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Allgemeiner Anzeiger : 16.12.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190512166
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19051216
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-12
- Tag 1905-12-16
-
Monat
1905-12
-
Jahr
1905
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 16.12.1905
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politische kunäfekau. Die Wirre» i« R«hla«d. "Mit dem teilweisen Aufhören des Tele- graphenbeamten-Ausstandes plaudert der Tele graph wieder etwas lebhafter; aber was er uns stählt, ist nichts Gutes. Streik, Bauern umuhen. Truppemneutereien, Plünderungen urü> kein Erwe! Das ist die Signatur der augen blicklichen Lage in Rußland. Man kann nicht sagen, daß die Lage sich verschlechtert habe aber gebessert hat sie sich sicher auch nicht. Noc einmal spannen die Revolutionäre alle Sehnen an, um die Herstellung einer Ruhe und Ord nung verbürgenden liberalen Regierung zu hin dern und am Hofe arbeiten großfürstliche Mineure nicht minder eifrig m dem Sturz Wittes, des resormbereiten Ministerchefs. Be reits meldet ,Ruß', daß in Zarskoje Selo kürzlich die Einsetzung einer Militär diktatur beraten, die Einführung derselben aber bis zum Ausbruch eines größeren Auf standes verschoben wurde. "Die Herkulesarbeit, die Graf Witte zu leisten hat, droht seine Kräfte zu übersteigen. Er stellt seinen nahen Rücktritt in Aussicht, falls die Gesellschaft sich nicht bald gegen die Anarchie zusammenschließe. Es steht zu be fürchten, wenn Witte seine Drohung wahr macht, daß dann nur noch Bomben und Kanonen zu Worte kommen. * Der Rat des Verbandes der russischen Arbeiterpresse ist in Petersburg ver haftet worden. Unter den Revolutionären herrscht infolge dieses unerwarteten Vorgehens der Regierung große Verwirrung. "Die Bauernunruhen nehmen einen immer drohenderen Umfang an. Jetzt beginnen solche in nächster Nähe der Bahn Moskau- Kursk. Die Bauern zünden nicht nur Land sitze an, sondern bedrohen auch die benach barten Bahnstationen. Die friedliche Bevölke rung des Reiches erblickt kein anderes Mittel zur Beruhigung der Gemüter, als die schleunige Einberufung der Reichsduma. Auf Ge suche in diesem Sinne antwortete Graf Witte, die Reichsduma werde bald zusammen- treten. Ein abgeänderteS Wahlgesetz ist aber bisher noch nicht bekanntgegeben worden. * Durch einen kaiserlichen Tagesbefehl wird allen Kosakentruppen der Dank aus gesprochen für ihre aufopfernden, unermüdlichen und treuen Dienste für Thron und Vaterland sowohl auf dem Kriegsschauplätze wie bei der Aufrechterhaltung der Ordnung im Reiche. "Von dem Kommandanten der Festung Kuschka, Generalmajor Prassolow, ist dem Kaiser die telegraphische Mitteilung zugegangen, daß die Propaganda, die von einigen Zivil- beamten unter den Truppen zur Beseitigung der Militärobrigkeit der Festung gemacht werde, ihn veranlaßt habe, über die Festung den Be lagerungszustand zu verhängen und die Schuldigen zu verhaften. * Meuternde Abteilungen der russischen Mandschurei-Armee sollen gemeinsam mit Tschuntschnsen die Stadt Charbin geplündert haben. "Die Sammlungen zugunsten der russischen Juden haben bisher ins gesamt die Summe von 10 Mill. Mk. ergeben. Deutschland hat dazu etwa 3 Mill. Mk., Amerika IVs Mill. Dollar, England 80 000 Pfund beigetragen. Die in Rußland selbst gesammelten Gelder find in dem Betrage nicht einbegriffen. * * * Deutschland. * Der Kaiser wird den neuesten Bestim mungen zufolge seine Mittelmeerreise Anfang Mai 1906 antreten. Der Monarch beabsichtigt, Spanien