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Allgemeiner Anzeiger : 26.03.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-03-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191003269
- PURL
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100326
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-03
- Tag 1910-03-26
-
Monat
1910-03
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 26.03.1910
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Der Reichskanzler in Ram. Der Besuch, den der deutsche Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg in Rom macht, hat in der italienischen Presse besondere Aufmerksamkeit erregt. Der Empfang des deutschen Staats mannes beim Papst wie beim König Viktor Emanuel und nicht zuletzt die Unterredungen mit den Leitern der italienischen Politik, geben diesem Kanzlerbesuch in Rom eine weittragende Bedeutung. Das kommt auch rückhaltlos in den italienischen Blättern zum Ausdruck. Das halbamtliche ,Gioruale d'Jtalia' begrüßt den Kanzler v. Bethmann-Hollweg als wahren, aufrichtigen Freund Italiens. „Zu ihm wendet sich", so schreibt das Blatt, „unsre Sympathie und unsre Hochachtung als zu einem Staatsmann mit modernen Gedanken, mit liberalen Gefühlen, mit friedlichen und ausgleichenden Absichten. Bethmann ist nicht allein einer der Hauptfaktoren der europäischen Politik, er gehört zu ihren Wohltätern, denn er hat bei der Behandlung internationaler Fragen eine geradezu wunderbare Mäßigung «nd Weisheit gezeigt." Ebenso begrüßt der .Corriere d'Jtalia' äußerst herzlich Herrn v. Bethmann als Freund Italiens und kommt auf die Beziehungen zwischen dem Vatikan und Bethmann zu sprechen: „Wenn die Lage Ms einer Seite be ruhigend erscheint, zeigt sie sich auf der andern sehr unsicher. Wahr ist, daß Herr v. Bethmann sich wohl gehütet hat, die Blockpolitik fortzu setzen. Das kann ihn bei den Katholiken nur chmvatisch machen, aber anderseits fehlt noch die geringste Tat seiner Regierung, die die Wolken unangenehmer Erinnerungen der ver gangenen Episode verscheuchen könnte. Im übrigen ist sein Besuch beim Papste nickt das Ergebnis von vorhergegangenen Ver- einbamngen und gehört der Art der Höflich keitsbesuche an. Es ist jedoch mehr als wahr scheinlich, daß ein Ideenaustausch zwischen dem Papst und dem Kanzler und zwischen dem Kardinalstaatssekretär und dem Kanzler über die schwebenden Fragen — Polenfrage und Be setzung des Erzbistums Posen-Gnefen — statt findet." — Die radikale Mtcst schreibt u. a.: „Wer auch immer an der Spitze der Regierung in Italien stehen mag, er wird bestrebt sein, das Bündnis und dir Freundschaft mit Deutschland aufrecht zu erhalten, die seit so vielen. Jahren ungetrübt bestanden haben. Vielleicht hat man niemals wie jetzt vor neuen Entwickelungen in der internationalen Politik gestanden, aber nichts ist sicherer als die aufrichtige und tätige Freund schaft zwischen Deutschland und Italien." — Natürlich schenkt man auch in England und Frankreich der Romfahrt des Kanzlers lebhafte Aufmerksamkeit. Die Blätter erklären ausnahms los, daß gerade in dieser ernsten Zeit, in der immer noch der Ausbruch einer Balkankrise droht, der Besuch des deutschen Reichskanzlers in Rom einen Faktor der Beruhigung bilde. — Auch die.Tribuna' bespricht des Kanzlers Rom fahrt und stellt fest, daß die deutsche Presse, die i bis vor kurzem Italien für einen Verbündeten von mindestens zweifelhaftem