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Allgemeiner Anzeiger : 20.04.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191004203
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100420
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1910
-
Monat
1910-04
- Tag 1910-04-20
-
Monat
1910-04
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 20.04.1910
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Staatssekretär Dernburg über SaumwoUfragen. Vor den Teilnehmern des deutschen Handels tages, der in Berlin tagte, sprach Staatssekretär Dernburg über die Lage und die Aussichten der Baumwollkultur in unsern Kolonien. Der Redner schilderte zunächst die Steigerung der Ausfuhr aus unsern Kolonien, die sich in wenigen Jahren mindestens verdreifachen werde, und ging sodann auf die Ursachen ein, daß gegenwärtig der Baumwollhandel, die Spinnerei und Weberei und der Vertrieb der Erzeugnisse sich in einer außerordentlich schwierigen Lage befinden. Er ist der Ansicht, daß die Fabrikation in ihren Einrichtungen dem Bedarf der Welt an Waren vorausgeeilt und die Rohstoffversorgung hinter diesem Bedarf zurückgeblieben sei. Herr Dernburg führte dann aus, daß an eine große Vermehrung d^r amerikanischen Baumwoll- Fabrikation und -Kultur nicht zu denken sei. Amerika- Wettbewerb aber sei daS Entscheidende. Demgegenüber wandte sich Redner den deutschen Kolonien zu. „Diese zeigen durchschnittlich eine sehr schöne, aufsteigende Kurve. Es kommt da zunächst Ost- afrika in Frage, das im Jahre 1902 mit 370 Klogramm begonnen hat, im Jahre 1904 188 000 Kilogramm gebracht hat und im Jahre 1908 247 000 Kilogramm, etwa 1000 Ballen Baumwolle der ägyptischen Sorte. Togo, das 1901 mit 10 000 Kilogramm anfing, hat 1908 420 000 Klogramm gleich 1620 Ballen Baum wolle erzeugt. I» Ostafrika bestehen seht siebzehn mittlere und kleinere Europäer-Pflanzungen, die 2000 Hektar mit Baumwolle bepflanzt haben. In Entwickelung begriffen sind zwölf Baumwollplantagen, die im ganzen 85 000 Hektar belegt haben, aber natür lich erst im Laufe der Zeit in die Produktion einrücken, da die Anlage erhebliche Kapitalmittel erfordert und es nicht weise erschien, von vorn herein zu große Aufwendungen bei den ersten Versuchen zu machen. Alle diese Neuanlagen find erst möglich geworden durch den Bau der ostafrikanischen Zentralbahn, die heute bereits ungefähr 550 Kilometer von der Küste erreicht hat. Es hat sich herausgestellt, daß Togo eine Baumwolle heroorbringt, die Ersatz für amerikanische Baumwolle zu bieten geeignet ist, und daß auch Ostafrika bald eine gleiche Qualität abgeben wird. Bis her wird in Ostafrika nur die sehr hochwertige Art gezogen. Der Zeitpunkt scheint daher jetzt gekommen, wo die weitere Fortführung der Versuche einen solchen Erfolg verspricht, wo die in dieser Industrie angelegten Kapitalien einen Umfang annehmen, daß auch die Reichsregie rung zur Fortführung der Arbeit und zum Schutz der Fruchtbarkeit dieser Anlagen das ihrige beizutragen veranlaßt hat. Hat sie bis her ihre Hauptaufgabe darin gesehen, durch Er- schließungsbahnen überhaupt erst den Boden voczubereiten, so wird sie jetzt mit der Privat industrie in eine Arbeitsteilung eintreten können, von der wir, die wir