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Allgemeiner Anzeiger : 29.01.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-01-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191001298
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100129
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1910
-
Monat
1910-01
- Tag 1910-01-29
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Monat
1910-01
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Jahr
1910
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- Allgemeiner Anzeiger : 29.01.1910
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Riautschou. Die Denkschrift über unser asiatisches Schutz gebiet Kiantschou ist jetzt dem Reichstage zu gegangen. Daraus ist erfreulicherweise zu ent nehmen, daß das Jahr 1909 auch diesem Kolo nialgebiete eine entscheidende Besserung der Lage gebracht hat. Die Entwertung des Silber- und Kupfergeldes, die sich 1908 lähmend bemerkbar machte, hält zwar noch immer an, aber es sind gegründete Aussichten vorhanden, daß die Krise bald überwunden ist. Als Gesamtergebnis der Entwickelung im letzten Jahre ist festzustellen, daß das deutsche Schutzgebiet, das von der Handelskrise der Vor jahre an sich schon weniger schwer betroffen worden war als die andern großen Stapel plätze des Ostens, jene Krists leicht und in verhältnismäßig kurzer Zeit überwunden hat. Diese Tatsache darf man gewiß als ein Zeichen für die gesunde Grundlage ansehen, auf der die Entwickelung der Kolonie aufgebaut ist. Der Gesamtwert des Handels ist von 49 704 985 Schilling im Jahre 1907/08 auf 65 019 877 Schilling, also um 15 314 892 Schilling gestiegen. An der Steigerung sind alle Gebiete des Handelsverkehrs, besonders die Ausfuhr, beteiligt. Die Gesamtausfuhr stellte sich auf 26 449 426 gegen 18 416 548 Schilling im Vorjahre. Der Ernteaussall in der Provinz Schantung, der im Vorjahre zu der Verschlechterung der Geschäftslage wesentlich beitrug, hat sich günstiger gestaltet. Trotz der Trockenperiode haben die Ernten im Hinterlande noch mittlere Erträgnisse gehabt. i Der Ausbau des Bahnnetzes im Hinter lande hat erhebliche Fortschritte gemacht. Im Frühjahr 1910 soll die Anschlußbahn Tientsin— Tetschau eröffnet werden, auf den übrigen Strecken sind die Arbeiten im Gange. Mit dem Bau der mächtigen Brücke über den Hoangho wird nächstens unter deutscher Leitung begonnen werden. Die deutsche Schantung-Eisenbahn weist eine erhebliche Steigerung des Güter verkehrs auf, sodaß trotz des starken Sinkens des Silberkurses wiederum die Verteilung einer Dividende von 4^ Prozent auf das Anlage kapital von 54 Millionen Mark möglich war. Besonders bemerkenswert erscheint hierbei die Zunahme des Steinkohlenverkehrs der Eisenbahn, die ihren Grund hat in Steigerung der Förder mengen in den Kohlenfeldern bei Weihsien und im Poschan-Tal. Mit dieser gesteigerten Förderung ist aber auch eine Verbesserung der Qualität der Kohle Hand in Hand gegangen, insbesondere der Hungschan-Kohle, die nach den inzwischen sowohl seitens der Handelsschiffahrt als auch der deutschen Marine gesammelten Erfahrungen sich als gute Schiffskohle bewährt. Die Einnahmen des chinesischen Ssezollamts haben wieder eine außerordentliche Zunahme zu verzeichnen. Der Schiffsverkehr des Tsingtauer Hafens ist von 432 Schiffen im Jahre 1907/08 auf 511 Schiffe angewachsen. Der Gesamtbetrag der eigenen Einnahmen des Schutzgebiets beläuft sich im Berichtsjahre auf 2 399 000 Mk. (gleich 19,5 Prozent Steige rung gegen das Vorjahr). Das Verhalten der chinesischen Kaufmann schaft zur Kolonie ist ein zuversichtliches, was aus der