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Allgemeiner Anzeiger : 15.01.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191001159
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19100115
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19100115
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1910
-
Monat
1910-01
- Tag 1910-01-15
-
Monat
1910-01
-
Jahr
1910
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 15.01.1910
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Segen Äre englischen flottenhetE. Mit einem bei den englischen Setzern gegen - Deutschland sehr deuten Mürchsn Hai jetzt ein halbamtliches Schreiben von deutscher Seite gründlich aufgeräumt. Vor längerer Zeit hatte die ,Daily Mail' nämlich mitgeteilt, sie wisse ans „zuverlässiger Quelle", daß bei festlichen Anlässen aus deutschen Schiffen stets auf den „Tag dsr Abrechnung mit England" getrunken werde. Prinz.Heinrich hatte damals sofort diese „zuverlässige Quelle" als die Phan tasie eines Redakteurs gebrandmarkt. Gleichwohl ist das Gerücht nicht verstummt. Daher wandte sich ein Londoner, der den Frieden zwischen beiden Ländern liebt und seit Jahren für ihn wirkt, direkt an Kaiser Wilhrlm und bat um Auskunft. Der Schreiber erhielt dieser Tage folgende Antwort, die vom Fre gattenkapitän v. Hollweg, dem Vorstand im Nachrichtenbureau des Reichsmarineamtes unter zeichnet ist: „Ihr Schreiben an Se. Majestät den Kaffer ist uns zur Beantwortung über wiesen worden. Ihre rühmenswerte Absicht, die antideutschen und lügnerischen Hetzereien der ,Daily Mail« zu bekämpfen, ist hier mit Interesse zur Kennt nis genommen worden. Obwohl die ganze Geschichte von dem Trinkspruch der deutschen Marineoffiziere auf „den Tag der Abrechnung" schon ihre verdiente Brandmarkung seitens der eng lischen Presse erhalten hat, wollen wir doch auf Ihren Wunsch hin bestätigen, daß diese Meldung nicht nur jeder Begründung entbehrt, sondern daß auch keinerlei Tatsache irgendwie besteht, dis als Grundlage für diese Falschmeldung hätte dienen können. Die deutschen Seeoffiziere, die die höchste Achtung für ihre englischen Kameraden hegen und eine ebenso große Meinung von ihren Fähigkeiten haben und die einen Krieg zwischen Deutschland und England als ein großes Unglück betrachten würden, müssen einen Trnüspruch dieser Art für ein ver ächtliches Stück Leichtfertigkeit halten. Außer dem würde die gute Erziehung jeden deutschen Marineoffizier veranlassen, einen solchen absurden Trinkspruch als eine grobe Geschmacklosigkeit zu betrachten, die zu begehen ihm sein Taktgefühl jederzeit verbieten würde. Übrigens sind die deutschen Offiziere überzeugt, daß ihre englischen Kameraden auch nicht im geringsten an die Möglichkeit geglaubt haben, daß dieser Trink- svruch irgendein Körnchen Wahrheit enthalten könnte. Nachrichten über Tatsachen, die Marine betreffend, können jederzeit bei uns eingeholt werden. Dagegen ist für rein politische Angelegenheiten das Auswärtige Amt die zuständige Stelle." — Diese Antwort kern deutscher Art läßt nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig und setzt durch die Schlußsätze auch die ins Unrecht, die die englische Hetze immer und immer wieder mit der angeblichen Heimlichkeit im deutschen Flotienbau rechtfertigen wollen. potttiicke kunälckau. Leuts»qtaad. * Das kaiserliche Hoflager ist von Potsdam für kurze Zeit nach Berlin übergefiedelt. *Wie verlautet, wird der Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg die aus Anlaß des italienischen Kabinettswechsels unterbliebene Nomreise Ostern antreten. *Die Thronrede, mit der Kaiser Wilhelm an: 