uns mit der Angelegenheit ernstlich befaßt haben, uns Nützliches versprechen. Der Beweis, daß Baumwolle gut gedeiht, ist durch das Kolonial- Wirtschaftliche Komitee erbracht. Das Komitee fährt fort, eine Baumwollschule und eine kauf männische Geschäftsstelle mit Pflug- und Gerät niederlage in Ostafrika zu unterhalten. Es wird dabei der Unterstützung der ReichSregierung sicher sein und seinerseits seine Organisationen der Reichsregierung für diejenigen Zwecke zur Verfügung stellen, welche mit dem andern, der ReichSregierung zufallenden Teil, in Verbindung stehen. Dagegen wird die Kolonialverwaltung in die Hand nehmen die Errichtung landwirtschaftlicher Stationen mit besonderer Berücksichtigung der Baumwoll sortenversuche, Saatzucht, Düngung und Be wässerung, die Bekämpfung der Schädlinge, die wissenschaftliche Untersuchung der Baumwoll- böüen, den Wetternachrtchtendienst, und eine geeignete Einwirkung auf die Eingebor^yen- bevölkerung, sich diesem der deutschen Nativ. Wirtschaft so wichtigen Zweige zu widmen/ — Schon bei seiner Heimkunft aus Ostafrika hatte Staatssekretär Dernburg (im vorigen Jahre) Gelegenheit genommen, über die Baumwoll kultur zu sprechen. Damals aber klangen seine Worte nicht so zuversichtlich. Man darf daher annehmen, daß der kluge Rechner jetzt mancherlei Erfahrungen gemacht hat, die ihn berechtigen, unsern Kolonien eine so fruchttragende Zukunft vorauszusagen. poUtiseke kunäsebau. Deutschland. "Das Kaiserpaar wird mit der Prinzessin Viktoria Luise am 23. d. auf Schloß Urville in Lothringen zu kurzem Aufenthalt eintreffen. * Die Einführung von Lohnämtern für die Hausindustrie ist von der Reichstaas- kommisfion mit 14 gegen 13 Stimmen beschlossen worden. Danach werden der Reichskanzler oder die Lankeszentralbehörden ermächtigt, Lohnämter zu errichten, welche Mindestzett- und Stücklöhne festsetzen können. *Die Reichstags-Ersatzwahl im Wahlkreise Oletzko-Lyck, die durch das Ableben des bisherigen Vertreters, deS früheren Reichstagspräsidenten Dr. Udo Graf zu Stol- berg-Wernigerode, nötig geworden ist, hat mit dem Siege des nationalliberalen Gutsbesitzers Kochan geendet. Dieser erhielt 12 642, Land- rat Krämer (kons.) 10153 und Parteisekretär Linde (soz.) 909 Stimmen. — Wie sich die Verhältnisse in diesem Wahlkreise geändert haben, zeigen folgende Daten: Der Wahlkreis ist bisher — seit 1867 — stets konservativ vertreten gewesen, und zwar hat es bisher nie mals einer Stichwahl bedurft. Dr. Udo Graf zu Stolberg-Wernigerode wurde in der Ersatz wahl für den Regierungspräsidenten Stein mann am 23. Februar 1895 zum Vertreter dieses Kreises gewählt und blieb es bis zu seinem Tode. Bei der letzten Wahl im Jahre 1907 hatte er von 21860 abgegebenen gültigen Stimmen 20 343 auf sich vereinigt. * Das preuß. Herrenhaus, das sich am 15. d. mit dem Entwurf der Wahl rechtsvorlage (mit den im Abgeordneten hause getroffenen Änderungen) beschäftigte, brachte mit großer Mehrheit zum Ausdruck, daß die Wahlreform notwendig, daß aber der vorliegende Entwurf nicht ausreichend sei. Die Vorlage wurde daher einer Kommission von 20 Mitgliedern übergeben, die eine Umgestaltung vornehmen soll. Die Beratungen haben bereits am 16. d. begonnen. *Jm Preuß. Abgeordnetenhause