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Allgemeiner Anzeiger : 09.04.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-04-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191004092
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19100409
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100409
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-04
- Tag 1910-04-09
-
Monat
1910-04
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 09.04.1910
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Oie aU-englische flotte. Schon auf Grund der Verhandlungen der vorjährigen englischen Reichskonserenz mutzte angenommen werden, datz der Zweck, der mit der Beteiligung der englischen Kolonien an der Flottenrüstung des Mutterlandes verfolgt wird, nicht so sehr der militärische Schutz der über seeischen Besitzungen Englands, als die Verstärkung der Seemacht des englischen Reiches überhaupt sein soll. Diese Annahme hat durch eine kürzlich im Oberhause abgegebene Erklärung eines Regierungsvertrsters volle Bestätigung gefunden. Aus eine Rede des Lord Brassey, die der Frage der bestmöglichen Sicherung der kolonialen Häfen durch Stationierung von Kriegsschiffen gewidmet war und in der die Überweisung von Schiffen älterer Bauart aus den Beständen der Kriegsflotte des Mutterlandes an die Kolonial staaten empfohlen wurde, erwiderte der Re gierungsvertreter : Was die englische Regierung, die Admiralität und die kolonialen Regierungen wirklich brauchten, seien Kriegsschiffe, die allen neuzeitlichen Anforderungen hinsichtlich der Aus rüstung, Leistungsfähigkeit und Gefechtsstärke entsprächen und imstande wären, im Kriegsfälle mit der englischen Flotte gemeinsam zu operieren. Schiffe älterer Bauart seien aber fiir diesen Zweck nicht brauchbar. Damit ist auch von feiten der englischen Regierung offen ausgesprochen, was bisher nur als Möglichkeit hingestellt wurde und zwar als eine Möglichkeit, die nur unter besonderer, im Ernstfälle einzu holender Zustimmung der kolonialen Regierungen Wirklichkeit werden sollte, daß nämlich die Fahrzeuge der kolonialen Kriegsflotten, ganz gleich, ob es sich um Linienschiffe, Kreuzer, Torpedoboote oder Unterseeboote handelt, im Kriegsfälle sofort zur Verstärkung der Schlacht flotte des Mutterlandes oder wenigstens zur Teilnahme an einheitlichen Unternehmungen herangezogen würden. Bei derselben Gelegen heit hat sich der Regierungsvertreter auch über den gegenwärtigen Stand der Abmachungen zwischen dem Mutterlands und den Kolonien geäußert. Danach hat sich Neuseeland zur Fort setzung seiner baren Beihilfen unter der Be dingung verpflichtet, daß die Reichsregierung in den neuseeländischen Gewässern einige Untersee boote und Zerstörer stationiert. Diesem Wunsche soll in Kürze entsprochen werden. Der austra lische Staatenbund hat drei geschützte Kreuzer und außerdem eine Reihe von Unterseebooten und Zerstörern, von denen einer schon von Stapel gelaufen ist, in Austrag gegeben. Kanada steht mit der englischen Admiralität wegen Ankaufs einiger Kriegsschiffe in Unterhandlung. Der südafrikanische Staatenbund hat eine endgültige Entscheidung noch nicht getroffen, vielmehr die Angelegenheit bis auf weiteres vertagt. In dessen hat die Regierung der Kapkolonie vor einigen Tagen den Entschluß gefaßt, eine Küstenbatterie, die auch Ausbildungszwecken dienen soll, errichten zu lassen. Man