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Allgemeiner Anzeiger : 05.03.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-03-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191003050
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100305
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1910
-
Monat
1910-03
- Tag 1910-03-05
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Monat
1910-03
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 05.03.1910
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Die Invalidenversicherung. Die Träger der Invalidenversicherung sind durch Gesetz ermächtigt, für gemeinnützige Auf gaben aus ihrem Vermögen Mittel her?,»geben. Sie hatten hierfür Ende 1909 rund 773 Mill. Mark oder etwa die Hälfte ihres gesamten Ver mögens verwendet. Dies geschah nach der ,B. B -Ztg/ auf folgende Weise: Für den Bau von Arbeiterwohnungen waren nicht weniger als 280,5 Mill. Mk. hergegeben, davon rund 55 Millionen als Darlehen an Versicherte selbst. Nur fünf Versicherungsanstalten haben bisher davon abgesehen, an Versicherte unmittelbar Darlehen für den Wohnungsbau herzugeben. Aber auch Nichtverficherte und Vereinigungen von solchen, namentlich Beamtenvereine, hatten sich der Unterstützung der Versicherungsträger bei Herstellung billiger und gesunder Wohnungen zu erfreuen. Zum Wohnungsbau für Nichtverficherte sind etwa 17,5 Mill. Mk. verwendet. Zur Be friedigung des landwirtschaftlichen Kreditbedürf- nisses sind von sämtlichen Versicherungsträgern dis Ende 1909 etwa 103 Mill. Mk. ausgegeben worden. Dieser Betrag stellt bei weitem nicht die ganze Summe dar, die zugunsten der Land wirtschaft aus Mitteln der Versicherungsträger geflossen ist. Denn die für den Arbeiterwoh nungsbau ausgegebenen Beträge ummssen auch die Darlehen zur Verbesserung des Wohnungs bedürfnisses ländlicher Arbeiter. Ferner entfiel von den Darlehen für allgemeine Wohlfahrtseinrichtuugrn ei« Betrag von 184,7 Mill. Mk. auf ländliche Gemeinden und Landstädte bis zu 5000 Ein wohnern. Endlich ergibt sich, daß eine größere Anzahl von Vecsicherungsträgern, und zwar Westpreußen, Pommern, Schlesien, Sachsen- Anhalt, Schleswig-Holstein, Hannover, West falen, Rheinprovinz, Niederbayern, Pfalz, Ober pfalz und Regensburg, Oberfranken, Mittel sranken, Unterfranken, Schwaben und Neuburg, Königreich Sachsen, Württemberg, die Nord deutsche Knappschafts - Pensionskaffe und die Arbeiter-Pensionskasse der Königl'ch Sächsischen Staatseisenbahnen, Schuldverschreibungen im Nennwerte von nahezu 128,5 Mill. Mk. besitzen, namentlich landschaftliche Pfandbriefe, Nenten- briese, Provinzialanleihescheine, Pfandbriefe von Landwirtschaftsbanken usw. Diese Beträge sowie die im Besitze der Versicherungsanstalten Branoen- burg, Pommern und Schlesien befindlichen Schuld verschreibungen im Nennwerte von etwa 2,3 Mil lionen Mark zur Forderung des Banes von Kleinbahnen kommen gleichfalls der Landwirtschaft aus schließlich oder überwiegend zugute. Was die Förderung der allgemeinen Wohlfahrtspflege betrifft, so waren bis Ende 1909 ausgegeben: ikr den Bau von Krankenhäusern usw. etwa 85,6 Mill. Mk., zur Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege über 143,5 Mill. Mk., für Erziehung und Unterricht usw. 71,7 Mill. Mk., und für sonstige Wohlfahrtszwecke 88,7 Mill. Mark. In dieser letzteren Gruppe befinden sich namentlich Darlehen für den Bau von städtischen Gas- und Elektrizitätswerken, Lokal- und Straßenbahnen, für Wege-, Brücken-, Kanal-, Hafen-, Tamm- und Uferschutzbauten sowie zur Förderung des Gewerbes; ferner Dar lehen zum Bau von Heimen für Lehrerinnen, Diakonissen, Dienstboten, Fabrikarbeiterinnen, Taubstumme, Blinde, für Lehrlinge usw. Weiter find