Gründung einer chinesischen Handels kammer und einer Zweigniederlassung der chinesischen Staatsbank in Tsingtau hervor geht. Auch fremde Nationen begründen von Jahr zu Jahr mehr neue Zweig niederlassungen. Wie wichtig die Kolonie ein geschätzt wird, zeigt auch der Umstand, daß große fremde Schiffahrtslinien Kiautschou auf ihren direkten Fahrten nach Europa anlaufen. Der direkte deutsche Frachtdampferverkehr nimmt ebenfalls zu. Schule und Mission haben erfolg reich gearbeitet, die deutsch-chinesische Hochschule, die am 25. Oktober 1909 eröffnet wurde, ent- - . wickelt sich gut. 110 Schüler sind bereits aus genommen worden. Das Bild, das die Dent« tchrift von der Entwickelung unsrer ostasiatischen Kolonie entwirft, ist also ein durchaus erfreu liches. politische Kunälckau. Deutschland. * Allem Anschein nach werden die Blätter, die immer wieder die bevorstehende Begegnung zwischen Kaiser Wilhelm und dem Präsi denten Falliöres in Monaco anzukündigen wußten, sich in Kürze von ihrem Irrtum über zeugen können. Denn nach einer halbamtlichen Erklärung wird Kaiser Wilhelm der Einladung des Fürsten Albert von Monaco zur Teilnahme an der Einweihung des ozeanographischen Museums nicht Folge leisten. *Der Großherzog von Sachsen- Weimar und Eisenach hat die ihm aus Anlaß seiner Vermählung überreichte Landes spende in der Höhe von 132 000 Mk. aus eigenen Mitteln auf 200 000 Mk. erhöht. * Aus angeblich gut unterrichteter Quelle wird berichtet, der Staatssekretär des Äußern, Herr v. Schön, werde demnächst von seinem Posten zurücktreten und als Botschafter nach Paris gehen. Von dem Rücktritt des Staatssekretärs wurde schon gelegentlich des Kanzlerwechsels gesprochen und es ist nicht aus geschlossen, daß das Gerücht diesmal auf Tat sachen beruht. * Der frühere Chef der Reichskanzlei Exzellenz v. Löbell, der beim Scheiden aus der Reichskanzlei zum Oberpcäsideuten von Brandenburg ernannt wurde, hat, ohne dieses Amt anzutreten, krankheitshalber seinen Ab schied aus dem Staatsdienst genommen. * Nachdem der Wirtschaftliche Aus schuß, der im Reichsamt des Innern tagte, von den zwischen Berlin und Washington in der Handelsfrage geführten Verhandlungen Kenntnis genommen und dabei die Vollständig keit des darüber vorgelegten Materials anerkannt hatte, sprach er seine völlige und uneinge schränkte Billigung des Vorgehens der ver bündeten Regierungen aus. Wegen der weiteren Behandlung der Angelegenheit beschloß der Ausschuß die von den verbündeten Regie rungen bisher eingehaltenen Richtlinien nicht zu verlassen. Österreich-Ungar«. * Der neue ungarische Ministerpräsident Khuen-Hedervary hat im ungarischen Abgeordnetenhause sein Programm entwickelt, dessen wichtigster Punkt die Ankündigung des allgemeinen Wahlrechts ist. Der neue Herr ist von einem großen Teil der Abgeordneten nichts weniger als liebenswürdig begrüßt worden. Es kam sofort nach Beginn der Sitzung zu so stürmischen Auftritten, daß der Präsident eine längere Pause eintreten lassen mußte. Der Ministerpräsident konnte seine Rede nur unter allgemeinem Lärmen halten. England. *Nach amtlichen Erklärungen in London wurden in der ersten Wahlwoche gewählt: 221 Unionisten, 203 Liberale, 33 Mitglieder der Arbeiterpartei und 69 Nationalisten. Die Ge winnziffern der Parteien sind unverändert. Sie lassen immer deutlicher erkennen, daß es mit der liberalen Mehrheit ohne die Unter stützung der Arbeiterpartei endgültig vorbei ist. Auch die zuversichtlichsten Liberalen sind über diesen Ausgang der Wahlen sehr bestürzt. Ftalieu. *Die Stadt Neapel hat den ehemaligen Reichskanzler Fürsten Bülow zur Teil nahme an der Gedächtnisfeier