und Italien zu besuchen. "DerGroßherzogvonBaden hat an den Reichskanzler Fürsten von Bülow ein Telegramm gesandt, worin er seiner treuen nationalen Dankbarkeit für die Reden des Reichskanzlers über die auswärtigen Ange- legenheiten und die Ordnung der Reichsfinanzsn Ausdruck gibt. * Am Dienstag betrat der Generckllekltnant v. Trotha wieder deutschen Boden, nachdem er anderthalb Jahre hindurch in Deutsch- Südwestafrika die Operationen gegen die aufständischen Eingeborenen geleitet hat. "Ein Lotterie-Vertrag zwischen Preußen und Oldenburg ist am S. d. von den Vertretern der beiden Staaten abge schlossen worden. Österreich-Ungarn. * Graf Andrassy erklärte in einer Rede vor den Wählern in Steinamanger, daß er das Programm der ungarischen Regierung be züglich des allgemeinenStimmrechts nicht annehme. Er wünsche wohl die Ausdehnung des Wahlrechts auf die Arbeiter klaffe, doch stehe es nicht im Interesse des Landes, daß neue unerfahrene Elemente ent scheidenden Einfluß gewinnen und daß die intelligente Klaffe von der Führung verdrängt werde. Auch könnte durch eine so wettgehende Reform ohne ein ltbergangsstadium der nationale Charakter des Staates gefährdet werden. Er wolle die Ausdehmng des Wahlrechts, aber keinen Sprung ins Dunkle. Frankreich. * Das Gesetz über die Trennung der Kirche vom Staate ist am Montag im Amtsblatt veröffentlicht worden. Im Kultus ministerium ist eine Kommission eingesetzt worden, die den Entwurf von Vorschriften für die Verwaltungsbehörden zur Ausführung des Gesetzes auszuarbeiten hat. * Der vom früheren französischen Kriegs minister Berteaux vorbereitete Gesetzentwurf betr. Errichtung eines fliegenden Gen darmeriekorps, welches an Stelle der Truppen bei Streikunruhen verwendet werden soll, wurde von dem mit der Prüfung betrauten Regierungsausschuß abgelehnt. Tsgland. * Sämtliche Blätter, sogar die konservativen, begrüßen das neue KabinettCamPell- Bannerman und bezeichnen es als gut, weil die besten Bestandteile der liberalen Par tei durch tüchtige, erprobte Männer darin ver treten find. Jedenfalls erhielt Lord Roseberys imperialistische Gruppe die wichtigsten Ämter, indem Sir Grey das Auswärtige Amt, Lord Elgin das Kolomalamt, Haldane das Kriegs reffort, Asquith den Posten des Schatzkanzlers übernahmen und außerdem Lord Roseberys Schwiegersohn, Lord Crewe, als Vorsitzender des Geheimen Rats einen Platz im Kabinett fand. "Balfour hielt am Sonntag in Manchester eine Rede, die eine leidenschaftliche Verteidigung der Einfuhr chinesischerKulisM Gruben arbeiter im Transvaal bedeutet. Der .Telegraph^ prophezeit, daß bimen Jahresfrist Südafrika von Großbritannien abfallen würde, wenn daS liberale Kabinett die Einfuhr chinesischer Arbeiter verbieten sollte. Spante«. "Der Ministerrat erörterte im Parlament die katalanische Frage. Aus amtlichen Mitteilungen erhellt, daß sich die dortigen Ver hältnisse nicht gebessert haben. Die Trennungs- Propaganda wird vom Klerus gefördert. Die Regierung beschloß daher, die Aufhebung der Verfassungsbürgschaften beizubehalten. Balkanstaateu. "Die Flottenkundgebung ist so gut wie beendet. Der Sultan hat die Forderungen der Mächte bezüglich Mazedoniens mit einigen Abänderungen angenommen. "Der Chef der Geheimpolizei von Kon- tantinopel, Fehmi Pascha, ist verhaftet vordem da festgestellt wurde, daß er ein öombenattentat gegen sich selbst )urch einen seiner eigenen Diener ausführen ieß. Der aus der Türkei geflohene frühere kammerherr Arif Bei ist in seine früheren Ämter und Würden wieder eingesetzt worden. Auch die Befreiung des Marschalls Fuad Mascha, welcher