hierzu zu rechnen Darlehen zur Er richtung von Kleinkinderbewahranstalten, Armen häusern, Arbeiterkolonien, Kretinenanstalten, Rettungshäusern für gefallene Mädchen und verwahrloste Kinder, für Spar- und Konsum- Vereine, Volksküchen, Volkstheater und für Ein- richiungen zur Bekämpfung des Alkoholmiß- brauchs; endlich für den Bau von Kirchen, kirchlichen Gemeindehäusern, christlichen Vereins- uno Vsrsammlungshäusern. Für eigene Wohl- fahrrseimichtungen derVerficherungslräger schließ lich betrug der Gesamtaufwand bis Ende 1909 rund 58,5 Mill. Mk. Politische kunälckau. Deutschland. "Kaiser Wilhelm wird am 22. Mai zum Iagdaufenlhalt beim Fürsten Dohna- Schlobitten eimreffen. Vorher beabsichtigt der Monarch, der Jahrhundertfeier der Stadt Stolp beizuwohnen und nach dem Besuch in Schlobitten die Leib-Husaren-Brigade in Danzig-Langfuhr zu besichtigen. * Wie verlautet, soll derL üd e ritz b u ch t er BürgermeisterKreplin (Südwest-Asrika) tatsächlich die Beleidigungsklage gegen den Staatssekretär Dernburg angestrengt haben, weil dieser seinen Namen mit dem be kannten Diamantenschwindel in Verbindung ge bracht habe. Eine Bestätigung der Meldung bleibt aber doch wohl noch abzuwarten. "Zwischen den Parteien, die gemeinsam die preußische Wahlrechsvorlage umgestaltet haben, indem sie die svon der Regierung verworfene) indirekte Wahl und die geheime W ah l in die Vorlage brachten, schweben zur zeit Verhandlungen, um die Grundlagen für die zweite Lesung zu gewinnen. Das Gerücht, man habe sich bereits darauf geeinigt, die direkte und geheime Wahl einzuführen, entspricht nicht den Tatsachen. "Die oldenburgische Regierung hat sich gezwungen gesehen, ihre Gehalts- vorlage für Beamte und Lehrer zurück zuziehen. Der Landtag machte eine gründliche Prüfung auf Vereinfachung der Staatsverwal tung für die Vorlage zur Bedingung. Das dazu nötige Material, das die Ausschüsse ver langen, nimmt soviel Zeit in Anspruch, daß die Vorlage einstweilenzurückgezogenwerden mußte. Die Betroffenen sind einstweilen noch durch einen bis Ende 1910 laufenden Gehaltszuschlag gedeckt. * Am 27. v. waren 25 Jahre verflossen, seit dem durch die Entschließung Kaiser Wilhelms I. die der Insel Zanzibar gegenüber auf dem Festlande von Ostafrika gelegenen Land schaften Niagara, Nguru, Useguha, Ukami, soweit sie auf dem Wege vertragsmäßiger Abmachungen von der Gesellschaft für deutsche Kolonisation im November und Dezember 1884 erworben waren, unter die Oberhoheit des Deutschen Reiches gestellt wurden. Ihren Ausdruck fand diese kaiserliche Entschließung in dem am 27. Februar 1885 erlassenen Schutz briefe, der unter Vorbehalt der etwa noch fernerhin infolge weiterer GebietZerwerbungen der Gesellschaft oder ihrer Rechtsnachfolger not wendig werdenden Ergänzungen und Anord nungen dieser die Befugnis verleiht, alle aus den abgeschlossenen Verträgen fließenden Rechte, einschließlich der Gerichtsbarkeit, gegenüber den Eingeborenen und den in den fraglichen Ge bieten sich niederlaffenden oder zu Handels und andern Zwecken sich aufhaltenden Ange hörigen des Reiches und andrer Nationen unter der Aufsicht der deutschen Regierung auszuüben. Als Bedingung war hierfür hervorgehoben, daß die besagte Gesellschaft eine deutsche Gesellschaft bleibt, und daß die Mitglieder des Direktoriums i oder die sonst mit der Leitung betrauten Per- ! sonen Angehörige des Deutschen Reiches sind. - Hiermit war der entscheidende Schritt zur Be- ! gründung unsrer jetzigen ostafrikanischen Kolonie. geschehen, die mit ihren 995 000 Quadrat kilometern fast noch einmal so groß ist wie das Mutterland. Schweiz. " Die Bevölkerung des Kantons Genf hat mit 2470 »Ja' gegen 1780 „Nein" ein Gesetz angenommen, wonach fortan die Frauen