Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 26.01.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-01-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191001260
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19100126
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100126
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-01
- Tag 1910-01-26
-
Monat
1910-01
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 26.01.1910
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Vie ^üäeritrbuckter gegen Dernburg. Die Budgetkommisfion des Reichstages hat die in Form einer Depesche an sie gelangte Eingabe aus Lnderitzbucht gegen die Diamcmien- politik des Staatssekretärs Dernburg ein stimmig als durch ihre vorher gefaßten Beschlüsse für erledigt erklärt. Dis Depesche, die zweifellos noch zu Weiterungen führen wird, hat folgenden Wortlaut: „Wir bitten zu der vom Reichskolonialamt zngeqangenen Denkschrift betr. Verhältnisse im Diamantengebiet den Mitgliedern des hohen Hauses Kenntnis zu geben, daß Angaben der Denkschrift, soweit uns telegraphisch mitgeteilt, teils unwahr, teils direkt auf Täuschung des Reichstages berechnet sind; wir bitten nach Eintreffen vollen Textes Widerlegung abzuwarten und inzwischen die bereits erbetene Untersuchung, die der Staatssekretär offenbar fürchtet, einzuleiten. Vorläufig zur Widerlegung Folgendes: Von allen Abbau treibenden Gesellschaften ist Förde rungsmethode bei Deutscher Diamantengesell schaft am unvollkommensten. Wer sagt Dern burg, daß nur Deutsche Diamantengesellschaft fmit der Herr Dernburg den Pachtvertrag ge schloffen hat!) sachkundig? Betrieb der Kolo nialen Bergbaugesellschaft war bei Beginn der Arbeit der Deutschen Diamantengesellschaft be reits viel größer a's deren jetziger. Durchaus unwahr, daß Deutsche Diamantengesellschaft eine Viertelmillion für Vorarbeiten, Wasserversor gung, Löhne verausgabt. Dazu kommt der durch Dernburgs Vermittelung kleineren Gesell schaften grundlos auferlegte Tribut; ferner die nur durch Dernburgs Begünsttgungspolitik ermöglichte, an Erpressung grenzende Nötigung kleinerer Gesellschaften, nicht rationell bearbeiten können, zeigt nur Kolonialamts krasse Unkennt nis der örtlichen Verhältnisse und entschuldigt keineswegs Derichenknng an Berliner Gesell schaft. Barkapital Diamantenaesellschaft halbe Million, Gesamtproduktion übriger Förderer, als Diamantengesellschaft begann, mindestens fünf Millionen. Behauptung, daß Kapital im Lande nicht auizubringen, freie Erfindung. Man hat absichtlich nie den Versuch gemacht. Alls bisher bekannten Diamantenfundstellen, auch die von der Deutschen Diamantengesell schaft bearbeiteten, find von hiesigen Ein wohnern entdeckt. Acht Tage nach Verhängung der Sverre (des Diamantengebietes) wäre die Kaiserliche Bergordnung im Sperrgebiet in Kraft getreten, die Staatssekretär ermächtigt hätte, die Sperre zugunsten des Diskus auszusprechen. Statt dessen vergab Staats sekretär das Sperrgebiet als Geschenk an die der Entwickelung des Landes seit ihrer Gründung schädlichste Landgesellschast und machte sogar den Versuch, die Konzession zu einer dauernden zu machen, indem er Behörden des Schutz gebietes, die pflichtgemäß Einspruch erhoben, aufforderte, diesen Einspruch fallen zu lassen. Daß Begünstigung der Kolouialgesellschaft ge flissentlich erfolgt, geht aus Übertragung des Sperrgebietes vor Toresschluß deutlich hervor. Wie überall Bevorzugung Berliner Grupps», so auch Pachtgesellschaft, deren Gründung als skandalös bezeichnet werden muß, weil deren unberechtigter, unverdienter Zwischengewinn dem Schutzgebiet verloren geht. Im Sperrgebiet muß unbedingt das Gouvernement mit dem Landesrat Bestimmungsrecht erhalten. Unter allen Umständen