglich geschult ist und von dem Kranken auch unbedingt als Pflegerin bevor zugt wird." „Kann ich die Dame nochmals sprechen, um ihr einige notwendige Verhaltungsmaßregeln zu geben ?" „Gewiß, ich werde sie rufen lassen." Einen Augenblick später trat Fräulein Julie Hartkopf ein, demütig ergeben in jeder Mene und Bewegung. In kurzen Worten teilte ihr Jordan das Nötige mit. „Vor allem vollständige Ruhe," schloß er. „Jede Aufregung ist von dem Kranken fernzu halten." Fräulein Hartkopf neigte ergebnngsvoll das wohlfrisierte Haupt mit den regelrecht gelegten Stirnlöckchen. „Herr Doktor dürfen sich ganz^ auf mich verlassen," versicherte sie in so weh leidigem Tone, als ob Baron Ulrich mindestens schon in den letzten Zügen läge. Jordan wandte sich zum Gehen. „Ich begleite Sie ein Stück, Doktor," rief ihm Thilo nach. „Da mein Onkel schläft, möchte ich schnell noch einen Sprung nach meiner Wohnung tun, um meinen Diener zu instruieren." Jordan war einverstanden, und beide be traten den Korridor. Allein Fräulein Hartkopf mußte den Baron wohl durch einen Wink zurückgehalten haben, denn er blieb plötzlich stehen. „Haben Sie wegen der Testamentsabfasiunss gesprochen?" , Fräulein Hartkopf flüsterte diese Frage mir — auch mochte sie wohl denken: Jordan, der gerade seinen Hut und Stock im Korridor vom Diener nahm, achtete nicht auf sie und ihre Worte. Allein er hatte sie trotzdem, durch Thilos Zurückbleiben aufmerksam geworden, verstanden und hörte nun auch dessen Antwort: „Jawohl — heute ist nichts zu machen — er muß Ruhe haben — „Nun — dann morgen — aber dann müssen Sie darauf bestehen." Es wollte Jordan etwas verwunderlich er scheinen, daß die Hausdame Baron Ulrichs iu einer so wichtigen, familiären Angelegenheit, wie eine Testämentsabfafsung doch war, so ge wissermaßen selbstherrschend das Wort führte, denn in ihrer letzten Bemerkung lag eigentlich mehr ein Befehl, als ein mahnendes Erinnern. Baron Thilo schien dies jedoch nicht zu bemerken. Er nickte Fräulein Hartkopf be ruhigend zu und schloß sich dann Jordan an. Unterwegs sprach Thilo wiederholt seinen Dank für Jordans Kommen aus. „Es war eigentlich etwas aufdringlich von mir, Ihnen an dem Abend unsrer Begegnung im Luisen- theater das Versprechen abzunehmen," meinte er entschuldigend, „um so mehr, als Sie für Privatbehandlungen wohl kaum Zett übrig haben " „Nun, eine Ausnahme darf ich mir schon einmal gestatten," erwiderte Jordan. „Doch da fällt mir ein — da Sie gerade des Luisen- theaters erwähnen wissen Sie auch, daß ich jene Schauspielerin, deren Name Ihnen so auffällig erschien, Frau Beate Arnoldi — durch einen Zufall persönlich kennen gelernt habe?"
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