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„Das weitere, wissen Sie. „Seltsam war es mir, daß der alte Kutscher Fevier, als wir beide vor dem Theater mit dem Wagen warteten, sagte, es sei ihm so übel, er müsse nach Hause. „Ich N'hr also mit ihm dorthin, und kehrte mit dem Wagen allein zum Theater zurück. „Als ich hernach Chevallier heimfnhr, hieß es, Adolf sei schon schlafen. Fevier nahm mir die Pferde ab und führte sie in den Stall, während Chevallier mich ins Vorderhaus beschied, wohin Fevier nachkam. Chevallier sagte, es sei ihm recht, daß Adolf die Stelle verließe. Ich wußte ja, Geld spiele keine Rolle, ich könne den Jungen ganz nach meinem Belieben irgend wo unterbingen, wo die Polizei ihn nicht ansfrage. Hierüber sprachen wir noch lange. „Ich bin heute noch nicht klar, wie Adolf starb. Manchmal denke ich mir, daß wohl nicht Chevallier den Befehl, ihn zu ermorden gab, sondern daß Fevier ihn aus eigenen Stücken umbrachte. „Letzterer sagte mir, der Brief, den Adolf hinterlassen, habe er, Fevier, selbst geschrieben: da sich der Junge nun doch einmal erhängt habe, weil er den Mord mit angesehen habe und ihn das Geheimnis unerträglich bedrückte, so könnte man das benutzen, die Polizei ver mittelst des Briefes irre zu führen. „Auch müsse die Behörde sich doch den Selbstmord Adolfs erklären können, sonst machte ihr Verdacht gegen alle. „Ich warf Chevallier vor, daß er nicht, wir ich gewollt, Adolf früher entlassen habe. „Chevallier antwortete mir, er habe sich von jeher gegen die Annahme des Jungen erklärt. „Es gab heftige Szenen, denen Fevier, jene Bestie, ein Ende machte, indeni er mich mit seinen Fäusten, deren Druck blaue Male hinterläßt, packte und mich zwang, hinauszugchen. „Auch zwischen Chevallier und den anderen gab es schlimme Auftritte; denn sie wollten mit gleichen Teilen am Verdienst tcilhaben, während Chevallier ein volles Drittel als sein Anteil beanspruchte. „Schon von Anfang an unterwies Chevallier uns täglich, wie wir uns bei allen nur erdenklichen Fällen zu betragen hätten. „Zuletzt schlug er vor, nur noch einmal Banknoten zu drucken, solche von 1000 Franks, für die er die Platten bereits fertig hatte. „Das war am Abend, bevor die Polizei nachts uns überfiel. „Wir stellten 300 Stück her; Chevallier nahm sie mit sich. Wir nahmen noch nm selben abend die Maschine auseinander und vergruben sie im Garten zwischen den Bänmen, nachdem wir die einzelnen Teile soviel als möglich unkenntlich gemacht hatten. „Das ganze Gewölbe räumten wir aus und entfernten jede Spur bis auf den kleinsten Tropfen Oel am Boden. „Dann schütteten wir den Eingang zu, damit nicht ein hohler Klang die Stelle verrate, und mauerten die Steinfliesen darauf. „Wir wollten nach Verkauf der Möbel, Pferde usw. verschwinden. „Jeder von uns erhielt einen Scheck auf das Bankhaus Leeds u. Co. New-Mork in der Höhe unseres Verdienstes, und den sollte jeder entweder im Auslande versilbern oder selbst drüben präsentieren. „Ich weiß," schloß Hanser, „daß ich mit meinem Geständnis meine Kameraden ins Unglück bringe; vielleicht hätte ich geschwiegen , aber den Tod meines Bruders kann ich keinem verzeihen. „Am meisten hasse ich Fevier, der mich von Anfang an ans das Roheste geguält hat. Er wnßtc ja, daß ich schweigend alles erdulden mußte. Erst schützten mich die andern, nachher waren auch sie gegen mich mein Leben ward zur Hölle! Und alles nur wegen Adolf." 17. Man grub die Maschine ans. Hinter Chevallier alias Fabier erließ man einen Steckbrief — das waren die nächsten Schritte der Staatsanwaltschaft. Es dauerte aber noch ziemlich lange, bis man von Chevallier Knude erhielt. Er hatte mit der ihm angetranten Anna von Schelder eine Hochzeitsreise unternommen, die sehr weit ging. In Singapore wechselte er bei einem kleinen Bankier eine Anzahl Scheine um, die der Mann anstandslos anuahm. Als aber nachher ein Angestellter des Geschäfts, ein geborener Belgier, die Banknoten sah, stiegen ihm Zweifel an der Echtheit auf. Das Papiergeld wurde dem belgischen Konsul vorgelegt.