sieht also, daß die immer wieder in England ge äußerte Sorge, im Falle eines Krieges seien Englands Kolonien in Gefahr, ebenso un berechtigt ist, wie die Furcht vor dem Einfall einer feindlichen Macht. polinfcke Kunälckau. Deutschland. *Nach Beendigung des Aufenthaltes in Homburg vor der Höhe wird sich die kaiser liche Familie nach Metz-Urville und von dort nach Wiesbaden zur Teilnahme an den Festspielen begeben. * Reichskanzler v. Bethmann-Holl weg ist von seiner Jtalienfahrt wieder in Berlin eingetroffen, nachdem er in Homburg v. d. H. von Kaiser Wilhelm zur Bericht erstattung empfangen worden ist. *Der Entwurf eines Gesetzes betr. die Haftpflicht derReichsbeamten wird demnächst dem Reichstage zugehen. * Durch den Tod des Abg. Dr. Delbrück, der bei der Katastrophe des Ballons „Pommern" auf der Ostsee ertrank, ist eine Rei ch s t a g s - Ersatzwahl in dem Wahlkreise ückermünde- Usedom-Wollin erforderlich geworden. Dr. Del brück hat in der Stichwahl 1907 den früheren konservativen Abg. v. Böhlendorff (Kölpin), aus den 9415 Stimmen entfallen waren, mit 11011 Stimmen besiegt. In der Hauptwahl erhielten bei einer Wahlbeteiligung von 79,8 Prozent (20 625 gültigen und 44 ungültigen Stimmen) v. Böhlendorff (Kölpin) 8156, Dr. Delbrück, der sich damals zur Freisinnigen Vereinigung und setzt zur Fortschrittlichen Volkspartei rechnete, 6353 Stimmen, der Sozialdemokrat Kuntze 6113 Stimmen bei 3 zersplitterten. *Wie verlautet, wird die preußische Wahlreform, wie sie nach den Verhand lungen im Abgeordnetenhaus? gestaltet worden ist, nicht die"Z ustimmung der Krone er halten, selbst wenn das Herrenhaus einver standen sein sollte. Die Regierung will nur einem Wahlrecht zustimmen, das seine Ent stehung auch der Mitarbeit der mittleren Par teien verdantt. — Danach ist das Schicksal der preußischen Wahlrechtsvorlage immer noch sehr ungewiß. *Gerichtskosten im Betrage bis zu 20 Mk. werden seit dem 1. April ohne weiteres dnrch Postnachnahme erhoben. Das Porto für die Übersendung und VorzeigOng fällt der Staatskasse, und nur das Porto für Übermitte lung der Kosten dem Kostenschuldner zur Last. Bisher war es üblich, im Falle der Verweige rung der Nachnahmesendung eins eroeute Zahlungsaufforderung dem Kostenschuldner zu- kommen zu lassen und dann erst bei deren Nichtbeachtung die Zwangsvollstreckung einzu leiten. Nach den neuen Bestimmungen für die Gerichtskassen gilt schon die Nichteinlösung der Nachnahmesendung als Verweigerung der Tahlung. Es erfolgt dann ohne jegliche Mahnung sofort die Zwangsvoll streckung, und zwar nicht nur wegen der Kostenschuld, sondem auch wegen der sonst dem Fiskus zur Last fallenden Postgebühren. *Die Arbeitslosigkeit im Tabak gewerbe wird mit jedem neuen Monat um fangreicher. Als im August 1909 der Andrang am Arbeitsmarkt der Tabakindustrie plötzlich von 100 auf 400 hinaufging, nahm man zuerst an, daß dies nur die Rückwirkung der neuen Steuer sein würde, die sich bald wieder verlieren würde. Nun hat sich aber der Andrang am Arbeits markt nicht abgeschwächt, sondern er hat stetig zugenommen. Vor allem ist die Arbeitslosigkeit in der hamburgischen Tabakindustrie gewachsen; das Angebot Arbeitsuchender geht über das vorjährige um das Dreifache hinaus. Zugleich ist aber auch die Zahl der offenen Stellen empfindlich zmückgegangen. Nicht viel besser sieht es in andern Bezirken der Tabakindustrie aus. So