für den deutschen Naturforscher Dohrn, den Gründer der Zoo logischen Station, geladen. Fürst Bülow sagte in seiner Erwiderung, dir Ehrung Dohrns sei s ein neuer Beweis jener Freundschaft der beiden verbündeten Völker, die eines der Hauptziele seiner Politik gewesen sei. Baltaustaate«. * Die türkische Kammer hat das An> erbieten der Prinzessin Na-imeh, einer Tochter des verstorbenen Sulians Aod ul Az'z, ange nommen, die ihr Palais am Bo-oor-s der Kammer zur Verfügung stellt. Das Parlament hörte dann die Ausführung des neuen Groß wesirs Hakki-Pascha an, der bei der Bildung seines Kabinetts so große Schwierig- keuen zu überwinden hatte. Der neue Grotz- wefir erklärte, die Regierung werde für Ruhe und Sicherheit im Innern und für gute Be ziehungen mit den fremden Staaten Sorge tragen. Dem neuen Leiter der Politik sprach die Mehrheit der Kammer das Vertrauen aus. Amerika. * Das Parlament von Kanada hat mit großer Mehrheit beschlossen, schnellstens mit dem Ausbau einer eigenen Flotte zu be ginnen, die nötigenfalls dem Mutterlands zur Verfügung gestellt werden soll. — Die Be schlüsse der Londoner Reichskonferenz, die sich im wesentlichen mit den Kolonialflotten befaßten, find nun in allen englischen Kolonien zur Durch führung gelangt. Deutscher Keickstag. Am 25. b. steht auf der Tagesordnung der südwe st afrikanische Nachtragsetat. Abg. Semler (nat.-lib.) erstattet Bericht über die Verhandlungen in der Budgetkommission. Abg. Erzberger (Zentr.) erkennt an, daß Staatssekretär Dernburg in der Diamantengewinnung und -Verwertung eine geschickte Hand bewiesen hat. Meine Freunde können der Kolonialpolitik des Herrn Dernburg, der ja wohl bald Herr von Dernburg sein wird (Heiterkeit; der Staatssekretär macht abwehrende Bewegungen) im großen und ganzen zustimmen. In Einzelheiten kann man ja natürlich gleichwohl anders denken. Die Art der Angriffe auf den Staatssekretär aus Südwestasrika selbst mißbilligen wir ganz entschieden. Die Rechte der Kolonialgesellschaft sind tatsächlich unangreifbar, wie sehr cs auch bedauert werden mag, daß diese Gesellschaft es verstanden hat, seit den 80er Jahren immer mehr die auf ihr lastenden Pflichten ab zuwälzen. Gerade die über das ganze Diamanten gebiet seit Oktober 1908 verhängte Sperre, derenthalben man den Staatssekretär so heftig angegriffen hat, war eine seiner vernünftigsten Maßnahmen. Was wird aber im April 1911 geschehen? Wird die Sperre verlängert werden? Es bedarf nicht mehr der großen Konzessionen und Sonderbcrechtigungen, denn der Wagemut des deutschen Kapitals, in den Kolonien sich zu betätigen, ist jetzt auch schon ohne solche Anfcuerung groß genug. Namens des Zen trums erkläre ich, daß wir mit dem Grundgedanken der Maßnahmen des Staatssekretärs einverstanden sind. Staatssekretär Der n b urg: Die Diamanten- srage hat die Verwaltung vor eine große Aufgabe gestellt, groß wegen der schnellen Entwickelung, die diese Dinge genommen haben und die mich selbst überrascht bat. Maßgebend waren für mich die Ge danken: Monopolisierung, Beschaffung von Ver kaufsmöglichkeit und damit HochhaUung der Preise. Es ist bedauert worden, daß der Kolonial» gescllschaft so große Rechte verliehen wurden. Das war nicht anders zu machen. Herr Erzberger billigt den kaufmännischen Geist, wünscht aber diesen einzuschränken, obwohl ein kaufmännischer Geist sich nur in der Freiheit entwickeln kann. Es ist Zeit, daß die Diamantenfrage als «Sensation von der Tagesordnung verschwindet. Seit Jahren habe ich mit Damen keine andre Unterhaltung pflegen können. Mit der Kolonialgesellschaft ist ein neues Abkommen getroffen worden. Ich habe Frieden