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Allgemeiner Anzeiger : 30.12.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190512300
- PURL
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19051230
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-12
- Tag 1905-12-30
-
Monat
1905-12
-
Jahr
1905
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 30.12.1905
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poUtilcke Aunälckau. Die Wirre« i« Ruhland. * Auch während unsrer Weihnachtsfeiertage Hat der Aufruhr in Rußland weiter getobt und besonders ist das alte Moskau der Schauplatz förmlicher Schlachten zwischen dem Militär und den Revolutionären gewesen, in denen es zahlreiche Tote und Verwundete gab. Im Keller des Rathauses daselbst explodierte eine Höllenmaschine, wodurch mehrere Beamte geiötet wurden. Das Fiedlerschs Gymnasium, in dem der Arbeiterrat seinen Sitz hatte, soll von der Artillerie in einen Trümmer haufen verwandelt worden sein. Es laufen auch viele übertriebene Md unkontrollier bare Meldungen mit ein, deren vollständige Wiedergabe sich nicht lohnt, da die Wirklichkeit schon entsetzlich genug ist. In allen Kämpfen blieb aber schließlich das Militär siegreich. — In den baltischen Provinzen hat sich die Lage noch keineswegs gebessert, vielmehr wird berichtet, daß in einigen Orten jetzt auch das Leben Reichsdeutscher bedroht sei. In Petersburg ist die Lage verhältnis mäßig besser. Zwar ist die Aufregung groß, aber die Petersburger Arbeiterschaft hat die Aufforderung, in den G e.n er a l str e ik einzu treten, mit übergroßer Mehrheit abgelehnt. Die Not ist in den Arbeitermassen ohnehin schon groß genug, da nirgends ein ordnungs mäßiger Betrieb gesichert ist. — Im Bureau der Moskauer politischen Polizei wur- den durch zwei Bomben die Wand, die Decke Md das Innere zerstört. Der Revieraufsehsr und ein Schutzmann wurden getötet und ein Soldat verwundet. *Jn Petersburg ist am 26 d. (2. Weih- nachtsfeiertag) daS neue Wahlgesetz ver öffentlicht worden; es wird sämtliche Steuerzahlerwahlberechtigt machen. * Auch in Riga scheint die Bewegung der Aufständischen im Abnehmen begriffen; ihre Macht ist gebrochen. Sechs deutsche Reichsangehörige, die sich in der Ge walt der Revolutionäre befanden, Leutnant Habenicht, Lehrer Bader, Jäger Wotrich, Hetmer, Schneepel und Diener Gern? find freigelassen worden. Leutnant Habenicht ist in Sicherheit, die übrigen find nach Deutschland zurückgekehrt. *Mer die schrecklichen Zustände in Kurland wird berichtet: Das Land wird Verteilt, von den Marodeuren werden Ver waltungen eingesetzt, die Besitzer vor ein Volks gericht gestellt und zum Teil erschossen, zum Teil als Geisel gefangen gehalten. Vor der Niederbrennung des Schlosses Teurup haben die Unmenschen den Sarg, der den ermordeten Harry v. Trauseze enthielt, mit Vetroleum be gossen und dann angezündet. Pastoren und Doktoren, überhaupt die deutsche Intelligenz, flüchtet in die Städte, meistens nach Riga. *Die unlängst anläßlich revoltierender Vor gänge gegen ihren Willen aus Petersburg nach Kronstadt übergeführten beiden Flotten equipagen verbleiben für immer in Krön st a d t. Sie werden in ihren dortigen Kasernen streng gehalten, die Wache vor der Kaserne wird von Landtruppen besorgt. Matrosen wie Offiziere