Werte hielt, heute die Kraft erkenne, mit der Italien zur strategischen Verteidigung des Dreibundes beitrage. Die Atmosphäre, worin der Dreibund leben und sich erneuern müsse, sei vor allem dank den Staatsmännern, die in den letzten fünf Jahren die Politik der drei Verbündeten Staaten leiteten, derartig gereinigt, daß man die Romreise Bethmann-Hollwegs gewissermaßen als dis Reife eines Zustandes betrachten könne, der die starke moralische Einheit des Dreibundes auf alle drei Verbündeten ausdehne. pottuscke Kunälckau. Deutschland. "Wie die Wiener Blätter berichten, ist als sicher anzunehmen, daß Kaiser Wilhelm die Wiener Jagdausstellung besuchen wird. Über den Zeitpunkt dieses Besuches find ! I jedoch noch keine Bestimmungen getroffen. ! Man erwartet, Kaiser Wilhelm werde im Laufe des Sommers kommen, und zwar zu einer Zeit, in der der Fremdenzuzug noch nicht stark ist. Auch der Besuch des Königs von Sachsen und andrer deutscher Fürsten wird in den Kreisen der Wiener Jagdausstellung erwartet. *Der Verfassungs-Entwurf für Elsaß-Lothringen baut sich, wie die ,KSln. Volksztg.' versichert, auf folgenden Grund lagen auf: Elsaß-Lothringen erhält im Bundes räte statt der bisher beratenden drei beschließende Stimmen, aber nur für elsaß-lothringische Angelegenheiten. Der Landesherr ist der Kaiser. Dem elsaß-lothringischen Landesaus schuß verbleiben die bisherigen Aufgaben, aber er erhält nicht weitere Befugnisse zugewiesen. Auch das Verhältnis des Reichstages zu Elsaß- Lothringen bleibt unverändert. "Eine Konferenz, die neue Bestimmungen über Verteilung von „Reichs kolo- nialgut" treffen soll, findet nächste Woche in Berlin statt. Im Interesse von sämtlichen Bundesstaaten wird ein Berteilungsgrnndsatz aufgestellt werden, nach dem die auf Expe ditionen, die auf Reichskosten unternommen werden, erworbenen und gesammelten natur wissenschaftlichen Gegenstände den einzelnen Bundesstaaten zugewiesen werden sollen. * Eine Reichstagsersatzwahl ist in Jauer-Bolkenhain durch das Ab- leben von Dr. Otto Hermes nötig ge worden. Bei den Wahlen von 1907 fielen auf Hermes (frs. Vp.) 5728 Stimmen, während der freikonservative Kandidat 5050, der sozial demokratische 5019 und der Zentrumskandidat 4307 Stimmen erhielten. In der Stichwahl siegte Hermes mit 9340 gegen 7495 freikon servative Stimmen. "Der nationalliberale Reichstagsabgeordnete Dr. Görcke und der Zentrumsabgeordnete Nacken erhielten vom Reichsmarineamt Einladungen, als Gäste des Reichsmarineamts im Herbst eine Reise nach Kiautschou zur Kenntnisnahme der dortigen Verhältnisse zu unternehmen. Auf dem Rückwege sollen dann die Betriebe in Port-Arthur, Hongong und Batavia besichtigt werden. Beiden Herren wird ein Marineattachö zugeteilt werden. "Die Maßnahmen zur Bekämpfung des Opiumgenusses in Kiautschou finden ein bedenkliches Hindernis im Verkaufe sogenannter Opiumentwöhnungsmittel, wie sie in dem Tfingtauer Chinesenviertel vertrieben wer den. Der Wert dieser dort, wie im Innern Chinas verkauften Mittel ist recht fraglich und bewirkt wohl eher das Gegenteil von dem, was der Name besagt. Die Pillen oder Tabletten enthalten überwiegend starke Mengen Morphium oder Opium. Osterreich-AnMk». * In der letzten S'tzung des ungarischen Abgeordnetenhauses am Montag ist es aus Anlaß der Auflösung desselben zu unerhörten Skandalszenen gekommen. Vier der Anhänger der Justhpartei (Regierungsgegner) warfen mit