ragen Westfalen, die Provinz Sachten, ferner die Königreiche Sachsen und Württem berg mit einem außergewöhnlich hohen Andrang hervor. * In Lüderitzbucht (Südwestafrika) ist eine Minenkammer gegründet worden. Es traten sofort sechs Diamantengesellschaften und drei Schürfer mit einer nachgewiesenen Gesamt förderung von einer halben Million Karat jähr lich bei. Neben der Behandlung bergwirtschaft licher Fragen, wie farbige und weiße Arbeit, gemeinschaftliche Betriebseinrichtungen, Vor schläge für Behandlung und Entwickelung des geltenden Bergrechts, Stellungnahme zu den Maßnahmen der Bergbehörden und andres mehr, wird sich die Kammer vor allem auf berg politischem Gebiete zu betätigen haben. Österreich-Ungar«. *Jn einer Rede über die ungarische Wahlreform führte der Handelsminister vor seinen Wählern aus, das größte Gebrechen des gegenwärtigen Wahlrechts liege darin, daß die industriellen Arbeiter im Gegensatz zu großen Schichten der Landbevölkerung das Wahlrecht nicht besäßen. Die Regierung könne zwar nicht die radikalste Lösung, aber auch keinen rückschrittlichen Versuch anstellen. Er bitte die Wählerschaft, zu vertrauen, daß die Regierung die Absicht habe, jede durchführbare freisinnige Forderung auch durchzuführen. Die RH>e wurde mit großem Beifall ausgenommen. » Frankreich. * In Marseille ist abermals ein Streik der Seeleute ausgebrochen, der die Schiffahrt lahm oelegt hat. Die Regierung hat erfolglos ihre Vermittlung angeboten. Der Streik soll fortgesetzt werden, bis die Mehrforderungen der Seeleute bewilligt sind. England. *über die ost afrikanische Grenz regulierung berichten englische Blätter datz in der Grenzfestsetzunasfrage zwischen Deutsch land, England und Belgien ein Einverständnis erzielt worden sei. Die Diplomaten kehren am 11. April nach Brüssel zurück und würden dann in höchstens drei bis vier Sitzungen zur end gültigen Einigung kommen. Nach den lang wierigen Verhandlungen, die häufig den Anlaß zu beunruhigenden Gerüchten gab, wird man das Abkommen allerseits mit Freuden begrüßen. * Noch in letzter Stunde scheint sich zwischen der Regierung und den Iren, ohne deren Stimmen das Kabinett Asquith über keine Mehrheit verfügt, eine Einigung vorzubereiten. Gegen die Versicherung, daß sie bald einen Ge setzentwurf betr. die Selbstverwaltung Irlands einbringen werde, sind die Iren nämlich entschlossen, für das liberale Budget zu stimmen. Kommt diese Einigung wirklich zu stande, so dürften die bereits angekündigten Parlamentsneuwahlen vermieden werden. Italien. * Der ehemalige Präsident Roosevelt ist in Rom vom König Viktor Emanuel in Audienz empfangen worden. Der Papst hat dem aus Afrika heimkehrenden Staatsmann keine Audienz bewilligt. Balkanstaate». * Der Sultan und der Serbenkönig haben aus Anlaß ihrer Zusammenkunft in Konstantinopel überaus herzliche Trinksprüche ausgetauscht. * Das bulgarische Kriegsministerium hat infolge der zahlreichen Zwischenfälle an der türkis ch en Grenze ein Rundschreiben erlassen, in dem die früheren Weisungen erneut eingeschärft werden, jedwede Herausforderung zu vermeiden. Aufgabe der Grenzposten sei es, den Hchmuggel zu verhindern, wobei sich die Grenzposten beider Länder unterstützen müßten. Nur wenn Soldaten die Grenze absichtlich über« schritten, um irgend einen Punkt zu besetzen oder die Grenze abzuändern, sollten sie ohne Waffengebrauch festgenommen werden. Bloß