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Allgemeiner Anzeiger : 02.02.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-02-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191002021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19100202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100202
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1910
-
Monat
1910-02
- Tag 1910-02-02
-
Monat
1910-02
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 02.02.1910
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Paris unter Mafler. Aus der Schweiz, dem nordwestlichen Teutschland und aus Belgien kommen immer weitere Hiobsposten über die Verheerungen des Hochwassers. Am schlimmsten aber wütet das Element in der Umgebung von Paris. Beim Empfang der Botschafter und Gesandte» im Ministerium des Nutzem war weit weniger von Politik als von der kritischen Lage des Minister palastes die Rede, dessen Diensträume nach einer Seite vollständig geräumt wurden. Das Wasser erreicht hier die Fenster des Erd geschosses. Den benachbarten Jnvalidenbahn- hof bedeckt das schwarzbraune Wasser meterhoch. Ze Mauern dieses Bahnhofes sind schon stellenweise brüchig geworden. Sollten die schlimmen Befürchtungen der Bahnhofsarchitekten sich erfüllen, io würde der Palast des Mini steriums des Nutzern in einer noch gar nicht zu ermessenden Weste betroffen werden. Die vor nehme Pariser Gesellschaft mutzte auf den ge liebten Korso durch die Rue Royale verzichten, da diese Zufahrt durch die Champs Elysäes von der Madeleinekirche bis zur Place de la Concorde Wege« starker Erdsenkungen gesperrt ist. Auch in der benachbarten Rue St.-Honorä ist der Wagcnverkehr wegen Einsturzgefahr eines Strahentunnels eingestellt. In sechs Häusern dieser eleganten Stratze sind Räumungen ange ordnet. Bei keinem Austreten der Seine wurde bisher das Stadtzentrum so empfindlich heim gesucht wie diesmal. Selbst der bisher von Nervosität freigsbliebene Teil des Pariser Publikums gerät allmählich in Aufregung, weil am Kai vor dem Louvre-Museum Brüche fest gestellt wurden. Alle Parteien in den Häusern längs des Trocadero wurden verständigt, daß sie zeitweilig in andern Bezirken Zuflucht suchen sollen. Eine besondere Sitzung des Gemeinderats ist anberaumt worden. In dieser erstatteten der Seineprälekt und der Polizeiprä'ekt Bericht über die kristsche Gesamilage, die durch das Steigen der Seine eine weitere Verschlimmerung erfahren muß. Im Louvre-Museum wurde der nach dem Louvre-Kai gelegene Teil des Erdgeschosses geräumt. Ein Teil der Vorlesungen an der Sorbonne mutz wegen Elektrizitätsmangels aus fallen. Im vornehmen Villenviertel Neuilly- Saint-James erreicht das Wasser die zweiten Stockwerke. Was in Paris und Umgebung an Barken verfügbar ist, wurde in Dienst gestellt. Das Hochwasser der Seine hat nun auch die Familie des deutschen Botschafters in Paris gezwungen, den überschwemmten Botschaftspalast zu verlassen. Auch sonst ist die Lage noch außerordentlich bedrohlich, da ein großer Teil der Straßenbeleuchtung versagt. Doch dürfte allem Dafürhalten nach das Hochwasser seinen Höhepunkt erreicht haben. Seinen kranken Sohne zuliebe entschloß sich der Botschafter, ins Campbellhotel zu überfiedeln. Der Bot- schafter und das Personal gelangen durch die Gartenpforte von der Seineseite ins Palais, wo die Amtsstunden nach wie vor pünktlich ein gehalten werden. Depeschenboten und Brief träger kommen in Kähnen. Nachmittags über brachte der Chef des zuständigen Telegraphen amts persönlich eine vom Kaiser an den Bot schafter gerichtete Depesche, übrigens ist die deutsche Botschaft eines der wenigen Häuser in der Rue Lille, wo man tapfer mit eigenen