Zeitungshaltern und Tintenfässern ! nach den Ministern, wobei Ministerpräsident Khu en-Hedervary und der Ackerbau minister Serenyi schwer verletzt wurden. Die Sitzung, in der der Auflösungserlaß ver lesen werden sollte, mußte aufgehoben werden. Erzherzog Joseph gab dann am. Dienstag die Auflösung bekannt. Frankreich. "Der Kriegsminister General Brun hat die Abgeordneten des Französisch-Deutschen Handelsverbandes in der Angelegenheit des Vogesen - Eisenbahnprojekts empfangen. Der Kriegsminister gab die Versicherung, daß die neun von den verschiedenen Gemeinden der Vogesen vorgeschlagenen Pläne für einen Vogesen durchstich im Ministerium studiert werden, und daß er dem Komitee diejenigen Projekte be zeichnen werde, die ohne Bedenken vom Ge sichtspunkte der Landesverteidigung aus durch- gesührt werden können. Die Meloung, daß ! bereits etwas Bestimmtes zwischen der deutschen s und der französischen Regierung vereinbart sei, s ist unrichtig. i England. "Die Lag^ des Ministeriums Asquith schein» nun doch unhaltbar geworden zu sein; denn wie verlautet, treffen die Parteien Vor bereitungen zö Vornahme von Neuwahlen. Daß die knappe Regierungsmehrheit erschüttert worden ist, liegt an den Iren (Nationalisten), denen der Ministerpräsident für ihr Versprechen der Mitarbeit nicht genügende Zugeständnisse (in bezug auf die irische Selbstverwaltung) zu machen imstande war. Sollten in der Tat Neu wahlen staitfinden, so wäre ein Sieg der Unionisten nicht ausgeschlossen. Der aber würde nicht ohne Rückwirkung auf die aus wärtige Politik Englands bleiben. Italien. "Das Ministerium Sonnino, das erst fest drei Monaten die Geschäfte führt, ist zurückgetreten, da es in der Kammer für sein Arbeitsprogramm keine Mehrheit hat. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Giolitti, der schon einmal (vor Sonnino) Minister präsident war, die Kabinettsbildung übernehmen. Vorläufig führt das Ministerium die Geschäfte weiter. Rußland. "Man ist in Petersburg der Ansicht, daß die Präfidentenlcise in der Duma weitere Kreise ziehen wird. Man spricht sogar schon davon, daß der Rücktritt des Ministerpräsidenten Stolypin unvermeidlich sei. In diesem Falle würde Kakowtzow, der Finanzminister des jetzigen Ministeriums, Präsident des Staats rates werden. Seine Ernennung würde von der Duma freudig begrüßt werden, denn der Finanzminister hat sich bei den jüngsten Budget beratungen auf die Seite der Mehrheitsparteien der Duma gestellt. Vakkaukaate«. * Der Empfang König Ferdinands von Bulgarien beim Sultan in Kon stantinopel hat sich überaus glänzend ge staltet. Die Bevölkerung bereitete dem Könige und seiner Gemahlin begeisterte Kundgebungen. Bei der Galatasel, die im neuen Sultanspalast stattfand, brachten beide Herrscher aufeinander herzliche Trinksprüche aus. * In die Leibgarde des tückischen Sultans werden von jetzt ab auch christ liche und jüdische Rekruten eingestellt. Amerika. "Die amerikanische Regierung hat einen Kreuzer mit größtmöglicher Geschwindigkeit nach Liberia (Republik in Weftafrika) beordert, da dort eine ernste Erhebung der Ein geborenen ausgebrochen ist. Es heißt, diese wurde teilweise dadurch veranlaßt, daß das Staatsdepartement auf den Bericht der Kom mission, die kürzlich zur Untersuchung der dort herrschenden Zustände nach Liberia geschickt worden war, keine Schritte ergriffen hat. Asten. "Die japanische Regierung erklärt in einer amtlichen Note, daß an ein