muß verhindert werden, daß Konzession Deutscher Diamantengesellschaft vrr- ILngert wird. Untersuchung wird absolute Not wendigkeit dieser Maßnahmen klarlegen. Direkte Anfrage Schutzgebietsbehörden mit Umgehung Kolomalamts wird vorstehende Angaben be stätigen. Kreplin, Bürgermeister." Die Form der Depesche ist in jedem Falle verletzend — das wurde auch in der Budget kommission einstimmig anerkannt. Inwieweit die Beschwerde sachlich berechtigt ist, werde« die Verhandlungen im Reichstage ergeben. politilcke Aunälckau. Deutschland. "Kaiser Wilhelm wird sich anfangs Februar nach Wilhelmshaven begeben, um der Vereidigung der Marine-Rekruten der Nordsee- Station beizuwohnen. An Bord des Flotten flaggschiffs „Deutschland", das bereits Befehl erhielt, dem Kaiser während seines Aufenthalts in Wilhelmshaven als Wohnschiff zu dienen, soll wiederum eine Fahrt nach Helgoland zur Besichtigung der Fortschritte des Hafenbaues sowie der übrigen baulichen und fortifikatorischen Anlagen unternommen werden. Auf der Rück fahrt wird der Kaiser in Bremerhaven landen, um auf Einladung des Norddeutschen Lloyd den Schnelldampfer „Kaiser Wilhelm II" zu besichtigen und an Bord desselben eine Fahrt in See zu unternehmen. "Wie verlautet, spricht man in den Wandel gängen des Reichstages in allem Ernst von dem nahe bevorstehenden Rücktritt des Reichskanzlers v. Bethmann-Hollweg. Anlaß zu diesem Gerücht hat angeblich eine Äußerung des Reichskanzlers gegeben, daß er sich überaus angegriffen fühle. Dennoch bleibt es fraglich, ob Gesundheitsrücksichten wirklich den Kanzler so schnell zum Verzicht auf sein Amt zwingen werden. - "Nachdem in Washington die Liste der Länder veröffentlicht worden ist, mir denrn die Ver. Staaten in Tariffrieden leben, bemüht man sich natürlich in Frankreich und Deutsch land (die nicht anf dieser Liste stehen), wie auch in den Ver. Staaten zu einem Abkommen zu gelangen, das alle Wünsche berücksichtigt. In den Verhandlungen mit Deutschland bildet übrigens die Einfuhr von F! sisch und Früchten (in Deutschland) den einzigen Streitpunkt, an dem das Abkommen bisher scheiterte. Beide Staaten haben das größte Interesse daran, einen Zollkrieg zu vermeiden; denn die Einfuhr von Obst, die seit einigen Jahren immer mehr zurückgeht, betrug doch noch 1908 (frisches und getrockenetes) etwa 13 Mill. Mark. Die Hoffnung auf den baldigen Abschluß eines Übereinkommens ist übrigens in Deutsch land wie in den Ver. Staaten immer noch vorhanden. Frantreich. "Der Senat nahm mehrere Artikel des Gesetzentwurfs über die Altersversiche rung an und setzte insbesondere darin fest, daß die in Frankreich wohnenden auslän dischen Arbeiter denselben Bestimmungen unterworfen werden sollen wie die Franzosen. Die ausländischen Arbeiter werden außerordent liche Zuwendungen genießen, die aus den Be trägen ihrer. Arbeitgeber und aus Budget überschüssen herrkhren, wenn die Verträge mit ihren Geburtsländern den französischen Staats angehörigen dieselbe Behandlung gewährleisten. England. "Londoner Blätter melden, der Zar habe an König Eduard auf dessen Anfrage ein beruhigendes Telegramm über das Befinden der Zarin gerichtet. In Hofkreisen zweifle man nicht, daß sie schließlich wiederhergestellt werden würde. — Die Fassung des Tele gramms läßt jedenfalls erkennen, daß der Zu stand der Monarchin gegenwärtig doch sehr ernst ist. Valkanstaate«. * Die Lage derDynastie in Griechen land gilt immer noch als bedroht. Der König überwindet nur dadurch alle Schwierig keiten, daß er in allen strittigen Fragen sowohl dem Parlament, als auch dem Militärbund gegen über große Zurückhaltung beobachtet. Afrika. "Englischen Blättern zufolge hat sich das Befinden des vor längerer Zeit schwer erkrankten, schon mehrfach