Mitteln die Kalamität bekämpft hat, bis sie geräumt werden mußte. Nachmittags besuchte der Präsident Fallisres die im ehemaligen Sulpice-Seminar Beherbergten. Er sprach mit mehreren Männern und Frauen und besonders lange mit einer Familie aus seiner engeren Heimat im Departe ment Lot-et-Garonne. Dann begab sich der Präsident nach dem schwer heimgefuchten Quartier Bercy, wo er erfuhr, daß der Vorort Jory durch den schon lange befürchteten Ein sturz der großen Brücke neuerdings beunruhigt ist. Zahlreiche Panier Deputierte, unter ihnen der ehemalige Handetsmuuster Ccuppi, verteilen persönlich Lebensmntei in ihren Wahloezirken. Man schätzt den O Eine titellofe Geschichte. Don Eugen Osborne.*) 1. In einem Boudoir ist ein Paar unlängst Verlobter eben dabei, sich herzlich zu langweilen. Er sitzt in einer tiefen Fensternische, läßt duftende blaue Wölkchen einer feinen Zigarette entsteigen, und betrachtet mit großer Aufmerksamkeit irgend einen Gegenstand außerhalb des Hauses. Er ist schön wie Adonis: eine prachtvolle elegante Gestatt, dunkles Haar, dunkle, etwas ausdrucks lose Augen, und alle Züge von einer vollendeten Regelmäßigkeit. Sie lehnt auf einer Chaiselongue; eine Gestalt von elfenhafter Feinheit und Leich- tiakeit. Auch sie bat schwarzes Haar und dunkle Augen, aber diese glühen und sprühen in tausendfachen Strahlen. Diele funkelnden Augen tragen eben den Ausdruck einer ausgeprägten Ungeduld, und ein sehr kleiner Fuß stampft leise und ärgerlich auf ein gesticktes Fußkissen. .Edmund 1* .Was sagten Sie?" .Ich sagte: Edmund!" „Ja so! Hm. . . Ich meinte, was Sie wünsckten?" „Ich wünschte zu erfahren, was für ein Meteor Sie da draußen im Hose sehen, daß sie fest einer halben Stunde unausgesetzt hinaus- blicken? Etwa einen Kometen um zwölf Uhr mittags, oder gar einen nicht lanaweiligen Garde-Leutnant? Oder sonst etwas gleich Un gewöhnliches ?" *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. Gesamtschaden auf eine Milliarde Mark. Auf dem linken Seineufer hat die elektrische Straßenbeleuchtung vollständig versagt. Mehrere wichtige Siraßenzüge sind dort, da auch die Gasbeleuchtung nicht funktioniert, vollständig im Dunkeln. An mehreren Punkten der Kais wurden Mauern aus Ziegelsteinen aufgeführt, um das Eindringen des Wassers za verhindern. Vom Quai d'Orsay wird gemeldet, daß mehrere Häuser eingestürzt sind und andre Risse be kommen hoben. In Paris sind jetzt 7040 Tele- phonverbindungsn infolge des Hochwassers unterbrochen. Trotz alledem lauten die letzten Nachrichten günstiger und man hofft, daß das Hochwasser seinen Höhepunkt überstiegen hat. politische Kuncilckau. Deutschland. *Aus Anlaß der Geburtstagsfeier Kaiser Wilhelms erhielt der Monarch von vielen fremden Fürstlichkeiten Glückwünsche. Im Jn- und Auslande fanden zahlreiche Festlichkeiten statt. Unter den vielfachen Ordensauszeich nungen, die Kaiser Wilhelm aus Anlaß seines Geburtstages verlieh, ist besonders erwähnens wert, daß der Reichskanzler v. Bethmann- Hollweg den SchwarzenAdlerorden erhielt. *Die Nachricht von der Ablehnung des deutsch-portugiesischen Handels vertrages in der Kommission des deutschen Reichstages hat in Portugal starken Eindruck gemacht. Das republikanische Blatt,Mundo' sagt, daß sich wegen des Vertrages die Ange- legenheit des Madeira-Sanatoriums ungünstig für Portugal erledigt habe und daß die Ab lehnung eine furchtbare Niederlage für die Regierung sei. Mario Populär' schreibt, der moralische Erfolg des Beschlusses sei unheilvoll für die portugiesische Diplomatie. *Die Justizkommission des Reichstags be gann die Beratung der Justizgesetze beim 8 123 des Strafgesetzbuches. Dieser setzt u. a. die Strafen für H au s fri e d en s