ereignete sich gelegentlich der Beratung des Eisenbahnrtats ein peinlicher Vorfall. Als Minister v. Breitenbach das Wort ergriff, um auf Beschwerden und Wünsche mannigfachster Art zu antworten, wurde er durch laute und andauernde Zwischenrufe auf der äußersten Linken am Sprechen verhindert. Präsident von Kröcher stellte fest, daß er kein Mittel habe, um solche Szenen zu verhindern, da der Ord- nungsruf leider unwirksam sei. Der Minister konnte erst nach geraumer Zeit das Wort er greifen. — Die Geschäftsordnungskommission des Landtages hat übrigens an demselben Tage eine Verschärfung der Geschäftsordnung be schlossen, die wahrscheinlich Annahme finden wird. Danach kann der Präsident im Falle besonders grober, die Würde des Hauses schädigender Verletzung der Ordnung den Ab geordneten für den Rest des Tages von der Sitzung aus schließen. Auch kann auf Vorschlag des Präsidenten das Haus ohne Besprechung den Abgeordneten aus den Sitzungs räumen einschließlich der Tribünen aus- weisen und zwar bis zur Dauer von 6, im Wiederholungsfälle in derselben Tagung bis zur Dauer von 12 Sitzungstagen. *Jn Berlin ist eine Abordnung von 64 englischen Arbeitern eingetroffen. Sie will hier und in andern Städten soziale Reformen und das Erziehungswesen studieren. Ofterreich-Unaar«. * Im österreichischen Abgeord netenhause hat sich wieder einmal eine böse Szene abgespielt. Ein Abgeordneter hat den Sozialdemokraten zugerufen: „Ihr seid alle Diebe!" Als darauf die Sozialdemokraten auf den Rufer eindrangen, gelang es nur der Besonnenheit einiger andrer Abgeordneten, eine Prügelei zu verhindern. — Mit geringer Mehr heit bewilligte daS Haus die Regierungsvorlage betr. eine Anleihe von 182 Millionen Kronen, die zum Teil für Rüstungszwecke (Luftschiffahrt und Flotte) verwandt werden sollen. England. * Nach einer stürmischen Sitzung, bei der die Minister von den Regierungsgegnern mit ver schiedenen Pfuirufen bedacht wurden, hat das Unterhaus den Beschluß angenommen, die Dauer des Parlaments (von sieben) auf fünf Jahre zu beschränken. Spanien. * Das Parlament, dessen Sitzungen seit mehreren Monaten aufgehoben waren, ist nun mehr aufgelöst worden. Die Neuwahlen finden am 8 bezw. 22. Mai statt. Aus ciem Keickstage. Der Reichstag beendete am Donnerstag die erste Lesung des Gesetzentwurfes über die Zuständigkeit des Reichsgerichts und des Entwurfes über Ände rungen der Rechtsanwaltsordnung. In der Debatte wurde von fast allen Rednern der von der Regierung zur Entlastung des Reichsgerichts vorgeschlagene Weg auf das entschiedenste verurteilt. Die Vorlage wurde an eine Kommission verwiesen. — Darauf folgte die erste Beratung der Vorlage über die provisorische Verlängerung des jetzigen deutsch schwedischen Handelsvertrages bis zum 1. Dezember 1911. Mit Rücksicht auf die gegenwärtig zwischen Deutschland und Schweden schwebenden Verhand lungen über einen neuen Handelsvertrag legte man sich in der Debatte besondere Zurückhaltung auf. Die Vorlage wurde in erster und zweiter Lesung angenommen. Am 15. d. steht auf der Tagesordnung die erste Lesung der Reichswertzuwachssteuer. Staatssekretär Wermuth: Ich habe zu er läutern, warum die Vorlage so frühzeitig, warum sie gerade jetzt kommt. Die