« Doch dieser iah es gar nicht an, sondern frug, wie der Fremde, der es um gewechselt habe, anssah. Dabei suchte er den Steckbrief hervor, der ihm vor kurzem amtlich mitgeteilt worden Ivar. Fabier war verloren. Im Begriffe weiterznreiscn, ward er verhaftet. Als Gefangener setzte er einige Wochen später seinen Fuß in Antwerpen ans Land. Er war während der Reise erkrankt. Seit Jahren nervenleidend, vernichtete der furchtbare Schicksals schlag die Kraft seines Herzens. Wegen der Wassersucht, die ihn befallen hatte, ward er in ein Hospital gebracht. Sein Verbrechen gestand er ein. Soden wurde nach Antwerpen gesandt, um die protokollarisch festgestellten Aussagen in Empfang zu nehmen, und wenn nötig, durch direktes Verhör mit Fabier zu ergänzen. Als der todkranke Chevallier den deutschen Kriminalbeamten an seinem Krankenlager erblickte, flackerte noch einmal in ihm der Cynismus des brutalen Verbrechers ans. Wie ein giftiges Insekt, zertreten und vernichtet, noch den Stachel gegen den Ueberwinder zuckt, so versuchte Chevallier Soden nach Kräften zu kränken. „Ihnen wenigstens war ich entkommen, Sie Spürhund und Nachläufer! Was wollen Sie noch von mir? — Auskünfte? — Nutzt Ihnen nichts! Bald bin ich frei, auch wenn Ihr alle mich mit Stahlkettcn fesselt!" „Ja, wenn Sie den Tod für Ihren Befreier halten." „Das meine ich. — Welche Sehnsucht treibt Sie also zu mir her, Spitzel?" „An Ihrem Geständnis fehlt noch manches. Wie zum Beispiel starb Adolf Rieder?" „Ei, ei! Also das wissen Sie noch nicht, Sie alles wissender Schlaukopf?" „Ich nehme an, daß Sie ihn ermordeten." „Ach warum nicht gar! Diese Perle von einem Kretin!" „Von Ihrer Gefühlsroheit bin ich nnn genügend überzeugt, Fabier. Sparen Sie sich also unnütze Worte. Wollen Sie den Tod des -Ihnen damals so lästigen Zeugen ausklären oder nicht?" „Ja, wenn Sie das so sehr interessiert." „Also wie war es?" „Fevier erfahr von Felber, — Sie wissen ja: „der zweite Kammerdiener" — wie uns Adolf Ihrem Spitzel fast verraten hatte, und sagte mir, Adolf müsse beseitigt werden. Ich wollte nichts davon wissen. Nicht etwa, verehrter Herr Kommissarius — das sind Sie ja wohl jetzt, he? — daß mich das Opfer eines Menschen lebens abgeschreckt hätte; nein, es war etwas anderes: Einen Mann hätte ich selbst umgebracht, einen Spitzel wie Sie sogar mit Wonne, doch so ein junges Blut, ein so armselig Biirschlein, so dumm noch und so hündisch ergeben, der tat mir wirklich leid. Fevier aber drängte, die anderen auch, schon wollte ich nachgeben, da dachte ich an Johann, wie der es ertragen würde, und auch der tat mir leid." „Aber gehetzt " Chevallier richtete sich mühsam im Bette auf und knirschte vor Wnt — „gehetzt von den anderen, gehetzt von der Polizei, rief ich schließlich der Bestie, dem Fevier, zn: tut, was Ihr wollt, nur macht mir Johann, der so sehr an seinem Halbbruder hängt, nicht rasend. Der alte Teufel, der Schlächter, Fevier meine ich, der auch Eueren Kollegen erschlug, teilte mir seinen Plan mit. Er wurde exakt ausgesührt, so exakt wie Ihr dort zu Lande den armen Teufeln die Hälse abschlägt. Also geben Lie acht, Herr Polizist, davon könntet Ihr noch was lernen. Der alte Schinder gab den. Jungen Schnaps. Dann schwindelte er ihm vor, ich hätte erfahren, daß er mit dem Heu abladenden Polizisten geschwätzt habe und wolle ihn am anderen Tage deswegen anspeitschen lassen. Da es ihm — ich meine den Satan, also den Fevier so leid täte — denken Sie nur! „leid täte", ihn morgen prügeln zu müssen — was der Schinder von Herzen gern getan hätte, da er Adolf tödlich haßte — so solle Adolf einfach fliehen und zwar zn einem Bekannten von Fevier. Damit sein Herr — also ich, Herr von und zn Loden — ihn nicht zurückholen lasse, solle er ein Briefchen an mich schreiben des Inhaltes, er nähme sich das Leben. Tann sagte Fevier Plötzlich zu dem Jungen, das sei ja dumm, das werde der gnädige Herr nicht glauben,-denn niemand nähme sich das Leben ohne Grund. Man müsse also noch einen Grund erfinden. Und dann schlug er vor, das mit den Einbrechern zu schreiben. Fevier setzte hinzu, ich würde den angeblichen Selbstmord schon glauben und nicht nach ihm forschen, schon wegen Johann, der bitten würde, cs nicht zu tun, damit auf ihn, den Bruder, keine Schande falle. Das alles sagte Fevier, der behauptete, er sei von Johann beauftragst ihm das zn sagen. Deshalb sei er auch vom Theater zurückgekchrt, bevor ich nach Hause käme. War Adolf schon dumm, so machte ihn der Schnaps noch dümmer. Während der Junge, der aus Furcht vor Prügel auf alles einging, die letzten Worte des Briefes schrieb, brachte ihm Fevier eine weitere Portion Schnaps, der mit absolutem Alkohol gemischt war. Der alte Teufel füllte dem Jungen das Trinkglas bis oben voll und ö1*