totgesagten Negus Mensli k von Abessinien soweit gebessert, daß er wieder zeitweise das Bett verlassen kann. Affen. "Die Neutralisierung der man dschurischen Bahnen, die von der Regierung der Ver. Staaten vorgeschlagen worden ist, um in der Mandschurei den Frieden zu sichern, hat unter den Beteiligten ernste Ver stimmung hervorgerufen; denn die japa nisch e N e g i e r u n g hat der chinesischen mit geteilt, sie beabsichtige in gemeinsamem Vor gehen mit Rußland, den Vorschlag der Ver. Staaten abzulehnen. China trage für diesen Vorschlag die Verantwortung und habe sich damit eines unfreundlichen Aktes gegen Japan schuldig gemacht. Zus äem Aeickstage. Der Reichstag begann am Donnerstag die zweite Lesung des Etats der Justizverwaltung. Abg. Belzer (Ztr.) wünschte Förderung der Reform des Strafrechtes, Sicherung der Tarifgemeinschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und weitergchenden Ausschluß der Öffentlichkeit bei Sittlichkeitsprozessen. Abg. Giese (kons.) befürwortete den Antrag aui zeitgemäße Umgestaltung der Gebühren für Zeugen und Sachverständige. Abg. Junck (nat.-lib.l for derte eine Reform des gewerblichen Rechtsschutzes und die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Berufs- Vereine. Staatssekretär Lis co kündigte die baldige Einbringung eines Entwurfs zur Entlastung des Reichsgerichts an. Wegen der Bekämpfung der Un sittlichkeit wird in diesem Jahre eine internationale Konferenz in Paris stattfinden, an der auch Deutsch land teilnimmt. Abg. Dove trat für eine Er weiterung der Auffichtsrschte des Neichsiustizamts ein und verlangte eine Reform der Konkursordnung, um sie den verwickelten Verhältnissen des modernen Geschäftslebens anzupaffsn. Abg. Heine (soz.) hofft von der bevorstehenden Strafgerichtsresorm auch die Abschaffung der Todesstrafe. Überhaupt erklärte er sich gegen die Erweiterung des diskretionären Ermessens der Richter besonders bei politischen Ver gehen. Nach weiterer Debatte trat Vertagung ein. Am 21. d. steht auf der Tagesordnung die zweite Lesung des Etats der Eis e n b ah n v er w a lt u n g. Abg. Carstens (frs. Vp.): Wir hoffen, daß der neue Präsident mit gleicher Energie seines Amtes walten wird, wie sein Vorgänger. Die Löhne der Bahnarbeiter sind immer noch trostlos, besonders im Bezirk Altona. Auch die Bahnmeister sind nicht ausreichend besoldet. Das Neichseiseabahnamt sollte sich darum kümmern. In Preußen nimmt man auf Leben und Gesundheit der Arbeiter nicht genügend Rücksicht. Abg. Schwabach (nat.-lib.): Auch wir ge denken dankbar der verdienstvollen Tätigkeit des früheren Präsidenten. Die Betriebsmittelgemein schaft und der finanzielle Zusammenschluß der deutschen Eisenbahnen sind ein erstrebenswertes Ziel; das kann dem führenden Staate Preußen nicht oft genug vor Augen geführt werden. Notwendig ist eine Er gänzung des internationalen Übereinkommens über den Frachtverkehr dahin, daß Tariferhöhungen oder andre Erschwerungen einige Monate vor dem Inkrafttreten bekanntgegeben werden. Auch der Per sonen- und Frachtvcckehr sollte international geregelt werden. Auch die Eisenbahnverkehrsordnung läßt zu wünschen übrig. Die Lieferfrist für Vieh und Güter sollte verkürzt werden. Präsident des Neichseisenbahnamts Wacker- zapp: Die Vorredner haben in ehrenden Worten meines Amtsvorgängers gedacht. Ich schließe mich ihnen durchaus an. Schematisch kann man bei der Regelung der Arbeiterfragen nicht vorgehen. Schwere Mißstände sind auch in Altona nicht zu verzeichnen. Die Löhne richten sich nach den Lebensbedingungen; so werde im Ruhrrevier natürlich mehr gezahlt als anderswo. Der Zustand der Bahnen ist auch in Altona befriedigend. Die Rsichsbehörde hat also keinen Anlaß, einzuschreiten. Für Wagenmaterial ist