Bündnis zwischen Japan und den Ver. Staaten, von dem in den letzten Tagen vielfach berichtet wurde, keine Rede sein könne. Die Ver. Staaten wür den dadurch eine Machtstellung in der Man- ! dschurei erhalten, nach der sie nie gestrebt haben, i und die ihnen auch gar nicht zukomme. — Das ist deutlich! Die Keilen äer AMrmkömge. König Peter von Serbien, der seit seinem Regierungsantritt nicht mehr die Grenze seines Landes überschritten hat, ist in Petersburg eingetroffen und mit feierlichem Gepränge empfangen worden. An demselben Tage (Montag) traf auch König Ferdinand von Bul garien zum Besuch des Sultans in Konstan tinopel ein. Diese Reisen, deren Bedeutung man in ganz Europa würdigt, sind nach rus- l fischen Blättern nur der Schlußsatz von Ver- § Handlungen wegen eines Übereinkommens, die ! schon seit längerer Zett dem Abschlusse nahe waren. Dies Übereinkommen ist unter Rußland» Vermittelung zuerst zwischen Serbien und der Türkei in den > allerfreundlichsten Bestimmungen zustande ge kommen, als Bulgarien, gedrängt von einer Macht, die politische Interessen hatte, auf dem Balkan kriegerische Verwickelungen Hervorrufen und Serbien, gestützt auf die versprochene Bei hilfe dieser Macht, ernstlich angreifen wollte. Dies erfuhr Rußland, verständigte rechtzeitig davon Serbien und verhinderte so Bulgarien, seinen Plan zu verwirklichen. Hierauf folgten weitere Verhandlungen zwischen Serbien und der Türkei, die sich gegenseitig die Unverletzlich keit ihrer Staaten gegen jedweden fremden Ein griff garantieren. Diesen Abmachungen trat auch Rußland bei, nach denen also jeder Angriff mit vereinter Waffengewalt abgewehrt werden sollte. Als König Ferdinand davon nachträg lich erfuhr, beeiste er sich, Serbien Freundschaft zu bezeigen. Darum erfolgte sein Besuch am Kopaonik-Gebirge und später in Belgrad. Nun erst ist auch Bulgarien in diese Balkaninterrffengemeiuschaft einbezogen und ihr beigetreten. Dazu hat auch die Krisis der griechischen Dynastie beigetragen, weil König Ferdinand, dadurch gewarnt, einen größeren Rückhalt im Volke selbst und in den befreundeten Balkanstaaten zur Festigung und Sicherung seiner Dynastie haben wollte. All das geschah auch mit vollem Wissen und Willen Englands. Die jetzigen Besuche bilden also nur den Schlußakt und die Besiegelung der schon längst festgesetzten Vereinbarungen. — Auch wenn man dieser phantasievollen Darstellung nicht in allen Einzel heiten folgt, so wird man zugeben müssen, daß diese Monarchenbesuche ein Zeichen für eine Beruhigung der Balkanländer sind. Dieser Meinung gibt auch die,Nordd. Allg. Ztg.' Aus druck, wenn sie schreibt: „Die Tatsache der Reise der beiden Balkanherrscher nach dem Bosporus ist ein Zeugnis dafür, daß Bulgarien und Serbien sich den Auffassungen der Großmächte hinsichtlich der Unverletzlichkeit der Türkei und somit der Erhaltung des Friedens an schließen. Die Fürstenbesuche in der türkischen Hauptstadt (auch Peter besucht den Sultan) dürfen daher auch vom allgemein europäischen Standpunkt als erfreuliche Ereignisse mit Sympathie begrüßt werden. Für das neu- gestaltete Reich aber bedeuten diese Besuche, deren Anregung von Bulgarien und Serbien ausgegangen und am Bosporus mit Besriedi- gung ausgenommen worden ist, eine Ehrung und sine Anerkennung seiner durch Mäßigung und Festigkeit ausgezeichneten Haltung gegen über den mannigfachen Ausgaben, die an die Türkei in den letzten Jahren herangetreten sind." Von unä fern. Überreichung der Calvin-Medaille a« das Kaiseryaar. Kaiser Wilhelm empfing die Vertreter der Berliner französischen Kolonie, Konsistorialrat Devaranne und Dr. Böringuier, zur Entgegennahme einer aus Anlaß des 400. Geburtstages Calvins geprägten Calvin- Medaille. Dieselbe zeigt auf der Vorderseite das Porträt Calvins mit der Inschrift: „15. Juli 1509.