in das Gewerbegericht wählbar find. Bon 27 936 Stimmberechtigten nahmen nur 4900 Bürger an der Abstimmung teil. B«!ka«staaten. "Wegen Tötung eines türkischen Polizisten war der deutsche Reichsangehörige Rospert von dem Gericht zu Serres zu vier Jahren Ge fängnis verurteilt Morden, ohne daß vorher der österreichische Konsul als Verlierer der deutschen Interessen in Serres von dem Verhandlungs termin benachrichtigt wurde. Der deutsche Botschafter halte darauf mittels Note' sieht, daß an der Vergiftung des politischen Kampfes für das mir geschenkte Vertrauen dankbar. Ich weiß Abg. Hahn kommt Uchen Kanzierstürzer zeichnet. KuIerski bewilligt. möglich ist. Nach einer Beuicr>.ue (Pole) schließt die Befprecv > Das Gehalt des s gegen das Verfahren protestiert und die Kassierung des Urteils verlangt, da es nach den zu Recht bestehenden Verträgen ungültig sei. Nachdem der Oberstaatsanwalt in Saloniki selbst die Aufhebung des Urteils beantragt hatte, ist jetzt entsprechend der Note des deutschen Botschafters die Aufhebung erfolgt unter Aner kennung des von dem Gericht in Serres be gangenen Irrtums. — Die Spannung zwischen der Türkei und Deutschland ist also gehoben. * Trotz aller Beschwichtigungsversuche dauern die Zwischenfälle an der türkisch-bul garischen Grenze fort. Während eine gemischte militärische Kommission an der Grenze tätig ist, kommen täglich Nachrichten von Ge fechten, deren Opfer zum Teil sehr große sind. Trotz allem leugnet man in Konstantinopel und Sofia die Möglichkeit eines Krieges immer noch. Afrika. * Nach übereinstimmenden Mitteilungen fran zösischer und englischer Blätter herrscht in Abessinien vollständige Ruhe. Auch für den Fall des Ablebens des Negus Menelik sind Ausschreitungen gegen die Europäer nicht zu befürchten, da die Regierung, die nicht mehr unter dem Einfluß der fremdenfeindlichen Kaiserin steht, strenge Maßregeln ergriffen hat. "Nach amtlichen Nachrichten sind die Meldungen über Unruhen in Liberia übertrieben. Es handelt sich um eine auf ständische Bewegung, durch die die Weißen nicht gefährdet sind. Deutscher Keickstag. Am 1. d. steht auf der Tagesordnung die Wahl des Präsidenten. Auf Vorschlag des Abg. Frhr. v. Hertling (Zentr.) wirb der Abg. Graf v. Schweri n-Löwitz (kons.) durch Akklamation gewählt. Graf o. Schwerin-Löwitz: Ich bin Ihnen die hohe Ehre zu würdigen, die Sie mir erwiesen kein Teil der Presse soviel Schuld hat wie die Preise haben und ich bin mir der damit verbundenen Aus- ! des Bundes der Landwirte Dem Zentrum rate ich, . gaben und Pflichten bewußt. Ich verspreche auch, i nicht unbedingt aus Hac-us Freundschaft zu trauen, gegenüber den Mitgliedern aller Parteien strengste - Hahn schlägt sich, Halü^ verträgt sich. Vielleicht Unparteilichkeit zu wahren. Ich bitte aber auch Sie kommt die Zeit; da Fürs! Bülow selber die eigcm- aus den Verbeugungen vor dem Zentrum gar nicht heraus. Er lerne mehr Selbstgefühl. Abg. Prinz Schönaich-Carolath (nal.-ltb.) fragt an, wie es mit den Gewcrbeinspektions-Assisten- tinnen stehe. Staatssekretär Delbrück erwidert, daß die Regierung an die Regelung der Frage gehen werde, sobald sie sich über die ;u fordernde Ausbildung im klaren ist. Abg. Detto (ucu.