erhalten nur selten Urlaub, die Kaserne zu verlassen. Der Kommandeur der 14. Flotten- equrpage, Flügeladjutaut Kapitän ersten Ranges Rudnew, wurde verabschiedet. * Die Unruhen unter den russischen Truppen in Sibirien haben sich auch auf Tomsk ausgedehnt. Die Kosaken dort griffen die Ka sernen an, in denen sich neunhundert meuternde Soldaten aushielten, und steckten sie in Brand. Zahlreiche Meuterer kamen in den Flammen um. *Die Esthen streben wohl ebenfalls einen selbständigen Staat an, sind aber konservativer als die Letten und wollen mit den anarchistischen Verbrecherbanden aus dem lettischen Teil des Landes nichts gemein haben. Sie werden ihre Revolution nach dem Vorbilde der Finn länder mehr auf „kaltem" Wege durchführen. * * Deutschland. * Der Kaiser hat am heiligen Abend zu nächst der Bescherung der Mannschaften der Leibkompanien beigewohnt. Sodann schritt der Monarch die sämtlichen Posten im Neuen Palais zu Potsdam ab und schenkte jedem Manne ein neugeprägtes Goldstück. Bei der Bescherung im Schlosse, die gegen Abend stattfand,sah das Kaiser paarseine sämtlichen Kinder um sich versammelt (im vorigen Jahre weilte bekanntlich Prinz Adal bert im femen Osten). Im Muschclsaals des Schlosses waren die Weihnachtsbäume für die hohen Herrschaften ausgestellt. Eine großmächtige Silbertanne für das Kaiserpaar, zwei gleichgroße Tarmenbäume für das Kronprinzenpaar und für jeden Prinzen nach seinem Alter ein kleinerer Tannenbaum. Das Kaiserpaar führte jedes der Kinder zu den Geschenken. An der Bescherung der kaiserlichen Oberst Müller. Nachdem Herr v. Puttkamer, der Gouverneur von Kamerun, zur Berichterstattung nach Berlin be rufen war, sind die Funktionen des Gouverneurs an seinen Stellvertreter Oberst Müller, Kommandeur der Schutztruppe in Kamerun, übergegongen. Oberst Müller wurde anfangs 1870 Leutnant im ostpreußi schen Jägerbataillon Nr. 1 und wachte den Krieg gegen Frankreich mit. wo er das Eiserne Kreuz 2. Klaffe erhielt. 1878 wurde er Oberleutnant, 1886 Hauptmann und Kompanie-Chef, 1894 Major im 46. Infanterie-Regiment in Posen, 1895 ging er als stellvertretender Kommandeur der Schutztruppe nach' Deutsch-Südwestafrika, 1900 wurde er Oberst leutnant, als solcher gehörte er dem 5. Branden- burgstchen Infanterie-Regiment Nr. 48 in Küstrin an. Im Jahre 1902 wurde er zum Oberst und 1903 zum Kommandeur der Schutztruppe in Kamerun ernannt. Herrschaften nahmen auch die Damen und Herren vom Dienst teil. * In Sachen der Einführung eines grau grünen Uniformtuchss erfährt dis ,Ostpreußische Ztg.', daß sich derKaiser im Prinzip bereits für eine grau-grüne Uniform ausgesprochen hat. *Die letzte preuß. Staatsministerialfitzung vor dem Feste soll sich, wie die »Deutsche Tages-Ztg.' zu wissen glaubt, mit der Diätsn- frags für den Reichstag beschäftigt haben. * Innerhalb einflußreicher Kreise des Reichs tags besteht die Absicht, die parlamentarischen Studienreisen nach deutschen Kolo nien möglichst zu einer dauernden Einrichtung zu erheben. Es solle zu dem Zwecke aber darauf hingewirkt werden, daß, abgesehen von der freiwilligen Leistung der einzelnen Reichs- iagsmiiglisder, die dem Reiseunternehmsn an gehören, Staatsfonds dazu in Anspruch ge nommen oder gebildet werden. Die rsichsländische Regierung hat einem einstimmig gefaßten