ausreichend gesorgt. Es ist unvermeidlich, daß beim Sonntagsverkehr hier und da Mißstände zu tage treten, weil die Verwaltung keinen Vorrat an Wagen sich halten kann. Wir haben die Absicht, bei der nächsten Konferenz über die Revision des internationalen Eisenbahnfrachtverkehrs einen Antrag zu stellen, wonach Bestimmungen über Tarif erhöhungen usw. einige Monate vor dem Inkraft treten publiziert werden sollen. Inzwischen ist auch bereits durch Verwaltungsmaßnahmen eine Besserung erfolgt. Im Verkehr mit Österreich und Rußland ist durch Vereinbarung der östlichen Direktion die Publikationsfrist auf zwei Monate festgesetzt. Damit wird dem Auslandshandel schon gedient sein. Auch eine internationale Regelung für den Personen- und Gepäckverkchr wird angestrebt. Auch die Lieferungs frist für Vieh und Güter soll verkürzt werden. Abg. Zietsch (soz.) führt Klage über die Be nachteiligung der mitteldeutschen Kleinstaaten durch Preußen. Warum müssen wir uns die majori sierende Tätigkeit Preußens gefallen lassen? Die Selbständigkeit der Kleinstaaten ist nur noch eine scheinbare. Es muß die stärkere Erschließung ihrer wirtschaftlichen Gebiete von diesen Staaten unbe dingt gefordert werden. Präsident Wackerzapp: Der Vorwdner tadelte, daß Preußen so große Vorteile von dem thüringischen Verkehr habe. Preußen hat doch das Anlagekapital hineingesteckl, und wer das gibt, oai doch auch Anspruch auf Gewinn. Daß Thüringen in bezug aus den Eisenbnhnbau schlechter gestM ist als das übrige Deutschland, bestreite ich. Im Durchschnitt hat Thüringen sowohl was die räum liche Ausdehnung wie die Bevölkerungsziffer an langt, mehr Bahnkilometer als Preußen und da? übrige Deutschland. Abg. Pfeiffer (Zentr.) hält den Ausschluß gewisser Zeitungen von den Bahnhöfen für töricht, verlangt aber den völligen Ausschluß der Schund literatur. Abg. Storz <südd. Vp.) wünscht mehr Auf merksamkeit für das Fahrplanwesen. Abg. Behrens fwirtsch. Vgg.) fordert Barnck- sichtignng der Siegerländer Industrie bei Moteriat- bestellungen und hält die Klasseneinteilung der Speisewagen für bedauerlich. Auch Abg. Weber (nat.-lib.) fordert Beseitigung der Schundliteratur von den Bahnhöfen. Abg. Bindewald (wirtsch. Vag.) e«Hstchlt Stärkung der Kompetenz des' EisenbahnamteS im Interesse einer großzügigen Eisenbahnvolitik. Abg. Lehmann-Wiesbaden lsoz.) vermkeilt die Bevormundung der BahnhofSbuchhänbler. Präsident Wackerzapp: Die Sicherheit des Betriebes wird durch Überanstrengung der Beamten nicht gefährdet. Die Dienstzeiten wechseln von sechs bis zwölf und vierzehn Stunden. Längere Dienst zeiten sind aber entweder durch Ruhepausen miter brochen, oder der Dienst ist nicht anstrengend. Der Güterwagcnverband ist ein erstaunlicher Fortschritt aus dem Wege der Vereinheitlichung. Ein besserer Wagenumlauf findet statt. An Material und Per sona! konnte gespart werden. Damit ist die zweite Lesung beendigt. Es folgt die Beratung über den Nachtrags- Etat für Ostafrika. Abg. Ledebour (soz.) kritisiert die Denkschrift und die Ausführungen des Staatssekretärs über die Siedelungsmöglichkeit und lehnt namens seiner Partei die Forderung ab. Abg. Arning (nat.-lib.) tritt für die Forde rungen ein und wendet sich gegen die Ansführungen des Abg. Ledebour. Wenn man auch jetzt noch nicht genau wisse, daß Ostafrika gesund sei, so werde man es eben nach einer Generation wissen. Ich wünsche natürlich nicht, daß die Regierung zur An siedelung auffordere, aber fie darf auch nicht davon abraten. Was wäre z. B. aus Nordamerika ge worden, wenn damals schon Sozialdemokraten der Besiedelung hätten abraten können. Wenn der Schwarze für den Europäer arbeiten soll, so darf man -och nicht gleich von Ausbeutung reden. Abg. Liebert (freikons.): Uber den