bru ch fest und mildert die bisherigen Vorschriften durch die Bestimmung, daß die Verfolgung nur auf An trag eintreten darf. Die Kommission erweiterte diese Milderung durch den Zusatz, daß die Zurücknahme des Antrages zulässig sein soll. Bei dem 8 145b der das boshafte Quälen und die rohe Mißhandlung von Tieren scharf treffen will, entspann sich die übliche Erörterung über die Vivisektion und das Schächten. * In Abwesenheit des Herzog-Regenten Johann Albrecht, der sich bekanntlich auf einer Reise nach Siam befindet, ist die Landesver sammlung in Braunschweig durch den Staaisminister v. Otto eröffnet worden. In der Thronrede wird der Vermählung des Herzog-Regenten erneut gedacht und dessen Reise ins Ausland erwähnt, die er sich vor der Annahme der Wahl zum Regenten vordehielt. Sodann empfiehlt oie Thronrede, zunächst die Etats und im Anschluß daran die unaufschieb baren Vorlagen, wie Änderung der Gehalts ordnungen für die Sraatsbeamten, Regelung der Einkünfte der Gemeindeschullehrer usw. zum Abschluß zu bringen und darauf den Landtag bis zum kommenden Herbst zu vertagen. In zwischen würde der Herzog-Regent zurückgekehrt sein. Wegen der (Äledigung der Regierungs geschäfte während seiner Abwesenheit seien im Einklang mit der Verfassung Anordnungen ge troffen. Weiter erklärt tue Thronrede, daß die Etats die Möglichkeit der Deckung der im all gemeinen mäßig gestiegenen Ausgaben und auch der erhöhten Leistungen des Herzogtums an das Reich ergänzen. Ungedeckt blieoen dagegen die aus den Änderungen der Gehaltsordnungen dem Staate erwachsenden Ausgaben. Es werde eine den Mehrausgaben entsprechende Erhöhung der direkten Steuern vorgeschlagen werden. — Anläßlich der Laudtagseröffnung sanden in Brattn schweig sozialdemokratische Wahl rechtskundgebungen statt, gegen die die Polizei mit blanker Waffe einschritt. Dabei wurden 15 Personen mehr oder minder schwer verletzt. „Ich bin Ihnen verbunden im Namen meiner Kameraden, der Garde-Leutnants; ich selbst habe den Abschied, um den ich eingekommen, noch nicht einmal erbalten. Übrigens sehe ich keine von all' den Merkwürdigkeiten, die Sie soeben nannten, sondem nm den Stephan, der meinen Nadir zur Tränke führt. Nadir bäumt sich und schlägt aus; der dumme Kerl versteht es durchaus nicht, mit ihm umzugehen." „Ach so! wieder dieser unglückliche Nadir! Ich dachte es mir, das Ende wird einmal sein, daß er Ihnen den Hals bricht, Edmund, dann wird sich Ihre Vorliebe für ihn wahrscheinlich etwas abkühlen." „Ein Pferd mir den Hals brechen! Oho! das möchte ich einmal sehen!" rief der Bräuti gam mit großer Lebhaftigkeit; dabei erglänzten seine Augen, sein Gesicht belebte sich, und die schlanke Gestalt richtete sich stolz auf. In diesem Augenblick war der junge Mann wirklich hin reißend schön. Auch seine Braut schien dieses zu empfinden und sie sprach jetzt mü wahrhaft herzlicher Stimme. „Wir wollen es doch lieber nicht sehen, Edmund. Kommen Sie ber. Vergessen Sie einmal auf fünf Mnuten Ihr Pferd, und be kümmern Sie fich ein wenig um Ihre Braut." „Nun, so erzählen Sie etwas. Oder nein! Sprechen Sie lieber nichts, lassen Sie mich nur Sie anseben und Ihre weißen Händchen küssen I rief der Verlobte, in den bei dem Anblick des reizenden Mädchens wieder etwas Leben kam. O, so gib mir doch einmal einen Kuß, mein Engel!" Tsterreich-Ungar«. »Im galizischen Landtage kam'es zwißchen* zwei ruthenischen Abgeordneten und e'nem Journalisten zu einer regelrechten Prüge lei, wobei der Journalist schwer verletzt wurde. Der Vorfall erregt in Lemberg (wo der Landtag tagt) ungeheures Aufsehen, weil der Journalist sehr flauer daniederliegt. Frankreich. *Das wegen des Geburtstages Kaiser Wilhelms anberaumte