Beschlusse des Senats der Straßburger Universität, nach dem Frauen, die im Besitz des Reifezeugnisses einer neunklasfigen höheren Schule find, zur Immatrikulation zugelassen werden sollen, die Genehmigung versagt, bis die Verhandlungen, sie zurzeit in Preußen über die Zulassung der Frauen zur Immatrikulation schweben, erledigt seien. ArsmSrerch« »Das ,Echo de Paris' veröffentlicht eine Unterredung mit dem Marineminister Thomson über . das französische Flotten programm. Danach sagte der Marine minister u. a.: Alle Welt ist über einen Punkt einig, nämlich, daß dis französische Flotte , gegenwärtig der deutschen überlegen ist, und daß, solange der Zusatz zum deutschen Flotten- vrogramm von 1900 nicht bewilligt ist, ein jährlicher Kredit von 120 Mill, genügen wird, um diese Überlegenheit aufrechtzuer halten. Malien. * Italien hat während der Weihnachts feiertage den Ausbau seines neuen Mini steriums vollendet, dessen Premier der Liberale Fortis ist. Belgien. *Die Regierung hat nunmehr das ange kündigte Apanagengesetz eingebracht, welches dem Thronfolger, Prinzen Albert, eine Jahresdotation von 200 000 Frank gewährt. Der beigrfügte Bericht stützt sich auf die früheren Fälle, welche dartun, daß die präsumtiven Thronfolger in Belgien seit dem Jahre 1853 immer eine Apanage von 2—500 000 Frank aus der Staatskasse bezogen haben. Für den Prinzen Albert hält sich die Regierung sonach an das Mindestmaß, über die privaten Ver- mögensverhältnisss des Thronfolgers gibt der Bericht keinerlei Auskunft. Balkanstaaten. * Es ist bekannt, daß das letzte Vorgehen der Westmächte gegen den Sultan überall auf die mohammedanische Welt einen üblen Eindruck gemacht hat. Die Jslamiten in Indien haben bereits protestiert; jetzt meldet die ,Pol. Korr.' Ms Alexandrien: Die Gereizt heit eines Teiles der eingeborenen Bevölkerung über die Flottendemonstration hat in Alexandrien Zum Ausbruch von Äußerungen des Fremden hasses geführt. Infolge eines Streites zwischen Griechen und Eingeborenen liefen letztere zu sammen, sodaß binnen einer Viertelstunde mehrere Tausend in den Siraßcn waren, die Christen angriffen und deren Läden und Casös pkünderten. Man zählte zwei Tote und fünfzig Verwundete, darunter den armenischen Archi- mandriten Daniel. In Kairo herrscht Ruhe, dagegen wird aus der Provinz große Erregung gegen die Europäer gemeldet. Ästen. * Der Kaiser von Korea hat zu einem verzweifelten Mittel gegriffen, um sich der japanischen Umklammerung zu entziehen. Er entsandte einen hohen Beamten, Li-Ki-Gen, an den König von England, um ihn für die Unabhängigkeit Koreas zu interessieren. Die Japaner bekamen aber Wind davon, und als sich Li-Ki-Gen in Chemulpo einschiffsn wollte, wurde er von japanischen Gendarmen ver haftet. So berichtet der Gewährsmann des ,Dsaka Asaki Schimbun', welches Blatt kurz darauf von der japanischen Regierung ohne An gabe von Gründen unterdrückt worden ist. Unterlassenes Markenkleben. In den letzten Jahren sind von den Arbeitern eine Reihe von Schadensersatzprozessen ange strengt worden, weil ihre Arbeitgeber es unter lassen hatten, die Beitragsmarken einzukleben und dadurch der Anspruch auf die Rente ver zögert oder sogar unmöglich wurde. Das Reichsgericht hat alle diese Klagen in letzter Instanz abgewiesen. Diese Urteile waren aber