Beschaffung des erforder lichen Materials in so kurzer Frist war sehr schwierig und eS gibt nur sehr wenig Sicherheit. Aber die Frage ist seit dem vorigen Jahre reif geworden, und wenn wir die Frucht nicht bald pflücken, ist die Gefahr vorhanden, daß wir sie überhaupt nicht mehr genießen können. Das gesetzgeberische Vorgehen ist jetzt gerechtfertigt und notwendig. Eine sehr große Anzahl von Gemeinden hat gerade in neuester Zeit die Wertzuwachssteuer eingeführt und diese Zahl ist im riesigen Wachsen, weil sie vielfach der irrtüm lichen Meinung sind, daß eine Regelung in diesem Zeitpunkt ihnen gegenüber dem zu erwartenden Neichsgesetz einen Vorteil sichern würde. Auch einige Landtage warten darauf, ob das einzelstaatliche Vor gehen durch das Vorgehen des Reiches entwertet werden wird oder nicht. Ebenso ist eine lebhafte Bewegung des Grundstücks Marktes eingetreten, die sich zum Ziel setzt, möglichst viel vorher gegen die Bestimmungen des Gesetzes zu sichern. Der Ent wurf hält soweit als möglich an vier Leitsätzen fest. Gegenstand der Steuerpflicht ist der Unter schied zwischen den Erwerbskosten und dem Er gebnis des Verkaufspreises, unter Abzug der Auf wendungen. Der Träger der Steuerpflicht ist der Verkäufer. Die Sleuerpflicht tritt ein in dem Zett punkt, in dem der Zuwachs realisiert wird. Die Höhe der Steuer bestimmt sich in steigender Skala nach der prozentualen Höhe des Zuwachses und nach der Kürze der Besitzdauer. Die Steuererträge werden sich hiernach nicht wesentlich über die beider gemeindlichen Regelung sich ergebenden 25 bis 30 Prozenr erheben, außer bei den selten vor kommenden ganz besonders hohen und ganz kurz fristigen Gewinnen. Die Interessen des Reiches und der Gemeinden sind bei dieser Steuer unlöslich und eng miteinander verknüpft. Wir stellen Ihnen keine kleine Zumutung, wenn wir bitten, den Entwurf noch in dieser Tagung zu verabschieden. Aber schnelles Handeln ist notwendig, der Augenblick ent scheidet über das Schicksal der ganzen Frage. Abg. Graf Westarp (kons.): Wir begrüßen den Entwurf. Wir halten die Wertzuwachssteuer für geeigneter als den Umfatzstcmpel. Wir müssen erwägen, ob der vermutliche Mehrertrag nicht zur Schuldentilgung verwendet werden soll. Die Sätze dec Tarifs sind ja reichlich, aber im allgemeinen mau allzu hoch. Scharfe Degressiv» deS Tarifs nach der Zett, ermöglicht ein richtiges Eingreifen des Wertzuwachses. Die obere Grenze könnte noch er weitert werden. Wir schlagen eine Kommission von 28 Mitgliedern vor. Abg. Südekum (soz.): Die Vorlage führt un mittelbar zu den Kämpfen um die Reichsfinanzreform zurück. Sie ist ein integrierender Bestandteil der Flickarbeit des schwarz-blauen Blocks. Trotzdem verkennen wir nicht, daß ihr trotz ihrer agrarischen Tendenz ein sympathischer Gedanke zugrunde liegt. Es spricht sehr viel für eine allgemeine Neichs- WertzuwachSstcuer. Man wird aber Bestimmungen treffen müssen, die es verhindern, daß die Gemeinden das Aufkommen aus der Wenzuwachsstcuer etwa verwenden zur Verminderung der Einkommen- und sonstigen direkten Gemeindesteuern. Preuß. Finanzminister Frhr. v. Rhein baben: Wenn wir die indirekten Steuern ermäßigen oder wieder aufheben wollten, so hätte die ganze Sanie rung durch die