11. d. den p r e u ß. L a n d - tag eröffnete, hebt hervor, daß sich die Finanzlage in Preußen langsam bessert, daß aber der Etatseutwurf gleichwohl mit einem beträchtlichen Fehchetrage schließt. Die Thronrede künoigt dann an, daß Gesetzentwürfe bett, die Fürsorge für die schulentlassene Jugend und das Fortbildungsschulwesen eingebracht werden sollen. Zum Schluß wird in der Thronrede erklärt, daß die Vorarbeiten zur Wahlreform nahezu fertig gestellt seien und daß der entsprechende Gesetzentwurf dem nächst dem Landtags zugehsn werde. Die Er wartung weiter Kreise, daß die Thronrede sich über das Wesen und die Art der Wahlreform verbreiten werde, ist also enttäuscht worden. *Jm bayrischen Abgeordneten hause erklärte bei einer Besprechung der Frage der Schiffahrtsabgaben Verkehrs minister v. Frauendorter, die bayrische Re gierung habe sich nicht der Notwendigkeit ver schlossen, daß die Lage der Finanzen dazu zwinge, den weiteren Ausbau der Wasserstraßen von der Heranziehung der Interessenten ab hängig zu machen. Bayern werde daher auch in Zukunft seinen ganzen Einfluß ausüben, um eine Lösung der Frage auf der Grundlage des preuß. Entwurfs baldigst herbei zuführen. Dsr Minister wandte sich namentlich gegen den von einem Abgeordneten erhobenen Vorwurf, als ob Preußen nicht bundesfreund- lich gehandelt habe. Preußen habe sich im Gegenteil durchaus bundesfreundlich gezeigt. * Die Jahresdenkschrift der Kolonialver waltung über die Entwickelung der Schutzgebiete in Afrika und in der Süd see (1908/09) ist in ihren einzelnen Teilen (Ver waltungsberichts der einzelnen Kolonien) bereits an den Reichstag gelangt. Der allgemeine Teil, der die Hauptbilanz unsrer Kolonial- Politik während des letzten Jahres zieht, wird demnächst folgen. Frankreich. *Das Parlament hat seine Arbeiten wieder ausgenommen. Die letzte Session hat begonnen, in der Senat und Kammer in ihrer jetzigen Zusammensetzung zu beraten haben. Das Oster fest fällt in diesem Jahre sehr früh, auf den 27. März. Das Parlament wird schon einige Tage vorher in die Ferien gehen und erst nach den Wahlen, die im Mai stattfinden, wieder zusammentreten. In der Kammer wird zunächst die Beratung des Budgets fortgesetzt, die erst Ende Februar schließen dürfte. Die Anhänger der Verhältniswahlen werden versuchen, noch einmal die Diskussion über dieWahlreform zu eröffnen. Unter den Interpellationen wird die über die Schulfragen das meiste Interesse finden. Im Senat soll das Gesetz über die Arbeiterpensionen zur Abstimmung ge bracht werden. Budget und Zolltarif werden den weiteren Stoff für die Verhandlungen bieten. Italien. "Zum Zeichen der russisch-italie nischen Freundschaft wurde nach der ,Voss. Ztg/ ein von 5000. Turinern, darunter Senatoren, Aristokraten und bedeutenden Kauf leuten und Industriellen, unterzeichnetes Huldi gungsalbum an den Zaren gesandt, worin der Wunsch ausgedrückt wird, daß zwischen Italien und Rußland „ewige" Freund schaft bestehen möge. Holland. * Eine internationale Konferenz über Sozialversicherung, auf der auch Deutschland vertreten ist, wird in den Tagen vom 5. bis 8. September d. im Haag statt finden. Auf der Tagesordnung steht: Über die Staaiszuschüsse zur Sozialversicherung; der ärztliche Dienst in der Sozialversicherung; Be ziehung zwischen Versicherungs- und Armenweseu. Die Arbeitslosenversicherung hat man nicht auf die Tagesordnung gesetzt, da man sie für eine internationale Besprechung noch nicht reif hält. Ruhland. * Während eines Vortrags des Finanz ministers Kokowzew beim Zaren äußerte dieser seinen Unwillen über die Beschlag nahme russischer Depots in Berlin in der Angelegenheit