- Jean Calvin - 15. Juli 1909." Die Rückseite zeigt den Kaiser in der Rüstung des Kurfürsten Joachim ll. Nach dem Empfange beim Kaiser wurden die Vertreter der französi schen Kolonie auch von der Kaiserin empfangen, die ebenfalls ein Exemplar der Medaille ent gegennahm. X Gedenkstein eines Prinzen. Prinz August Wilhelm von Preußen hat seinem früheren Chauffeur, der gelegentlich eines Be suches des Prinzen in Koburg an der Straße Lichtenfels—Triebe den Tod zand, jetzt an der Unfallstelle einen Denkstein errichten lassen mit folgender Inschrift: „Zum Gedächtnis meines hier am 18. August 1908 verunglückten Chauffeurs Fritz Krause — In Dankbarkeit — August Wilhelm, Prinz von Preußen." Als Bibel spruch ist 1. Petri 5,14 angeführt, dieser lautet: „Grüßet euch untereinander mit dem Kuß der Liebe. Friede sei mit allen, die in Christo Jesu sind! Amen." K 6me titeUole 6clekicdte. 1g) Von EugenOsborne. (31 lSchluK.! „Ha! Was ist das? Was soll das heißen? Der Krieg ist endlich erklärt ?" riefen die Herren durcheinander. „Ja, der Krieg ist erklärt," sagte Herr von Gerstfeld ernst. „Hier ist das Manifest umre?, Königs. — Junge Leute, ihr habt wirklich kein moralisches Recht mebr, euer Blut anders als im Kampfe mit dem Feinde zu vergießen." Die jungen Leute standen einen Augenblick stumm da und blickten nachdenklich zu Boden. Endlich sprach der Baron von Guntzlow: „Ich glaube, daß die Herren recht haben, und ich tue noch mehr: Nun, da von keinem Zweifel an meiner Bereitwilligkeit, dem Herrn von Stein auf jede gewünschte Weise Genug tuung zu geben, die Rede sein kann, bin ich gern bereit zu der Erklärung, daß in unserm Streite das Recht mindestens ebensoviel auf seiner Seite lag, wie auf der meinigen, ferner, daß Herr von Stein sich in dieser Sache mit dem Takt und der Ehrenhaftigkeit benommen hat, die man an ihm kennt und wodurch er sich überall die verdiente Achtung verschafft hat I" Die Stirn des Gelobten klärte sich auf. „Nun wohl!" rief er. „Das Duell ist so wieso unmöglich geworden; die ehrenhafte Er klärung des Barons von Guntzlow macht es auch noch dazu überflüssig. Ich bin bereit, die Sache fallen zu lassen und gebe meinem ge wesenen Gegner die Versicherung meiner vollkommenen Achtung. Ich werde," fügte er sich mit halbem Lächeln zu Herrn von Gerst feld wendend, hinzu, „lieber, statt mich hier zu ! schießen, das Gesuch um meinen Abschied zurücknehmen, das ich unlängst eingereicht habe." „Bravo!" rief der alte Herr, „das nenne ich einmal richtig gesprochen, und wie es eimm mutigen Manne geziemt." Die Anwesenden drängten sich um die ge wesenen Gegner, die sich übrigens noch immer in angemessener Entfernung von einander hielten. Helene, die sich etwas gefaßt hatte, näherte sich schüchtern ihrem ersten Verlobten. „Herr von Stein." sprach sie leise mit bittender Stimme: „Wenn Ihnen ein Unglück zugestoßen wäre, ich hätte nie mehr froh sein können, im Leben nicht mehr . . . Können Sie mir nicht vergeben und wieder mein Freund sein?" Er blickte sie an und schien einen Moment