Finanzreform keinen Zweck gehabt. Die Lungen Berlins sollen nicht vernichtet werden. Es schweben Verhandlungen mit den großen Ge meinden, und es wird zweifellos eine Verständigung dahin erfolgen, daß ein großer Teil des Waldes er halten bleibt. Den Einzelstaaten sind 10 Prozent bewilligt worden. Mit Recht, denn sie haben ja durch die kulturelle Betätigung zum Wertzuwachs er heblich beigetragen. Dabei geht dieser Prozentsatz gerade für die Kontrolle und die notwendigen neuen Beamten auf. Abg. Cuno (fortschr. Vp.): Wir find ja bereit, den ß 19 des vorjährigen Gesetzes durchführen zu helfen, aber wir sind nicht bereit, noch über die von der schwarz-blauen Majorität bewilligten 500 Mil lionen hinauszugehen. Besonders die Wertzuwachs steuer ist als Gemeindesteuer hervorragend geeignet. Staatssekretär Wermuth: Ich möchte noch mitteilen, daß die Einnahme aus dem Grundstücks- übertragungsstempel sich auf 50 Millionen beläuft und in aufsteigender Richtung begriffen ist. Wir treiben keine Plusmacherei. Wir wollen mit der Vorlage keine besonderen Vorteile für das Reich er langen, sondern nur die uns gestellte Aufgabe er füllen. Abg. Weber (nat.-lib.): Meine Freunde stehen dem Gedanken der Vorlage sympathisch gegenüber. Das Prinzip der Reichswertzuwachssteuer ist ein gutes. Verschiedene Bedenken und Abänderungs vorschläge bei Einzelheiten behalten wir uns für die Kommission vor. Fraglich ist, ob das Gesetz auf alle Einzelstaaten paßt, und ob die Rechte der Ge meinden genügend gewahrt sind. Abg. Spahn (Zentr.): Der Entwurf kann auf Annahme rechnen. Die Vererbung wollen wir srei- halten, wir wollen nicht auf diesem Wege die Erb schaftssteuer wieder hereinbringcn. Keinesfalls darf die ganze Steuerreform dadurch wieder zunichte ge macht werden, daß Einnahmen, die das Reich hat, ihm wieder genommen werden. Abg. Arendt (sreik.): Wir stehen auf dem Boden der Vorlage, müssen aber eine genaue Prü fung verlangen. Deshalb sind wir für eine Be ratung in einer Kommission. Ich halte das Gesetz lediglich für ein Gesetz für Rechtsanwälte, denn aus ihm werden unzählige Prozesse entstehen. Es ist fraglich, ob eine Belastung des Grundbesitzes, wie sie das Gesetz bringt, wirtschaftlich und finanziell ge rechtfertigt ist. Den Bauern, der mit eigener Kraft den Wert erhöht hat, darf man nicht aus eine Stufe stellen mit den großstädtischen Spekulanten. Die Bauspekulation, die man treffen will, wird zurück treten und einen Fehlschlag des Gesetzes herbeiführen. Meine Freunde sind auch dafür, daß die Überschüsse zur Schuldentilgung verwendet werden. Der Umfang des Gesetzes muß eingeschränkt werden. Soll denn jeder kleine Besitzwechsel getroffen werden? Eine Grenze nach unten wäre notwendig. Staatssekretär Wermuth: Der Redner hat zu Beginn seiner Rede erklärt, seine Freunde stellten sich auf den Boden der Vorlage, aber seine ganzen Ausführungen brachten dann die größte Gegner schaft, die heute gegen die Vorlage zutage getreten ist. Ich betone wiederholt, die Gefahr des Scheiterns der ganzen Idee liegt vor, wenn man jetzt die Angelegenheit in das ruhige Fahrwasser schiebt. Wir wären nicht noch jetzt in dieser späten Stunde mit der Vorlage an den Reichstag gekommen, wenn wir nicht auf Grund der