auf Grund des Gemeinen Rechts, des preußi schen Landrechts und des Code civil, nicht aber unter Anwendung der Bestimmungen des Bürger lichen Gesetzbuches ergangen. Nun hat kürzlich das Oberlandesgericht Kiel in seiner Entscheidung vom 25. November d. zu dieser überaus wichtigen Frage auf Gmnd des neuen Rechts Stellung genommen und ist gleichfalls zur Verneinung der Haftung des Arbeitgebers für Unterlassung des Einklebens >er Beitragsmarken gekommen. Dieser Ent- j cheidung liegt der wohl in jeder Familie vor- - kommende Fall zugrunde, daß dem Dienstboten! das Geld zum Kaufen der Beitragsmarken ge geben wurde mit dem Auftrage, sie in dies Jnvalidsnkarte einzukleben, der Dienstbote das Geld aber für sich verwendet und nun seinen Dienstherrn noch auf Schadensersatz verklagt, weil er durch unterlassenes Einkleben der Rente verlustig ging. Das Oberlandesgericht Kiel führt in seinen Gründen, wie die juristische Zeitschrift,Das Recht' schreibt, sehr zutreffend aus: Es fragt sich, ob die Bestimmung des 8 823 Abs. 2 des B. G.-B. zur Anwendung kommen kann, wonach schadensersatzpflichtig ist, wer gegen ein den Schutz eines andern be zweckendes Gesetz verstößt. Diese Frage braucht aber aus folgenden Gründen im vorliegenden Falle nicht entschieden zu wer den: Die Schadenersatzpflicht aus § 823 des B. G.-B. setzt voraus, daß die Handlung des Täters widerrechtlich sei. Nun ist freilich bei solchen Handlungen, die das Gesetz mit Straie bedroht, von vornherein anzunehmen, daß sie widerrechtlich find: indessen kann ihnen dieser Charakter durch besondere Umstände ge nommen werden. Zu diesen besonderen Um ständen gehört die Einwilligung des Verletzten, wenigstens in allen Fällen, in denen es sich nicht um unverzichtbare Rechtsgüter handelt. Wenn nun, wie hier, ver Kläger das zur An schaffung der Marken bestimmte Geld von der Beklagten in Empfang genommen und ver sprochen hat, selbst für die Verwendung der Marken zu sorgen, so bat er damit zu erkennen gegeben, daß er die Verwendung der Marken durch die Beklagte nicht fordern wolle; er kam also die Unterlassung der Beklagten nicht als widerrechtlichen Eingriff in seine Rechtssphäre bezeichnen. Wollte man aber auch dieser Auf fassung nicht folgen, so würde doch durch die behauptete Vereinbarung der Parteien die Schadensersatzpflicht der Beklagten gemäß Z 254 B. G.-B. ausgeschlossen sein. Denn wenn Be klagte dadurch auch von der ihr im öffentlichen Interesse auferlegten Pflicht der rechtzeitigen Verwendung der Marken nicht befreit worden wäre, so könnte solcher Abrede doch im Ver hältnis der Parteien untereinander nicht jede Wirksamkeit abgesprochen werden und es wäre jedenfalls anzunehmen, daß der durch die Nicht verwendung der Marken entstandene Schaden vorwiegend vom Kläger verursacht und die Be klagte daher zum Ersätze nicht verpflichtet sei. Von unci fern. Aus Furcht vor Erblindung erschoß sich in der Nähe des Krematoriums in Ohlsdorf bei Hamburg der Zahnarzt Benno Lippmann, der in Berlin Lohnte und eine große Praxis hatte. Er kündigte vor kurzem seine Wohnung, regulierte seine sämtlichen Geldangelegenheiten und benahm sich so eigenartig, daß seine An gehörigen sehr besorgt um ihn waren. Ins besondere war ein aus Südafrika auf Besuch hierher gekommener Bruder bemüht, ihn nicht MS den