bei offensichtlichem Widerstand sei von der Waffe Gebrauch zu machen, und auch dann nur mit größter Mäßigung. s. Afrika. "Ein deutscher Reisender der zoologischen Firma Hagenbeck, der mit einem Trupp Abessinier in Hamburg angekommen ist, erzählt, Negus Menelik sei schon seit Monaten tot; sein Tod wird nur immer noch verheim licht, um Wirren in Abessinien zu vermeiden. Im Gegensatz zu dieser Nachricht steht eine Meldung des ,B. T/, wonach der Regent Ras Tassama das Blatt durch den abessinischen Mitarbeiter zu der Erklärung ermächtigt hat, das Gerücht vom Tode Meneliks sei erfunden. Tu äen KaHonkatastropken. Zu dem schweren Ballonunglück, dem am Sonntag an der Rügenschen Küste der Reichs- tagsabg. Dr. Delbrück und zwei seiner Begleiter zum Opfer fielen, während der dritte gerettet wurde, wird den ,Stettiner Neuesten Nach- richten^ von Augenzeugen folgendes berichtet: Sonntag mittag kurz nach 1 Uhr wurde in der See ein Ballon gesichtet, der, von starkem Winde getrieben, sich rasch über die Wogen der Saßnitzer Bucht näherte. Plötzlich sah man mit Entsetzen, wie der Ballon mehrere hundert Meter vom Strande entfernt blitzschnell auf das Meer niederging. Hoch auf schossen die Wogen, wohl 20 Meter hoch, wie man be obachtet haben will. Es lietz sich durch das Glas erkennen, daß die Gondel und auch ein Teil der Hülle untertauchten und drei Kikper über dem Wasser sichtbar wurden. Der Damsffer „Moltke" ging sofort in See, konnte aber »egen der großen Gefahr nicht an den Ballon heran kommen. Als Fischerboote sich der festliegenden Hülle näherten, beobachteten sie einen treibenden Körper, der später als die Leiche des Kaufmanns Hein erkannt wurde. Während man noch mit der Bergung des Toten beschäftigt war, hörte man aus dem Chaos von Hülle und Netzwerk schwache Hilferufe und man sah einen Mann auf der Hülle, der nur noch mit dem Kovie aus dem Wasser ragte. Es war der Bankprokurist Semmelhack, dessen Bergung nur mit größten Schwierigkeiten vor sich ging, da er völlig in dem Netzwerk ver strickt war. Die Stricke mußten zerschnitten werden, bis es endlich gelang, den Verunglückten, der bereits ohnmächtig war, in eines der Boote zu bringen. Später gelang es, die Leichen der andern Fahrtteilnehmer zu bergen. Noch unter dem Eindruck dieses erschüttern den Unglücks kommt die Nachricht von einer neuen schweren Ballon-Katastrophe: Der Luft ballon „Schlesien" des Schlesischen Vereins für Luftschiffahrt unternahm am Sonntag bei ziemlich heftigem Winde von der Gas anstalt Hl in Breslau aus einen Auf stieg und landete, wie der ,Breslauer Zeitung gemeldet wird, gegen Abend in Latzig, Kreis Belgrad, in Pommern. Zwei der Insassen, der Kaufmann Karl Gerstel sowie eine Dame, stiegen aus, und der Vorsitzende des Schlesi schen Vereins für Luftschiffahrt, Professor Megg, blieb allein noch im Ballon zurück. Ein plötzlich einsetzender Windstoß riß den Ballon los und trieb ihn in nordwestlicher Richtung davon. Bei Tessin erfolgte die Landung so plötzlich, daß die Gondel umkippte. Professor Abegg wurde später schwer verwundet neben der Gondel aufgefunden; m das Tessiner Krankenhaus gebracht, erlag er dort seinen Ver letzungen, einem linksseitigen Schädelbruch, noch am selben Abend. Die andern Insassen deS Ballons, der Kaufmann Karl Gerstel und die Gattin des Professors Abegg, blieben unverletzt. Der Ballon ist unversehrt geblieben. Oeer unä