Fe st essen der deut schen Kolonie in Paris, das auch diesmal im Hotel Continental stattfinden sollte, mußte abgesagt werden, da die Küchenräume und die elektrischen Beleuchtungsanlagen überschwemmt sind. Norwegen. * Der König von Norwegen hat in Gegenwart der Königin und des diplomatischen Korps den Storthing mit einer Thronrede eröffnet. Die Thronrede erklärt die Beziehungen Norwegens zu den fremden Mächten für be friedigend. Die Regelung der Verhältnisse in Spitzbergen sei der Gegenstand von Ausein andersetzungen mit den übrigen interessierten Mächten. Es werden ferner u. a. Gesetzentwürfe über die Rechtspflege, über eine Produktions steuer auf Bier und über Schiedsgerichte bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeit nehmern angekündigt. Balkanstaate«. *Die griechische Militärliga hat einen neuen schwerwiegenden Schritt getan. Sie hat die Abdankung des Ministeriums gefordert, damit ein neues Kabinett eine National versammlung einberufen könne. Nicht ohne Grund hat sich der König sowohl wie auch der Ministerpräsident bisher gegen die Ein berufung einer Nationalversammlung gesträubt; denn sie würde aller Wahrscheinlichkeit nach auch bezüglich der Kretafrage schwerwiegende Beschlüsse fassen, deren Durchführung zu einem Konflikt mit der Türkei führen müßte. Amerika. * Wegen der allgemeinen Preissteige rung brachte ein Mitglied des nordamerika nischen Kongresses eine Gesetzesvorlage ein, wo nach die Einfuhr der notwendigsten Nahrungsmittel zollfrei sein soll. Deutscher Keickstag. Am 28. d. wird die zweite Lesung des Mili täretats fortgesetzt. Abg. v. Byern skons.) bedauert, daß die Löh nung der Mannschaften nicht erhöht worden ist. Ich möchte Verwahrung dagegen einlegen, daß die Zahl der Leutnantsstollen herabgesetzt werde, wie dies meine Vorredner forderten. Eine zweijährige Dienstzeit für die Kavallerie halten wir für un möglich. Auch die Übungen mit großen Kavallerie körpern müssen unbedingt beibehalten werden, denn sie sind im Kriege notwendig. Die Verwendung der Soldaten in der Landwirtschaft ist in gewissen Zeiten unbedingt notwendig, wenn die Ernte schnell hereingebracht werden muß und die nötigen Arbeiter nicht vorhanden sind. Daß Kciegervcreine vor den Sozialdemokraten warnen, ist ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Daß die Zahl der übenden Reserveregimenter vermehrt wird, begrüßen wir. Wir wünschen aber, daß die Übungen im Frühjahr oder Herbst stat finden, damit der Landwirtschaft nicht die ini Sommer so nötigen Arbeiter entzogen werden. Zu wünschen ist eine vermehrte Belegung kleiner Garnisonen. Bei Armcelieferungen sollten kleinere Lieferanten bevorzugt werden. Oberst Wandel: Sparsamkeitsrückfichten zwin gen uns, daß wir, was an Seitengewehren gebraucht wird, zunächst in unsern eigenen Fabriken Herstellen, daher können die Aufträge, die wir nach außen geben, nur einen kleinen Umfang haben. Aber wir wollen gern die kleinen Lieferanten dabei be günstigen. Abg. Mugdan (frs. Vp.): Die Ersparnisse beim Etat sind in Wirklichkeit gar keine, denn sür die betreffenden Posten würde im nächsten Jahre um so mehr eingestellt werden müssen. An Aelecanen- beihilfe und Mannschaftslöhnung sollte auf keinen Fall gespart werden. Dagegen sollten Komman danten- und Gouverneurposten im Zeitalter der Sparsamkeit fortfallen, ebenso müsse an den Musik- s korps und den Pferdegelsern gespart werden. Die Unterscheidung in feine und nicht feine Regimenter ! sollte endlich aushören. Ein gewisser Zwang zum Luxus m manchen Regimentern verhindere die Aus- ! Bei diesen Worten versuchte er eS, seinen! Arm um ihre Taille zu legen. Die junge Dame hatte zuerst über seinen Enthusiasmus freundlich gelächelt, aber