des Hauptmanns a. D. v. Hellfeld. Der Zar soll gesagt haben, falls der Arrest nicht aufgehoben werden sollte, würden künftig keine russischen Staatsgelder in Berlin mehr hinterlegt werden. Balkanftrmten. *Nach halbamtlichen Nachrichten ist das Befinden des gefangenen Exsultans Abd ul Hamid sehr ungünstig. Settdem er einen verunglückten Fluchtversuch machte, ist der Sultan in sich gekehrt und starrt stundenlang aus dem Fenster in den Park, der seine Villa umgibt. * Die türkische Ministerkrise kann als beendet gellen. Dsr frühere Botschafter in Rom, HakkiBei, ist Großwestr und der bisherige Generalissimus Mahmud SHefket hat, einem 'Wunsche der Jungtürken folgend, das Kriegsministerium übernommen. Damit sind alle Politiker der alten Türkei aus dem Kabinett ausgeschaltet. * Die griechische Regierung hat sich mit der geschäftsführendm Regierung auf Kreta dahin verständigt, daß die Jnselbevölke- rung auf die Erwählung kretischer Ab geordneter für die griechische Kammer vor läufig verzichte. Auf diese Weise kann Griechenland seine Kammsrwahlen vornehmen, ohne Verwicklungen mit der Türkei befürchten zu müssen. Deutscher Reichstag. Am 11. d. begrüßt Vizepräsident Spahn die Mitglieder des Hauses und wünscht einen erfreulichen Fortgang der Geschäfts. Auf der Tagesordnung sieht die Interpellation Linck, Pachnicke, Graf Bothmer betr. die mecklenburgische Berfassungsfrage. Staatssekretär Delbrück erklärt sich auf An frage bereit, sofort zu antworten. Abg. Linck (natl.) begründet die Interpellation. Am 15. Juni vorigen Jahres sei von dem Reichs kanzler und dem mecklenburgischen Bevollmächtigten erklärt worden, der bisherige Verlauf der Verfassungs- Verhandlungen in Mecklenburg bedeute noch keines wegs ein Scheitern derselben. Diese Auffassung habe sich mittlerweile als zu optimistisch hcrausgestellt. Daher sei es gebieterische Pflicht, die mecklenburgische Berfassungsfrage erneut im Reichstage aufzurollen. Um so mehr mit Recht, nachdem die Großherzöge selber den Ständen gegen über auf die Reichshilfe hingewiesen hätten. Die Reichsregierung und die mecklenburgische Ne gierungen müssen jetzt zu der so veränderten Sach lage Stellung nehmen. Die Ritterschaft habe bisher jeden Versuch, die Berfassungsfrage zu lösen, zum Scheitern gebracht. Jetzt müsse das Reich einschreiten. Das mecklenburgische Volk hoffe dies und erwarte, durch die heutigen Erklärungen des mecklenburgischen Bevollmächtigten nicht enttäuscht zu werden. Wir hoffen darauf, daß auch die Parteien, die sich bisher ablehnend verhalten haben, jetzt sich nicht mehr der Notwendigkeit verschließen, Mecklen burg von Reichs wegen zu helfen. Sollen die Großherzöge die von ihnen anerkannte Staats notwendigkeit unerfüllt lassen, weil die mecklen burgischen Ritter Widerstand leisten? Oder ist es nicht vielmehr ihre sittliche Pflicht, bei dieser Sach lage auch vor der ultima ratio der Staatsnoi- wendigkcüen, dem Gebrauch der Gewalt, der Okiohierung einer Verfassung nicht zurückzu schrecken?! Das Reich wird sich ein großes Ver dienst um Fürsten und Volk in Mecklenburg er werben, wenn cs hier eingreift. Möge das Reich seine Pflicht Mecklenburg gegenüber erfüllen zur Ehre des Reiches und zum Wohle Mecklenburgs. Staatssekretär Delbrück: Die mecklenburgische Verfassungssrage hat den Reichstag schon wiederholt . beschäftigt. Am 15. Juni hat der Herr Reichs- i kanzler "erklärt, daß die verbündeten Regierungen sich zu einem Eingehen auf die Wünsche der Inter pellanten nicht verstehen könnten und an der Hoff nung scsthielten, daß man in Mecklenburg selbst zu einer Ewigung kommen werde. Seitdem hat sich nichts