-UV.) wünsch eine Abänderung der Gewerbeordnung für die Lanwues'er. Staatssekretär Delbrück er» lmn die Er wägungen hierüber noch schweben Abg. v. Strombett (Ztr um Erleichte rung des Hausierhandel Staatssekretär Delb' - g -töricht zu tun, was Landwirte. Parteifreunde des Abg. Hahn haben seinerzeit für die Cavrivischen Handelsverträge ge stimmt. Wir haben bei der Reichsfinanzreform die Hand geboten, den Block mit den Konservativen zu erhalten. Wir sind ohne Schuld an der jetzigen un heilvollen Entwickelung. Aber wir werden den Kampf aufnehmen. Nur unserm besonnenen Auftreten 1902 haben wir den jetzigen Zolltarif zu verdanken. Und wir werden auch später wieder ein warmes Herz für die Landwirtschaft haben. Abg. Horn- Sachsen (soz.) tritt für Einschrän kung der Arbeitszeit in der Glasindustrie ein. Abg. Heim (Zentr.): Ich könnte eigentlich bei der Attacke des Abg. Fuhrmann auf Dr. Hahn die Freude des Dritten haben, eine gewisse Schaden freude. Aber diese Attacke hat doch einen etwas häßlichen Beigeschmack. Der Bund der Landwirte muß doch für die Nationalliberalen eine große Ge fahr sein, sonst würde Herr Fuhrmann wohl nicht den Bund so heftig angreifen. Da kommt nun noch der Bauernbund. Woher kommt sein Geld? Das ist die Hauptsache. Bezieht er das Geld vom Hansabund? Darin würde ich eine Korruption sehen, denn der Hansabund hat ganz andre Zwecke als wir Bauern sic haben. Woher also das Geld? Darüber hat Herr Böhme vorhin nichts gesagt, obwohl das doch die Hauptsache ist. Der fränkische Bauernbund, an den Sie mich erinnern und der ja erst vor den Triumphwagen des deutschen Bauern bundes gespannt werden soll, ist frivol überrumpelt worden. Auch hat er gar nicht so viel Mitglieder, wie ihm nachgcsagt werden. Abg. Hahn (kons.): Herr Abg. Fuhrmann hat drei Tage Zeit gehabt, um eine Rede gegen mich zu verbrechen. (Vizepräsident Hohenlohe bittet, einen solchen Au '-druck zu unterlassen.) Ich habe den Aus druck auch scherzhaft gebraucht, denn die Rede des Abg. Fuhrmann kann ich nicht ernst nehmen. Man sollte doch nicht private Äußerungen und Angelegen heiten hier im Hause erörtern, so wie es Herr Fuhr mann getan hat. Ich stelle fest, daß in der dem Bunde der Landwirte nahestehenden Presse in der vornehmsten Weise gegen politische Gegner polemisiert wird. Redner geht auf frühere politische Parcei- kämpfe ein. Schon damals waren verschiedene Rich tungen im National-Libcralismus vorhanden. Ich habe niemals gesagt, daß diese Partei vernichtet werden muß. Sonst hätte ich sie doch nicht unter stützt. Im Bunde der Landwirte haben wir versucht, die Bismorckschc Wirtschaftspolitik wiederhcrzustellen. Führende Männer der Nationalliberalen haben Ebren- stellen im Bunde eingenommen. Durch die Erb anfallsteuer wäre der ganze Besitz getroffen worden. Der gesunde Sinn des Bauernstandes hat diese Gefahr erkannt und fick dagegen gewehrt. Unire Landwirtschaft bangt vor jedem neuen Handels vertrag, denn diese Verträge werden nur aus ihre Kosten gemacht. Die Behauptung, ich habe den Fürsten Bülow gestürzt, steht auf der gleichen Höhe wie die übrigen Behauptungen des Abg. Fuhr mann. Fürst Bülow stürzte durch seine eigene Politik oder durch die Schuld seiner liberalen Freunde. Ach habe im Gegenteil dem Fürsten Bülow zugerebet, nicht mit dem Zentrum in dauern der Feindschaft zu leben. In den Stichwahlen treten wir unter allen Umständen gegen die Sozial demokratie ein. In der Hauptwahl werden wir aber nur verläßliche Landwirtschaftssrcunde wählen. Aus die persönlichen Angelegenheiten, die Abg. Fuhr mann vortrug, gehe ich nicht ein. Abg. Fuhrmann vergesse nicht: Wer schimpft hat Unrecht. Abg. Gothein (srs. Vgg.) berichtigt seine frühere Polemik gegen Proft Suchsland-Halle und sucht gegen über dem Äbg. Böhme seine Ausführungen über die Leistungsfähigkeit der dänischen und englischen Land wirtschaft aufrecht zu erhallen. Abg. Hahn über alle ohne Ausnahme, mich in der Erfüllung meiner Aufgaben zu unterstützen. Wir haben alle ein Interesse daran, daß unsre Geschäfte würdig geführt und daurch das Ansehen des Reichstages gewahrt wird. Indem ich die Wahl annehm, spreche ich dem Herrn Vizepräsidenten Spahn im Namen des Hauses den wärmsten Dank aus. Die Wetterberatung des Etats für dasReichs- amt des Innern wird fortgesetzt. Abg. Böhme (b. k. Fr.) erklärt, der Bauern bund wird unverrückbar an seinem Programm der Schutzzollpolitik festhaltsn und zwar an dem Zoll tarif von 1902. Deutschland wird seinen Bedarf an Fleisch und Getreide in absehbarer Zeit decken können. Redner geht auf die neulichen Äußerungen des Abg. Hahn ein und sucht diese zu widerlegen. Eingehend äußert er sich über die Erbanfallsteuer, die er für im Interesse der Bauern und des Mittel standes liegend hält. Abg. Fuhrmann (nat.