vor vier Jahren auf Anstiften Fehmi Paschas zum Tode und zur Degradation verurteilt und später zu lebenslänglichem Kerker n Damaskus begnadigt worden war, steht bevor. "In der griechischen Deputierten kammer wurde der Kandidat der Opposition -El Präsidenten gewählt: das Ministerium > vird daher dem Könige seine Abdankung unter breiten. (Es scheint fast, als habe das Mini sterium auf eine günstige Gelegenheit zum Rücktritt gewartet. Schon fett Monaten war die Abdankung angekündigt.) Amerika. * ES verlautet, daß Präsident Roosevelt nach Ablauf seiner Amtsfrist sowohl Kaiser Wilhelm als auch den König Eduard und den Kaiser von Japan besuchen wolle. * Der Kongreß von Paraguay hat den Präsidenten der Republik, Gaona, abgesetzt und für ihn Cecilio Baez zum Präsidenten ge wählt. Jus ciem keickstage. Der Reichstag trat am Montag in die erste Beratung deS bulgarischen Handelsvertrages ein. Nach längerer Debatte wurde der Vertrag an die Budget- kommisfion verwiesen. Völlig ablehnend verbielten sich gegenüber dem Vertrage selbst nur die Sozial demokraten, weil er das Prinzip der deutschen Minimalzölle enthält. Bei Beratung wegen der Verlängerung de» englischen Handelsprovisoriums beantragte Abg. Graf Kanitz namens der Konser vativen Verweisung cm die Budgetkommiifion und trat zugleich für Begrenzung der Verlängerungsfrist auf ein Fahr ein. Vor der Abstimmung über die Frage der KommisfionSberatung bezweifelte Abg. Singer die Beschlußfähigkeit, und das Bureau schloß sich dcm Zweifel an, sodaß frühzeitig Schluß gemacht werden mußte. Am 12. d. wird die Abstimmung über den An ttag Graf Kanitz (kons.) auf Überweisung des Han delsprovisoriums mit England an die Budgetkommission auf Vorschlag des Präsidenten von der Tagesordnung ab gefetzt. (DaS HauS ist nicht ganz beschlußfähig. Die Generaldebatte über den Etat und die Flottenvorlage, sowie die Finanzgesetzentwürfe wird fortgesetzt. Abz.L iebermannv. Sonnenberg (wirtsch. Dgg.) tadelt die späte Einberufung deS Reichstags, verlangt die Einführung von Diäten und polemi siert gegen die „Thronrede", die der Abg. Bebel Vom Tyrone seiner Eitelkeit gehalten habe. Die Mehrforderungen für die Wehrkraft des Vaterlandes müssen bewilligt werden, die Volksvertreter brauchen aber nicht über das Maß der Negierungsforderungen hinauszugehen. Motto unsrer auswärtigen Politik müßte sein: Lerne zu rüsten, ohne zu reden! Redner tritt in weiteren Ausführungen für Unterstützung der flüchtigen Deutsch-Ruffen ein und beschuldigt die Juden, die revolutionäre Bewegung angefacht zu haben. Redner wirst den russischen Juden vor, daß sie nicht frei von Blutschuld wären; bei jedem Vombenattentat seien Juden beteiligt. Sollte auch bei uns — was Gott in Gnaden ver hüten möge — einmal eine soziale Revolution auS- brechen, so würde gegen die Juden nach dem ungeschriebenen Gesetze verfahren werden: Wer einen Juden totschlägt, beerbt ihn. Staatssekretär Graf PosadowSky: Die Ver handlungen haben mit Vorwürfen gegen die Re gierung wegen des Schlikßens des Reichstages begonnen. Dieses Schließen ist aber ein wichtiges Kronrecht, daS sich die Regierung ebensowenig nehmen lassen wird, wie das Parlament seine Rechte. Sachliche Schäden find nicht dadurch ent standen, daß alle damals abgebrochenen Gesetze jetzt wieder eingebracht werden. In der Frage der Tagegelder kann die Regierung sich den laut gewordenen Wünschen ebenfalls nicht anschließen, da sie der Meinung ist, daß die Gewährung von Tagegeldern an dem Absentismus des Hauses doch nichts ändern würde. Die meisten Mitglieder des hohen HauseS sind viel zu