gemacht mit der Gesellschaft und will an diesem Frieden festhalten. Es ist die Frage aufgeworfen worden, wie es zu einer solchen Mißstimmung in Südwestafrika kommen konnte. Zwei Momente kämen da in Betracht: die in der Kolonie ansässige Preste und die Beamten. Dies hat mich am meisten verletzt. Man sollte in Südwestasrika bedenken, was Wir alles getan haben: das Landmonopol ist ge brochen, das Bergbaumonopol beseitigt. Aber das Schlimmste war das Verkehrsmonopol, deshalb mußten wir ein eigenes Bahnnetz schaffen. Meine Ausgabe ist zu groß, als daß ich mich von Angriffen irgendwelcher Art berührt suhlen könnte. Abg. Arning (nat.-lib.): Die Diamantenfunde haben nicht nur rosige Bilder hervorgezaubert, sondern sie haben Zustände geschaffen, die höchst be- s bäuerlich sind. Das Großkapital ist statt in unsre j Kolonien nach Südamerika usw. gegangen. Redner ! bespricht die nationalwirtschastlichen Maßnahmen des ! StaaissckretärS: die Zölle, die Regie und die j Sperre mi zustimmenden Sinne. Alle aus den s Diamanten erzielten Einnahmen wollen wir für die ' Hebung des Landes sechst, für den Bahnbau an- legen. Dem Bundesrat sollte ein Mitberalungsrecht ! eingeräuml werden. ! SmatSMelär Dernburg läßt sich noch kurz über die Pomonafrage «uS und die hierüber er statteten Gutachten. Abg. Frhr. v. Richthosen stons.): Der Be schluß der Budgetkommission ist nur so zu verstehen, daß Win durchaus bereit sind, neues Material ß«Mau zu prüfen. Zu einer Verstimmung, daß das PelitionS- recht irgendwie verkürzt werden soll, liegt keine Ver anlassung vor. Die Diamantenpolitik des Staats sekretärs billigen wir. Abg. Arendt (freik.) beantragt Rückvernreisturz des 81 an die Budgetkommission zu erneuter Prüfnnz der Frage. Abg. Ledcbour (soz.): Von einer allgemeinen Billigung der Kolonialpolitik des Staatssekretärs kann nicht die Rede sein. Aber die Form der aus Südwest kommenden Depesche war zu mißbilligen. In der Rechtsfrage sind alle bürgerlichen Parteien umgefallen aus Angst, das Kapital könne abgeschreckt werden. Sobald sich freilich Herr Dernburg au/ den kapitalistischen Standpunkt stellte, ging er korrekt vor. Eine Maßregelung der Absender der Depesche würden wir nicht billigen. (Zuruf: Singer!) Smger hat in der Kommission nur ironisch gemeint, die würden jetzt wohl gekattowitzt werden. Das Recht der freien Meinungsäußerung darf nicht angetastet werden. Die neuerschlossenen Einnahmen sollten ausschließlich zur Abtragung der Kolonialschuld ver wendet werden. Der Verwendung zu Kolonialbahn bauten widersprechen wir. Nicht geduldet sollte werden, daß Mitglieder des Aufsichtsrats von kolo nialen Erwerbsgescllschaften dem Reichstage an gehören. Staatssekretär Dernburg tritt einzelnen Lxße- rungen des Vorredners entgegen und bemerkt gegenüber dem Abg. Frhrn. v. Richthofen, eine neue Diskussion über den abgeschlossenen Vertrag sei nicht notwendig. Abg. Arendt zieht seinen Antrag zurück. Paris unter Äusser. Eine Überschwemmung, wie sie Paris seit Jahrzehnten nicht erlebt hat, setzt die ganze französische Hauptstadt in Aufregung. Durch das Hochwasser der Seine ist der weltberühmte Funkentelegraphieposten des Eiffelturms voll ständig überschwemmt worden. Das ganze Personal mußte den Dienst verlassen. Der Direktor der Eiffelturmgesellschaft erklärte zwar, dies sei durchaus unbedenklich. Für den Turm sei keine Gefahr, selbst wenn die Pfeiler voll ständig im Wasser stünden. Vor dem Pariser Justizpalast ist eine erhebliche Bodensenkung zu verzeichnen. Die Bewohner des völlig über schwemmten Bois de Boulogne, eines vor nehmen Ausflugsortes, sind vom Verkehr mit Paris fast