Wert der Bahnproiekte noch ein Wort zu verlieren, ist ja un- nöng. Es ist aber nötig, die von dem Abg. Lede bour gemachten Ausführungen zu widerlegen. ES wäre erwünscht, daß die Sozialdemokraten einmal in die Parteikafle greifen würden, um sich Ostasrika anzusehen. Wenn Amerika erst jetzt entdeckt worden wäre, dann würde wohl Herr Ledebour auch nicht gestatten, daß dort gearbeitet würde. Er ist stehengeblicben auf dem Standpunkt von vor 2S Jahren. Professor Koch hat festgestellt, daß die Hochländer durchaus gesund find und deutsche Land wirtschaft dort getrieben werden kann. Dio Kolonial verwaltung soll natürlich keine Verantwortung für die Ansiedler, die nach dort gehen, übernehmen. Dafür besteht ja in Berlin eine Auskunftsstelle, wo jeder Ansiedelungslustige die genaueste Auskunft über alle Verhältnisse erhält. Ich habe zu meiner großen Freude gelesen, daß in Oslafrika jetzt vier deutsche Schulen bestehen. Wir müssen einen Kern deutscher Bevölkerung schaffen, wenn wir die Kolonie be haupten wollen. Abg. Erz b er g er (Zentr.): Die Eisenbahnfrage hat mit der Begünstigung oder Bestreitung der An siedelungsmöglichkeit nichts zu tun. Mit der Bahn verpflichten wir uns zu nichts hinsichtlich der An siedelung. Mag hingehen oder fernbleiben wer will. Die Plantagenarbeit ist das wichtigste Mittel, die Schwarzen allmählich zur Arbeit zu erziehen. Wir sehen die Bahn als einen Fortschritt an und werden sie mit gutem Gewissen bewilligen. Abg. Ledebour (soz.): Mir ist zweifellos, daß es den Unternehmern auf Ausbeutung der Schwarzen ankommt. Auch der Staatssekretär^ scheint jetzt darüber ganz anders zu denken. (Staatssekretär Dernburg ruft: Diese Ansicht des Abg. Ledebour ist irrtümlich l) Hierauf werden die Nachtragsforderungen be willigt. Das Haus vertagt sich auf Dienstag. K ZuKeräienMich. H Erzählung von Fritz Reutter. iForlsesimg.I „Wenn er uns sieht?" fragte Karl. „So wird er zweifellos feuern — und Alarm geben. Es ist unser letztes Risiko und nicht mehr gefährlich." Dolores faßte lachend seine Hand. „Wir wollen einmal laufen, Tenor Ripp old." Es war das beste, was sie tun konnten, jedenfalls viel besser, als am Fuße des Hügels noch unbestimmte Zeit zu warten. Daß ste ganz unbehelligt davonkommen würden, konnten sie kaum erwarten; aber fie hatten schon die Hälfte des Weges nach dem Wäldchen zurück gelegt, als ein Ruf durch die Stille der Nacht erklang: „tznisa vivs?" Sie rannten Weiler und beschleunigten ihre Schritte so sehr sie konnten. Nur noch siebzig Mäer halten sie zurückzulegen. „Halt — oder ich schieße!" . Erne Minute verstrich, die Bäume nahmen bereits bestimmtere Formen vor ihren Augen an; als aber die Warnung unbeachtet blieb, erscholl ein Schuß durch die Lust. Karl zuckte zusammen, als die Kugel ihm am Ohr vorbei pfiff, und das Mädchen stieß einen leisen Schrei aus. Aber fie stürzten der Gefahr nicht achtend weiter und erreichten im nächsten Moment den Rand des Waldes — um einem bewegungslos auf sein Gewehr sich stützenden Manne gerade in die Arme zu laufen. Instinktiv zog Karl den Revolver. Dolores faßte ihn am Arm und rief fast atemlos: »Nein, nein! Es ist Diego, mein Diener." „Ist alles gut gegangen, Senorita?" fragte der Mann, ein muskulöser, kleiner Mestize und zog, den Fremden höflichst begrüßend, seinen Hut. „Dem Himmel sei Lob und Dank!" er widerte sie. „Bist du bereit, Diego? Horch I" — ste vernahm plötzlich ein sonderbares Ge räusch vom Schlosse her. „Sie haben Alarm gegeben — rasch! Wir müssen Senor Nippold so schnell als möglich aus der Stadt schaffen!" Verächtlich zuckte Diego die Schultern. „Die Schurken mögen uns nm fangen, wenn sie können!" versetzte er, schritt aber trotzdem sofort voran auf einem schmalen Fußpfade, der ins Innere