Reichsfinanzresorm dazu verpflichtet wären. Abg. Raab (wirtsch. Vgg.): Ich begrüße die Vorlage. Wenn je ein Entwurf eilig war, so dieser. Eine Verteuerung deS Bodens wird dieses Gesetz nicht zur Folge haben. Die Bodenpreise bestimmen sich nicht nach Steuern, sondern nach der wirtschaft lichen Ausnutzungsfähigkeit. Abg. Zietzsch (soz.): Welch' befremdliche Eile. Bei einem Arbeiterschutzgesetz hätte man sich mehr Zeit gelassen. Man übersehe nicht, daß die Erb schaftssteuer ein untrennbarer Teil der Reichsfinanz- reform sein sollte. Jetzt ist Gelegenheit, die Erb schaftssteuer in die Vorlage hineinzuarbeitcn. Eine direkte statt der vorgeschlagenen indirekten Steuer wäre uns lieber gewesen. Die Vorlage geht an eine Kommission. A Kuf der Bahn -es verbrechens. 7j Detektivroman von Max Arendt-Denart. < . likorythndg.) Nachdem sich Klara etwas gefaßt hatte, be sann sie: „Wohl weiß ich. daß auch Sie Ihren Vater beweinen, aber der Ihre ist nicht entehrt, sein reines Bild ist in Ihrem Herzen unversehrt und Sie können ihm täglich auf Kem Altar Ihrer Kindesliebe opfern, mein Vater aber schmachtet im Gefängnis und dunkle Gewalten, denen er machtlos gegenübersteht, sind im Be griff, ihn für immer im Gedenken der Menschen zu vernichten." „Und kann ich etwas tun, um sein Schicksal zu erleichtern?" sagte Hermann, im tiefsten Herzen berührt von dem Wohllaut ihrer Stimme. „Das glaube ich kaum, das wage ich auch nicht zu hoffen. Ich bi» auch deshalb nicht gekommen, sondern weil ich aus Ihrem Munde hören wollte, ob Sie meinen Vater für schuldig halten?" Unk Klara sah den jungen Mann mit so flehenden Blicken an, daß er geraume Zeit nach Worten suchen mußte, ehe er begann: „Mein Fräulein, ich kann mir darüber kein Urteil er lauben." .. - „Also auch Sie!" seufzte sie. „Alle Men- scheu fragen ihren prüfenden Verstand und er antwortet ihnen immer und immer wieder: „Ja l" Mir aber sagt mein Herz - und dessen Stimme lügt nicht — daß mein Vater unschuldig ist. Was aber hilft das ? Der Untersuchungsrichter hat mir angesichts der drückenden Beweise keine Hoffnung gemacht, und den zurzeit notwendigen Weg, meinem Vater einen Verteidiger zu stellen, vermag ich nicht zu aehen, da alle die Herren, mit denen ich über den Fall sprach, zwar sehr inter essiert schienen, aber Kostenvorschüffe verlangten, die ich zu leisten nicht imstande bin." * „Wenn es sich darum handelt, mein Fräu- lein, so bitte ich Sie, über mich zu verfügen." Eine dunkle Röte zog über ihr Gesicht. „Herr Klinger, ich bin nicht deshalb zu Ihnen gekommen —" „Aber, mein Fräulein/ unterbrach er sie, „mag Ihr Vater schuldig sein oder nicht, ich habe ein Interesse daran, daß diese dunkle Tat geklärt wird. Ich bitte Sie deshalb, mein Anerbieten anzunehmen/ Und da sie noch zögerte, fuhr er fort: „Ich setze dabei voraus, daß Sie keine andre Hilfe zu erwarten haben." Klara zögerte noch. Endlich sah sie ibn mit einem dankbaren Blick aus ihren klaren Augen an: „Ich werde mir's noch überlegen," sagte fie. „Heute kam ich nur, um von Ihnen zu erfahren, ob nickt irgendwelche Spuren gefunden worden sind, die auf einen andem Täter ver weisen." „Soweit mir bekannt ist, keine einzige." „Und dennoch sagt mir eine Stimme, daß man bei genauem