völlig abgeschnitten. In der Depu tiertenkammer mußte für die Sitzungstage mangels elektrischen Stromes die alte Gas beleuchtung in Dienst gestellt werden. In den Wandelgängen behalf man sich mit Petroleum lampen. Die Kammersttzungen aber sind in Frage gestellt, da auch die Gasleitung zu ver sagen droht. Im Justizpalast und im Polizei- gefängnis versagen die Heizungsapparate. Der Verkehrsminister Millerand besuchte im Auto mobil die am schwersten bedrohten beiden Seine- ufer. Der Minister fand, daß die Lage überall bedrohlich ist. Auch aus der weiteren Um gebung der Hauptstadt kommen trostlose Nachrichten. In den Schneiderschen Waffenwerkstätten in Creuzot ruht die Arbeit vollständig. Trostlos ist das Bild, das die Strecke zwischen dem Stadtbahnhof vom Austerlitzbahnhof der Orleans bahn aus bietet. Zwei zurückgebliebene elek trische Lokomotiven stehen bis zur halben Höhe im Wasser. Durch die Tunnelgitter ergießt sich die Flut. In den Vororten von Paris sind infolge der immer steigenden Flui Tausende von Personen ohne Obdach. Das Schlimmste aber ist, daß die Behörden keine Mittel haben, um den Plünderungen zu wehren, denen die flüchtenden Bewohner von feiten des Pariser Verbrechertums ausgesetzt sind. Von I^ak und fern. Die Genickstarre. In Paderborn er- ! krankten zwei Soldaten des Infanterie-Regi- ments Nr. 158 an Genickstarre. Alle Vorsichts maßregeln gegen die Weiteroerbreitung sind ! getroffen. Oi AuKeräien Mick. 10^ Erzählung von Fritz Reutter. , ISchluK.) „Das hatte ich auch nicht beabsichtigt/ sagte Karl. Nach dem Frühstück befragte ihn der Konsul, was er nun im Sinne hätte. Die Straßen böten für Ausländer nicht Sicherheit genug, während der Nacht hätten die Insur genten die Garnison nach dem Marktplatz zu rückgetrieben, und obgleich sie sich mit Tages anbruch zerstreut, befände sich die ganze Stadt doch in größter Aufregung und Unsicherheit. „Ich hätte im Sinne, Ferreira meine Auf wartung zu machen, ihm einen Morgenbesuch abzustalten/ sagte Karl. „Sie wissen, er schul det mir noch eine Entschuldigung." Koller starrte ihn ungläubig an. „Wirklich ?" „Warum nicht?" „Aber ist es klug?" „Das ist Ihr Geschäft, Herr Konsul/ lachte Karl. „Wozu nützt ein Konsul, wenn er seine Landsleute nicht vor ungerechter Verhaftung und allen möglichen Ungebühren schützen kann?" „Es klingt ja nicht so unrecht, was Sie sagen," versetzte Koller nachdenklich. „Wenn Sie entschlossen sind, in der Stadt zu bleiben." „Ich muß diese Geschichte zu Ende führen." „In diesem Falle ist's allerdings das beste, wenn Sie sofort mit Ferreira ins reine tommen. Aber wir wollen das vorschriftsmäßig aus führen. Ich will an ihn schreiben und ihn wichtiger Staatsgeschäfte halber um eine offi zielle Audienz ersuchen, und unterdessen, muß ich noch einige Depeschen erledigen für den Fall, daß die Unruhen sich wiederholen sollten." Ferreira antwortete zu Karls boshafter Freude, daß er den Herm Konsul im Laufe des Nachmittags geme empfangen würde. Zur festgesetzten Stunde schritten sie dem Platze zu, um den Besuch abzustatten. Dort trieben sich, wie gewöhnlich, die Soldaten müßiggängerisch herum und es dünkte Karl, als ob ihn einige ganz besonders scharf beobachteten: aber ohne jeden Anstand und ohne jede Verzögerung wurden sie vor den Gouverneur in ein altes Zimmer geführt, wo sich auch Tenor Elias wieder befand. „Guten Tag, meine Herren," sagte Karl leise. „Sie?" Ferreira sprang auf und alles Blut schoß ihm in den Kopf und seine Hand fuhr nach dem Degen. „Zu Ihren Diensten. Ich komme, um mir die Entschuldigung zu holen." Auf dem breiten Gesicht des Generals malten sich in rascher