des Waldes führte, Md seine Herrin und Karl folgten ihm. Einige Minuten genügten, um 'unsre Aben teurer zu überzeugen, daß sie nicht verfolgt wurden. Zuerst führte sie ihr Weg durch reiche Obstbaumanlagen, die von einer Unmasse irre leitender Pfade durchschnitten waren; aber Diego täuschte sich nicht, und unter seiner Führung eilten sie weiter, so schnell als ihre Füße und die Beschaffenheit des Bodens es ermöglichten. Um die Schönheit der Landschaft, um die überraschenden Wirkungen von Licht und Schatten im Bläüerwerk der Bäume kümmerte sich Karl nicht. Denn Dolores schritt vor ihm her, und an fie nur dachte er voll Bewunderung für ihren Mut und ihre nie ver sagende Schlagfertigkeit, sich aus jeder Gefahr zu befreien. Bald ließen fie auch die Obstgärten hinter sich, und als fie in eine Gaffe zwischen niedrige, elende Hütten einbogen md nicht mehr so rasch weiterkcuuen, bemerkte Karl sofort, daß das Mädchen, so anstrengend und tapfer es sich auch abmühte, nur schwer und mühsam mit ihnen Schritt hallen konnte. Sie las die Bekümmernis in seinen Zügen. „Es kommt von dem Abstieg, glaube ich," sagte sie lächelnd. .Wer beunruhigen Sie sich nicht deswegen; in einer Almute wird alles wieder gut sein." „Nehmen Sie meinen Arm — so! So geht es besser," sprach er, wie fie ihm gehorsam folgte. „Sie brauchen sich auch nicht zu fürchten, sich auf mich zu stützen." Anscheinend befanden sie sich im ärmsten Viertel der Stadt; denn während einiger hun dert Meter durchschritten fie unter Diegos Leitung nichts als schmutzige, übelriechende Gassen, wo sie sich es angelegen sein ließen, im Schatten zu marschieren und soviel als möglich den Blicken Neugieriger auszuweichen. Nicht als ob sie irgendwie belästigt worden wären. Die Straßen waren fast ganz verlaffrn, nur hie Md da trafen sie auf eine Gruppe schwatzender Weiber, die ihrer kaum achteten. „Die Männer find alle nach der Stadt ge gangen," erklärte Diego. — „Dort ist Leben — dort wütet der Kampf noch mit den Soldaten." „Hat der Kampf wieder begonnen?" Diego nickte: „Haben wir nicht Blut ge rochen? Und vielleicht dürstet uns noch nach mehr, Senor I" Es dauerte nur wenige Minuten, so hiev der Führer plötzlich an und im gleichen Augen blick vernahmen sie aufhorchend auch schon daS bedeutungsvolle Geknatter von Gewehren aus einer nicht allzugroßen Entfernung. Etwas Unverständliches in den Bart brummend, führte sie Diego durch eine Nebengasse dahin, um eine Kirche herum auf eine breite, schöne Straße. In unmittelbarer Nähe tobte der wilde Kampf, und er winkte ihnen zu, im Schatten der Kirche sich versteckt zu halten. „Was gibt's, Diego?" flüsterte Dolores. Er brauchte gar nicht zu antworten, den» im gleichen Augenblick galoppierte ein Haufen Soldaten gestreckten Laufes vorüber; dem Mäd chen entfuhr ein Ausruf der Angst. „Wir wollen sofort das Schlimmste erfahren, Senorita," versetzte der Mestize leise. Sie brauchten mir um die Ecke zu sehen, um der wilden Unordnung, des wütenden Kampfes an sichtig zu werden. Etwa siebenhundert Meter weiter die Straße hinunter war sie von einer Menge Soldaten und Eingeborenen vollständig blockiert und die Masse schien im Mondkcht in tödlichem Kampfe hin- und herzuwogen. Dolores blickte hinunter nach dem Kampf platz. Zweierlei erkannte sie: daß die Soldate« ihnen näher standen, und daß der viele hundert Köpfe starke Pöbel ihnen siegreich Widerstand leistete. Sie wandte sich Diego zu. „Es ist nicht möglich," versetzte der Diener. „Nicht möglich nach allem, was wir schon ausgestandeu I Das ist zu grausam," rief sie. Karl blickte von einem zum andern, nMt wissend, um was es sich handelte. „Können wir nicht weiter?" fragte er etwas hilflos.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)