-lib.) wendet sich eben falls gegen den Abg. Hahn und den Bund der After». "Die chinesische Regierung gibt in einem Erlaß an die Gouverneure bekannt, daß die Expedition nach Tibet von Erfolg begleitet gewesen sei. Der aufsässige Dalai- Lama sei entthront und das Land werde in kurzer Zeit wieder beruhigt sein. England und Rußland, die sich völlig neutral gehalten haben, hätten damit Chinas Recht auf Tibet vorbe haltlos anerkannt. "Wie aus Konstantinopel gemeldet wird, sieht man in dortigen Perserkreisen auf Grund von Nachrichten ans Teheran und andern wich tigen Orten Perstens bezüglich der Ver hältnisse im Reiche des Schahs wieder äußerst schwarz. Das Finanzelend sei unbesieglich. Bares Geld fehle in den Staatskassen voll ständig, Abgaben und Steuern flössen kaum ein. Infolge der Unsicherheit und Unbeständigkeit der konstitutionellen Regierung faßten die Anhänger der alten Regierung wieder Mut und hofften, daß ihre Zeit doch noch und bald kommen werde. Namentlich unter der Geistlichkeit agi tiere man, begünstigt durch die Verhältnisse, von neuem mehr oder minder eifrig für die Rückkehr zur alten Regierungsweise. K 6me titellose 6elckicbte. lüj Von Eugen Osborne. (Fortsetzung.) „Bist du von einem Dämon besessen?" fragte der Blonde, indem die beiden Herren einer der tiefen Fensternischen zufchritten. »Ich bitte dich, hör' mich nur einen Auqen- blick an " und eS entspann sich eine lebhafte, von Setten des Brünetten mit vielen Gesten begleitete Unterredung, die aber mit so leiser Stimme geführt wurde, daß kein Dritter ein Wort davon hören konnte. Der Rest des Konzerts interessiert uns nicht. Genug — es ging zur allgemeinen Zu friedenheit vonstatten. Nachher wurde ein kleiner Ball improvisiert, auf dem Fräulein von Kriegsheims Reisegefährte mit so viel Ent schiedenheit als deren Courmacher auftrat, als es der Anstand nur erlaubte. Er tanzte einfach «m mit ihr, und eine Franyaise mit Adelheid. Die übrige Zeit hielt er sich stets irgendwo in ihrer Nähe auf und ließ sie nicht aus den Augen. Sein blonder Freund hielt sich etwas mehr zurück, doch mußte ihm wohl daran liegen, Adelheids eigene Ansichten kennen zu lernen, denn er versuchte es, sie in eine Unter haltung zu verwickeln, so oft er sich Bahn durch die Trabanten der vielbewunderten jungen Frau brechen konnte. Der Abend endete mit allseitiger guter Laune. Len folgenden Tag machten der Baron von Guntzlow und Herr Sonnenseld bei Frau von Gundlingen Vistte. 8. Graf von Griesheim-Pattenberg, Ex-Kammer- herr Sr. Majestät, hatte unterdessen B. auf einige Zeit verlassen und war nach Ems ab gereist. Nach kurzem Aufenthalt daselbst wollte er noch die Güter inspizieren; seine eigenen und die seiner Mündel. (Böse Zungen wollten be haupten, daß er diese beiden Begriffe auf eine merkwürdige Weise verwechsele.) Die ganze Expedition mußte wohl zwei bis drei Wochen dauern, und eben auf diesen Umstand hatte die Nichte ihren ganzen Plan gebaut, und hatte darin die Gelegenheit zur Ausführung ihres un verantwortlichen Streiches gefunden. Den drei- undzwanzigsten Juni war der Onkel abgereist. den oierundzwanzigsten verließ die Nichte sein Haus, um eine ganz andre Richtung einzu schlagen. Von dem Tage ihrer