sehr mit andern poli tischen Tätigkeiten außer dem Hause sowie mit Kommissions- und Fraktionssitzungen belastet, als daß sie hier regelmäßig anwesend sein können. DaS führt zu einer Verflachung deS politischen Lebens, die ich tief bedaure. Zur Reichsfinanz reform übergehend, bemerkt Graf Posadwsky, daß die deutschen Verhältnisse mit denen in Frankreich und England nicht zu vergleichen wären, wenn die Schulden dort auch größer wären, so seien diese Länder auch weit kapitalkräftiger. Auf keinen Fall dürfe man Schulden machen für Zwecke der Landes verteidigung; hier habe die eine Generation die Pflicht, Einrichtungen durch neue Steuern zu be zahlen, die bei der raschen Entwickelung der Technik für die nächste Generation meist keinen Wert mehr hätten. Redner geht hierauf in ausführlichen Dar legungen über auf die Frage, wie es möglich sei, daß in einem wirtschaftlich so gut entwickelten Lande Wie Deutschland die Sozialdemokratie 3 Millionen Stimmen habe, und der Grund sei der Materialismus der Arbeiter, überwunden werde die Sozial demokratie nicht durch Gesetze werden, sondern nur durch die geistige und sittliche Wiedergeburt der bürgerlichen Klasse. 1 Abg. Schrader (frs. Vgg.): In dem plötz lichen Reichstagsabschluß habe« wette Kreise direkt eine Herabsetzung des Reichstags gesehen. Die Gründe, die Graf PosadowSky vorbrachte, sprechen für und nicht gegen die Gewährung von Diäten. Wir find im allgemeinen für die Marinevorlage, ebenso für eine tatkräftig« Kolonialpolitik, deren Vorbedingung jedoch die Schaffung einer tüchtigen Kolonialbeamtenschaft ist- Was die ReichSstnanzreform betrifft, so bedeutet die tatsächliche Ausmerzung der Matrikularbeittäge eine Minderung eines HaupttechtS des Reichstag», de» Bewilligungsrechts. Redner bespricht alsdann Fragen der auswärtigen Politik. Die englischen JingoS haben ihre Gegenbilder in dm alldeutschen Chauvinisten. Da» schlechteste Mittel, dm Frieden mit Frankreich zu sichern, ist das ewige Zurück kommen auf die doch eben glücklich; beigelegten Streitpunkte. Die besten Männer Englands habm erklärt: Wir wollen keine Feindschaft mit Deutsch land. Wir unsererseits erklären: Wir wollen keine Feindschaft mit England. Staatssekretär Graf PosadowSky erklärt, daß der Regierung jede Herabsetzung des Reichstag» fernliege. Für die Gewährung von Diäten sprechen gewiß manche sachliche Gründe, aber wichtige politische Gründe sprechen dagegm. Niemand ist mehr davon überzeugt al» ich, daß ein moderner Staat ohne ein einflußreiche« Parlament gar nicht regiert werden kann. Abg. v^JazdzewSki (Pole): Die Drohung deS Reichskanzler», etwaige revolutionäre Bewegun gen in den polnischen Provinzen Preußens mit be waffneter Hand «iederzuschlagen, war höchst über flüssig ; solche Drohungen scheinen allerdings zu dem eisernen Bestände der heutigen Kanzlerreden zu ge hören. Die preußischen Polen verlangen weiter nichts, als daß man ihnen nicht die einfachsten Menschen- und Bürgerrechte nimmt. Abg. Frh. v. Hodenberg (Welfe) regt eine anderweitige Regelung der Matrikularbeittäge an und bezeichnet die jetzige Isolierung Deutschlands als eine Folge der traditionellen, vielleicht durch einen starken Zuschuß SlawmbluteS zu erklärenden Hinneigung Preußens zu Rußland. Abg. Ricklin (Elsässer): Wir bewilligen dem Reiche alle Mittel zur Sicherung seiner Stellung und des Friedens. Wir find Gegner auch jeder Änderung unsrer Landeszugehörigkeit. Der Gedanke eines Krieges mit Frankreich erfüllt uns mit Entsetzen. Elsaß - Lothringen soll nicht ein Zankapfel, sondern eine Verbindung zwischen Frankreich und