Augen zu lassen und ihn zu beruhigen. Es gelang dem Unglücklichen aber, zu ent schlüpfen und Berlin zu verlassen. Von Hamburg aus schrieb er an seine Verwandten, sie möchten ihm verzeihen, daß er sich das Leben nehmen würde. Ehe man dies verhindern konnte, traf bereits die telegraphische Nachricht der vollbrachten Tat ein. Mit den Eltern entzweit. In Schivel- kein war ein Arbeiter mit seiner Frau zur Arbeit gegangen und hatten die Kinder allein in der Wohnung zurückgelassen. Die Mutter hatte den Ofen geheizt, und der ältere Sohn von sieben Jahren sollte den Ofen schließen. Dabei kam das vierjährige Töchterchen der Flamme zu nahe und die Kleider fingen Feuer, so daß das Kind stark verbrannt wurde und an den Verletzungen gestorben ist. Inzwischen geschah das Unglaubliche, daß eine Nachbarin, die die Kinder weinen und schreien hörte, ihnen aber nicht zu Hilse eilte, weil sie sich mit den Eltern entzweit hatte! Unter Mordverdacht. Der Schmied Wienen aus Köln ist verhaftet worden, da er in dem Verdacht steht, vor fünf Jahren Fran Schewe aus Köln ermordet zu haben. Vie vLuern-Vrunkiläe. 7j Erzählung aus d. bayrischen Bergen v. M. N e al. ^Fortsetzung.) „Vata," jubelte Traudl, „i hab' ja g'wußt, daß d' net so sein kannst l" Auch Gottfried atmete erleichtert auf. So war seins Berechnung also keine falsche. „Du sollst Gelegenheit hab'n, zu beweis'n, daß d' der rechte Mo bist! Und zwar glei morgen. Aber dös sag' i dir, du derfst di z'sammnehma, so einfach und leicht is die G'schicht' net, wia da du vielleicht vorstellst. Aba nachdem, was i gestern g'sehg'n hab', kannst d's macha no und na hab i nix dagegen, wenn d' Traudl dei' Weib werd." Traudl wurde über und über rot. Sie traute sich kaum aufzublicken. „Aäa, wennst a's net tuast, wennst z'ruck- trittst," fuhr Guntherer fort, „na is 'mm mit'm Heirat'n. Dabei bleibt's. Einverstand'n?" '„Ja, einverstanden, es müßte mit dem Bösen zugehen, wenn ich nicht zuwege brächte, was du von mir verlangst." „Wer woaß, vielleicht ist der Böse selba dabet. Schlag ein!" Gottfried schlug kräftig in die dargebotene Rechte ein. „Abgemacht!" Damit war der Pakt geschlossen. Traudl halte vollständig auf die Schmerzen vergessen, die ihr der verstauchte Fuß noch immer bereitete. Jetzt kam nach der soeben überstandenen Erregung die Wirkung des vorausgegangenen Schreckens beim Absturz mit doppelter Macht zur Geltung. Sie fühlte plötzlich ihre Knie wanken, das Zimmer drehte sich im Kreise herum und dann brach sie laut los zusammen. - Guntherer und Gottfried sprangen er schrocken herbei, hoben die Ohnmächtige auf und trugen sie m ihr Bett, wo sie sich jedoch rasch wieder erholte. Sie bat, man möge sie jetzt allein lassen, bis morgen sei alles wieder gut l Nur ungern verließ sie Gottfried, der sich um sie ängstigte, aber er gab schließlich ihrem Drängen nach. „Siehgst," sagte sie, als er sich verabschiedete, „i bin ja so glückli, daß da Vata eing'wiüigt hat, daß ma uns ang'hör'n sollen, und die Freud' is ma a bißl in Kopf g'stieg'n. Dös gib fi'!" Dann Keß er sie allein — — allein mit ihrem Glück. Als sich Onkel und Neffe später, nachdem sie noch ein paar Liter Roten auf das glück- liche Gelingen ves Planes, den Gottfried aber trotz seines Fragens nicht erfuhr, getrunken hatten, trennten, rief Gottfried: „Auf morgen denn." „Freu' di net z'fruah," entgegnete Guntherer, „für di und mi hängt vom morgigen Tag alles ab!" Eine Viertelstunde später war es still ge worden im Gunthererhof. Ein jedes träumte dem kommenden Morgen mit andern Hoffnungen entgegen. 