zu schwanken, dann reichte er ihr entschlossen mit einem schönen offenen Blick die Hand Es geschah noch mehr. Alle hatten sich schon gegenseitig die Hände geschüttelt, nur die beiden Herren von Stein und Guntzlow nicht, trotz des geschaffenen Friedens. Adelheid hatte den Professor beiseite gezogen und hier im Grünen erhielt er die erste Gardinenpredigt für seine Teilnahme am Zweikampf. Die Equipagen fuhren vor; es war Zeit aufzu- brechen, da sah man den Herrn von Stein sich langsam nach der Richtung hinbewegen, wo der Baron sich befand, der ihm Hleichfalls etwas i zögernd entgegenkam. Endlich wurde es klar, daß Herr von Stein einen festen Entschluß gefaßt. Er machte die letzten Schritte rasch, streckte seine Hand aus und sagte: „Schließlich hat ein Mädel doch wohl das Recht, den zu heiraten, den sie selbst will. Wir wollen wieder Freunde sein, Eustache!" „Von Herzen gern, Edmund!" entgegnete der Baron und schüttelte die dargebotene Rechte mit einer Energie, die bewies, daß er es aufrichtig meinte. Es war alles in Ordnung. Herr von Stein kehrte noch denselben Tag nach Ä. zurück, um seinen Wiedereintritt in den aktiven Dienst zu bewerkstelligen. Sein leicht zu enthusias mierender ehrlicher Kopf war bald ganz erfüllt von dem Gedanken an Kampf und Sieg, s? daß darin nach nicht gar langer Zeit alles andre in den Hintergrund trat. Die übrigen verbrachten noch einige glück liche Tage zu K. Als Frau von Gundlingen, von dem Schau platze des Zweikampfes zurückkehrend, ihre Wohnung wieder betrat, wurde ihr gemeldet, daß ein Besucher ihrer im Salon harre, der sie durchaus zu sprechen verlange. Etwas unzu frieden über die unwillkommene Störung ging sie in den Salon und erblickte den verdrieß lichen Vetter Nr. 4, zu ihrem Erstaunen dies mal ohne tue Begleitung des schüchternen Neffen, aber dafür ausnahmsweise mit einem freundlichen Gesicht, — in seiner Hand hielt er einen Strauß prächtiger Blumen. „Meine Cousine,' sprach er, ihr galant die Hand küssend und die Blumen überreichend — „seit einem Jahre trage ich es auf dem Herzen." „Was denn, Cousin? Das Bukett?" „Nein, meine Liebe zu Ihnen! Gestern war ich hier, wurde aber abgewiesen; heute habe ich mich nicht abweisen lasten, denn seit dem Balle ist es mir ganz klar geworden, daß ich nicht länger zögern dürfe, Ihnen mein Herz und meine Hand anzubieten." „Ich danke Ihnen herzlich, Cousin, und fühle mich ungemein geehrt, dennoch muß ich Sie bitten, es mir zu verzeihen, daß ich von den drei Dingen, die Sie mir bieten — nm die Blumen annehmen kann. — Seit gestern bin ich die Verlobte des Professors Sonnen feld." „Ha!" rief der Cousin. „Seit einem Jahre liebe ich diese Frau und nehme mir täglich vor, es ihr zu gestehen, und nun, da ich mich end lich dazu enschiieße, vernehme ich, daß sie seit gestern mit dem Professor verlobt ist, der sie kaum seit vier Wochen kennt. Diesmal hab« ich mich wirklich verspätet!" „Ja, lieber Freund, Sie find wieder einen Posttag zu spät gekommen; aber ich hoffe, Sie werden mir trotz allem Ihre verwandtschaft lichen Gefühle bewahren, und ich hoffe ferner, daß Sie bald ein Herz finden möchten, daS stärker für Sie schlägt, als es das meine ver mochte. Leben Sie Wohl, Cousin, und seien Si« mir nicht böse!" Sie reichte ihm ihre Hand, die er flüchtig an die Lippen führte, worauf er mü stummer Verbeugung sich verabschiedete. Ende.
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