Deutschland sein. Möge der Reichs kanzler endlich den berechtigten Wünschen Elsaß- LothringenS entgegmkommen. Staatssekretär Frh. ö. Stengel: Meine Hoff nungen auf volle Verständigung über die ReichS stnanzreform find im Laufe der Verhandlungen nicht gerade gewachsen. Trotzdem gebe ich nicht ganz die Hoffnung auf, daß doch schließlich eine Einigung er zielt wird. Auf eine Reichseinksmwensteuer kann sich die Regierung nicht einlassen. Die wesentlich Höheren Sätze, mit denen in England die Erb schaftssteuer gerade Ehegatten und Kinder be lastet, find geradezu erdrückend. Der ß 6 des FlottmgesetzeS, der die Deckung durch Steuern auf die breite Masse ausschloß, ist für daS jetzige Flottengesetz und für die ReichSstnanzreform nicht bindend. Hierauf vertagt sich bas HauS. Von I^ak uncl fern. Abenteuer eines galante« jung«« Maunes. Am Sonntag abend begegnete ein junger Herr auf der Berliner Waisenbrücke einer hübschen Dame, die mit Düten und Paketen überreich beladen war und hilfesuchend um sich blickte. Der junge Mann erklärte sich bereit, ihr nach ihrer angeblich nahen Wohnung ein großes Paket zu tragen. Auf dem Strauß berger Platz sagte die Dame, daß fie etwa? an ihrer Toilette ordnen müsse und deshalb in" ein Haus eintreten wolle. Sie bepackte ihn daher noch mit weiteren Paketen und steckte ihm einiges in die Taschen; dann verschwand fie. Lange harrte der Ritter in seiner eigen tümlichen Lage vor der Tür. Schließlich stellte sich heraus, daß die Dame durch einen zweiten Ausgang des Hauses verschwunden war. Zu spät merkte nun auch der junge Mann, daß die Schöne ihm, als fie ein Paketchen Knoblauch würstchen in seine Tasche steckte, ihm dabei sein volles Portemonnaie gestohlen hatte. A Vie ALuern-Lvrmküäe. Sj Erzählung au» d. bayrischen Bergen v. M. Neal. kForlsrtzung.) „Was red'st da für dumm's Zeug!* „Verdean' i denn gar koa Vertrauen? Du hast was, i kenn dir's scho' laug an. Es is nimm« alles so, wia's war.* „Bild' dir do' nix ei!' erwiderte Guntherer und blickte zum Fenster hinaus, um seine Ver legenheit zu verbergen, die ihn bei Traudls Worten überkam. „Verstell di' net l Oder glaabkt, i hab net g'sehgn, wisst di imma drüb'n auffm Rain um ayandadruckst da, wo die Felder der BLren- wirtin anfangs?* begann Traudl wieder. „Da gehst auf und ab und schaugst wia traamhappat 'nüber zum „Grauen Bären*. Dem Guntherer stieg eine Blntwelle heiß ins Gesicht. Sollte Traudl etwas gemerkt haben, oder ist der ihm zu teil gewordene Korb etwa schon das Gespräch im Dorfe? „Daß d' seit jenem Abend nimm« iu 'n „grauen Bären* 'ganga bist, dös wirst wohl net leugna?* „'s Bier iS mir -'schlecht,* gab Guntherer unsicheren Tones zurück. „Und daß d' Knecht und Mägd' alloa wirt schaften laßt, daß di uimma ums Vieh kümmerst, dös is no' 's allerschlimmste I* „Jatzt verbitt' i mir aba dös G'red'!* brauste Guntherer auf. „Was geht dös di au? I woaß selb«, was i z'tuan und -'lassen hab', i brauch von dir koane Ratschläg', verstand'«?* Es tat ihm aut. grob sein zu können. Er glaubte auf diese Art am besten seine Be klemmungen los zu werden. „Vata,* bat das Mädchen, „sei doch . . .* „I will nix weiter hör'n,* fuhr er da zwischen, „i laß mi' net anssvekulier'n; was i für gut find', dös g'schieht! Kümm're di' um dös, was di' angeht, und schaug net in die Tövf' andrer Leu:', sonst verbrennst dir amal dei' fürwitzige Nas'n l* Traudl begann zu weinen. „Flenn' net, es lohnt fi' net. I duld' koa anders Regiment im Haus, als dös mei', und daß i 's Regiment no' führ', döS sollst glei' merk'« !