4. Der Ringkampf. Traudl hatte eine schlaflose Nacht verbracht. Tausenderlei Gedanken waren ihr durch den Kopf gegangen und sie hatte ihr Gehirn ver geblich abgemartert, welcher Art die Aufgabe sei« könne, die ihr Vater dem Friedl morgen stellen werde. Daß sie dabei nicht auf das Nichtige kommen konnte, war begreiflich, denn ihr Vater hatte niemals von seinem mißglückten Heiratsantrag bei der Bärenwirtin erzählt. Eines aber stand für sie fest, Gottfried werde die Probe glänzend bestehen. Daß ein andrer Ausgang möglich sei, schien ihr einfach aus geschlossen, und sie zog ihn deshalb auch gar nicht in den Bereich ihrer Erwägungen. So dankte sie denn Gott, als endlich der Morgen graute und sie sich von ihrem Lager erheben konnte. Ihr Fuß war so ziemlich wieder hergestellt und verursachte nicht die geringsten Beschwerden mehr. Sie kleidete sich mit besonderer Sorgfalt an und begab sich dann in die Küche, um die Morgensüppe zu bereiten. Von Zeit zu Zeit blicke sie nach der Tür, ob denn der Vater noch nicht bald zum Vorschein komme. Sie konnte es gar nicht begreifen, wie man an einem so wichtigen Tage so lange schlafen konnte. Endlich erschien Guntherer. Er sah über nächtig aus und eine gewisse Aufregung machte sich bei ihm bemerkbar. Er erwiderte den freundlichen Morgengruß Traudls nur mit einem leichten Kopftiicken. Mit fieberhafter Spannung wartete das Mädchen, daß er etwas sagen werde. Aber schweigend aß Guntherer sein Frühstück, dann brach er auf, um seinen gewohnten Morgengang durch die Felder zu unternehmen. „Vata," begann jetzt Traudl, der es schier daS Herz abdrückte vor Neugierde, was Guntherer Wohl vorhabe, „mach's an Friedl fei net z'schwarl Gib eahm was Leicht's auf, um meinetwillen!" Guntherer brummte etwas vor sich hin und verließ die Küche. Unterdessen war Gottfried Hornung fröh licher denn je erwacht, besann sich, die Augeu reibend, ob die Vorgänge des gestrigen Abends nicht nur ein Traum gewesen seien, und sprang, als es ihm klar geworden war, daß der heutige Tag für sein künftiges Lebensschicksal ent scheidend sein wird, mit gleichen Füßen aus dem Bett und machte, so schnell es ging, Toilette. Dabei sang er lustigen Sinnes ein „Sauäsamus ixttur". Eben als er von dem „Vivaut et mutteres" überwältigt das Fenster kreuz voll Inbrunst umarmte, erschien unten im Garten Traudl, um angeblich die Blumen zu. gießen, in Wirklichkeit aber, um zu sehen, ob Gottsried noch nicht wach sei. Als sie jetzt empor sah, rief sie lachend: „Aber Friedl, hast denn dein' Fensterstock gar so gern?" Der Angerufene ließ sich aber nicht aus der Fassung bringen. „Es gibt eben allerhand spaßige Dinge auf der Welt, gießt eines oft auch den Zaun statt der Nelken!" Traudl lachte hell auf, sie hatte wirklich, während sie zu dem jungen Manne hinaufsah, statt der Blumen den Gartenzaun begossen. Jetzt warf ihr Gottfried eine Kußhand zu. „Ich sehe, daß du heute wieder ganz wohl auf bist, wie mich das freut. Heut' scheint ein Glückstag zu sein."
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