flotte. — Pünktlich, mit dem Beginn des neuen Etatsjahres, werden die bewilligten Kriegsschiffe von der deutschen Marineverwaltuna in Bau gegeben. Die Aktiengesellschaft „Weser" in Bremen erhielt vom Reichs-Marineamt den Auftrag MM Bau des neuen kleinen Kreuzers „Ersatz Cormoran". Ferner hat das Reichs- Marineamt die Werst von Blohm u. Voß in Hamburg mit dem Bau des vom Reichstage für das Etatsjahr 1910 bewilligten großen Panzerkreuzers „ll" beauftragt. Damit wächst die Zahl der auf der Werft von Blohm u. Boß für die deutsche Kriegsmarine zu erbauenden Schiffe auf vier. Da aus der Hamburger Vulkanwerft ebenfalls ein Linienschiff im Bau sich befindet, werden augenblicklich fünf Kriegs schiffe in Hamburg fertiggestellt. — Der Verband der Schul- und Versuchs schiffe, bestehend aus den Linienschiffen „Kaffer Barbarossa", „Kurfürst Friedrich Wilhelm" und „Württemberg" und den Kreuzern „Friedrich Karl" und „München" ist von Kiel unter dem Befehl des Jnipekteurs des Torpedowesens, Konteradmirals Laus, zu einer fünfundzwanzig tägigen Übungsreise ausgelaufen. Von und fern. Billigeres Brot m München Die Münchener Bäckerinnung fordert ihre Mitglieder auf, den nach den Bestimmungen des Zolltarifs mit dem 1. April d. eintretenden Wegfall des städtischen Getreide- und Mehlaufschlags den Verbrauchern in Form von Gewichtszulagen, besonders bei Schwarzbrot, zugute kommen zu lassen. A Aus der Bahn -es verbrechens. 4) Detektivroman von Max Arendt-Denart. (Fortsetzung.» So hörte der Kassierer nicht, wie plötzlich der Direktor der Bank eintrat und alle außer dem Hauptkasfierer aufforderte, den Raum zu ver lassen. Erst als der Direktor in dem Schweigen rings um ihn her an sein Putt trat und seinen Namen ries, schrak er aus seinem Brüten auf. Verwirrt sah er seinen Chef an, als dieser sagte: „Es find draußen einige Herren vom Gericht, die mit Ihnen sprechen möchten." „Hier?" Der Kassierer wurde totenbleich. „Jawohl!" tönte von der Tür her die Stimme des Untersuchungsrichters, der mit Breitenfeld und mehreren Kriminalbeamten eintrat. „Herr Artur Baumgart, im Namen des Ge setzes ersuche ich Sie, den Beamten alle Utensilien auszuliefern, die Sie in der Tasche tragen." Anfangs war Baumgart beim Eintritt des Untersuchungsrichters verwirrt gewesen, jetzt aber erhob er sich ruhig: „Und wenn ich mich weigere?" „Dann wird man Gewalt anwenden," ent- gegnete der Untersuchungsrichter kühl. Der Kassierer entleerte seine Taschen, zuletzt, legte er mit einem hörbaren Seufzer seine Brief- > tasche auf den Schreibtisch. Der Untersuchungsrichter öffnete sie und blätterte in den verschiedenen Briefschaften. „Ah," sagte er plötzlich, indem er Breitenfeld ' ein Blatt Papier wies, zu Baumgart: „Sie machen selbständig Börsengeschäfte?" Jetzt war der Chef der Bank aufmerksam geworden. Und vor dem forschenden Blick dieses Mannes, der ihm so viel Gutes getan und ihm so viel Beweise seines Vertrauens gegeben hatte, schlug Baumgart die Augen nieder. „Sie antworten nicht?" fragte der Unter suchungsrichter nach einer Weile. „Und wenn dem so wäre?" brachte der Kassierer endlich mühsam heraus. „Dann würde der Widerspruch zwischen Ihren Verlusten nach diesem Konto hier und Ihrem Einkommen nicht zu lösen sein," entgegnete der Richter mit unerschütterlicher Ruhe. „Wie viel Einkommen haben Sie?" „10000 Mark." „Und davon haben Sie innerhalb zweier Jahre 32 000 Mark