Folge alle möglichen, sich wider- streitenden Erregungen — Zweifel, Überraschung, Verlegenheit und Wut, bis schließlich die letztere ihn übermannte und er mit der Hand nach der vor ihm auf dem Tisch stehenden Glocke fuhr. „Entschuldigen Sie," warf Koller dazwischen und trat näher. „Ich möchte Ihnen raten, Exzellenz, nicht Unüberlegtes zu tun. Dieser Herr hier, der sich seiner ungerechtfertigten Ver haftung wegen über Sie zu beklagen hat, ist mein Gast und mein Freund und ein deutscher Untertan — Herr Karl Nippold, Legations- sekretär in Panama." Ferreira schien nicht zu verstehen. .Aber Tovar? Ich zweifle nicht an dem, was Sie sagen, Tenor, nur — ?" „Ich habe mit Tovar absolut nichts zu schaffen," sagte Karl. „Vielleicht gerade infolge Ihres Irrtums, den Sie nicht einsehen wollten, ist es Tovar bereits gelungen, den Befehl über die Armee der Revolutionäre zu übernehmen." „Und Sie?" stieß der Gouverneur wild hervor. „Wenn Sie nicht Tovar sind, so sind Sie sein Mitverschworener. Sie haben Ihre Freunde unter den Rebellen, die Ihnen zur Flucht aus dem Gefängnis verhalfen. Das Annen Sie nicht leugnen und solange ich noch über diese Stadt gebiete —" Wieder fiel ihm der Konsul ins Wort. „Er lauben Sie, daß ich Sie an meine vorige Er klärung erinnere," sagte er voll Würde. „Im übrigen telegraphierte ich heute früh an unsern Generalkonsul in Panama und bat ihn, die nötigen Schritte zu tun, um unsre deutschen Interessen hier zu schützen. Eben habe ich Lie Antwort erhalten, daß „Die Wespe", Seiner Majestät Kanonenboot, das im Augenblick in Panama vor Anker liegt, morgen abend in Sam- pacho eintreffen wird. Unter diesen Umständen möchte ich nur wünschen, daß diese unglückselige Geschichte hier in diesem Zimmer geschlichtet wird." Ferreira sah jetzt ein, daß er sich, ob er wollte oder nicht, bei seinem früheren Gefangenen zu entschuldigen hätte. Und er tat es auch mit vollem Ernst. Nicht nur versprach er ihm, seine Reisetaschen ins Konsulat schicken zu wollen, sondern erbot sich auch, ihm einen Paß auszu stellen, um ihn, wie er sich ausdlückte, vor jeder weiteren Unannehmlichkeit von feiten scharfäugiger Soldaten zu schützen. Damit schloß dieses Ereignis. Karl hatte Genugtuung erhalten und die andere Seite hatte einen vorzüglichen Anlaß gehabt, dem deutschen Konsul gegenüber sich zuvorkommend und höflich zu erzeigen. Als sie davongingen, eilte em mit Schmutz und Staub bedeckter Eilbote an ihnen vorüber nach der Wohnung des Gouverneurs. Auf dem Platze und in der Calle Mayor hatten sich die Soldaten in Reih und Glied ausgestellt, und von einem derselben erfuhr der Konsul, daß von der Front wichtige De peschen eingetroffen wären, welcher Natur aber, wollte oder konnte der Mann nicht sagen. Spät am Nachmittag verbreitete sich das Gerücht, das auch allgemein geglaubt wurde, in der Stadt, daß die Tovariten im Gefecht am gestrigen Abend die berühmten Gewehre und Kanonen erbeutet hätten. „Wenn das wahr ist," sagte der Konsul, „so werden sie innerhalb acht Tagen vor der Haupt stadt stehen." Während der nächsten drei Tage folgten ine Ereignisse Schlag auf Schlag. Zuerst versuchten die Rebellen einen mitternächtlichen Angriff auf das Schloß und begegneten dort von seiten des fast allzu willfährigen Kommanoanten so ge ringem Widerstand, daß sie es einnahmen und besetzten. Vom Kriegslager trafen gute Nach richten ein. Juan Tovar halte den Oberbefehl der Aufständischen übernommen, alle Eifersüchte leien waren für den Augenblick beschwichtigt, die ganze Armee hoffte zu siegen. Endlich am dritten Tag traf eine glaub»
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