* Guntherer redete sich immer mehr in Zorn hinein. „I hab's ja nur guat g'moant,' schluchzte Traudl. „I brauch' dei guate Moanung net, i bin alt gnua, daß i von so an Greanschnabl wia du, der wo »et recht in d' Welt gsschaugt hat, nS BorwLrf anz'nehma brauch!* „Aba i. . .* „Stad bist!* schrie der Bauer, mit der Faust auf deu Tisch schlagend, daß die Teller klirrten. „Koa Wort mehr, wenn d'uet willst, daß i. . .* „Oho!* tönte jetzt eine fremde Stimme, „wer wird denn so obenaus sein?* Traudl und Guntherer drehten sich fast gleichzeitig nm. Unter die Tür war ein junger, hoch- gewachsener Mann getreten. Er trug städtische Kleider, auf den Rücken hatte er euren Rucksack geschnürt, io der Hand hielt er einen kräftigen Hakenstock. So wie er jetzt breitspurig vor Guntherer stand, mit dem hinaufgezwirbelten blonden Schnurrbart, mit dem Schmiß über die linke Wange, fröhlich lachend, daß man die gesunden weißen Zähne fah, bot er das typische Bild eines flotten Studenten, eines jener immer seltener werdenden Repräsentanten der alten Burschenherrlichkeit, die weniger auf Äußerlich keiten und steifen Formelkram als auf Natür lichkeit und echte Lebensfreude Wert legen. Hoch lebe der Humor, hoch lebe das Leben, so wie es ist, zum Kuckuck mit allem Pessimismus, die Welt ist ja so herrlich schön! Das waren die Grundsätze, nach denen er sein Leben ge staltete. Und diese Lebensfreude, dieser Opti mismus, jenes unveräußerliche Vorrecht der Jugend, leuchtete aus den Augen des jungen Mannes, der jetzt ganz in die Küche ge treten war. „Na, ist das vielleicht ein Willkommen?* rief er, sich über das Erstaunen der beiden amüsierend. „Ihr staunt mich ja an, als ob ich ein Wundertier wäre!* „Siehch i recht . . . dös iS . . . dös is ja da Gottsriedl, ... 'S Studentle!* sagte jetzt Guntherer, nachdem er fich einigermaße« von seiner Überraschung erholt hatte. „Der bin ich in eigner Person!* „Is wia kimmst denn du zu unS 'raus?* fragte jetzt der Bauer und bot dem jungen Manne die Hand, in die dieser freudig ein- schlug. „Sehr einfach, auf den bekannten pecksg spvktolsrsm, oder zu deutsch, auf Schusters Rappen.* erwiderte Gottfried. .Und wenn du nix dawider hast, dann bleibe ick ein paar Tage bei euch heraußen in den herrlichen Bergen und beim guten Wein!* „Da brauchst net viel red'«, Friedl, es g'freut mi' herzlich, meiner Schwester Sohn wieder amal bei mir z' sehg'n. Traudl, jetzt bring' nur glei' an Liter Roten, daß ma' auf dös Miedasehg'a trinka könna l* „Das also ist das Bas!,* sagte Gottfried. „Schau, schau, wie sauber du geworden bist i« der letzten Zeit, wo wir uns nicht gesehen haben.* Traudl schlug errötend die Augen nieder, dann eilte fie hinaus, um den Befehl des Vaters auszusühren. Guntherer führte jetzt seinen Gast iu di« gute Stube, wo er ihm seinen Hut und seins» Rucksack abnahm. Als dann Traudl wieder ft» das Zimmer kam und den dunklen, duftenden Wein auf den Tisch stellte, da war es, als ob fich die drei schon in den wenigen Minute« nähergekommen wären, nichts von jener Steif heft, von jener Unsicherheit war zu bemerken, die fich stets bei Menschen einzustellen pflegt, die fich viele Jahre hindurch nicht mehr gesehen haben. Gottfried erhob das Glas. „Auf dein Wohl, Onkel, und auf deines, Traudl I* Dabei sah er das Mädchen so sonderbar an, daß es beinahe den Wein verschüttet hätte. Und dann er zählte er in seiner burschikosen, übermütigen Weise, wie er auf die glückliche Idee verfallen sei, seine Pfingstferien Heuer bei seinem liebe« Onkel zu verbringen, um ihm sür die so of und so reichlich bewiesene Teilnahme an ss«
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