geändert, als daß allerdings — bedauerlicher weise — die Verhandlungen auf dem mecklenburgischen Landtage gescheitert sind. Auch unter diesen Um ständen sind die Regierungen zu einem Eingreifen von Reichs wegen nicht gewillt und halten es nicht für zulässig auf Grund des Artikel 76. In Frage käme noch ein Einschreiten auf Grund des Artikel 78 der Reichsversassung. Im Namen der verbündeten Regierungen habe ich aber die Erklärung abzugcben, daß sie es nicht für an gängig halten, diesen Weg zu beschreiten, da dies mit den bundesstaatlichen Grundsätzen, auf denen das Reich beruht, unvereinbar erscheint. Mecklenburgischer Bevollmächtigter Frhr. von Brandenstein: Bei der gegenwärtigen Sach lage sehen sich die gryßherzoglichen Regierungen ! außerstande, ihren Standpunkt vom 15. Juni auf ¬ recht zu erhalten und ein Eingreifen des Reiches mit der Begründung abzulehnen, daß Aussicht auf eine Einigung mit den Ständen in Mecklenburg selbst vorhanden sei. Anderseits aber werden die großherzoglichen Regierungen ein Eingreifen des Reiches nicht beantragen, auch können - sie es nicht wünschen! Denn dem Eingreifen des Reiches stehen wichtige Bedenken entgegen, wie sie weben der Stellvertreter des Reichskanzlers darge legt hat. Gleichwohl legt die großhsrzoglich schwe- rinsche Regierung den heutigen Verhandlungen hohen Wert bei. Naniens der strelitzschen Negierung habe ich noch zu erklären, daß sie sich nicht veranlaßt sicht, auf den Inhalt der Interpellation näher einzugehen. Auf Antrag von links erfolgt Besprechung der Interpellation. Abg. v Treuenfels (kons.) erklärt, daß er und seine Freunde durchaus auf dem Boden der grundsätzlichen Erklärung des Stellvertreters des Reichskanzlers stünden. Das Scheitern der Ver handlungen im mecklenburgischen Landtage bedauere auch er, aber die Schuld ruhe durchaus nicht bei der Ritterschaft, sondern in erster Hinsicht bei den Regierungen. Mecklenburg habe ebensowenig wie ein andrer Bundesstaat das Verlangen, ein Vasallen staat zu werden und wünsche, ein gleichberechtigter Faktor zu bleiben. Abg. Pach nicke (frs. Vgg.) weist zunächst eine Unterstellung des Vorredners zurück, als ob die Interpellanten nur agitatorische Zwecke verfolgten und beleuchtet dann das Verhalten der großherzog- lichcn Regierungen, die erst die Finger drohend zur Faust geballt hätten und sie jetzt wieder in die Tasche steckten. Die V mecklenburgische Frage sei eine deutsche Frage. Es kann für unsre Wertschätzung im Auslande nicht gleichgültig sein, ob solche den Spott herausfordernde Gebilde, wie das mecklenburgische Staatsrecht, länger aufrecht erhalten bleiben. Der Herr Staatssekretär erklärt ein Eingreifen des Reiches für unverträglich mit den föderativen Grundlagen des Reiches. Dem gegenüber aber verweise er ihn auf die Professoren Labano und Zorn, auf die Schweiz, auf die Ver. Staaten. Cs führt jetzt kein andrer Weg mehr zum Ziele, als ein Einschreiten des Reiches. Redner schildert dann das nach seiner Meinung rückständige Verfassungsleben in Mecklenburg. Staatssekretär Delbrück: Die Herren Linck und Pachnicke haben von einer „bundessrcundlichcn Einwirkung" auf Mecklenburg gesprochen. Eine solche kann doch aber nur erfolgen auf die mecklen burgischen Regierungen. Aber mit diesen befand sich ja die Reichsregierung in Übereinstimmung. Es fehlt also an jeder Grundlage für eine hundesfreundliche Einwirkung. Ebenso sehlt cs an jeder Grundlage für ein Vorgehen auf Grund Artikel 76 der Verfassung. Und die An gängigkeit eines Vorgehens auf Grund von Artikel 78 gaben die verbündeten Regierungen jetzt wieder ein stimmig verneint. Ein bloße Anordnung — glauben Sie, daß diese von der Ritterschaft beachtet werden würde? — Oder denken Sie an einen Zwang? Etwa an eine Oktrohicrung einer Verfassung? Das wäre unbedingt unvereinbar mit den föderativen Grundlagen des Reiches. Wg. Gröber (Zentt.) führt aus, auch seine Freunde wünschten eine Reform des Verfassungs- Wesens in Mecklenburg. Aber auf Grund der Reichsverfassung sei ein Eingreifen nicht wohl mög lich. Ob etwa die mecklenburgischen Landesherrn auf Grund eines neuerdings in den Vordergrund gerückten Manutencnzrcchts Vorgehen können, fei ebenfalls mindestens zweifelhaft. Abg. v. Ortzen (srcik.): So sehr meine poli tischen Freunde eine Reform für Mecklenburg wünschen, so können wir doch unter keinen Um ständen dem Reiche das Recht zugestehen, den Einzelstaaten die Verfassung vorzuschreiben. Abg. Frohmc (soz.): Die Regierungsform in Mecklenburg ist eine Schmach und Schande für die ganze Nation. Nach kurzen Ausführungen der Abgg. von Trcuenfcls und Pach nicke wird die Sitzung geschlossen. ^on unä fern. X Weimarische Bsrmählrmtzs-„Taler". Aus Anlaß der Vermählung des Großherzogs Wilhelm Ernst von Sachsen - Weimar mit der Prinzessin Feodora von Sachsen - Meiningen werden Dreimarkstücke mit den Bildnissen der Neuvermählten geprägt werden. Es war bsab- sichtigt, diese Münzen bis zum offiziellen Ein züge des fürstlichen Paares in die Landes residenz sertigzustellen, doch ist es zweifelhaft, ob sich dies noch ermöglichen lassen wird. Die zu prägenden Münzen werden die ersten neuen Dreimarkstücke sein, die ein Doppelbildnis zeigen. A ZuKeräienltUcb. Erzählung von Fritz Reutter. 'Fortsetzung Bald folgte man einer schmäleren Straße nach rechts, wo die Häuser unansehnlicher und kleiner wurden, und es schien, als käme man in den ärmeren Teil der Stadt, wo kein Ein wohner sichtbar war. Doch schien Ferreira nicht zu trauen, denn er schickte eine Vorhut aus. Und diese Vorsicht war nicht umsonst. Plötzlich vernahm man ein Geräusch, über dessen Herkunft man sich nicht täuschen konnte — ein Lärmen und Schreien, das von einzelnen Schüssen und ganzen Salven übertönt wurde. Es wurde lauter und lauter, je näher sie einem kleinen, freien Platze kamen, in dem alle Straßen auszumünden schienen, und bald ent deckten sie auch gerade vor sich eine wilde, hin- und herwogende Volksmasse. Hier war allem Anschein nach das Mssitär mit dem Pöbel in Konflikt geraten. Karls Puls beaann rascher zu schlagen. Die Vorhui fiel zurück, die Reihen wurden enger geschlossen, und wie sich der Deutsche umblickte, gewahrte er, daß sich mehrere Offiziere rechts und links von seiner Reihe auf- pestellt hatten. Und diese Tatsache mit der Erinnerung an Ferreiras letzte Warnung kam ihm im Augenblick eher bedeutungsvoll als angenehm vor. Aber es blieb ihm wenig Zeit zum Nach denken. Sie standen keine fünfzig Meier mehr von dem Nlatz entfernt; plötzlich schien das Geschrei sich zu verdoppeln, einige Schüsse pfiffen über die Häupter der Reiter hin und ein Teil der Volksmenge kam den engen Weg dahergestürzt. „Halt!" rief Ferreira zu Karls Über raschung. Aber im nächsten Augenblick war ihm die Ursache schon klar. Der Gouverneur hatte den wahren Sachverhalt erkannt — die Soldaten waren von der Volksmenge zerstreut und zurück getrieben worden und flüchteten sich nur unter den Schutz und Schirm der hsranrückenden Kavallerie. In anbeiracht der Moral und Tapferkeit mittelamerikanischer Truppen ist es auch nicht verwunderlich: es waren ihrer etwa hundert, die gegen einen fünfmal stärkeren Gegner gekämpft hatten. Auch machten sie in der Panik durchaus keinen militärischen Eindruck, und es ist eine Frage, ob