bei dem faden Ende des Kompliments fuhr sie zurück, ihre Augen funkelten. „Was soll das bedeuten, Herr von Stein! Sie wissen doch, daß ich mir dergleichen nicht gefallen lasse!" rief sie mit leise bebender Stimme. „Aber um Gotteswillen, Helene, so haben Sie doch nicht immer das Zipperlein!" ent gegnete der junge Herr lachend. „Ich denke doch, Sie sind in aller Form meine Braut. Ihr Vormund hat unsre Verbindung nicht nur gebilligt, sondem dieselbe sogar gewünscht. Die Verlobungskarten sind herumgeschickt, in einigen Wochen erfolgt das Aufgebot. Wenn Sie auch wollten, schöne Braut, jetzt könnten Sie schwerlich mehr zurücktreten. . . Wann werden Sie denn endlich etwas von Ihrer Sprödigkeit verlieren?" „Wenn ich auch wollte, jetzt könnte ich schwerlich mehr zurücktreten," wiederholte Helene gleichsam mechanisch für sich, dabei hatte ibre Stimme einen sehr ernsten Klang und ihr Auge einen trüben Ausdruck. Im nächsten Augenblick nahm sie fich zusammen und sagte ruhig: „Lesen Sie etwas vor, Edmund." „Was soll ich lesen." „Ei, doch wohl Shakespeare; wir haben ja angefangen. ..." „Shakespeare! o nein! Da wird zu viel gehauen, gestochen, vergiftet, und die Menschheit auf jede Weise ins Jenseits expediert, das dehnung des EinjährigenspflemS. Die Nbneizung, jüdische Ärzte im Heer «nzustellen, müsse aufhSren. Unsre Armee ist ein Volk in Waffen, nicht ein Tei! des Volkes. Abg. Liebermann von Sonnenherz lwirtsch. Vgg.): Der Vorredner hat kein sachliches Verständnis von der Materie, keinen Schimmer da von. Die Herren kommen wieder mit der alten Ge schichte von der Bevorzugung des Adels, die der vorige Krieqsminister schon klargestellt hat. Es ist noch von früher her Tradition in vielen Adels familien, daß alle Söhne bei demselben Regiment einlreten wie der Vater. Ausgaben, die zur Er haltung der Kriegstüchtigkeit notwendig sind, müssen auch gemacht werden. Für Abschaffung des dritten Kavalleriedienstjahres können wir nicht eintreten. Wir hoffen, daß man festhalten wird an den Errungen schaften, die wir schon vor hundert Jahren unter Scharnhorst durchgesetzt haben und denen wir die Größe unsres Reiches verdanken. Ohne Rast, aber auch ohne Hast zum Besten des Vaterlandes! Preuß. Kriegsminister v. Heeringen: Es ist nicht richtig, daß Verabschiedungen in größevem Umfange stattgefunden haben, als früher. Der Xbg. Mugdan hat von Duell-Unfug gesprochen. Ein Unfug besteht nicht. Es sind binnen Jahresfrist unter den aktiven Offizieren, 20 000 an der Zahl, nur drei Duell fälle vorgekommen, unter den inaktiven 9. Der kaiserliche Erlaß von 1897 wird aber hoffentlich die Wirkung haben, das Duell noch weiter eiazu- schränken. Auch die Adelsfrage hat er wieder be rührt. Unterschätzen Sie nicht den Wert der Tradition! Es gibt Regimenter mit Offizieren, deren Väter, Großväter, ja Urgroßväter schen in demselben Regiment standen. In diesem Zusammen hänge des Osfizierkorps, in dieser Tradition »am Urgroßvater her liegt auch eine Stärke für das Offizierkorps. Auch eine Bevorzugung im General- stabe tritt nicht ein. Auch ein Luxus bestehe im großen und ganzen nicht. Die letzten Jahre haben hier Abhilfe geschaffen. Abg. Korfanty (Pole) spricht über Soldaten mißhandlungen. Der Redner führt Beschwerde über die Verwendung von Soldaten als Streikbrecher und Polizisten. Die polnischen Soldaten werden besouders scharf aufs Korn genommen. Die Kriegsgerichts- Urteile sind meist drakonisch. Preuß. Kriegsminister v. Heeringen wesst die Vorwürfe gegen die Kriegsgerichte zurück. Drakonisch seien die Strafen nicht. Von 10 000 Verurteilten erhielsen 9849 Strafen unter zwei Jahren Ge fängnis. Die Armee hält sich Kei von Politik. Die Kriegervereine sollen