verspekuliert?" „Ich hatte an meinem Freunde Klinger einen Rückhalt." „An Ihrem Freunde?" fragte der Unter suchungsrichter schneidend. „Herr Klinger war mein Freund)" be harrte Baumgart. „Und der hat alle Verluste gedeckt?" „Jawohl!" „Sie haben heut Kassenrevifion gehabt?" „Ja und sie hat ergeben, daß meine Be stände in völligem Einklang mit den Büchern stehen." „Das bezweifelt niemand! Es fragt sich nur, ob eine Revision gestern mittag dasselbe Ergebnis gehabt hätte." „Herr!" brauste Baumgart auf. „Bitte, bleiben Sie ruhig," fiel der Unter suchungsrichter ein. „Sie wollen doch nicht leugnen, daß Sie von der Revision in Kenntnis gesetzt waren?" „Ich muß eS zugeben," gestand der Kassierer kleinlaut. „Sie sagten mir vorhin, daß Sie Ihrem Freunde vor acht Tagen zum letztenmal be- gegnet seien. Bleiben Sie bei dieser Be hauptung ?" Ja." 'Nun, wie erklären Sie sich die Aussage der Frau Kruse, der Haushälterin des Er mordeten, daß gestern abend sehr spät mit ihrem Herrn ein Fremder in einem weiten dunkel- grauen Regenmantel und einer blauen Brille ins Haus gekommen sei, ein Fremder, dessen Stimme der Ihren ähnlich klang?" Bei diesen Worten ging ein Zittern durch die schlanke Gestalt Baumgarts. Und als jetzt der Detektiv die blaue Brille aus der Tasche nahm und sie ihm mit den Worten zeigte: „Kennen Sie diese Brille?" da stöhnte er auf: „Woher wissen Sie das?" Minutenlanges Schweigen herrschte in dem weiten Raum. Endlich ermannte sich Baumgart: „Ich will Ihnen die Wahrheit sagen, meine Herren. Ja, ich war gestern abend bei meinem Freunde Klinger uno ich hatte zwingende Gründe, Ihnen me'ne Anwesenheit bei ihm zu verschweigen." „Welche Gründe waren dies?" „Ich kann sie nicht nennen." „Nun, so will ich es Ihnen sagen," — die Stimme des Detektives klang jetzt seltsam fremd. als handelte er unter einem Zwange, über den er keine Macht gewinnen konnte — „Sie wollten eine Anleihe bei ihm machen." Der Kassierer regte sich nicht. „Herr Klinger aber wies sie ab, indem er zu Ihnen sagte: „Einem Defraudanten ver traue ich kein Geld mehr an. Jst's nicht so?" Jetzt erst kam dem völlig gebrochenen Mann eine Ahnung, in welcher schweren Gefahr er schwebte. Er sah ein, es half kein Leugnen mehr. „Ich sehe," sagte er mit müder Stimme, „daß Sie mich zum Sprechen zwingen und weiß, daß Sie mein Schweigen oder etwaiges Leugnen falsch deuten würden. So will ich denn alles sagen. Herr Klinger hatte mir vor einem Jahre in kleinen Posten die Summe von zwanzigiausend Mark vorgestreckt. Der Tod meiner Frau, der mich der Verzweiflung nahe brachte, machte es mir unmöglich, ihm das Geld zurückzuzahlen. Zudem aber hatte ich mich auf Börsengeschäfte eingelassen, bei denen ich schwere Verluste erlitt. Aber mit der krampfhaften Hart näckigkeit eines Spielers konnte ich der Speku lation nicht entsagen, sondern wurde nur zu immer größeren Wagnissen gereizt. Endlich - entnahm ich der Kaffe der Bank nach und nach fünfzehntausend Mark. Nun erhielt ich gestern die Nachricht von der bevorstehenden Revision, und da sah ich keinen andern Ausweg — ich wandte mich an Klinger. Bei meiner Rückkunft von der Börse hatte ich in der Zentralbank zu tun und traf ihn dort, wo er achtzehntausend Mark abhob. Wir sprachen nur wenige Worte. Als ich ihm mein Anliegen vorbrachte, war er erst aufgebracht, dann aber sagte er mir, ich
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