Nachforschen unter den Briefen Ihres Herrn Vaters Papiere finden wird, die über sein Verhältnis zu meinem Vater ae- naueren Aufschluß geben und die auch andre überzeugen werden, daß mein Vater nicht zum MöriMan seinem Freunde wurde." „>M dürfen mir glauben," entgegnete Hermann, „daß ich nichts unversucht lassen werde, um solche Spuren zu finden. Zurzeit ist in dem Hause noch alles versiegelt. Sind die Siegel entfernt, so werde ich mit meinen Nachforschungen beginnen und Ihnen von dem Erfolge sofort Nachricht geben." „Ich danke Ihnen," sagte Klara, indem sie sich erhob. „Ich möchte Sie noch einmal bitten," wieder holte Hermann, „mein Angebot nicht auszu schlagen." Sie legte zitternd ihre Hand zum Abschied in die seine: „Ich werde mit mir zu Rate gehen und — Ihnen Bescheid geben." Damit schied sie, Hermann aber blieb in tiefen Gedanken versunken, zurück. Er hatte schon ost in Frauenangen gesehen, aber nie zuvor den geheimnisvollen Zauber empfunden, der jetzt sein Herz völlig gefangen nahm. Vergebens suchte er sich dem Banne dieser Augen zu entziehen. Mochte er sich auch immer wieder sagen, daß Klara die Tochter eines ungetreuen Beamten sei, der unter dem schweren Verdachte des Mordes — des Mordes an seinem Vater stand, immer wieder tauchte vor seinem inneren Auge der Blick dieser rätsel vollen Augen auf, die ihn so flehentlich um Beistand baten. Während sich Hermann noch immer mit seinem Besuche beschäftigte, stand Klara wieder vor ihrem Onkel, der ihr schon einmal seine Hilfe verweigert hatte. Auck heute blieb er trotz, aller Bitten Klaras hart, indem er sagte: „Geben Sie sich keine Mühe, mein Fräulein. Ich habe mir Ihr Anfinnen wohl durch den Kopf gehen lassen, ich habe mich genau nach allen Einzelheiten der Tat erkundigt: aber es gibt gar keine andre Möglichkeit, als die An nahme, daß Artur Baumgart seinen Freund er mordete, weil er Geld gebrauchte, um seine» Fehlbetrag in seiner Kasse zu decken. Mein Bruder hat unsern Namen durch Mord, Raub und Unterschlagung gebrandmarkt " „Halten Sie ein," rief Klara. „Es ist die Wahrheit," fuhr Baumgart mit schneidender Kälte fort, „denn heute morgen habe ich erfahren, daß der Revolver, der in dem Schranke Ihres Vaters gefunden wurde, ohne Zweifel zur Tat benutzt worden ist." „Das ist nicht möglich!" schrie Klara -ms. „Auch ich habe es immer noch nicht für möglich gehalten, aber eS bleibt kein Zweifel, wenn man einen Blick auf Ihres Vaters Vo» leben wirft." „Ans sein Vorleben?" fragte Klara in einem Tone, der Empörung und Erstaunen zugleich ausdrückte. „Mein Vater war ein Ehrenmann —" „Ja, bis ihn der Spielteufel ergriff. Hat er nicht seit Jahr und Tag an dem wüsten Treiben eines unsrer großstädtischen Klubs teil- genommen? Hat er nicht das Vermögen Zeiner Frau, lein Erspartes und seinen Verdienst ver- spielt und endlich die Hand nach fremdem Eigen tum ausgestreckt?" Klara war unter diesen anklagenden Worten leichenblaß geworden. Sie konnte unmöglich an deren Wahrheit glauben: vielmehr schienen sie ihr von dem unauslöschlichen und unbegreiflichen Haß dieses Mannes gegen den Bruder diktiert. Aber dennoch verwirrte sie die Sicherheit, mit. der der Bankdirektor sprach.
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