ebenfalls keine Politik treiben. Abg. Werner (Rfp.) tritt für die Veteranen und Erhöhung der Mannschaftslöhne ein. Abg. Lehmann- Jena (b. k. F.) bedauert, daß das Grobherzogtum Weimar bei der Vergebung von Garnisonen übergangen wird. Abg. Erzberger (Ztr.): Sparsamkeit könnten wir erst dann anerkennen, wenn die fortdauernden Ausgaben ein Rückwärts zeigen würden. Der Frei sinn war uns im Bewilligen immer über. Einer Erhöhung der Mannschaftslöhne stimmen wir zu, wenn die Mittel dazu aus den Steuern gedeckt würden, die die Sozialdemokraten im letzten Jahre bewilligt haben. Die Tragzeit der Stiefel der Unter offiziere kann verlängert werden.. Eine Potsdamer Gerichtsverhandlung hat ergeben, daß die Unter offiziere in je 5 Jahren ein Paar Stiefel verkaufen können. Auch bei Submissionen kann gespart werden. Preuß. Kriegsminister v. Heeringen: Di« Durchführung der Mobilmachung ist der Grund, weshmb die zweite Kontrollversammlung nicht ent behrt werden kann. Die Ausstattung von Dienst wohnungen ist ein unangenehmes Kapitel. Wir suchen auch hier zu sparen. Bei der Submission geben wir schon jetzt nur unter der Mittellinie den Zuschlag. Abg. Roske (soz.) bringt Beschwerden über die Verwendung von Soldaten als Streikbrecher »or. Ebenso über Militär-Mißhandlungen. Auch plädiert er für Verkürzung der Dienstzett. Er und seine Freunde wollten eine Demokratisierung des Heeres. (Gelächter rechts.) Ja, wenn Sie das nicht wollen, so reden Sie auch nicht von einem „Volksheer" bei uns. Kricgsministcr o. Heeringcn tritt verschiedenen Äußerungen des Vorredners entgegen. Bestreiten müsse er u. a., daß unser militärisches Strafrecht rückständig sei gegenüber dem französischen. Im Namen der Armee müsse er Verwahrung einlegen gegen die Behauptung, daß die Prügelei von Re kruten durch ältere Mannschaften ein von den Vor gesetzten gebilligtes „Erziehungsmittel" fei. Eine Erschwerung des Beschwerderechts lei von ihm nicht angeordnet. Die Zahl der Selbstmorde in der Armee lei nicht gestiegen, die Quote der Selbstmorde bleibe ständig niedriger als in der Zivilbevölkerung. Sozialdemokralen können wir als Offiziere selbst- > verständlich nicht brauchen, unter den Unteroffizieren i auch nicht. ! Hierauf vertagt sich das Haus. ! greift die Nerven an. Lieber spielen Sie ! etwas." „Gut." Nach dieser kurzen Antwort erhob fich das junge Mädchen und begab fich in den anstoßenden Salon, wo ein Flügel stand, den ihr Verlobter zuvorkommend für sie aufschlug. Sie spielte künstlerisch. Am Anfang machte sich noch die leichte Erregung geltend, in der sie sich befand: der erste Teil der Beethoven- fchen ^»-Lur-Sonate wurde zu leidenschaftlich vorgetragen, doch bald übten die mächtigen Akkorde ihre Wirkung auf die Spielende aus. Immer klangvoller, mächtiger, ergreifender rauschten sie durch den Saal. Dann kam der prachtvolle Trauermarsch. Tief klagend, trauernd, erschütternd, dann wieder tröstend, erhebend erklangen die Saiten von Künftlerhand bewegt. Die Spielend« schien ihre Seele in diesen Tönen auflösen zu wollen. Dabei glühten ihre Wangen; ihre Augen wurden größer und glänzten träumerisch. ... Da wurde sie im unerwarteten Moment, und auf unvorhergesehene Weise ihrem Enthusiasmus und ihrem Spiel entrissen, indem ihres Bräuti gams Hände und gleich darauf seine Lippen sich avt ihre Finger legten und Edmund auf sein« Weise entzögt ausrief: „Bei Gott, Helene! ich haste eS nicht länger aus! Sie sind zu schön, wenn Sie so ex altiert sind." Das junge Mädchen ließ sprachlos die Hände von den Tasten gleiten und sah sich langsam nach ihm um. Gleich darauf färbte der Ärger ihre Wangen noch dunkler. Sie öffnete
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