sie Ferreiras Befehl, sich hinter der Kavallerie zu sammeln, nur hörten oder beachteten. Jedenfalls bekam sie Karl nicht mehr zu Gesicht. Die flüchtigen Soldaten wurden vom Pöbel nicht verfolgt, und eine Minute später standen sich Volksmenge und Kavallerie in tödlichem Stillschweigen gegenüber; die Bürger schlossen sich instinktiv enger zusammen und die Sol daten erwarteten den Befehl ihres Führers. Auf dem freien Platz zwischen den beiden Feinden logen dis Toten und die Verwundeten, und es rührte das Herz, wenn man sehen mußte, wie die Verwundeten sich abmühten, aus dem Ort der Gefahr hinwegzukriechen. Aber auch für das Mitleid blieb keine Zeit. Das Stillschweigen wurde plötzlich durch einen herausfordernden Nur aus den Bürgerreihen unterbrochen und es dünkte Karl, als hätte er darin den Namen jenes Mannes, für den er hier gehalten wurde, vernommen. Gewehre und Revolver krachten wie auf Kommando. Ein Soldat in der vordersten Reihe wurde ge troffen, mehrere Pferde bäumten und sträubten sich. Ferreira warf rasch einen Blick hinter sich und gab den Befehl: „Zur Attacke!" Die Rebellen schienen darauf gefaßt; denn im Augenblick, als die Reiter herausgaloppierten, trennten sie sich rasch und ließen den Sol-- daten die Passage frei, sandten ihnen aber nun von beiden Setten Kugeln und Steine nach und riefen wie toll: „Es lebe Tovar! Nieder mit, Melgarejo!" Emer der Offiziere, die Karl bewachten, stürzte; der Soldat, der an seiner Linken ritt, stieß einen Fluch aus, und Karl sah, daß er getroffen worden war, und ihm selbst pfiffen die Kugeln gefahrdrohend um den Kopf. Einen Augenblick besonders befand er sich in großer Gefahr; denn er hatte nicht nur eine Kugel zu fürchten, sondern vor allem seine Wächter, die das leiseste Mißverständnis benutzen konnten, um sich seiner für immer zu entledigen. Glück licherweise war alles in einer Minute vorüber; der Platz war überschritten, die Volksmenge war zerstreut, das Geschrei erstarb und die Reiter sprengten in vollem Galapp ein enges Gäßchen entlang, ohne derer zu achten, die in dem Hand gemenge gefallen waren. Erst jetzt wagte Karl Nippold wieder aufzu atmen. „Sie erkannten Sie nicht, Tenor," sagte ihm der Soldat zu seiner Linken. „Und es ist ein Glück für Sie. „Verwundet?" fragte Karl. « „Eine Kugel hat mir den Arm gestreift. Aber wir werden es ihnen auf dem Rückweg heimzahlen." Daran zweifelte Karl nicht, sofern sich dem Militär hierzu nur eine Gelegenheit bieten würde. Unterdessen war die Sonne uniergegangen; die Nacht war mit tropischer Raschheit herein- gebrochen und alles — Säufer, Kirchen und Bäume schien in düsterer Einförmigkeit zu ver schwinden. Aber die Soldaten ritten in ge strecktem Galopp weiter durch andre Straßen dahin, dann einen langen, steilen Hüge! hinan, bis sie Plötzlich nach etwa zehn Minuten vor einem großen, düsteren Gebäude anhielten. „Wo sind wir?" fragte Karl den freund- lichen Reiter. „Wir sind an Ort und Stelle, Senor — dem Himmel sei Dank!" „A:ff dem Schlosse?" Allem Anschein nach wurden sie erwartet, denn das schwere Tor öffnete sich wie von Zauberhand und sie ritten über die Brücke in einen großen Hof. Eine Sekunde schien alles still. Dann erhielt Karl den Befehl, abzu steigen, und von einigen Soldaten begleitet, wurde er in eine geräumige Halle geführt und sofort der Aufsicht der dort lagernden Wache überantwortet. Ferreira redete ernstlich mit einem weißhaarigen alten Offizier von gut- mutigem Aussehen, der zweifellos dr : Festungs kommandant war und dem er sess?^ Befehle nachdrücklich zu erteilen schien. Der Offizier
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