Verlobung an waren die Reibungen zwischen Fräulein von K iegsheim und ihrem Verlobten ziemlich häufig vorgekommen; es gehörte nur ein ganz klein wenig guter, oder vielmehr böser Wille von fetten des jungen Mädchens dazu, um bei ihrem letzten Zusammensein die „Meinungs verschiedenheit" in einen ganz gehörigen Zank ausarlen zu lassen. Als alio der junge Mann den folgenden Tag vor dem Hauie seiner Braut erschien, um der Gebieterin seines Herzens die pflicht schuldige Aufwartung zu machen, war er wenig erstaunt über die Botschaft, die ihm das Kammer mädchen mit sehr ehrfurchtsvoller Miene ent gegenbrachte : Das gnädige Fräulein hätte sich in dem ver ödeten Hause sehr gelangweilt, und demzufolge eine Spazierfahrt und einige Besuche unter nommen, von denen es vor spät abends schwer lich zurückkehren dürfte. Der Bräutigam entfemte sich, ohne weitere Fragen zu stellen, und auch ohne sich viele Sorgen zu machen. Er war so ziemlich davon überzeugt, daß seine Braut von allen Schön heiten der Welt die allerverwöhnteste und kapri ziöseste sei; er hielt also die Abweisung, die er erfahren, für eine Nachwirkung der gestrigen kleinen Szene, und nahm sich dieselbe nicht be sonders zu Herzen. Den folgenden Tag bedauerte das gnädige Fräulein, niemand empfangen zu können, weil eine heftige Migräne es ans Bett fesselte. Die Migräne war hartnäckig und wollte auch den dritten Tag nicht weichen. Herr von Stein fand, daß der Spaß etwas zu weit getrieben würde, und blieb mehrere Tage ganz aus. Als er sich wieder einstellte, vernahm er, daß Fräulein von Kriegsheim nicht zu Hause sei; das unvermeidliche Kammer mädchen erschien und meldete ihm mit einer Miene respektvoller Ergebenheit, das Fräulein hätte die Einladung einer Freundin angenommen, einige Wochen auf dem Lande in der Umgebung von B. zu verbringen; es würde wohl schwer lich früher zurückkehren, als der Herr Graf von seiner Reise. Die Jungfer nannte aufs Geratewohl den Namen eines Gutes und einer Familie, aber Herr von Stein hörte kaum darauf. Er war entrüstet. Erstens glaubte er gar nicht an die Abwesenheit seiner Braut; zweitens kam es nicht darauf an, ob dieselbe wahr oder fingiert war, sein Stolz und seine Liebe waren in beiden Fällen empfindlich be leidigt. Er war viel zu sehr Gentleman, um seinen Gefühlen in Gegenwart der Dienstboten irgend welchen Ausdruck zu verleihen, aber er entfernte sich mit dem festen Vorsatz, keinen Schritt mehr zu tun, um sich seiner Brant zu nähern, sondern zu warten bis zm Rückkehr des Vormunds, dann wollte er sehen, ob mit diesem gemeinschaftlich sich etwas zur Zähmung der Widerspenstigen tun lasse. So vergingen einige Wochen; der Tug der Rückkehr des Grafen konnte nicht mehr fern sein. Herr von Stein hatte die Zwischenzeit m unbehaglicher Stimmung zugebracht. Seine be leidigte Eigenliebe sagte ihm, daß er eine Braut eigentlich aufgeben müsse, die ihn auf so rück- sicktslose Weise behandelte. Darin hatte er recht, denn wenn auch kein großes Genie, so war er doch ein durch und durch rechtlicher Mann und verdiente durchaus keine Gering schätzung; aber eine wirkliche Zuneigung zog ihn immer wieder hin zu dem schönen Mädchen. Zwei- oder dreimal hatte er sich, seinem Ent- ichluß zum Trotz, dem Hause genähen, das seiner Meinung nach Fräulein von Kriegsheim noch immer bewohnte, aber die Erinnerung an das insolente Kammerkätzchen hatte ihn jedesmal zur schleunigen Umkehr gebracht. So harrte er in Halb- ärgerlicher, halb schmerzlicher Spannung der Entwickelung, die keinenfalls lange mehr aus- bleiben konnte. Eines Morgens stand er eben im Begriff, sem Frühstück einzunehmen, als ihm ein Brief überreicht wurde. Helene schrieb:
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